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  • · Fachbeitrag · Buchführungsanforderungen

    Vorgaben für die elektronische Buchführung -Wie praktikabel sind die GoBD wirklich?

    von Alexandra Buba, M. A., freie Wirtschaftsjournalistin, Nürnberg

    | Beinahe 20 Jahre sind die Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) inzwischen alt. Viele Regelungen der Norm passen überhaupt nicht mehr zur heutigen technischen Realität. Aus diesem Grund ist eine Neufassung dringend erforderlich - doch nicht so, wie es das Bundesministerium der Finanzen (BMF) vorgeschlagen hat, meinen jedenfalls IT-Wirtschaft und Berufsverbände. |

    Kritische Stimmen zum Entwurf

    Ungewöhnlich deutlich wurde die Bundessteuerberaterkammer (BStBK): „Der Entwurf erweckt ... den Eindruck, dass er ohne das Verständnis moderner Buchführungssysteme binnen kurzer Zeit zusammengestellt wurde.“ Damit nahm sie Stellung zu einem ersten Entwurf des BMF für sogenannte „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form“ (GoBD).

     

    Ähnlich kritisch äußerten sich auch zahlreiche Verbände - etwa der Branchenverband der IT-Wirtschaft, BITKOM. Dieser moniert: „Aufgrund vieler unklarer, nicht systematisch erläuterter Begriffe und sehr abstrakter und weit gefasster Vorgaben bietet der Entwurf keine Praxissicherheit für die Unternehmen hinsichtlich der Organisation ihrer Buchführung. Somit bleiben die Unternehmen weitgehend im Unklaren darüber, wie sie bei Prüfungen durch die Finanzverwaltung Beanstandungen ihrer Buchführung vermeiden können.“

     

    Doch nicht nur das IT-Verständnis und die Güte der Formulierung sind Gegenstand der Kritik, sondern auch die inhaltliche Schwerpunktsetzung. So bemängelt etwa das Institut der Wirtschaftsprüfer „Ausführungen, die über die heute geltenden Anforderungen hinausgehen oder aufgrund ihrer unklaren Formulierung die Gefahr beinhalten, dass diese Anforderungen einseitig zulasten des Buchführungspflichtigen verschärft werden.“

     

    Die BStBK will gar die Vermutung der Finanzverwaltung ausgemacht haben, „dass der Buchführungspflichtige im Rahmen der EDV-gestützten Buchführung eine erhöhte kriminelle Energie entwickelt, um Sachverhalte der Besteuerung zu entziehen. Daraus wird dann ein erhöhtes Kontrollbedürfnis der Finanzverwaltung abgeleitet. Dabei wird außer Acht gelassen, dass die Hinterziehung von Steuern bereits früher und vor der Buchführung stattfindet, nicht in der Buchführung.“

    Knackpunkt: Zeitnahe Verbuchung innerhalb von 10 Tagen

    Jenseits dieser moralisch-klimatischen Kritikpunkte ärgern sich Steuerberater und IT-Wirtschaft gleichermaßen vor allem über eine Frist im Entwurf: die geplante Regelung, dass Belege künftig innerhalb von zehn Tagen verbucht sein müssen. „Länger als etwa zehn Tage darf ein unbarer Geschäftsvorfall grundsätzlich grundbuchmäßig nicht unerfasst bleiben“, sieht der Entwurf hierzu vor. Das ist gemessen an der heutigen Praxis schlechterdings unrealistisch. Die Mehrzahl der rund 3,5 Mio. deutschen Unternehmen lässt ihre Buchhaltung nämlich extern von Steuerberatern frühestens im Folgemonat (spätestens bis zum Datum der nächsten Umsatzsteuervoranmeldung) erledigen.

