· Fachbeitrag · Chefaufgabe Kalkulation
Gewinnbedarfsermittlung ‒ wie viel Gewinn muss die Kanzlei erwirtschaften?
von Carl-Dietrich Sander, UnternehmerBerater, Kaarst
| „Gewinn ist das, was übrig bleibt.“ Inhaltlich richtig, aber zu passiv gedacht. Vielmehr geht es doch darum, warum gerade so viel am Ende des Geschäftsjahres übrig bleiben sollte. Und das ist die Frage nach dem Gewinnbedarf. Somit steht die Frage nach dem Gewinnbedarf sogar am Anfang aller Kalkulationsüberlegungen und im Zentrum dieses Beitrags. |
Die vier Aspekte des Gewinnbedarfs
Bei der Ermittlung des Gewinnbedarfs sind vier Aspekte näher zu beleuchten
- die Sicherung des Lebensstandards,
- die Sicherung der Einkunftsquelle,
- die geschuldete Steuer,
- die Gewinnbedarfs-Lücke.
Aspekt 1: Sicherung des Lebensstandards
Wie viel benötigen Sie jeden Monat, um nach Ihren Vorstellungen gut leben zu können? Dabei ist „gut leben“ natürlich eine Frage des individuellen Anspruchs. Und das kann naturgemäß sehr unterschiedlich sein. Die Antwort spiegelt sich dann in zwei Größen wider:
- der Höhe des Geschäftsführergehalts oder
- der Höhe der monatlichen Entnahmen.
Dabei spielt es an dieser Stelle noch keine Rolle, ob die Kanzlei die ermittelten Beträge überhaupt verdienen kann ‒ oder in welchem Zeitraum es realistisch ist, die errechneten Beträge zu realisieren. Wichtig ist an dieser Stelle, überhaupt einmal zu ermitteln, welcher Betrag benötigt wird. Denn das haben auch viele Steuerberater/innen lange nicht mehr berechnet.
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Es werden unterschieden:
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Aspekt 2: Die Sicherung der Einkunftsquelle
Die Sicherheit einer Steuerberatungskanzlei ist betriebswirtschaftlich letztlich abhängig von der Höhe (und Struktur) des Eigenkapitals als Verlustdeckungspotenzial. Damit werden drei Themen angesprochen:
- Eigenkapitalverzinsung: Sie haben Eigenkapital in Ihr Steuerberatungsunternehmen eingebracht und haben damit einen Anspruch auf eine Verzinsung. Hierfür gibt es keine wissenschaftlich ermittelte „korrekte“ Größe. Es ist eine pragmatische Herangehensweise sinnvoll. Dabei bleibt die momentane Tiefzinsphase als „nicht normal“ außer Betracht. Es hat sich bewährt, die frühere langjährige Durchschnittsverzinsung von Bundesanleihen als Basis zu nehmen ‒ also diejenige vor der aktuell andauernden Tiefzinsphase. Damit liegen wir bei einem Zinssatz von 5 oder 6 % p.a. Es ist nicht entscheidend, welcher Zinssatz konkret gewählt wird, sondern dass überhaupt die Eigenkapitalverzinsung berücksichtigt wird.
- Risikoprämie: Das gilt ebenso für die Risikoprämie. Sie wird dafür gezahlt, dass Sie privates Geld eben nicht in Bundesanleihen, sondern in Ihr Unternehmen investieren. Aus Sicht der Betriebswirtschaftslehre ist dies eine risikoreichere Anlageklasse. Daher bedarf es einer Risikoprämie im Vergleich zu der Anlage in Bundesanleihen. Auch hier gibt es keine wissenschaftlich begründete Höhe. Sie könnten sich an der Ratingnote Ihrer Bank oder am Bonitätsindex der Creditreform-Auskunft orientieren. Wiederum empfiehlt sich ein pragmatischer Weg: Nehmen Sie den für die Eigenkapitalverzinsung gewählten Zinssatz.
- Kapitalzuwachs: Dieser dritte Punkt kommt dann zum Tragen, wenn Sie mit der bisher erreichten Eigenkapitalquote in der Bilanz nicht zufrieden sind. Es wird dann eine Zielquote bestimmt und der erforderliche EUR-Betrag an Eigenkapitalzuwachs ermittelt (auf Basis der aktuellen oder auch einer höheren Bilanzsumme). Der Hintergrund: Es wird davon ausgegangen, dass dieser gewünschte Eigenkapitalzuwachs vom Unternehmen zu erwirtschaften ist ‒ und nicht von außen zugeführt wird.
Aspekt 3: Geschuldete Steuer
Der dritte Teilbereich deckt die Steuern auf Einkommen und Ertrag auf den in den ersten beiden Teilbereichen erarbeiteten Gewinnbedarf ab. Dabei sollte folgende Definition gelten: Steuern sind die freudige Konsequenz guter Geschäfte. Wenn ein Unternehmen alle betriebswirtschaftlich sinnvollen Steuersparmöglichkeiten genutzt hat und dann für das vergangene Jahr mehr Ertragsteuern zahlen darf als für das Jahr davor, dann war das vergangene Jahr ein richtig gutes Geschäftsjahr. Die Betonung liegt übrigens auf „betriebswirtschaftlich sinnvolle Steuersparmöglichkeiten“.
