24.11.2009 | Verstoß gegen die Beratungspflicht
Pflichten des Steuerberaters bei möglicher Änderung der Rechtsprechung
von OStA Raimund Weyand, St. Ingbert
Der Steuerberater darf sich nicht blind auf die Fortdauer einer höchstrichterlichen Rechtsprechung bzw. das Fortbestehen der aktuellen Gesetzeslage verlassen. Er muss deren Entwicklungen und insbesondere die Hinweise eines obersten Gerichts auf die Möglichkeit einer Rechtsprechungs- oder Gesetzesänderung berücksichtigen. Bei hinreichend deutlichen Anzeichen im Beratungszeitpunkt ist der Berater verpflichtet, auf eine bereits absehbare bestimmte Entwicklung hinzuweisen und gegebenenfalls Steuerbescheide anzugreifen. Anderenfalls macht er sich schadenersatzpflichtig (LG Paderborn 8.5.09, 2 O 399/08, Abruf-Nr. 093115). |
Sachverhalt
Ein Unternehmen, das Spielhallen betrieb und Glücksspielautomaten aufstellte, verlangte von seiner früheren Steuerberaterin Schadenersatz für zuviel gezahlte USt. Begründet wurde dies damit, dass die Berufangehörige auf Entscheidungen des EuGH und Änderungen der Rechtsprechung des BFH zur Umsatzsteuerpflicht bei Glücksspielen nicht bzw. zu spät reagiert und deswegen entsprechende Steuerbescheide nicht rechtzeitig angegriffen habe. Das LG verurteilte die Beraterin antragsgemäß.
Hintergrund der Entscheidung
Gewinne aus dem Betrieb von Geldspielautomaten wurden bis zum Jahr 2005 nach allgemeinen Grundsätzen der USt unterworfen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Lediglich Umsätze aus öffentlichen Spielbanken waren steuerbefreit (§ 4 Nr. 9b UStG a.F.). Schon 1998 hatte der EuGH entschieden, dass auch unerlaubtes Glücksspiel in den Anwendungsbereich der Richtlinie 77/388/EWG der Europäischen Gemeinschaft vom 1.5.77 fällt und nicht besteuert werden darf, wenn das gleiche Glücksspiel in einer öffentlichen Spielbank steuerfrei ist (EuGH 11.6.98, C-283/95, DStRE 98, 490). Gleiches sollte für Umsätze aus Geldspielautomaten gelten, wenn sie bei Spielbanken nicht der USt unterworfen werden; die EG-Richtlinie entfalte hier unmittelbare Wirkung für Automatenaufsteller (EuGH 17.2.05, C-462/02, DStR 05, 371). Der BFH hatte sich diesen Auffassungen schon früh in mehreren Entscheidungen angeschlossen (BFH 30.11.00, V R 7/02, DStR 01, 126; BFH 12.5.05, V R 30/00, DStR 05, 1407) und auch einen entsprechenden Vorlagebeschluss an den EuGH erlassen (BFH 6.11.02, V R 7/02, DStRE 03, 179).
Entscheidungsgründe
Nach Auffassung des LG hätte die Beklagte spätestens nach dem Vorlagebeschluss des BFH vom 6.11.02 (a.a.O.) Rechtsmittel gegen die USt-Bescheide des Finanzamts einlegen müssen, um so mögliche Nachteile von ihrer Mandantin abzuwenden. Ihr gegenteiliges Verhalten war pflichtwidrig. Daher muss sie dem Unternehmer die letztlich zu Unrecht festgesetzte USt entschädigen.
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