· Fachbeitrag · Mitarbeiterausbildung
Eine Zukunft für Steuerfachangestellte ‒ IT-Spezialist oder vernetzt denkender Allrounder?
von StB Joachim Röper, Norderstedt, www.roeper-collegen.de
| Die BStBK bewirbt nach wie vor den Beruf als Steuerfachangestellte/r als wertvolle Unterstützung für die Steuerberater. Daran anschließend sollen sich die Aspiranten mit Fortbildungen wie dem FAIT spezialisieren. Das kann so funktionieren. In größeren oder großen Kanzleien gibt es dafür wahrscheinlich auch Bedarf, da dort gerne in Teilbereichen gedacht und gehandelt wird. Für die überwiegende Zahl der kleinen und mittelständischen Kanzleien taugt das Modell nur teilweise gut oder eben gar nicht. |
Folgt aus Komplexität notwendigerweise Spezialisierung?
Das Umfeld, in dem der Steuerberater erster Ansprechpartner des Mandanten ist, unterliegt nicht nur ständigen Veränderungen, sondern wird auch immer komplexer. Das fängt schon bei relativ kleinen Mandaten an und nimmt mit wachsender Größe der zu betreuenden Unternehmen weiter zu. Aber ist die Antwort richtig, die Mitarbeiter durch weitere spezialisierte Qualifikationen in neuen Teilbereichen auszubilden und dann darin quasi gefangen als Spezialist unter Spezialisten agieren zu lassen? Viel wichtiger ist doch, interdisziplinäres Denken zu fördern, damit sich die Mitarbeiter zügig und kompetent in die Beratung integrieren. Durch scheibchenweises Lernen wird selten das große Ganze begriffen und demzufolge auch nur stückchenweise beraten.
Steuerberater als Experten im Steuerwesen sind es gewohnt, mehrere völlig unterschiedliche steuerliche Fachgebiete neben anderen Rechtsgebieten unter einen Hut zu bringen. Aber eben auch oft nur diese Sachgebiete. In den meisten Kanzleien braucht es somit einen Katalysator, jemanden, der die anstehenden Dinge mit mehr Kreativität lösen kann. Das kann nur gelingen, wenn die vorherige Ausbildung entsprechend vielseitig und auf die vielfältigen Ansprüche ausgerichtet ist. Als Unterstützung in der täglichen Arbeit benötigen die meisten Kanzleien neue Allrounder, die in einem gewissen Rahmen vernetzt denken und handeln können. Dazu braucht es Mitarbeiter, die in der Lage sind, komplexe Systeme zu durchschauen und selbstständig mit dem Mandanten die Prozesse zu optimieren oder wenigstens Vorschläge auszuarbeiten.
Beraten bedeutet ja nicht, dass man im Sammeln von Daten gut ist (ob nun früher analog oder heute überwiegend digital), sondern mit diesen Daten neue Geschäftsfelder, Vertriebswege oder andere Optimierungen neben den steuerlichen Lösungen, quasi als Gesamtpaket, zu finden. Auch weil die Steuerberater einfach nicht genug Zeit haben, um sich jedes einzelnen Mandanten im Detail anzunehmen, braucht es unbedingt interdisziplinär denkende Mitarbeiter in den Kanzleien.
Steuerberater bleiben derzeit schon hinter ihren tatsächlichen Dienstleistungsmöglichkeiten zurück. Und das, obwohl sie seit jeher der erste Ansprechpartner sind und mit bereits vorhandenen Daten dem Mandanten sofort helfen könn(t)en. Darum beneiden sie doch die Mitbewerber aus anderen Branchen wie Banken, Versicherungen, Unternehmensberater etc. Warum schießen Unternehmen wie Candis, Buchhaltungsbutler und andere derzeit wie Pilze aus dem Boden? Natürlich wollen sie dem Mandanten das Leben nur einfacher machen, und natürlich wollen sie dabei nur die Zusammenarbeit mit dem Steuerberater unterstützen. Ganz sicher aber wollen sie an die Daten der Mandanten, um darauf Mehrwertdienstleistungen aufzusetzen ‒ Daten, die bisher beim Steuerberater erhoben werden und mit denen er außer im Rahmen von Gewinnermittlung, Abschluss und Deklaration in der Regel nicht mehr viel macht.
