· Fachbeitrag · Kanzleientwicklung
Unternehmerische Chefaufgabe: Arbeiten Sie mehr an als in der Kanzlei!
von Carl-Dietrich Sander, Kaarst, www.cd-sander.de
| Die Steuerberatungskanzlei ist nicht nur Dienstleister für Unternehmen, sondern auch selber ein Unternehmen. Wie alle Unternehmen muss sich auch die Steuerberatungskanzlei im Markt behaupten ‒ nicht nur heute, sondern vor allem morgen. Und die Herausforderungen für das Morgen sind für Steuerberatungskanzleien erheblich. Das Stichwort dazu lautet vor allem digitale Transformation. Neben dem Tagesgeschäft müssen Sie sich daher zwingend Zeit für die unternehmerischen Chefaufgaben reservieren. |
An der Kanzlei arbeiten
Unternehmer/innen speziell in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ‒ also die meisten Kunden-Unternehmen der Steuerberatungskanzlei und auch die meisten Kanzleien selber ‒ sind im Tagesgeschäft stark gefordert. Denn das Tagesgeschäft muss funktionieren. Das ist für viele Unternehmer/innen die erste Priorität. Und in den meisten Unternehmen und Kanzleien funktioniert das gut und die wirtschaftliche Lage und Entwicklung bestätigt diesen hohen Einsatz der Arbeit im Unternehmen mit guten Zahlen.
Damit diese gute wirtschaftliche Entwicklung anhält, gilt es aber auch, an der Kanzlei und damit am Unternehmen zu arbeiten. Denn andauernder wirtschaftlicher Erfolg ist keine Selbstverständlichkeit ‒ auch wenn eine gute Entwicklung in den letzten Jahren dies vielleicht nahelegt. Aber der Umstand, dass auf gute auch schlechte Jahre folgen und dass längerfristige Trendfaktoren eben nicht nur für, sondern auch gegen das eigene Geschäftsmodell arbeiten, unterstreicht die Notwendigkeit der Arbeit an der Kanzlei. Für diese Arbeit geben die unternehmerischen Chefaufgaben einen Rahmen vor.
Beachten Sie | Natürlich muss jede Steuerberatungskanzlei individuell festlegen, welche die unternehmerischen Chefaufgaben sind, die sie weiterbringen und welche davon mit welchen Prioritäten sie bearbeitet will.
Die unternehmerischen Chefaufgaben in der Steuerkanzlei
Es gibt einen (nicht abschließenden) allgemeinen Katalog unternehmerischer Chefaufgaben. An diesem können sich Kanzleien orientieren. Sie sollten sich dazu die folgenden beiden Fragen stellen:
- Welche der unternehmerischen Chefaufgaben aus diesem Katalog sind auch für uns wichtig?
- Welche weiteren unternehmerischen Chefaufgaben sind für uns wichtig, die nicht im allgemeinen Katalog stehen?