     

    Probleme auch bei interner Buchung

    Auch diejenigen Unternehmen, die intern buchen, haben mit der Frist Probleme: „Man kann diese Vorgabe nicht einfach auf die Abläufe aller Buchhaltungspflichtigen übertragen. Häufig sind in der Praxis Kontierungsvorgaben zusammen mit der Rechnungsprüfung und -anerkennung durch die anweisenden Fachabteilungen zu machen, ohne die eine Buchung schlicht nicht umsetzbar ist. Je nach Zeitraum für die Rechnungsanerkennung kann dies durchaus mehr als zehn Tage benötigen“, betonen die acht Spitzenverbände der deutschen gewerblichen Wirtschaft gemeinsam. Dazu zählen der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH), die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Bundesverband deutscher Banken, der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), der Handelsverband Deutschland (HDE) sowie der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA).

     

    Schwierig - nicht nur für Einnahmen-Überschuss-Ermittler

    Die umstrittene Regelung wird insbesondere von den Einnahmen-Überschuss-Ermittlern gar nicht eingehalten werden können. Diese erfassen eine Eingangsrechnung dann, wenn sie die Bankkontoauszüge buchen, auf denen die Bezahlung der Rechnung dokumentiert ist. Das geschieht schätzungsweise mindestens vier Wochen nach dem Rechnungseingang.

     

    Auch die BStBK verweist auf die praktischen Schwierigkeiten, die die Regelung mit sich bringen würde: „Die Frist würde vielen kleineren Unternehmen erhebliche Probleme bereiten. Bei kleinen und mittleren Gewerbetreibenden und bei Freiberuflern, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, bestehen in der Praxis sehr häufig die (Grundbuch-)Aufzeichnungen in einer geordneten Belegablage. Wenn diese für die Finanzverwaltung nachvollziehbar ist und auch der weitere Weg der Verbuchung plausibel erscheint, sollte hier nicht auf eine starre 10-Tages-Frist abgestellt werden. Betroffen wäre sonst etwa auch ein freiwillig bilanzierender Arzt, der nicht umsatzsteuerpflichtig ist und lediglich etwa halb- oder ganzjährig eine Buchhaltung erstellen lässt“, erklärt Jörg Schwenker, Hauptgeschäftsführer der BStBK.

     

    MERKE |  Weder das BMF noch die Mitarbeiter der GoBD-Arbeitsgruppe wollen sich gegenwärtig dazu äußern, ob diese Frist tatsächlich aufrecht erhalten werden soll. Klar ist momentan nur, dass der derzeitige Entwurf nochmals überarbeitet wird.

     

     

    Problem der Archivierung weiter ungelöst

    Neben der 10-Tages-Frist als organisatorisches Problem stellt die sichere Archivierung der Dokumente - allen voran der E-Mails - die generell größte Herausforderung in der elektronischen Geschäftswelt dar. Nicht wenige Unternehmen waren hier in der Vergangenheit in großer Unsicherheit, was nun steuerlich oder anderweitig relevant sein könnte und in welcher Form dies archiviert werden muss. Der Entwurf des BMF beendet diese Unsicherheit zwar teilweise - aber um den Preis neuer Anforderungen, denen viele kleine und mittlere Unternehmen nicht oder nur mit immensem Kostenaufwand nachkommen können.

     

    MERKE |  In Zukunft explizit nicht archiviert werden müssen E-Mails, die ausschließlich als Transportmedium fungieren: „Dient eine E-Mail nur als „Transportmittel“, z.B. für eine angehängte elektronische Rechnung und enthält darüber hinaus keine weitergehenden aufbewahrungspflichtigen Informationen, so ist diese nicht aufbewahrungspflichtig (wie der bisherige Papierbriefumschlag)“, stellt der Entwurf klar. Auch die Archivierung von pdf-Dateien ist grundsätzlich zulässig.

     

    Einscannen und dann wegwerfen?

    Weiter schuldig bleibt der neue Entwurf eine Antwort auf die praktische Frage, ob Steuerberater und Unternehmer eingescannte Dokumente entsorgen können. Im Entwurf heißt es schlichtweg: „Die Papierdokumente können darüber hinaus nur vernichtet werden, soweit sie nicht nach steuerlichen und außersteuerlichen Vorschriften im Original aufzubewahren sind.“ Die Interpretation der Vorschriften bleibt also weiterhin den Anwendern bzw. den unterschiedlichen Auffassungen der Finanzverwaltungen in den einzelnen Bundesländern überlassen.

