· Fachbeitrag · Kolumne
Nicht für die Steuerberaterprüfung lernen wir ...
von StB Jens Henke, Berlin
| Jeder von uns kennt es noch aus dem Steuerberaterexamen. Wer die Richtlinien und Erlasse der Finanzverwaltung gut wiedergeben kann, der besteht die Prüfung ‒ vielleicht sogar mit einer guten Note. Bei der Berufsausbildung der Steuerfachangestellten sieht es auch nicht wirklich anders aus. Aber ist das Auswendiglernen und Runterspulen der Verwaltungsmeinung, wirklich das, was uns in Zukunft noch weiterbringt? |
Nicht, dass ich an dieser Stelle missverstanden werde. Das Steuerrecht sauber auszulegen und die Meinung der Finanzverwaltung zu kennen, sind unsere Kernkompetenz. Aber neben diese Kompetenz treten heute andere, die genauso wichtig sind. Hier treffen wir auf neue Fragen, auf die wir und unsere Mitarbeiter nur bedingt bis gar nicht in der Ausbildung vorbereitet werden.
Da steht an erster Stelle das strategische Denken. Das Geschäftsmodell der klassischen Steuerkanzlei (FiBu, LoBu, Deklaration), muss weiterentwickelt werden, denn es ist endlich. Neue Dienstleistungen müssen das auffangen. Das geht nur, wenn wir wissen, wie wir die Bedürfnisse unserer Mandanten erkennen und dazu passende Geschäftsmodelle entwickeln können. Dazu gehört auch, dass wir unsere Mandanten verstärkt coachen, z. B. in der Ausschöpfung der Effizienzgewinne durch konsequente Digitalisierung. Denn wir können nicht davon ausgehen, dass sie von sich aus das nötige Wissen und Verständnis für die Zusammenhänge haben. Hier müssen wir unseren Blick für Systeme und die Abläufe schärfen. Denn in den Prozessen stecken die Probleme (und Lösungen). Das Thema Verfahrensdokumentation lässt an dieser Stelle grüßen.
Dies will so gar nicht zur klassischen Arbeitsweise passen. Hier dominieren Checklisten, Übersichten und modellhaftes Denken. Das ist statisch. Checklisten, Übersichten und Modelle vermitteln nur eine trügerische Sicherheit, denn keiner überprüft sie in der Kanzlei laufend z. B. auf Aktualität. Methodenwissen hingegen ist von sich aus dynamisch. Es wächst und verändert sich mit jedem Mal, bei dem es angewendet wird. Eine Checkliste bleibt ‒ bis zur nächsten Auflage ‒ immer gleich. Aber wann haben Sie zum letzten Mal beispielsweise mit Mitteln des Projektmanagements ein Team geleitet? Oder einen Kreativ-Workshop zur Kanzleientwicklung moderiert? Und wenn, ja, wo haben Sie das gelernt? Im Vorbereitungskurs zur Steuerberaterprüfung, an der Uni?
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Einmal gelerntes Wissen ist wichtig. Noch wichtiger ist es, Wissen im Fluss zu halten. Wer die Auslegung der Finanzverwaltung anwenden kann, besteht die Steuerberaterprüfung. Wer den Lebenssachverhalt kreativ unter das Gesetz subsumieren kann (=Methode!), gewinnt Mandate (und den einen oder anderen Prozess). Das gilt noch viel mehr für die außersteuerlichen Herausforderungen unserer Zunft. Dieser Gesichtspunkt muss nun endlich auch in der Ausbildung aufgegriffen werden. |