· Fachbeitrag · Finanzgerichtliche Verfahren
Das 2. KostRMoG: Vorab fällige Verfahrensgebühr in Kindergeldsachen?
von Dipl.-Finw. Walter Jost, Rehlingen
| Das zum 1.8.13 in Kraft getretene 2. KostRMoG hat viele Veränderungen mit sich gebracht. Die Gerichtskosten wurden insgesamt angehoben. Da die Erhöhung der Prozesskosten „sozialverträglich“ gestaltet werden sollte, hat der Gesetzgeber vorgesehen, dass der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Mindeststreitwert u.a. in Kindergeldangelegenheiten nicht gelten soll. Was aber bedeutet das für die vorab fällige Verfahrensgebühr? |
Wichtige Änderungen durch das 2. KostRMoG
Besonders hervorzuheben bei den Änderungen durch das 2. KostRMoG ist nicht nur die Anhebung der Gebührenbeträge und die Erweiterung des Streitwertbegriffs in § 52 Abs. 3 S. 2 GKG, wonach die „offensichtlich absehbaren Auswirkungen“ auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte mit in die Streitwertberechnung einfließen, sondern auch die Erhöhung des Mindeststreitwerts von 1.000 EUR auf 1.500 EUR.
Der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Mindeststreitwert soll u.a. in Kindergeldangelegenheiten nicht gelten. Bei dieser wohlgemeinten Regelung ist dem Gesetzgeber jedoch ein eklatanter Fehler unterlaufen, denn bezüglich der vorab fälligen Verfahrensgebühr, die in einem Prozessverfahren vor dem Finanzgericht zu Beginn des Verfahrens fällig ist, entsteht durch die Neuregelung eine Gesetzeslücke - sowohl in Kindergeldangelegenheiten, als auch in den jedoch relativ seltenen Verfahren nach § 155 S. 2 FGO.
Fälligkeit der Gebühren im Allgemeinen
In einem finanzgerichtlichen Prozessverfahren sind die Gebühren gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 GKG mit Einreichung der Klageschrift grundsätzlich in voller Höhe fällig. In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes greift diese Vorschrift nicht, da solche Verfahren begrifflich nicht unter „Prozessverfahren“ fallen. Bei der Erhebung wird in einem Verfahren vor dem Finanzgericht von einer 4,0-fachen Verfahrensgebühr nach der KV-Nr. 6110 GKG, in einem Revisionsverfahren vor dem BFH von einer 5,0-fachen Verfahrensgebühr nach KV-Nr. 6120 ausgegangen. Aber welcher Streitwert ist bei der Berechnung zugrunde zu legen?
Wertfestsetzung unter Zugrundelegung des Mindeststreitwerts
Die in anderen Gerichtsbarkeiten übliche Festsetzung des Streitwerts zu Beginn des Verfahrens durch das Gericht gibt es in finanzgerichtlichen Verfahren nicht. Die Finanzgerichtsbarkeit wird über § 63 Abs. 1 S. 3 GKG von dieser Regelung ausgenommen, da steuerliche Streitwerte i.d.R. nur mit großer Mühe zu errechnen sind. Der Gesetzgeber sieht daher weiterhin vor, dass die Gebühren in einem finanzgerichtlichen Verfahren vorläufig nach dem in § 52 Abs. 4 GKG bestimmten Mindestwert - also 1.500 EUR - zu bemessen sind. Dies führt zu einer Erhebung der vorab fälligen Verfahrensgebühr seitens der Finanzgerichte in Höhe von 284 EUR, seitens des BFH in Höhe von 355 EUR.
Mindestwert gilt nicht in Kindergeldangelegenheiten
Da der Mindeststreitwert aber gemäß § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG u.a. nicht in Kindergeldangelegenheiten gilt, stellt sich zwangsläufig die Frage, wie die vorab fällige Verfahrensgebühr zu bemessen ist. Rechtlich gesehen bietet der Gesetzgeber hierzu keine Lösung an, denn es gibt nur folgende Möglichkeiten:
- Das Finanzgericht verzichtet auf die Erhebung der vorab fälligen Verfahrensgebühr. Folge: Es liegt ein Verstoß gegen § 6 GKG vor, da die Verfahrensgebühr mit Einreichung der Klageschrift fällig wird.
- Das Finanzgericht setzt für die vorab fällige Gebühr auch in Kindergeldangelegenheiten den Mindeststreitwert an. Folge: Es liegt ein Verstoß gegen § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG vor, denn der Mindeststreitwert findet in Verfahren in Kindergeldangelegenheiten keine Anwendung.
- Das Finanzgericht setzt in Kindergeldsachen ausnahmsweise den tatsächlichen Streitwert an. Folge: Es liegt ein Verstoß gegen § 63 Abs. 1 S. 4 GKG vor, wonach die Gebühren vorläufig nach dem Mindestwert anzusetzen sind.
Die Finanzgerichtsbarkeit ist somit in einer misslichen Lage. Es bleibt abzuwarten, welchen Weg die einzelnen Finanzgerichte gehen. Betrachtet man die Komponente der „Sozialverträglichkeit“, müsste man eigentlich zu der ersten Variante tendieren und in Kindergeldangelegenheiten auf die Festsetzung und Erhebung der vorabfälligen Verfahrensgebühr verzichten. Praxistauglich wäre diese Lösung allemal, denn gerade in Kindergeldsachen kommt es zu den meisten Anträgen auf Prozesskostenhilfe und zu den meisten Rückerstattungen (zumindest teilweise) der vorab gezahlten Verfahrensgebühren, was wiederum einen erhöhten Verwaltungsaufwand bedeutet. Man schlägt also zwei Fliegen mit einer Klappe: Man berücksichtigt die soziale Komponente und spart gleichzeitig Verwaltungszeit und -kosten.
Rechtsmittel gegen die Erhebung
Sollte es zu einer Erhebung der vorab fälligen Verfahrensgebühr in Kindergeldangelegenheiten kommen, haben Sie die Möglichkeit, gegen die Kostenrechnung das Rechtsmittel „Erinnerung“ zu erheben. Diese ist nicht fristgebunden, hat jedoch auch keine aufschiebende Wirkung (§ 66 Abs. 7 GKG). In der Regel warten die Gerichtskassen aber die Entscheidung im Erinnerungsverfahren ab. Dies sollte allerdings von Ihnen geklärt werden. Das Erinnerungsverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden im Gegenzug nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG). Gegen eine gerichtliche Erinnerungsentscheidung ist kein Rechtsmittel (Beschwerde) gegeben (§ 66 Abs. 3 S. 3 GKG).