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  • 23.02.2011 | Fristablauf

    Vertrauen in Postlaufzeiten geschützt

    von Oberstaatsanwalt Raimund Weyand, St. Ingbert

    Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe dürfen grundsätzlich davon ausgehen, dass an einem Werktag aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden (BGH 21.10.10, IX ZB 73/10, Abruf-Nr. 103973)

     

    Sachverhalt

    Ein am Tag vor Fristablauf zur Post gegebener Fristverlängerungsantrag ging mit einem Tag Verspätung beim zuständigen OLG ein. Die zuvor eingelegte, aber nicht innerhalb der regulären Frist begründete, Berufung wurde deswegen verworfen. Einen Wiedereinsetzungsantrag lehnte das Gericht ab. Zu Unrecht, wie der BGH jetzt feststellte.  

     

    Entscheidung

    Ein Rechtsmittelführer darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass im Bundesgebiet werktags aufgegebene Postsendungen am folgenden Arbeitstag ausgeliefert werden. Ohne konkrete Anhaltspunkte muss ein Rechtsmittelführer nicht mit Postlaufzeiten rechnen, die eine ernsthafte Gefahr für die Einhaltung der laufenden Frist bedeuten würden. Wird ein entsprechender Schriftsatz am Tag vor Fristablauf vor der Postleerung in den Briefkasten eingeworfen, kann der Rechtsmittelführer von einem fristgemäßen Eingang bei Gericht ausgehen. Ausnahmen gelten nur, wenn Postlaufverzögerungen offenkundig im Raum stehen, z.B. bei angekündigten Streiks im Postdienst oder bei besonders widrigen Witterungsverhältnissen, die sich ersichtlich auch auf die Postbeförderung auswirken.  

     

    Praxishinweis

    Der BGH bestätigt mit dem Beschluss seine ständige Rechtsprechung. Er weist allerdings ergänzend darauf hin, dass im Rahmen des Antrags alle eine Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden müssen, z.B. durch eidesstattliche Versicherungen der mit der Sache betrauten Mitarbeiter. Hierzu gehört eine aus sich heraus verständliche geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus denen sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen die eingetretene Säumnis beruht. Alle Tatsachen, die für die Wiedereinsetzung von Bedeutung sein können, muss der Antragsteller grundsätzlich innerhalb der Antragsfrist vortragen (§§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 1 ZPO). Erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben dürfen jedoch auch nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden. Im Streitfall hatte der Berufsangehörige erst erklärt, die Sendung sei „gegen 16.40 Uhr“ zur Post gegeben worden, während in einer eidesstattlichen Versicherung der hiermit beauftragten Angestellten nur die Zeitangabe „abends“ auftauchte. Auch war anfangs nicht explizit der Zeitpunkt mitgeteilt worden, zu dem der Briefkasten geleert worden war. Eine Ergänzung dieser Informationen hätte das Berufungsgericht aber, so der BGH, vor seiner Entscheidung noch zusätzlich anfordern müssen. Weil dies nicht erfolgte, war die Wiedereinsetzung angesichts der später doch noch vorgelegten ergänzenden Angaben zu gewähren.