     

    Neu vorgesehen ist dafür ein Dokumentationswesen der IT-Struktur sowie der Bearbeitungshistorie jedes einzelnen Dokuments. So soll etwa eine Darstellung sämtlicher EDV- sowie vorgelagerter Systeme einschließlich Archiv-Systeme verbindlich werden. Das dürfte viele Unternehmen vor immense Herausforderungen stellen. „Wir halten den jetzt vorliegenden Vorschlag mit den dort verlangten Dokumentationen und nachfolgenden Kontrollen jedoch für weite Teile der Wirtschaft, aber insbesondere für Kleinunternehmen und mittelständische Unternehmen, für schwer umsetzbar“, konstatieren die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft.

     

    MERKE |  Konkret sieht der aktuelle Entwurf Folgendes vor: „Die aufbewahrungspflichtigen Unterlagen müssen geordnet aufbewahrt werden. Ein bestimmtes Ordnungssystem ist nicht vorgeschrieben. Die Ablage kann z.B. nach Zeitfolge, Sachgruppen, Kontenklassen, Belegnummern oder alphabetisch erfolgen. Ihr Eingang, ihre Archivierung und ggf. Konvertierung sowie die weitere Verarbeitung ist zu protokollieren.“

     

     

    Es fällt leicht, sich vorzustellen, mit welchem enormen Aufwand diese Protokollierung in der Praxis verbunden ist.

    Auswertbarkeit der elektronisch archivierten Dokumente

    Neben dieser Dokumentation wirft der Entwurf ein weiteres Problem bei der Archivierung auf - nämlich die maschinelle Auswertbarkeit sämtlicher Dokumente und damit auch der Belege. Das ist ein Novum, denn bislang galt, dass die Finanzverwaltung lediglich die strukturierten Daten - also etwa die Finanzbuchführung als solche - maschinell auswerten durfte. Nun soll sich der Zugriff außerdem auch auf die unstrukturierten Daten, Dokumente wie Belege, erstrecken. Dies ist nicht nur insofern problematisch, als dass insbesondere eingescannte und als Bilddatei gespeicherte Eingangspost gar nicht maschinell auswertbar ist. Hinzu kommt ein massiv erweiterter Zugriffshorizont bis in den Beleg hinein.

     

    MERKE |  Künftig soll gelten: „Eingehende elektronische Handels- oder Geschäftsbriefe und Buchungsbelege müssen in dem Format aufbewahrt werden, in dem sie empfangen wurden (z.B. Rechnungen oder Kontoauszüge im PDF- oder Bildformat). Erfolgt zusätzlich eine entsprechende Verarbeitung (z.B. Umwandlung von einem Bildformat in ein anderes Format, OCR-Verfahren), sind die dadurch gewonnenen Informationen ebenfalls aufzubewahren.“

     

    An anderer Stelle des Entwurfs heißt es, dass eine maschinelle Auswertbarkeit bei elektronischen Dokumenten, die eine Volltextsuche ermöglichen, gegeben sein muss. Da in der Praxis der digitalen Finanzbuchführung die OCR-Bearbeitung der einzelnen Rechnungen Standard ist, könnten Betriebsprüfer künftig via Volltextsuche bequem nach einzelnen Inhalten in den Belegen recherchieren.

     

    Der BStBK geht bereits die generelle Forderung nach denselben Auswertungsmöglichkeiten wie im Ursprungssystem zu weit. „Unseres Erachtens muss bei einer Archivierung der Daten eine Nachprüfbarkeit ausreichen. Nicht jedoch sollten die gleichen Auswertungsmöglichkeiten gefordert werden, wie sie das ursprüngliche System vorsah“, schreibt sie in ihrer Stellungnahme. Wie weit sie damit kommt, ist fraglich.

