Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Wettbewerbsrecht, Teil 2

    Wettbewerbsverbote für (freie) Mitarbeiter mit Berechtigung zur Hilfeleistung in Steuersachen

    von Dipl.-Kfm., Wirt.-Ing. Wolfgang Wehmeier

    | Angestellte Steuerberater, die mit den Arbeitsverhältnissen unzufrieden sind, stellen das größte Risikopotenzial hinsichtlich einer späteren Konkurrenz für den ehemaligen Arbeitgeber dar. Insbesondere unternehmerisch begabte und ambitionierte Nachwuchskräfte streben mittel- bis langfristig in die Selbstständigkeit. Das Abwerben von persönlich betreuten Mandanten wird, da der Mandantenstamm kein geschütztes Rechtsgut ist, spätestens zum Zeitpunkt des Ausscheidens zum Problem. Hier können wirksame Wettbewerbsverbote Abhilfe schaffen. |

    Mandantenstamm unterliegt nicht dem Bestandsschutz

    Der Mandantenstamm als wesentlicher Praxiswert ist kein geschütztes Rechtsgut und unterliegt keinem Bestandsschutz. Das Abwerben von Kunden gehört zum Wesen des Wettbewerbs, auch wenn die Kunden noch an den Mitbewerber gebunden sind (BGH 8.11.01, I ZR 124/99, NJW-RR 02, 1193; 19.11.65, Ib ZR 122/63, GRUR 66, 263) und sogar dann, wenn es zielbewusst und systematisch - also planmäßig - geschieht (BGH 27.2.86, I ZR 210/83, NJW 86, 2053).

    Nur unlauteres Verhalten ist berufswidrig

    Das LG Essen war noch der Meinung, dass ein Steuerberater weder selbst noch mithilfe eines übergewechselten Steuerfachgehilfen Mandanten von dessen früherem Arbeitgeber abwerben darf (LG Essen 10.6.02, 16 O 84/02, INF 02, S. III). § 19 der Berufsordnung für Steuerberater (BOStB) sieht nicht jede Maßnahme als berufswidrig an, die darauf gerichtet ist, einen anderen Steuerberater aus einem Auftrag zu verdrängen.

     

    Unlauter ist insbesondere

    • eine Abwerbung von Mandanten unter Verwendung rechtswidrig beschaffter Adressdaten,
    • ein Zusammenwirken mit einem Mitarbeiter eines anderen Steuerberaters, der während seines Beschäftigungsverhältnisses Mandanten seines Arbeitgebers abwirbt.

     

    § 19 BOStB erscheint angesichts der Rechtsprechung als stumpfes Berufs-rechtsschwert. Die oben ausgewiesenen Fälle dürften in der Praxis eine untergeordnete Rolle spielen. Der rechtswidrigen Beschaffung von Adressdaten bedarf es real nicht mehr. Der legale Ankauf von Adressen potenzieller Mandanten von den IHK’s für rd. 100 EUR - wahlweise sortiert nach Branche oder Rechtsform - macht es möglich. Darüber hinaus sind alle Werbeformen an die zu Umwerbenden zulässig, die üblich, angemessen oder nicht übertrieben sind.

     

    Eine Berufswidrigkeit setzt das Abwerben durch unlautere Methoden voraus. Keine unlautere Methode ist bspw. ein Rundschreiben an Mandanten des bisherigen Arbeitgebers mit der Mitteilung des neuen Geschäftssitzes und dem bloßen Anbieten der Beratung (OLG Düsseldorf 26.9.02, 2 Ws 184-185/02, Stbg 03, 583). Ebenso dürfen ehemalige Angestellte nach eigener Praxisgründung mit einem Anschreiben an die Mandanten dem „bisherigen Arbeitgeber Konkurrenz machen und in seinen Kundenstamm eindringen“ (LAG Köln 14.4.08, 5 Sa 413/08, Abruf-Nr. 090132; OLG Celle 28.10.70, I StO 2/70, DStR 72, 188).

     

    Bemerkenswert ist, mit welcher Begründung das LAG Düsseldorf den freien Wettbewerb stützt: „Denn ein Steuerberater kann gerade in der ersten Zeit seiner Selbstständigkeit wirtschaftlich auf die Honorare der nunmehr von ihm betreuten Mandanten seines früheren Arbeitgebers angewiesen sein“ (LAG Düsseldorf 28.6.01, 11 Sa 532/01, DB 02, 150; Revision BAG 7.8.02, 10 AZR 586/01, KP 03, 37).

     

    Gestattet ist jede Form der Konkurrenz, auch wenn sie die unternehmerischen Interessen des Arbeitgebers hart trifft. Diesen gravierenden Folgen kann der Arbeitgeber nur durch die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots gemäß § 74 HGB entgehen. Dabei gilt der Grundsatz der bezahlten Karenz, d.h., ohne finanziellen Ausgleich ist eine spätere Konkurrenz des Arbeitnehmers nicht zu verhindern.

    Freie Mitarbeiter

    Für Berufsangehörige, die in freier Mitarbeit beschäftigt werden, gilt das zuvor Gesagte. Abweichend hiervon wirken aber die tendenziell geringeren oder ganz fehlenden persönlichen Kontakte zu den Mandanten stabilisierend auf die Mandatsbeziehung zum Auftraggeber. Häufig erfahren die Mandanten gar nicht, wer die Jahresabschlüsse oder andere Arbeiten erledigt hat. Bei fachlich notwendigen persönlichen Kontakten wird dieser Personenkreis sich aber selbst „gut verkaufen“ können. Die wechselnden Auftraggeber mit unterschiedlichen Anforderungsprofilen setzen eine hohe Flexibilität und überzeugendes Verhandlungsgeschick voraus, um wirtschaftlich dauerhaft erfolgreich sein zu können.

     

    FAZIT |  Die arbeits- und zivilrechtliche Rechtsprechung bestätigt den freien Wettbewerb. Bestandsschutz für Praxen gibt es nicht. Die Praxisinhaber scheuen häufig aus Kostengründen die Vereinbarung wirksamer Wettbewerbsverbote mit Zahlung von Karenzentschädigungen. Das sollten diese dringend überdenken. Ansonsten bleibt Arbeitgebern mit zur Selbstständigkeit tendierenden Mitarbeitern - hier besonders im Fokus die angestellten Steuerberater - nur die wache Beobachtung und gegebenenfalls vorbeugende erhöhte persönliche Präsenz beim Mandanten.

     

     

    Weiterführende Hinweise

    • „Nebentätigkeitsverbote und nachvertragliche Wettbewerbsverbote in der Steuerberatung“ in KP 09, 28
    Quelle: Ausgabe 07 / 2013 | Seite 114 | ID 39553670