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Geschäftsmodellebene | |
Produktentwicklung | Unser Dienstleistungsangebot stellen wir immer wieder auf den Prüfstand mit der Frage, ob dieses noch den Bedürfnissen unserer Kunden entspricht und welche weiteren Dienstleistungen und Serviceleistungen wir ausbauen und/oder aufnehmen wollen. |
Digitale Transformation | Alle Aspekte der digitalen Transformation haben wir im Blick (Prozesse, neue Dienstleistungen, Geschäftsmodell, …) und bringen diese in die Strategiearbeit ein. |
Planungsebene | |
Strategie der Kanzlei | Da wollen wir in fünf Jahren im Wettbewerb stehen. |
Ziele setzen | Diese Ziele stehen für uns im kommenden Jahr im Mittelpunkt. |
Planen | Aus unseren Zielen leiten wir diese Planzahlen für das kommende Jahr ab. |
Plan-Ist-Vergleiche | Unsere Planzahlen vergleichen wir regelmäßig mit dem aktuellen Ist-Stand und ziehen ggf. weitere Schlussfolgerungen für unsere Aktivitäten. |
Kalkulation | Unsere Honorarkalkulation überprüfen wir einmal im Jahr und passen unsere Honorarstrukturen ggf. an. |
Mitarbeiterebene | |
Mitarbeitergespräche | Mit allen Mitarbeitenden führen wir einmal im Jahr ein Grundlagengespräch über Mitarbeiterzufriedenheit, Leistungssituation, Entwicklungsperspektiven und gemeinsame Ziele und treffen Vereinbarungen für die weitere Zusammenarbeit. |
Teamgespräche | Mit unserem Team oder unseren verschiedenen Teams tauschen wir uns regelmäßig zur aktuellen Arbeitssituation und zur Weiterentwicklung der Aufgabenbereiche vor dem Hintergrund der Kanzleistrategie aus und vereinbaren Ziele und Aktivitäten. |
Netzwerkebene | |
Erfahrungs-austauschgruppe | Wir suchen den gezielten Austausch mit anderen Steuerberatungskanzleien mit ähnlicher Ausrichtung und Denkweise wie wir, um nicht nur in den eigenen Bahnen zu bleiben. |
Top-Kunden | Mit unseren wichtigsten Mandanten setzen wir uns einmal im Jahr neben dem Alltagsgeschäft zusammen und besprechen deren Zukunftsentwicklung und wie wir weiter gezielt mit unseren Dienstleistungen unterstützen können. |
Top-Dienstleister | Mit unseren wichtigsten Dienstleistern (z. B. IT-Systempartner) setzen wir uns einmal im Jahr zusammen und besprechen unsere weiteren Erwartungen und die Ziele für die Zusammenarbeit. |
Kooperationen | Um unsere Kunden auch in den Themen begleiten zu können, für die wir selber nicht die Spezialisten sind, pflegen wir unser Partner-Netzwerk und bauen dieses gezielt weiter aus. |
Hausbank(en) | Mit unseren Hausbanken pflegen wir einen engen Kontakt und führen einmal im Jahr ein Grundlagengespräch. |
Persönliche Ebene | |
Eigene Fortbildung | Wir haben eine Fortbildungsplanung für alle Mitarbeitenden im Rahmen der jeweiligen Entwicklungsperspektiven ‒ einschließlich der Berufsträger/innen. |
Nachfolge | Ab einem Alter der Berufsträger/innen von 55 Jahren nehmen wir das Thema Nachfolge in den Blick und arbeiten mit einem Zeitplan konsequent an seiner Verfolgung. |
Privatleben | Wir wissen, dass auch das Privatleben Chefaufgabe ist. Private Zeiten planen wir entsprechend ein und nehmen sie konsequent wahr. |
Die Chefaufgaben in den Kanzleialltag einbauen
Für die Arbeit an der Kanzlei kommt es entscheidend darauf an, dass die für ein Jahr festgelegten Chefaufgaben auch wirklich umgesetzt werden. Die Erfahrung zeigt, dass dies nicht immer gelingt. Das Tagesgeschäft drängelt sich dann doch zu oft vor.
Variante 1: Chefaufgaben in der Jahresarbeitsplanung berücksichtigen
Deshalb sollten die festgelegten Chefaufgaben in eine Jahresarbeitsplanung einfließen: In dieser legen die Berufsträger/innen fest, welche der Chefaufgaben sie wann im Jahr mit wem bearbeiten werden. Das bedeutet: Es geht um konkrete Termine! Das ist auch deshalb sinnvoll, weil einige Chefaufgaben zeitgebunden sind. So werden die Gespräche mit den Mitarbeitenden in eher auslastungsschwächere Zeiten gelegt. Die Strategiearbeit, wie Ziele setzen und planen, sollte vor Beginn des neuen Geschäftsjahrs abgeschlossen sein.
