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  • · Fachbeitrag · Elektronischer Rechtsverkehr

    Seit 1.1.23 ist die Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) auch für Steuerberater relevant

    von Anna-Lena Kalb, Fulda

    | Die ERVV soll einheitliche Rahmenbedingungen für die elektronische Kommunikation mit den Gerichten der Länder und des Bundes schaffen. Sie trat bereits am 1.1.18 in Kraft und wirkt sich mit der verpflichtenden Nutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) ab dem 1.1.23 auch auf die digitale Berufspraxis der Steuerkanzleien aus. Dieser Beitrag untersucht den Einfluss der Verordnung auf die digitale Kommunikation zwischen Steuerberatern und Gerichten und erläutert die damit verbundenen technischen Rahmenbedingungen. |

    Aufbau und wesentlicher Inhalt

    Der Anwendungsbereich der „Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung ‒ ERVV)“ ist weit gefasst und viele Einzelgesetze und Verordnungen berufen sich auf sie ‒ so auch die Finanzgerichtsordnung (§ 52a Abs. 2 FGO). Steuerberater zählen damit unmittelbar zum Adressatenkreis der ERVV.

     

    Die ERVV ist in vier Kapitel untergliedert:

     

    • Allgemeine Vorschriften
    • Technische Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs
    • Besonderes elektronisches Behördenpostfach
    • Schlussvorschrift

     

    Beachten Sie | Von besonderer Bedeutung für den steuerberatenden Berufsstand sind die Regelungen des zweiten Kapitels, in dem die technischen Rahmenbedingungen für die Einreichung elektronischer Dokumente bei den Gerichten festgelegt sind. Hierzu zählen insbesondere die Formate der elektronischen Dokumente, die Anforderungen an strukturierte Datensätze und die Übermittlung elektronischer Dokumente mit qualifizierter elektronischer Signatur.

     

    Um mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten, werden die aktuellen Standards jährlich vom Bundesministerium der Justiz (BMJ) mit der ERVB veröffentlicht (vgl. www.justiz.de ‒ Bekanntmachungen). Die derzeit gültige ERVB 2022 wurde am 18.2.22 im Bundesanzeiger veröffentlicht (vgl. BAnz AT 18.2.22 B2).

     

    • Exkurs: ERVV und die beSt-Nutzungspflicht seit 1.1.23

    Bislang konnten Steuerberater Revisionen, Nichtzulassungsbeschwerden, sonstige Rechtsbehelfe, Anträge und Prozesserklärungen noch außerhalb des elektronischen Rechtsverkehrs per Briefpost oder Fax an die Gerichte versenden. Doch diese Möglichkeit entfällt mit der Zurverfügungstellung des beSt.

    Seit dem Jahreswechsel 2022/2023 werden sukzessive alle Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften mit einem Registrierungsbrief durch die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) dazu aufgefordert, die Erstanmeldung am beSt vorzunehmen. Notwendig hierfür sind neben dem Registrierungsbrief ein gültiger Personalausweis mit Online-Ausweisfunktion (Online-Ausweis) und ein Kartenlesegerät als erforderliche Hardwarekomponente für die Datenübermittlung. Die Berufsangehörigen unterliegen ab Zugang des Registrierungsbriefs der mit dem beSt verbundenen aktiven Nutzungspflicht. Diese verfahrensrechtliche Verpflichtung ist in § 52d S. 2 FGO verankert und besteht für alle Berufsträger (vgl. FAQ der BStBK, S. 10 ff.).

     

    Anforderungen an elektronische Dokumente

    Grundsätzlich sind elektronische Dokumente im Dateiformat PDF zu übermitteln. Wenn bildliche Darstellungen (z. B. aufwendige Grafiken, Planzeichnungen, Fotos) im PDF-Format nicht verlustfrei wiedergegeben werden können, darf das elektronische Dokument zusätzlich im Dateiformat TIFF übermittelt werden.

