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  • · Fachbeitrag · Aufklärung über steuerliche Risiken

    Vertragliche Nebenpflichten bei beschränktem Dauermandat

    von Oberstaatsanwalt Raimund Weyand, St. Ingbert

    Ein Steuerberater, der mehrmals hintereinander für eine GmbH den steuerlichen Jahresabschluss und/oder die Erklärungen zu Körperschaftsteuern und Gewerbesteuern anfertigt, muss auch die mit diesem beschränkten Dauermandat zusammenhängenden Gestaltungsfragen mit dem Mandanten erörtern und auf ein mögliches Risiko hinweisen, falls die Annahme verdeckter Gewinnausschüttungen infrage kommen könnte (BGH 23.2.12, IX ZR 92/08, Abruf-Nr. 121051).

    Sachverhalt

    Die Beteiligten streiten sich um mögliche Schadenersatzansprüche im Zusammenhang mit erheblichen Steuernachforderungen. Die beklagte Steuerberaterin wehrte sich gegen die Regressforderungen ihrer früheren Mandantin mit dem Hinweis, das Mandatsverhältnis sei auf die Erstellung von Jahressteuererklärungen und der jeweiligen Jahresabschlüsse beschränkt gewesen. Die Prüfung, ob das Finanzamt an die Klägerin ausgezahlte erhöhte Vergütungen möglicherweise als vGa ansehen könnte, habe dieser Auftrag nicht umfasst. Der BGH hob eine klageabweisende Entscheidung jetzt auf und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das OLG zurück.

     

    Entscheidung

    Ein „umfassendes Dauermandat“ umfasst nach ständiger Rechtsprechung des BGH alle Steuerarten, die für den Auftraggeber in Betracht kommen. Es verpflichtet daher zur kompletten Beratung einschließlich der Möglichkeiten zu zivilrechtlichen Steuergestaltungen auch jenseits der konkret bearbeiteten Angelegenheiten (vgl. etwa BGH 20.11.97, IX ZR 62/97, NJW 98, 1221). Dementsprechend bestehen auch weitgehende Haftungsgefahren. Zwar lag ein solches Mandatsverhältnis in der zu entscheidenden Sache nicht vor. Angesichts der langjährigen gleichförmigen Geschäftsbeziehungen geht der BGH aber von einem „beschränkten Dauermandat“ aus. Dieses Mandat verpflichtet den Berater ebenfalls, seinen Auftraggeber über steuerliche Risiken aufzuklären, die ihm bei seiner sonst auftragsgemäß auf Steuererklärungen und Abschlüsse beschränkten Tätigkeit ins Auge fallen. Hierzu zählt namentlich auch die Gefahr, dass das Finanzamt Zuwendungen als vGa werten könnte. Um diese im Jahresabschluss korrekt berücksichtigen zu können, sind nämlich entsprechende Fragen zwingend zu erörtern.

     

    Zweck der Steuerberatung ist es, die dem Auftraggeber fehlende Sach- und Rechtskunde auf diesem Gebiet zu ersetzen. Die pflichtmäßige Tätigkeit anlässlich der Aufstellung von Jahresabschlüssen und der Erarbeitung von Steuererklärungen verlangt daher sachgerechte Hinweise über die Art, die Größe und die mögliche Höhe eines Steuerrisikos, um den Auftraggeber in die Lage zu versetzen, eigenverantwortlich seine Rechte und Interessen zu wahren und eine Fehlentscheidung in seinen steuerlichen Angelegenheiten vermeiden zu können. Der Auftraggeber muss imstande sein, seine Interessen und erheblichen Steuerrisiken nach den erhaltenen Hinweisen selbst abzuwägen. Gegebenenfalls muss er danach entscheiden können, ob er eine vertiefte Beratung in Anspruch nehmen will (grundlegend BGH 20.10.05, IX ZR 127/04, DStR 06, 207, Abruf-Nr. 053397). Ein solcher Risikohinweis ist schon dann geboten, wenn die Verwaltungspraxis und die Rechtslage im konkreten Sachverhalt ungewiss sind. Er muss zwingend erfolgen, wenn - wie im vorliegenden Fall - angesichts der Höhe der gezahlten Vergütungen und erteilten Versorgungszusagen deren betriebliche Veranlassung mehr als zweifelhaft erscheint, eine vGa sich also regelrecht aufdrängt.

     

    PRAXISHINWEISE |  

    Aus der Sicht des BGH sind noch mehrere Punkte aufklärungsbedürftig. Zum einen hat die Vorinstanz nicht festgestellt, ob tatsächlich eine vGa anzunehmen ist. Der Senat weist ausdrücklich darauf hin, dass der Zivilrichter bei dieser Frage nicht an die steuerliche Beurteilung des Sachverhalts durch das Finanzamt gebunden ist, sondern eine eigene umfassende Prüfung anstellen muss. Er darf im Regressprozess also auch von der steuerlichen Auffassung der Finanzbehörde abweichen.

    Zum anderen hatte die beklagte Beraterin die Ehefrau des GmbH-Geschäftsführers, die als Buchhalterin im Unternehmen beschäftigt war, nach eigenen Angaben durchaus auf die möglicherweise unsichere Behandlung der Zahlungen durch das Finanzamt hingewiesen. Die Pflicht, den Geschäftsführer selbst auf das bestehende Risiko anzusprechen, könnte entfallen, wenn man die Buchhalterin wegen ihrer familiären Beziehung und der sich hieraus ergebenden Vertrauensstellung als „rangangemessene Repräsentantin“ ansehen würde. Dieses muss der Tatrichter gleichfalls beurteilen. In diesem Fall könnte die Unterrichtung der Buchhalterin ausreichen; ein zusätzliches Beratungsgespräch mit dem Gesellschaftsorgan wäre dann nicht nötig gewesen.

    In einer ganz aktuellen Entscheidung hat der BGH (14.6.12, IX ZR 145/11, noch n.v., Abruf-Nr. 122095) festgestellt, dass sich ein Steuerberater bei einem isolierten Einzelauftrag, mit dem die mögliche Insolvenzreife einer GmbH festgestellt werden soll, nicht nur gegenüber der Gesellschaft schadenersatzpflichtig macht. Auch Gesellschafter und Geschäftsführer sind regelmäßig in den Schutzbereich eines solchen eingeschränkten Mandats einbezogen. Diese Geschäftsbeziehung ist dann als reiner Werkvertrag anzusehen, der keine steuerliche Beratung zum Gegenstand hat.

    Gesellschafter und Geschäftsführer können mögliche Ersatzansprüche auf der Grundlage des § 634 Nr. 4 BGB geltend machen. Der dem Berater erteilte Werkvertrag hat nämlich auch Auswirkungen auf Vermögensdispositionen von Gesellschaftern und Geschäftsführern und damit drittschützenden Charakter. Zudem muss gerade der Geschäftsführer bei möglicher Insolvenzreife auch direkte Konsequenzen ziehen: § 15a InsO verpflichtet ihn zur sofortigen Insolvenzantragstellung, falls die Begutachtung zu dem Ergebnis kommt, dass Insolvenzantragsgründe vorliegen. Bei etwaigen Fehlleistungen können sich Gesellschafter bzw. Geschäftsführer dementsprechend auf einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter berufen.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2012 | Seite 152 | ID 32882520