· Fachbeitrag · Steuerliche Fehlberatung
Keine Schadensminderung durch Risikoanlage
Sachverhalt
Ein Arzt nimmt seinen früheren Steuerberater im Zusammenhang mit einer Fehlberatung bei der Kündigung einer Lebensversicherung auf Schadenersatz in Anspruch. Zur Vermeidung einer sechsstelligen Steuernachforderung hatte der Kläger fast 2 Mio. EUR in Windkraftanlagen investiert, sodass es per saldo nicht zu einer „echten“ Steuerzahlung gekommen war. Mit seiner Meinung, aus diesem Grund sei seinem Mandanten gar kein ersatzfähiger Schaden entstanden, drang der Berufsangehörige beim BGH nicht durch.
Entscheidung
Der Geschädigte ist im Interesse des Schädigers gehalten, den entstehenden Schaden möglichst gering zu halten. Diese in § 254 Abs. 2 BGB verankerte Schadensminderungspflicht ist ein Anwendungsfall des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben, der dann eingreift, wenn der Geschädigte Maßnahmen unterlässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensabwendung oder -minderung ergreifen würde (grundlegend bereits BGH 13.12.51, III ZR 83/51, BGHZ 4, 170). Diese Obliegenheit gilt aber nicht uneingeschränkt: Ein Verhalten des Geschädigten, zu dem er nicht aufgrund seiner Schadensabwendungs- und -minderungspflicht verpflichtet ist, wird bei der Schadensberechnung nicht berücksichtigt. Solche überobligatorischen Anstrengungen sollen den Schädiger gerade nicht entlasten (BGH 11.1.05, X ZR 118/03, NJW 05, 1045).
Nach Meinung des BGH lag ein solcher Fall vor. Der Kläger hatte zur Abwendung von Steueransprüchen eine extrem hohe Summe in ein Geschäft mit einer Laufzeit von 20 Jahren investiert, das nach Einschätzung des Gerichts mit einem hohen wirtschaftlichen Risiko verbunden ist. Ob sich diese risikoreiche Vermögensanlage überhaupt rentieren wird, steht erst nach Ablauf der Investitionsfrist fest. Sie ist daher als überobligatorische Anstrengung zu bewerten. Da der Berater seinen früheren Mandanten unstreitig falsch beraten hatte, besteht ein entsprechender Schadenersatzanspruch. Zur Klärung der genauen Höhe wurde die Sache an das OLG zurückverwiesen.
Praxishinweis | |
Der BGH verneint auch ein vom Beklagten eingewandtes Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 BGB) des Mandanten. Die steuerliche Bearbeitung eines ihm anvertrauten Mandats obliegt allein dem Steuerberater. Selbst wenn ein Mandant über steuerrechtliche Kenntnisse verfügt, muss er darauf vertrauen können, dass der Berufsangehörige die anstehenden steuerrechtlichen Fragen fehlerfrei bearbeitet, ohne dass eine Kontrolle notwendig ist (zuletzt BGH 23.9.10, 31 Wx 149/10, DStR 10, 2374). Der Berater kann deshalb gegenüber einem Schadenersatzanspruch nicht einwenden, den Mandanten treffe ein Mitverschulden, weil er sich auf die Beratung verlassen und dadurch einen Mangel an Sorgfalt gezeigt habe (BGH 15.4.10, IX ZR 189/09, DStR 10, 1695). |