     

    • ERVB: Dateiversionen, die bis mind. 31.12.22 zulässig sind

    PDF-Format:

    TIFF-Format:

    PDF 2.0, PDF/A-1, PDF/A-2, PDF/UA

    TIFF Version 6

     

    Neben den Dateiformaten und -versionen, werden mit der ERVB 2022 auch Eigenschaften der elektronischen Dokumente festgelegt, die für eine funktionierende digitale Kommunikation zwischen Steuerberater und Gerichten bedeutend sind.

     

    • ERVB: Konventionen für Dateinamen
    • Zeichenlänge: maximal 90 Zeichen (einschließlich der Dateiendungen)
    • Erlaubte Zeichen: Buchstaben des deutschen Alphabets, einschließlich der Umlaute (ä, ö, ü) und ß, Ziffern, Unterstrich und Minus, Punkte zur Abtrennung von Dateiname und -endung.
    • Inhalt: Dateinamen sind grundsätzlich so zu wählen, dass sie schlagwortartig den Inhalt des elektronischen Dokuments zusammenfassen.
     

    Hinsichtlich des Versands von Dateien sind folgende Konventionen zu beachten:

     

    • ERVB: Konventionen für den Dateiversand
    • Keine Dateikomprimierung: Eine komprimierte Übermittlung elektronischer Dokumente im ZIP-Dateiformat ist ausgeschlossen.
    • Keine Passwörter, Scripte: Ebenfalls zur Bearbeitung ungeeignet sind elektronische Dokumente, die durch ein Kennwort geschützt sind oder Scripts, wie z. B. JavaScript, beinhalten.
    • Die zu versendenden Dokumente durchnummerieren: Bei mehreren elektronischen Dokumenten soll durch das Voranstellen einer Nummerierung eine einfache Zuordnung ermöglicht werden (01, 02 etc.)
    • Ergänzen um XML-Metadaten: Zudem wird der Nachricht ein strukturierter maschinenlesbarer Datensatz im Dateiformat XML beigefügt, der nachfolgende Angaben enthält:
      • Bezeichnung des Gerichts
      • Aktenzeichen des Verfahrens (sofern bekannt)
      • die Bezeichnung der Parteien oder Verfahrensbeteiligten
      • die Angabe des Verfahrensgegenstands
      • Aktenzeichen eines denselben Verfahrensgegenstand betreffenden Verfahrens und die Bezeichnung der die Akten führenden Stelle (sofern bekannt)
     

    Darüber hinaus unterliegen auch die Anzahl und das Volumen elektronischer Dokumente in einer Nachricht verschiedenen Restriktionen, die nachfolgend veranschaulicht werden:

     

    • ERVB: Versand-Höchstmengen

    1.4.22 bis 31.12.22

    1.1.23 bis 31.12.23

    max. 200 Dateien mit zusammen 100 Megabyte

    max. 1.000 Dateien mit zusammen 200 Megabyte

     

    Sind die bei Gericht einzureichenden Unterlagen mit umfangreichen Anlagen und Gutachten verbunden, können die o. g. Höchstgrenzen überschritten werden. Sodann dürfen die elektronischen Dokumente auf einem physischen Datenträger (derzeit und bis 31.12.22: DVD, CD) übermittelt werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass eine Überschreitung der zulässigen Dokumentenanzahl oder des zulässigen Dateivolumens auch durch eine mögliche Aufteilung des Dateiinhaltes auf mehrere Dateien nicht vermieden werden kann und dies glaubhaft gemacht wird.

     

    In der Begründung des Regierungsentwurfs der ERVV wird darauf hingewiesen, dass es dieses Vorgehen den Gerichten ermöglicht, auch große Dokumente in elektronischer Form weiterzuverarbeiten und zu der elektronischen Akte zu nehmen. Diese Prozessdigitalisierung berücksichtigt auch die in dem Regierungsentwurf der ERVV aufgezeigten Nachhaltigkeitsaspekte, da mit der Förderung der elektronischen Kommunikation auch ein reduzierter Papierverbrauch und ein schonender Ressourcenumgang einhergeht. Mit Blick auf die Umweltbilanz bleibt zu wünschen, dass ein Ausdruck der Unterlagen und eine physische Ablage im Aktenordner in der Praxis tatsächlich unterbleibt und eine digitale Weiterverarbeitung erfolgt.