Für die Jahresarbeitsplanung legen Sie sich ein Arbeitsblatt mit diesen fünf Spalten an, in dem Sie die Aufgaben sammeln:
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Thema | Inhalt | Mit wem?(ggf. delegieren!) | Zeitbedarf | KonkreterTermin |
Marketing | Erstellung eines Kanzlei-Dienstleistungskatalogs mit Preisen als Vertriebs-instrument | Frau XFrau Y | 1/2 Tage für Kick-off Workshop, | 14.01. vormittags |
Marketing | Entwicklung eines Honorarrechners für die Website | IT-Systempartner | 1 Tag für Systempartner-Briefing | 03.02. ganztägig |
Fortbildung | Seminar zu Erfolgsfaktoren der betriebswirtschaftlichen Beratung | nur ich | 1 Tag | 14.03. (außer Haus) |
(...) |
Auf dieser Basis können alle Beteiligten sich die nötige Zeit für die jeweiligen Chefaufgaben in den Kalender eintragen und freihalten.
Variante 2: Chefaufgaben in die „stille Stunde“ packen
Wenn diese Vorgehensweise zu aufwendig oder auch mit Blick auf die individuelle Kanzleisituation als nicht umsetzbar erscheint, gibt es folgende alternative Vorgehensweise:
- Pro Woche eine Stunde für die Chefaufgaben reservieren.
- Diese Stunde in eine üblicherweise störungsarme Zeit legen.
- Diese Stunde komplett störungsfrei machen.
- Störquellen abschalten (Smartphone, Mailprogramm, Telefon).
- Schild an die Tür: Bitte nicht stören.
In einer solchen störungsfreien Stunde wird Folgendes passieren: Arbeitsstapel reduzieren sich rapide dank hoher Konzentration und die Gedanken können frei schwingen und die Kreativität sich entfalten. Warum das so ist? Weil uns die ständigen Unterbrechungen am meisten an konstruktiver Arbeit hindern. Wenn mit dieser „stillen Stunde“ positive Erfahrungen gemacht werden, lohnt es sich, über eine Ausweitung nachzudenken.
Apropos Erfahrungen: Wenn Sie mit dieser Vorgehensweise erstmals oder vermehrt arbeiten ‒ dann suchen Sie sich Partner für den Erfahrungsaustausch. Diese finden Sie in der eigenen Kanzlei oder bei befreundeten Kanzleien oder sogar bei Kunden. Der Austausch hilft dabei, die eigene Arbeit an den Chefaufgaben immer weiter zu verbessern.
Chefaufgaben als Beratungsdienstleistung für Mandanten
Auch Ihre Mandanten könnten davon profitieren, wenn die Unternehmer/innen das Thema Chefaufgaben konsequenter nutzen würden. Damit ergibt sich für Sie ein Ansatzpunkt im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Beratung: Wenn sich in Mandantengesprächen zeigt, dass hier Handlungsbedarf besteht, wird das Thema angesprochen.
Bei Interesse des Kunden ist eine zweistufige Vorgehensweise denkbar:
- Stufe 1: Dem Mandanten wird ein Arbeitsblatt zu den Chef-Themen (vgl. den Katalog der Chefaufgaben) mit Hinweisen zur Vorgehensweise übergeben. Das ist eine Serviceleistung.
- Stufe 2: Mit dem Arbeitsblatt ist der Hinweis verbunden, dass die Kanzlei gerne bei der Nutzung des Arbeitsblatts und der folgenden Umsetzung beratend unterstützt. Das könnte der Einstieg in die honorarpflichtige Beratung werden.
Ob sich ein solcher Bedarf in Mandantengesprächen zeigt, hängt natürlich auch von der eigenen Gesprächsführung ab ‒ zum Beispiel im Jahresabschlussgespräch. Hier kann das Thema Chefaufgaben von Kanzleiseite angesprochen und somit eingeführt werden. Je nach Reaktion des Mandanten wird das Thema mehr oder weniger intensiv weiter verfolgt.
Ebenso könnte sich dieses Thema als Überschrift für Informationsveranstaltungen für Mandanten eignen. Achtung: In diesem Fall kommt für die Unternehmen natürlich die Chefaufgabe „Abstimmung mit dem Steuerberater“ hinzu.
Zum Autor | Carl-Dietrich Sander ist freiberuflicher Unternehmensberater. Sein Schwerpunkt liegt auf der Beratung der Inhaber/innen kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU).