· Fachbeitrag · Kanzleinachfolge
Private Equity in der Steuerberatung ‒ Chancen und Herausforderungen für Kanzleien
von StB Daniel Kubitza, Düren, www.danielkubitza.de und Yannick Elhag, EM²-Consulting, Berlin
| Private Equity gewinnt zunehmend an Bedeutung in der Steuerberatungsbranche. Insbesondere im Zuge von Nachfolgeregelungen und der Konsolidierung kleinerer Kanzleien sehen Private-Equity-Investoren zunehmend Chancen. Dieser Beitrag beleuchtet die wesentlichen Aspekte des Private Equity für Steuerkanzleien, erklärt die Funktionsweise von Private-Equity-Investitionen und geht auf die besondere Rolle der Steuerberatung ein. |
Was ist Private Equity?
Private Equity bezeichnet Investitionen in nicht börsennotierte Unternehmen. Im Gegensatz zu Venture Capital, das in junge, wachstumsstarke Unternehmen investiert, fokussiert sich Private Equity auf etablierte, profitable Unternehmen, häufig im Mittelstand. Private-Equity-Firmen sammeln Kapital von institutionellen Investoren ein und investieren dieses über einen Zeitraum von mehreren Jahren in unterschiedliche Unternehmen, oft mit dem Ziel, durch Optimierung und Wachstum den Unternehmenswert zu steigern und nach einigen Jahren mit Gewinn zu verkaufen. In der Steuerberatungsbranche sind Private-Equity-Fonds noch vergleichsweise neu, aber das Interesse wächst. Die Branche zeichnet sich durch stabile Erträge, geringe Fluktuation und hohe Planbarkeit aus ‒ Eigenschaften, die für Investoren sehr attraktiv sind. Steuerkanzleien generieren zudem in der Regel wiederkehrende Umsätze und haben oft langfristige Mandantenbeziehungen, was die Planbarkeit weiter verbessert. Für Private-Equity-Investoren, die häufig mit einer Mischung aus Eigen- und Fremdkapital arbeiten, ist diese Stabilität entscheidend, um Finanzierungskosten zu decken und eine nachhaltige Rendite zu erzielen.
Private Equity versus klassische Bankenfinanzierung
Eine wesentliche Unterscheidung zwischen Private Equity und traditionellen Bankenfinanzierungen liegt in der Art des Kapitals. Während Banken meist Fremdkapital in Form von Krediten zur Verfügung stellen, investieren Private-Equity-Firmen Eigenkapital. Dies bedeutet, dass Private-Equity-Investoren direkt am Erfolg und Misserfolg des Unternehmens beteiligt sind. Es gibt keine festen Zinsen oder Tilgungspläne. Stattdessen profitiert der Investor vom Unternehmenswachstum, trägt aber auch das Risiko eines Wertverlustes. Für Steuerberater, die (längerfristig) über Nachfolgeregelungen nachdenken oder die Kanzlei erweitern möchten, kann die Zusammenarbeit mit einem Private-Equity-Investor attraktiv sein, da Eigenkapitalinvestitionen für die Kanzlei flexibler und weniger risikoreich sind als Bankdarlehen. Banken verlangen häufig umfangreiche Sicherheiten und eine strikte Rückzahlung, während Private-Equity-Investoren mittel- bis längerfristige Ziele (drei bis sieben Jahre) verfolgen und strategische Unterstützung bieten können.
Attraktivität von Private Equity für die Steuerberaterbranche
Die Steuerberatungsbranche befindet sich in einem strukturellen Wandel. Viele Kanzleiinhaber stehen kurz vor dem Ruhestand und es mangelt an jungen Steuerberatern, die bereit sind, eine Kanzlei zu übernehmen. Dies schafft eine Marktlücke, die Private-Equity-Unternehmen nutzen können. Größere Kanzleien, die bereits erfolgreich am Markt sind, werden für Private-Equity-Investoren besonders interessant, da diese Kanzleien als Plattform für zukünftige Zukäufe dienen können. Das Modell der Buy-and-Build-Strategie ist hier von zentraler Bedeutung. Bei der Buy-and-Build-Strategie konzentriert sich ein Private-Equity-Investor zunächst auf den Erwerb einer zentralen Kanzlei. Diese Kanzlei dient als Plattform für zukünftige Zukäufe. Der Buy-Teil der Strategie besteht darin, weitere kleinere Kanzleien zu erwerben und diese in die bestehende Struktur zu integrieren. Der Build-Teil zielt darauf ab, diese Einheiten operativ zusammenzuführen, Prozesse zu vereinheitlichen und Synergien zu nutzen. Diese Strategie ermöglicht es, mehrere kleinere Einheiten zu einer großen Kanzleigruppe zu integrieren, was sowohl die operative Effizienz steigert als auch den Marktwert des gesamten Unternehmens erhöht.
Ein großer Vorteil dieser Strategie liegt in der Skalierbarkeit. Während eine einzelne Kanzlei möglicherweise Schwierigkeiten hat, größere Mandate zu gewinnen oder bestimmte Investitionen zu tätigen, kann eine Gruppe von Kanzleien diese Herausforderungen leichter bewältigen. Durch die Bündelung von Ressourcen können größere Mandate übernommen und operative Effizienzen erzielt werden.