    Elektronische Übermittlung in ungeeigneter Form

    Ist ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet, ist dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs gemäß § 52a Abs. 6 FGO (§ 130a Abs. 6 ZPO) unverzüglich mitzuteilen. Das Dokument gilt als zum Zeitpunkt der früheren Übermittlung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich im geeigneten Dateiformat nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt.

     

    • Unterbliebener Hinweis ‒ Wiedereinsetzung (BFH 5.6.19, IX B 121/18)

    Eine über das beA versandte Datei enthielt technisch unzulässige Zeichen (Umlaute und Sonderzeichen) in der Dateibezeichnung. Die Nachricht konnte deshalb nicht dem BFH zugestellt werden, sondern wurde in ein Verzeichnis für „korrupte“ Nachrichten verschoben. Auf dieses Verzeichnis hat der BFH weder Zugriff, noch ist er von dem Vorgang benachrichtigt worden, sodass ein Hinweis nach § 52a Abs. 6 FGO nicht erteilt werden konnte. Der Nachrichtenabsender enthielt die Mitteilung, dass die Nachricht erfolgreich versandt und zugegangen sei. In der Folge wurde die Begründungsfrist zwar versäumt, allerdings jedoch von Amts wegen eine Wiedereinsetzung nach § 110 AO gewährt. Mit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist die versäumte Handlung innerhalb der vorgeschriebenen Frist von einem Monat nachzuholen. Abweichend von § 110 Abs. 2 AO beträgt die Frist im finanzgerichtlichen Verfahren nur zwei Wochen (§ 56 Abs. 2 FGO).

     

    Anforderungen an die Signatur

    Nach § 52a Abs. 3 FGO (§ 130a Abs. 3 ZPO) gilt: Ein elektronisches Dokument muss entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg (§ 52a Abs. 4 FGO/§ 130a Abs. 4 ZPO; das beSt ist ein sicherer Übermittlungsweg!) eingereicht werden. Die Regelungen der ERVV zur Übermittlung elektronischer Dokumente mit qualifizierter Signatur haben für Steuerberater damit keine unmittelbare Auswirkung, da ihnen ja ein sicherer Übermittlungsweg zur Verfügung steht.

     

    Die einfache Signatur i. S. d. § 130a Abs. 3 S. 1 Alt. 2 ZPO meint die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes, beispielsweise bestehend aus einem maschinenschriftlichen Namenszug unter dem Schriftsatz oder einer eingescannten Unterschrift. Nicht genügend ist das Wort „Rechtsanwalt“ ohne Namensangabe.

     

    FAZIT | Mit der Errichtung des beSt ab dem 1.1.23 unterliegen alle Berufsträger der aktiven Nutzungspflicht in der elektronischen Kommunikation mit den Gerichten. Die mit der ERVV festgeschriebenen technischen Rahmenbedingungen und Anforderungen an elektronische Dokumente sind ab diesem Zeitpunkt von allen Kommunikationsbeteiligten einzuhalten. Die einheitlichen Regelungen tragen zu einer Rechts- und Verwaltungsvereinfachung bei und fördern die elektronische Kommunikation innerhalb des EGVP-Verbunds. Die Berufsangehörigen sind aufgerufen, sich mit den Regelungsbereichen der ERVV vertraut zu machen und die aktuellen Entwicklungen auf Basis der ERVB im Blick zu behalten, sodass die digitale Kommunikation zwischen Steuerberatern und Gerichten nach dem Jahreswechsel 2022/ 2023 reibungslos verläuft und dem Beratungs- und Mandantenanspruch gerecht wird.

     
    Quelle: Ausgabe 01 / 2023 | Seite 10 | ID 48652678