· Fachbeitrag · Honorar des Steuerberaters
Steht dem Steuerberater bei der Gebührenbestimmung eine Toleranzspanne zu?
von RA/FAStR/FAErbR Dr. Christoph Goez, Münster
| Während bei dem Vergütungsrecht der Rechtsanwälte eine Toleranzspanne bis zu 20 % fast unstreitig akzeptiert wird, erscheint die Übertragung auf das Steuerberatergebührenrecht problematisch. |
Gebührenbestimmung anhand der Billigkeit
Nach § 315 Abs. 3 S. 1 BGB muss sich die Gebührenbestimmung durch einen Steuerberater an der Billigkeit ausrichten, da sie sonst gegenüber dem Auftraggeber nicht wirksam festgesetzt ist. Die Kriterien für die Bestimmung der Gebührenhöhe sind neben § 64 S. 3 StBerG insbesondere dem § 11 StBVV zu entnehmen. Danach sind vor allem der Umfang und die Schwierigkeit der beruflichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers zur Bestimmung der Gebühr im Einzelfall „unter Berücksichtigung aller Umstände“ zu bewerten. Auch ein Haftungsrisiko wird regelmäßig Einfluss finden können. Dennoch bleibt ein erheblicher Spielraum des Beraters als Bestimmungsberechtigtem beim Ansatz der „angemessenen“ Gebühr. Für Rechtsanwälte gelten nach § 14 Abs. 1 RVG zunächst fast gleichlautende Regeln. Allerdings gilt bei einer Verpflichtung Dritter, diese Gebühr zu ersetzen, die Regel, dass die Bestimmung „bei Unbilligkeit“ nicht verbindlich sei.
Toleranzbereich ja oder nein?
Bei dieser Sachlage hat sich in der Rechtsprechung zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz verfestigt, dass dem Rechtsanwalt ein „Toleranzbereich“ - somit ein gerichtlich nicht überprüfbarer Ermessensspielraum - zusteht. Dieser wird regelmäßig mit bis zu 20, teilweise bis 30 % zugestanden (seit BGH 31.10.06, VI ZR 261/05, Abruf-Nr. 070013; zuletzt: BGH 8.5.12, VI ZR 273/11, Abruf-Nr. 121718).
Bejahung der Toleranzgrenze für Steuerberater
Wegen der auch bei Steuerberatern bestehenden Schwierigkeiten einer „exakten“ Gebührenbemessung wird die Übernahme einer Toleranzgrenze für das Steuerberatervergütungsrecht zumeist bejaht (so ausdrücklich Lotz in Eckert, Kommentar, 5. Aufl. 13, Rn. 6 zu § 11 StBVV; Meyer/Goez/Schwamberger, Praxis-Kommentar, 7. Aufl. 13, Einführung zur StBVV, Tz. 44b). Zahlreiche unterinstanzliche Gerichte sind dem - zumeist ohne weitere Überprüfung der Rechtsgrundlagen - gefolgt (ausführliche Rechtsprechungsübersicht bei Feiter, Die neue StBVV, Kommentar 13, Fn. 2 zu Rn. 211, S. 85).
Kritik durch die Oberlandesgerichte
Kritisch sehen dies aber einige Oberlandesgerichte. So wurde schon beanstandet, wenn ein Steuerberater das Überschreiten der Mittelgebühr beim Honoraransatz für die Erstellung der Einkommensteuererklärung gem. § 24 Abs. 1 Nr. 1 StBVV um 0,5/10 (somit in dem vorbezeichneten Toleranzbereich von 20 %) nicht begründen konnte (OLG Düsseldorf 25.4.96, 13 U 81/95, GI 96, 296). Auch diese Rechtsprechung wurde schon bestätigt (OLG Düsseldorf 11.2.08, I-24 U 104/07, Abruf-Nr. 082970; nunmehr auch OLG Hamm 26.11.13, I-25 U 5/13, Urteil unter dejure.org). Damit stellt sich ersichtlich die Frage, ob die Regelungen für Steuerberater in diesem Bereich tatsächlich soweit deckungsgleich mit denen bei Rechtsanwälten sind, dass die Übernahme einer 20-%igen Toleranzspanne rechtmäßig erscheint.
Positive „Toleranz-Rechtsprechung“ für Rechtsanwälte
In § 14 Abs. 1 S. 4 RVG ist festgelegt, dass die Bestimmung eines Rechtsanwalts nur dann nicht verbindlich ist, wenn diese „unbillig“ ist. In Konsequenz daraus ist die noch nicht „unbillige“ Gebührenbestimmung der gerichtlichen Überprüfung entzogen. Daraus resultiert die positive „Toleranz-Rechtsprechung“ für Rechtsanwälte. Eine entsprechende Regelung fehlt aber in der StBVV - insbesondere sagt § 11 StBVV nicht, dass eine von einem Steuerberater getroffene Bestimmung erst bei „Unbilligkeit“ unverbindlich wäre. Bei der Bestimmung gegenüber einem Mandanten kommt es allein auf die festzustellende „Billigkeit“ an. In Konsequenz daraus scheint also das Bestimmungsrecht des Steuerberaters im Verhältnis zum Mandanten - anders als beim Rechtsanwalt - enger gefasst. Nur im Rahmen der positiv zu bestätigenden „Billigkeit“ besteht ein solches Bestimmungsrecht für Steuerberater, nicht aber zu einer weiter zu ziehenden Schwelle einer feststellbaren „Unbilligkeit“.
Das Ergebnis wird in der neueren Rechtsprechung als Beleg herangezogen, wonach Steuerberatern keine Toleranzgrenze von weiteren 20 % - gerade auch nicht oberhalb der Mittelgebühr - zuzusprechen ist (so OLG Hamm 26.11.13, I-25 U 5/13, Urteil unter dejure.org).
Grundsatzfrage muss abschließend geklärt werden
In der Entscheidung des OLG Hamm hat der Spezialsenat für Gebührenfragen bei Steuerberatern ausdrücklich die Revision zugelassen, weil er der Ansicht war, dass es eine Grundsatzfrage ist, ob einem Steuerberater bei der Bestimmung der Rahmengebühr gegenüber seinem Mandanten nach § 315 Abs. 1 BGB i.V. mit § 11 S. 1 StBVV ein nicht justiziabler Toleranzbereich zuzubilligen ist. Die Klärung dieser Frage war in diesem Gerichtsverfahren entscheidungserheblich. Im Hinblick auf das weitgehend erfolgreiche Verfahren für die seinerzeit klagende Steuerberatungsgesellschaft wurde leider davon abgesehen, die Revision durchzuführen. Das Urteil des OLG Hamm ist somit rechtskräftig.
PRAXISHINWEIS | Steuerberater müssen aufgrund der nun erfolgten klaren Vorgabe eines Obergerichts zwar damit rechnen, dass sie keinen Toleranzbereich von „weiteren 20 %“ in Gerichtsverfahren hinsichtlich der Ausübung ihres Gläubigerbestimmungsrechts zugebilligt bekommen. In entsprechenden Fällen sollte der das Honorar einklagende Steuerberater gegenüber einem Gericht im Rahmen eines Honorarprozesses aber vorsorglich auf den einem Gläubiger zustehenden Ermessensspielraum hinweisen und eine entsprechende Toleranzgrenze geltend machen (so auch Feiter, a.a.O., Rn. 213), da eine höchstrichterliche Entscheidung noch aussteht. |