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  • · Nachricht · §§ 122, 124 AO

    Reichweite der Zugangsfiktion

    | Streitet der Steuerpflichtige ab, einen Bescheid erhalten zu haben, muss das FA den Zugang beweisen. Dieser Grundsatz gilt aber nicht unbeschränkt, wenn der Steuerpflichtige nicht glaubhafte Angaben macht, so das FG München. |

     

    Sachverhalt

    Der klagende Unternehmer hatte für zwei Jahre keine Umsatzsteuererklärungen abgegeben. Das FA erließ anschließend Schätzungsbescheide zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, hob diese nach einiger Zeit aber auf. Zwei Jahre später reichte der Geschäftsmann die Erklärungen nach, jeweils mit einer Differenz von 20.000 EUR zu seinen Gunsten. Das FA verwies auf die Bestandskraft der Schätzungsbescheide und lehnte eine Änderung der Veranlagungen ab. Nach einem erfolglosen Einspruchsverfahren erhob der Steuerpflichtige Klage. Er behauptete, die Schätzungsbescheide seien ihm nicht zugegangen.

     

    Entscheidung und Begründung

    Das FG wies die Klage ab. Bestreitet der Steuerpflichtige generell, Bescheide erhalten zu haben, muss das FA den Zugang grundsätzlich beweisen. Die Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 AO, nach der ein schriftlicher Verwaltungsakt am dritten Tage nach Aufgabe zur Post als zugegangen gilt, greift hier nicht ein. Anders als bei der Behauptung, ein Bescheid sei nur verspätet eingetroffen, muss der angebliche Empfänger seine Angaben auch nicht substanziiert vorbringen. Es genügt, wenn er den Zugang pauschal abstreitet.

     

    Allerdings ist diese Beweislastregelung nicht schrankenlos. Das FG kann in der ihm nach § 96 Abs. 1 FGO zustehenden freien Beweiswürdigung je nach den Umständen des Einzelfalles zu anderen Schlussfolgerungen kommen. Es darf insbesondere die Glaubwürdigkeit der Behauptungen des Klägers in seine Entscheidungen einbeziehen.

     

    Der Kläger war dem Gericht bereits aus einem anderen Verfahren bekannt, in dem er den Zugang von Bescheiden gleichfalls abgestritten hatte, wobei diese nicht an seine Geschäftsadresse, sondern seine Wohnanschrift adressiert waren. In beiden Verfahren waren außerdem Bescheide für jeweils zwei Veranlagungszeiträume in nur einem Briefumschlag abgesandt worden. Bestritten wurde aber nur der Zugang der Bescheide, die für den Steuerpflichtigen nachteilig waren. Außerdem hatte das FA Steuernachzahlungen und Verspätungszuschläge unwidersprochen vom Konto des Geschäftsmannes abgebucht, ohne dass dieser irgendwie reagiert hätte.

     

    In einer Gesamtschau dieser Umstände erschien dem FG die Glaubwürdigkeit des Pflichtigen ernstlich erschüttert. Auch weil dieser seinen steuerlichen Pflichten allgemein und über Jahre hinweg nur zögerlich und unzuverlässig nachgekommen war, ging der Senat von einer wirksamen Zustellung der Schätzungsbescheide aus.

     

    PRAXISHINWEIS | Derartige Verhaltensweisen können für den Steuerpflichtigen neben den steuerlichen Folgen auch strafrechtliche Konsequenzen mit sich bringen. Nach § 370 Abs. 1 AO wird unter anderem derjenige bestraft, der durch unrichtige Angaben einen nicht gerechtfertigten Steuervorteil erlangt. Die Norm gilt auch für das gerichtliche Verfahren, weil Steuervorteile in diesem Sinn auch positive Gerichtsentscheidungen sein können, die auf den falschen Behauptungen beruhen.

     

    Fundstelle

    Quelle: ID 42742392