· Fachbeitrag · Informationsinteresse der Verwaltung
Zur Rechtmäßigkeit eines Vorlageersuchens
von Oberstaatsanwalt Raimund Weyand, St. Ingbert
Ein Dokument muss dem Finanzamt nicht stets insgesamt im Original vorgelegt werden, wenn es lediglich eine einzige möglicherweise steuerlich relevante Aussage enthält (FG Münster 18.8.14, 6 V 1932/14 AO, Abruf-Nr. 142895). |
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Vorlageverlangens des FA. Die Behörde hatte vom Kläger in einer laufenden Betriebsprüfung verlangt, einen vollständigen Due-Diligence-Bericht vorzulegen. Hieraus ließen sich nach ihrer Auffassung Tatsachen entnehmen, die im Hinblick auf einen gezahlten Unternehmenskaufpreis für eine Fremdvergleichsprüfung relevant sein können. Der Kläger wollte nur einen Teilbericht präsentieren. Sein Einspruch blieb erfolglos. Das FG gab ihm aber im Aussetzungsverfahren (§ 69 FGO) zumindest einstweilen Recht, weil das FA sein Ermessen nicht zutreffend ausgeübt hatte.
Entscheidung
Ob ein Due-Diligence-Bericht als Urkunde i.S. des § 200 AO bzw. sonstige Unterlage i.S. des § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO anzusehen und als solche vorlagepflichtig ist, ist höchstrichterlich derzeit noch nicht entschieden und wird in der Literatur sehr kontrovers diskutiert (vgl. z.B. Tipke/Kruse/Drüen, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung § 147 Rn. 23 m.w.N.). Der Senat hat diese Frage nicht entschieden. Aus seiner Sicht ist bereits unter Verhältnismäßigkeitsaspekten zweifelhaft, ob ein Dokument stets insgesamt vorgelegt werden muss, auch wenn es nur eine einzige möglicherweise steuerlich relevante Aussage enthält, und ob stets das vollständige Originaldokument vorzulegen ist.
Die Grenze der Verhältnismäßigkeit ist nicht erst dann überschritten, wenn die Vorlage von Geschäftsunterlagen gefordert wird, die objektiv unter keinem möglichen Gesichtspunkt steuerliche Bedeutung für das geprüfte Unternehmen haben können. Vielmehr ist auch bei Unterlagen, die möglicherweise steuerlich relevant sein können, eine differenzierte Einzelfallabwägung geboten. Das FG zieht insoweit Parallelen zu der Rechtsprechung des BFH zur Vorlagepflicht bei Aufsichtsrats- und Vorstandsprotokollen (grundlegend bereits BFH 13.2.68, GrS 5/67, BStBl II 68, 365). Diese enthalten erfahrungsgemäß in weiten Teilen nicht steuerlich relevante Informationen, die sich auf rein interne Umstände eines Unternehmens beziehen. Solche Protokollteile nimmt der BFH daher von einer Vorlagepflicht aus.
Diese Erwägungen sind auch auf die Anforderung anderer Urkunden besonderer Art übertragbar, die - wie ein Due-Diligence-Bericht - neben möglicherweise steuerlich relevanten Informationen erfahrungsgemäß auch weitere steuerlich irrelevante Informationen aus dem Binnenbereich des Unternehmens enthalten. Die Finanzverwaltung muss hier stets eine Einzelfallentscheidung vornehmen. Dabei sind ihre berechtigten Informationsinteressen und die schutzwürdigen Belange des Unternehmens gegeneinander abzuwägen. Zu hinterfragen ist dabei auch, ob bzw. inwieweit dem berechtigten Informationsinteresse der Verwaltung durch Vorlage von Urkunden entsprochen werden kann, die dem Due-Diligence-Bericht zugrunde liegen - etwa Planzahlen etc. Zu bedenken ist ebenfalls, ob im Einzelfall ein gestuftes Vorgehen geboten ist: So kann dem Steuerpflichtigen z.B. zunächst aufgegeben werden, einen Auszug des Due-Diligence-Berichts vorzulegen. Dann muss sich die Finanzverwaltung ggf. mit der Frage auseinandersetzen, warum dieser Teilbericht dem berechtigten Informationsinteresse nicht genügt. Je geringer dabei einerseits die Erwartung ist, dass der vollständige Due-Diligence-Bericht (weitere) steuerlich relevante Tatsachen enthält, und je größer andererseits die Gefahr eines möglichen Eingriffs in innere Angelegenheiten eines Unternehmens wird, desto höher sind die Anforderungen an die Ermessenserwägungen, die die Finanzverwaltung darlegen muss.
PRAXISHINWEIS | Das Gesetz stellt es nicht in das Belieben des Steuerpflichtigen, welche Urkunden er dem Finanzamt vorlegt bzw. in welchem Umfang er diese zur Verfügung stellt. Dieser Grundsatz schließt nach Auffassung des FG allerdings nicht aus, bestimmte Grundanforderungen an die Ermessensüberlegungen der Finanzbehörde über Art und Umfang der Vorlage von Urkunden zu stellen. |