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Der Gewinnbedarf ist die Summe aus dem Bedarf zur Sicherung des Lebensstandards, dem Bedarf zu Sicherung der Kanzlei und den abzuführenden Steuern. |
Aspekt 4: Die Gewinnbedarfslücke
Der Vergleich des errechneten Gewinnbedarfs mit dem Jahresüberschuss vor Steuern des letzten Geschäftsjahrs ist nun der entscheidende Schritt:
- Liegt der aktuelle Jahresüberschuss vor Steuern über dem errechneten Gewinnbedarf, ist das ein guter Anlass für ein Gläschen Prosecco.
- Liegt der aktuelle Jahresüberschuss vor Steuern unter dem errechneten Gewinnbedarf, gönnen Sie sich ein Mineralwasser und denken Sie darüber nach, wie Sie diese Unterdeckung beseitigen können.
Natürlich kann es sein, dass die Gewinnbedarfslücke so groß ist, dass sie in einem Jahr nicht zu schließen ist. Dann gehen Sie eben schrittweise vor. Entscheidend ist: Wer den Gewinnbedarf nicht berechnet, hat auch keine Chance, eine mögliche Gewinnbedarfslücke zu erkennen. Aber: Nur wer die Lücke erkennt, wird auch den Ehrgeiz entwickeln können, diese zu schließen.
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1. Gewinnbedarf in Sozietäten
2. Gewinnbedarf und Kanzleinachfolge Ein besonderer Aspekt kommt hinzu, wenn eine Nachfolge für die/den Inhaber/in oder im Berufsträger/innen-Kreis ansteht. Denn damit können sich je nach Konstellation verschiedene, deutliche Veränderungen in den Grundlagen für die Gewinnbedarfsberechnung ergeben. Zu denken ist dabei z. B. an folgende Aspekte:
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Die weitere Kostenstruktur der Kanzlei könnte sich verändern z. B. im Bereich Mietaufwand (Kanzleiräumlichkeiten stehen im Eigentum des/der Ausscheidenden), Investitionsaufwand, weitere personelle Veränderungen, wegfallende Mandantenbeziehungen etc. Damit könnte sich der zur Deckung des Gewinnbedarfs zur Verfügung stehende Jahresüberschuss verändern. |
Gewinnbedarf als betriebswirtschaftliche Ausgangsgröße
Der ermittelte und für das jeweilige Geschäftsjahr verabschiedete Gewinnbedarf ist eine der wesentlichen Ausgangsgrößen für die Kalkulation in der Kanzlei und für die Liquiditätssteuerung.
Ermittlung des Stundenverrechnungssatzes
Ein Klassiker ist dabei die Berechnung des Stundenverrechnungssatzes. Dieser kann in verschiedenen Dimensionen berechnet werden:
- Für die Kanzlei als eine Organisationseinheit
- Für verschiedene Teilbereiche der Kanzlei ‒ je nach Struktur sowohl organisatorisch als auch inhaltlich (nach Beratungsthemen, -bereichen)
- Für verschiedene Ebenen der Mitarbeitenden: Partner/innen, angestellte Steuerberater/innen, Mitarbeitende verschiedener Qualifikationsstufen
Die Berechnung ist auch hilfreich, wenn Honorare nach Wertgebühren in Rechnung gestellt werden oder Festhonorare für bestimmte Leistungen berechnet werden. Die Steuerkanzlei erhält auf diese Weise zusammen mit der Zeitschätzung oder dem Zeiterfahrungswert für eine bestimmte Aufgabe einen Eckpunkt für die Honorargestaltung z B. bei der Auswahl des passenden Gegenstandswerts.
Der Stundenverrechnungssatz hat die Aufgabe, die Kosten des Unternehmens auf die den Kunden in Rechnung zu stellenden Stunden zu verteilen. Wenn Sie den Stundensatz nach dem folgenden Schema berechnen, beachten Sie bitte, dass der Stundenverrechnungssatz bei Vollauslastung ausgewiesen wird. Eine mögliche im Laufe des Jahres denkbare oder gar zu erwartende Unterauslastung müsste zu einem weiteren Aufschlag führen. Auch hier gilt, dass ein pragmatischer Konsens über Ansatz der angesprochenen Größen oft ein guter Weg ist, um zu einem nutzbaren Ergebnis zu kommen.
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Bestimmungsgröße 1: Kosten der Kanzlei Dazu gehören alle anfallenden Kosten ‒ Personal- und Sachaufwand ‒ einschließlich natürlich des Gewinnbedarfs und des kalkulierten Steueraufwands. Wird der Stundenverrechnungssatz für einen Teilbereich ermittelt, sind Kostenteilungen erforderlich. Die einem Bereich direkt zurechenbaren Kosten werden in voller Höhe angesetzt. Die (Overhead-)Kosten werden nach einem verabschiedeten Schlüssel auf die gebildeten Bereiche verteilt. Das Gleiche gilt für den Gewinnbedarf.
