01.09.2006 | Zurückbehaltungsrecht
Insolvenzverwalter – Berufung auf Zurückbehaltungsrecht kann für Steuerberater teuer werden
Anträge von vorläufigen Insolvenzverwaltern auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Steuerberater des Schuldners sind immer wieder Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten, wenn der Steuerberater sich gegenüber dem Herausgabeanspruch des Verwalters auf sein gesetzliches Zurückbehaltungsrecht wegen offener Honorarforderungen beruft. In einem aktuellen Beschluss vom 3.3.06 hat das LG Berlin einem solchen Antrag stattgegeben. Es stellt sich die Frage, ob dem Steuerberater die Berufung auf sein Zurückbehaltungsrecht im Fall eines vorläufigen Insolvenzverfahrens überhaupt empfohlen werden kann (LG Berlin 3.3.06, 28 O 92/06, ZIP 06, 962). |
Sachverhalt
Das AG Charlottenburg hatte über das Vermögen der Schuldnerin das vorläufige Insolvenzverfahren angeordnet. Der Insolvenzverwalter (Antragsteller) wurde mit einem Gutachten darüber beauftragt, ob die Schuldnerin zahlungsunfähig oder überschuldet ist, ob Zahlungsunfähigkeit droht, welche Aussichten für die Fortführung des schuldnerischen Unternehmens bestehen und ob das Vermögen zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens ausreicht (§ 5 Abs. 1 InsO). Darüber hinaus wurde der Schuldnerin ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt und die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Antragsteller übertragen, der seither als „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter fungiert. Er forderte den Steuerberater der Schuldnerin auf, die auf seinem Rechner gespeicherten Finanzbuchführungsdaten der Schuldnerin herauszugeben. Unter Hinweis auf rückständige Honorarforderungen über 4.419,85 EUR verweigerte der Steuerberater die Herausgabe und stimmte auch der Übertragung der im Rechenzentrum der DATEV gespeicherten Lohnbuchführungsdaten nicht zu. Daraufhin kündigte der Antragsteller das Mandatsverhältnis zwischen der Schuldnerin und dem Steuerberater in seiner Eigenschaft als „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter fristlos. Er forderte den Steuerberater erneut unter Fristsetzung zur Datenübertragung auf. Seine fehlende Reaktion führte zur gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs.
Anmerkungen
Das LG Berlin hat dem Antrag vollumfänglich stattgegeben und dem Steuerberater – bei einem festgesetzten Gegenstandswert von 10.000 EUR – die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens auferlegt. Nach der fristlosen Kündigung durch den „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter, ergibt sich der Herausgabeanspruch aus §§ 667, 675 BGB. Nach Auffassung der Richter kommt dem vorläufigen Insolvenzverwalter keine andere Rechtsstellung als dem Verwalter im eröffneten Insolvenzverfahren zu. Ein Zurückbehaltungsrecht an dem Datenbestand steht dem Steuerberater auch dann nicht zu, wenn es zutrifft, dass er Honoraransprüche in Höhe von 4.419,85 EUR gegenüber der Schuldnerin hat. Das Gericht macht sich insoweit die Ausführungen des Antragstellers in der Antragsschrift zu eigen. Unter Hinweis auf ältere Gerichtsentscheidungen hatte der Antragsteller ausgeführt, dass die streitgegenständlichen Daten aus der Geschäftsbesorgung „erlangt“ (§ 667 BGB) waren und somit der Herausgabepflicht unterliegen.
Das Gericht bejahte auch die Erforderlichkeit der beantragten Eilmaßnahme (Verfügungsgrund, § 935 ZPO), da der Antragsteller ohne die geforderten Daten den ihm vom Insolvenzgericht auferlegten Verpflichtungen nicht nachkommen kann. Zur Wahrung der Interessen der Insolvenzgläubiger ist die Sicherung und Übertragung der Daten auf elektronischem Wege erforderlich, auch wenn dadurch endgültige Verhältnisse geschaffen würden.
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