    Weitere intensive Diskussion erforderlich

    Nach der massiven Kritik seitens der Wirtschafts- und Berufsverbände lud das BMF im September Experten, Verbände und Steuerberater zum Gespräch ein. Die Ergebnisse waren eher überschaubar. Der Sprecher des Ministeriums, Dr. Marco Semmelmann, berichtet von einem „konstruktiven Fachgespräch“ und erklärt: „Der Entwurf wird nunmehr im Lichte der geführten Diskussion überarbeitet. Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen.“

     

    BStBK-Hauptgeschäftsführer Schwenker sagt: „In dem Fachgespräch zeigte sich, dass eine vertiefte Diskussion hilfreich ist, um Missverständnisse abzubauen und zu praxistauglichen Lösungen zu kommen. Die Erfahrungen insbesondere mit den Projekten E-Bilanz und ELSTAM zeigen, dass es sich auch für die Finanzverwaltung lohnt, den Dialog fortzuführen, damit eine für alle Beteiligten umsetzbare Lösung gefunden werden kann.“ Das klingt verhalten optimistisch - womöglich kommt es am Ende also tatsächlich nicht zu der extremen Frist für die Buchführung.

     

    Ebenso wie die BStBK fordert auch der DStV nach dem Gespräch dringend weitere Änderungen. Im Einzelnen sind das die „Überarbeitung der momentan strengen zeitlichen Vorgaben zur Erfassung eines Geschäftsvorfalls, eine praktikable Ausgestaltung der Formulierungen zur erfassungsgerechten Aufbereitung von Buchungsbelegen und die Anpassung der Ausführungen zur Aufbewahrung von Anschaffungsbelegen bei sogenannten Dauersachverhalten.“

    Umstellung der Buchführungssysteme erforderlich

    Bislang hat sich das BMF wenig bewegt - die Änderungen im zweiten Entwurf der GoBD vom 26.6.2013 (IV A 4 - S 0316/13/10003) bewegten sich in bescheidenem Rahmen. „Immerhin ist wenigstens der größte Anachronismus, die Kontierung auf dem Beleg, beseitigt worden“, sagt Prof. Dr. Dieter Kempf, Vorstandsvorsitzender der DATEV eG und Präsident des BITKOM e.V. Die weiteren Änderungen sind dagegen überwiegend redaktioneller Natur und berühren nicht die strittigen Punkte.

     

    Generell stellt sich die Frage, inwieweit es an der komplexen Schnittstelle von IT und Buchführung sinnvoll ist, wenn die Finanzverwaltung ohne externen Sachverstand Regelungen erarbeitet. So hatte die Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung bereits vor einiger Zeit einen eigenen Entwurf mit dem Titel „Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung mit IT-Einsatz“ (GoBIT) erarbeitet. Dieser sollte ein Konzept für eine Neuregelung der GoBS darstellen und wurde dem BMF zugeleitet. Darin werden zum Beispiel die Anforderungen an digitale Belege formuliert bzw. Erläuterungen zur Verantwortung bei der Auslagerung von IT-Buchführungssystemen gegeben.

     

    „Die GoBIT wurden von der Finanzverwaltung völlig ignoriert“ berichtet Kempf, „es kann nicht sein, dass die Finanzverwaltung im Alleingang Anforderungen an die elektronische Buchführung definiert, die weder zeitgemäß noch zur Erfüllung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung notwendig sind. Wir bauen nach wie vor darauf, dass Wirtschaft und Verwaltung solche weitreichenden Grundsätze gemeinsam erarbeiten und dann gemeinsam tragen.“

     

    MERKE |  Weshalb die Finanzverwaltung die GoBIT nicht berücksichtigt hat, bleibt spekulativ. Fest steht allerdings, dass dieser Entwurf den Interessen der Steuerberater deutlich mehr entsprochen hätte. Denn die aktuelle Fassung, wenn sie denn so zur Anwendung käme, würde eine weitgehende Umstellung sowohl der Buchführungssysteme als auch der Organisation in den Kanzleien und Unternehmen zur Folge haben.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2013 | Seite 213 | ID 42356753