Beachten Sie | Der Verteilungsschlüssel ist oft Gegenstand ausgiebiger Betrachtungen und Diskussionen. Ein pragmatisch erzielter Konsens über die Verteilungsschlüssel ist aber oft der bessere Weg.
Bestimmungsgröße 2: Gewinnzuschlag Kostendeckung kann nicht das unternehmerische Ziel sein. Daher ist ein angemessener Gewinnzuschlag anzusetzen. Das ist natürlich wie beim Thema Eigenkapitalverzinsung und Eigenkapitalzuwachs eine Frage der individuellen Anspruchshaltung. |
Bestimmungsgröße 3: Maximal abrechenbare Stundenzahl In der Stunden-Dimension liegt die größere Tücke des Objekts. Die Aufgabe lautet, die Personalkapazität der Kanzlei in Stunden zu ermitteln.
Ausgangspunkt sind die vertraglichen Vereinbarungen mit den Mitarbeitenden, weitere rechtliche Vorgaben sowie unternehmerische Gestaltungen:
Vereinbarte tägliche Arbeitszeit
= Maximale Arbeitsstunden pro Jahr
Allerdings sind folgende Korrekturen im Sinne von Abzügen erforderlich:
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Liquiditätssteuerung in der Kanzlei
Der als Schlusspunkt der Betrachtungen abgestimmte monatliche Gewinnbedarfsbetrag für alle im Partner/innen-Kreis führt in der Folge zu einem Liquiditätsabfluss in den Kanzlei-Finanzen. Dieser Betrag ist dann geringer als der insgesamt ermittelte Gewinnbedarf, wenn ein Betrag für den Zuwachs des Eigenkapitals einbezogen wurde. Dieser verbleibt mit der anteiligen Steuerlast in der Kanzlei-Liquidität.
- In der Kapitalgesellschaft ist der Liquiditätsabfluss eine klare Sache: Als Gehalt fließen die Beträge in einer Summe zum vereinbarten Auszahlungstag ab.
- Bei Privatentnahmen empfiehlt sich dieses Modell: Der vereinbarte Betrag wird an einem festgelegten monatlichen Stichtag auf das Privatkonto überwiesen. Damit werden die beiden Liquiditätssphären Kanzlei und private Verhältnisse klar getrennt. In der Folge können eventuell auftretende Anspannungen in der Liquidität direkt und ohne weitere Erhebungen einer der beiden Sphären zugeordnet werden. Damit ist auch die Verantwortung für die Beseitigung der Anspannung klar zugeordnet.
Abschließende Hinweise
Als Adressaten der Gewinnbedarfsermittlung kommen zwei weitere wichtige Gruppen in Betracht: die Lebenspartner und die Mandanten.
- Die Einbeziehung des privaten Bereichs: Speziell der Teilbereich „Private Sicherheit“ hat auch eine sehr kommunikative Dimension. Zumindest für diejenigen, die in einer Ehe/Partnerschaft leben. Denn der errechnete Bedarf soll das Leben von zwei Menschen plus ggf. Kindern absichern. Also sollten auch beide den Bedarf gemeinsam ermitteln. Dabei ist jedoch eine Kommunikationshürde zu überwinden. Diese wird deutlich, wenn zwei unterschiedliche Vorgehensweisen betrachtet werden:
- Gemeinschaftliche Ermittlung: Die Partner setzen sich zusammen und tauschen sich über ihre Vorstellungen zum erforderlichen Bedarf „private Sicherheit“ aus. Sie gehen dabei alle Themenbereiche durch.
- Separate Ermittlung: Die Partner überlegen im ersten Schritt jeder für sich, welche Beträge sie bei den einzelnen Kategorien für erforderlich halten. In einem zweiten Schritt setzen sie sich dann zusammen, tauschen sich über die Kategorien aus, bei denen sie jeweils unterschiedliche Beträge angesetzt haben. Hilfreich dabei ist natürlich eine vorbereitete Checkliste mit allen Kategorien, an die zu denken ist.
- Beachten Sie | Die separate Ermittlung führt in der Regel zu nachhaltigeren Ergebnissen, weil jeder der Partner erst einmal den eigenen Bedarf ermittelt, ohne dass er vom anderen gleich wegdiskutiert wird.
- Gewinnbedarfsermittlung für Mandanten: Das Thema Gewinnbedarf ist nicht nur für Steuerberatungskanzleien von Bedeutung, sondern für alle Unternehmen. Damit ist der Gewinnbedarf auch ein Thema in der betriebswirtschaftlichen Beratung der Mandanten. Die Beratungserfahrungen zeigen, dass die meisten kleinen und mittleren Unternehmen dieses Thema noch nicht im Fokus haben. Eine Ausnahme sind Gründer/innen beim Erarbeiten des Businessplans. Interessanterweise verfolgen die meisten das Thema in den weiteren Jahren aber auch nicht mehr, obwohl die Anpassung nach oben ‒ bei erfolgreichem Geschäftsverlauf ‒ eine Selbstverständlichkeit sein sollte.