23.11.2010 | Entscheidungen von Obergerichten
Pflichtgemäße Kenntnis des Steuerberaters von gerichtlichen Entscheidungen
von Oberstaatsanwalt Raimund Weyand, St. Ingbert
Ein Steuerberater braucht eine nicht mit einem Leitsatz versehene Entscheidung des Bundesfinanzhofs, die lediglich in einer nicht amtlichen Entscheidungssammlung, aber in keiner der einschlägigen allgemeinen Fachzeitschriften abgedruckt wurde, vorbehaltlich anderer Hinweise nicht zu kennen (BGH 23.9.10, IX ZR 26/09, Abruf-Nr. 103515). |
Sachverhalt
Der Kläger, der Geldspielautomaten betrieb, verlangt von seinem früheren Steuerberater Schadenersatz wegen angeblicher Falschberatung im Zusammenhang mit der Umsatzsteuerpflicht dieser gewerblichen Tätigkeit. Das OLG hatte die Klage insgesamt abgewiesen. Der BGH hob diese Entscheidung jetzt aufgrund einzelfallbezogener Umstände teilweise auf und verwies die Sache zurück. Das Gericht macht in dem Urteil aber grundlegende Ausführungen zu den Pflichten steuerlicher Berater, Entscheidungen der Fachgerichtsbarkeit zu kennen und umzusetzen.
Entscheidung
Wegen der richtungweisenden Bedeutung höchstrichterlicher Entscheidungen hat sich der Berater bei der Wahrnehmung seines Mandats grundsätzlich an dieser Rechtsprechung auszurichten. Maßgeblich ist die jeweils aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung im Zeitpunkt ihrer Inanspruchnahme. Hierbei darf der Berater in der Regel auf deren Fortbestand vertrauen, weil von einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen abgewichen wird. Ebenso darf ein Steuerberater grundsätzlich auf die Verfassungsmäßigkeit des von der Steuerverwaltung angewendeten Steuergesetzes bauen. Die Verwaltung hat Gesetze trotz bestehender Zweifel an deren Verfassungsmäßigkeit anzuwenden. Gleiches gilt für die mit dem Steuerfall befassten Gerichte.
Erst wenn ein Gericht von der Verfassungswidrigkeit einer entscheidungserheblichen Norm überzeugt ist, hat es das Verfahren auszusetzen und nach Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des BVerfG einzuholen. Bloße verfassungsrechtliche Zweifel berechtigen noch nicht zu einer solchen Vorlage. Danach kann sich nur ausnahmsweise die Pflicht des Beraters ergeben, auf eine mögliche Verfassungswidrigkeit eines bislang als verfassungsgemäß behandelten Steuergesetzes hinzuweisen. Der Steuerberater, der mit der Prüfung eines Steuerbescheides beauftragt ist, muss mit seinem Mandanten die Möglichkeit eines Einspruchs wegen möglicher Verfassungswidrigkeit des anzuwendenden Steuergesetzes nicht erörtern, solange keine entsprechende Vorlage eines FG an das BVerfG veröffentlicht ist oder sich ein gleich starker Hinweis auf die Verfassungswidrigkeit der Besteuerung aus anderen Umständen, insbesondere einer in ähnlichem Zusammenhang ergangenen, im BStBl veröffentlichten Entscheidung des BVerfG ergibt (grundlegend BGH 6.11.08, IX ZR 140/07, DStR 09, 450).
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