Attraktivität von Kanzleien für Private Equity
Nicht jede Kanzlei ist automatisch ein Ziel für Private-Equity-Investitionen. Größere Kanzleien mit einem Umsatz von mehreren Millionen EUR und stabilen Erträgen sind am ehesten für Private-Equity-Investoren attraktiv. Kleinere Kanzleien hingegen, die nur einen Umsatz von 100.000 bis 200.000 EUR erzielen, sind in der Regel zu klein. Diese Kanzleien können jedoch durch die Buy-and-Build-Strategie in größere Strukturen integriert werden. Ein weiteres entscheidendes Kriterium ist die Digitalisierung. Kanzleien, die moderne Technologien nutzen, um effizienter zu arbeiten und ihren Mandanten besseren Service zu bieten, haben einen klaren Wettbewerbsvorteil. Darüber hinaus spielen die Managementstrukturen eine wichtige Rolle: Private-Equity-Investoren bevorzugen Unternehmen, bei denen nicht alles an der Person des Eigentümers hängt. Eine solide Führungsstruktur und eine gut funktionierende Nachfolgeregelung sind essenziell, um den langfristigen Erfolg der Kanzlei sicherzustellen.
Private Equity bei der Nachfolgeplanung
Die Nachfolgeplanung ist eines der zentralen Themen in der Steuerberatungsbranche. Viele ältere Steuerberater wollen ihre Kanzlei in den nächsten Jahren abgeben, aber es fehlt häufig an geeigneten Nachfolgern. Hier kann Private Equity eine Lösung bieten, indem es professionelle Manager und Kapital bereitstellt, um den Übergangsprozess zu erleichtern. Allerdings ist Private Equity für unmittelbar anstehende Nachfolgen in kleineren Kanzleien eher nicht interessant. Je nach Ziel suchen Private-Equity-Geber Kanzleien über zwei bzw. über zehn Mio. EUR Umsatz und neigen dazu, die Geschäftsführer recht lange zu binden. Ein weiterer kritischer Punkt ist die Vorbereitung des Verkaufsprozesses. Eine frühzeitige Planung, idealerweise fünf Jahre im Voraus, ist entscheidend, um den Übergang reibungslos zu gestalten. Private-Equity-Unternehmen erwarten eine detaillierte Due-Diligence-Prüfung, bei der alle relevanten Aspekte des Unternehmens genau durchleuchtet werden. Kanzleien sollten daher gut auf diesen Prozess vorbereitet sein, um den bestmöglichen Verkaufspreis zu erzielen. Bei der Veräußerung einer Kanzlei an einen Private-Equity-Investor ist es wichtig, dessen Ziele und Geschäftsmodelle zu verstehen. Private-Equity-Investoren streben in der Regel nach Renditeoptimierung für ihre Anlage. Dem Zugang zu erheblichen finanziellen Ressourcen und Know-how steht also der Fokus auf Gewinnmaximierung und entsprechend ausgelegte Verträge gegenüber.
Earn-Outs und moderne Vertragsgestaltung
Bei größeren Transaktionen sind moderne Vertragsgestaltungen wie Earn-Out-Klauseln heute Standard. Earn-Outs ermöglichen es, den Kaufpreis an die zukünftige Performance der Kanzlei zu koppeln. Dies bietet sowohl dem Verkäufer als auch dem Käufer zusätzliche Sicherheit. Der Verkäufer profitiert von einem zusätzlichen Erlös, wenn die Kanzlei in den nächsten Jahren die erwarteten Ergebnisse liefert, während der Käufer das Risiko minimiert, falls die Kanzlei hinter den Erwartungen zurückbleibt. Für viele Steuerberater mag dies zunächst ungewohnt sein, aber im Bereich M&A (Mergers and Acquisitions) ist dies eine etablierte Praxis, die dazu beiträgt, Differenzen in der Unternehmensbewertung zu überbrücken.
Private Equity als Chance für die Steuerberaterbranche?
Private Equity bietet Steuerkanzleien spannende Möglichkeiten, insbesondere im Hinblick auf Nachfolgeregelungen und Wachstumsstrategien. Durch die Kombination von Kapital und professionellem Management können Private-Equity-Investoren den Übergang in die nächste Generation erleichtern und gleichzeitig das Wachstum der Kanzlei vorantreiben. Insbesondere die Buy-and-Build-Strategie bietet Kanzleien die Chance, sich in einem sich wandelnden Markt zu behaupten und langfristig erfolgreich zu bleiben. Für Steuerberater, die über den Verkauf ihrer Kanzlei nachdenken oder wachsen wollen, ist Private Equity eine attraktive Option, die jedoch sorgfältig geprüft und vorbereitet werden sollte. Frühzeitige Planung und eine solide Vorbereitung des Verkaufsprozesses sind entscheidend, um den größtmöglichen Nutzen aus einer Zusammenarbeit mit Private-Equity-Investoren zu ziehen.
PRAXISTIPP | Die Regelungen zur gemeinschaftlichen Berufsausübung sind 2022 umfassend reformiert worden. Nun können sich auch andere Angehörige freier Berufe nach § 1 Abs. 2 PartGG an Berufsausübungsgesellschaften beteiligen. Zu beachten sind aber weiter die Grenzen der gemeinsamen Berufsausübung. Bereits im Vorfeld sollte die richtige Struktur gewählt werden, um ein zügiges Anerkennungsverfahren bei der Steuerberaterkammer zu ermöglichen. |