Denkanstöße für ein neues kaufmännisches Berufsbild
Der Verlust der „Datenhoheit“ wäre für den einzelnen Steuerberater verheerend und hätte weitrechende negative Folgen für den Berufsstand selbst. Deshalb braucht es ein neues Selbstverständnis für die Steuerberatung und daraus abgeleitet ein neues Berufsbild für die Assistenzberufe. Grundlage ist aus meiner Sicht ein kybernetisches Verständnis von Wirtschaft und Unternehmen. Die Kybernetik, die man auch als die Lehre von den STEUERungsprozessen übersetzen könnte, fragt nicht isolierend, was passiert, wenn ich da diesen Knopf drücke, sondern behandelt jedes beliebige System unter dem Gesichtspunkt aller möglichen Ein- und Ausgaben und der Wechselwirkungen mit seiner Umwelt. Drei Bausteine gehören für mich zu dieser Sichtweise.
Baustein 1: Digitales
Im Bereich Digitales ist als Leitbild das Verständnis für Unternehmen, ihre Prozesse und ihre digitalen Werkzeuge anzuführen. Hier ist die unternehmerische Aufgabe, mit knappen Ressourcen wie Kapital, Personal, Betriebsmitteln, Informations- und Kommunikationstechnik im Sinne des Unternehmenszwecks rechtzeitig und bedarfsgerecht zu planen bzw. zu steuern. Für die jederzeit bestmögliche Zusammenarbeit mit den Mandanten müssen unterschiedlichste Programme an die IT der Kanzlei angebunden werden und hier sehe ich eine wichtige Aufgabe für den Assistenzberuf, nämlich den digitalen Datenfluss und die darauf aufbauenden Arbeitsprozesse sicherzustellen und laufend zu optimieren.
Baustein 2: Consulting
Im Bereich Consulting sind z. B. zu nennen:
- die Aufarbeitung betriebswirtschaftlicher Probleme des Mandanten,
- Eigen- und Fremdvergleiche,
- die Kosten- und Leistungsrechnung,
- die Gemeinkostenwertanalyse,
- die Portfolio-Analyse
- das rechtzeitige Erkennen einer Unternehmenskrise,
- die Unterstützung in den Bereichen Produktstrategie und Organisation oder Grundlagen im Marketing.
Baustein 3: Steuern
Die bisherigen Kerntätigkeiten Buchen, Gewinnermittlung/Abschluss, Deklaration werden immer stärker automatisiert. Der Fachangestellte von morgen wird keine Einkommensteuer-Mandate mehr bearbeiten, sondern (wenn überhaupt) nur noch die automatische Erstellung überwachen. Und so wird es auch mit den anderen Tätigkeiten gehen. Durch die zunehmende Automatisierung wird der Mensch übergangsweise noch in die „Aufpasser-Rolle“ gedrängt, bis er auch in dieser Rolle überflüssig wird, weil die Fehlerrate unbedeutend geworden ist.
Sicher ist es wünschenswert, dass die Mitarbeiter in der Ausbildung einmal wenigstens alles „zu Fuß“ gemacht haben, das hilft nicht nur beim Verstehen und beim Fehler finden, sondern auch später bei der Datenanalyse. Aber es gibt auch Grenzen. Man verlangt ja auch von niemandem, der einen Computer bedient, dass er das auf der Code-Ebene tut. In Zukunft werden daher Kenntnisse viel wichtiger, wie z. B. die Anforderungen der GoBD sinnvoll umgesetzt werden können.
Auch bei der Ausbildung neue Wege gehen
Wer aber soll diese neuen Mitarbeiter ausbilden? Die Berufsschulen sind m. E. damit überfordert. Bereits heute kommt die vernetzte Sicht zu kurz. Es geht mehr darum, etwas irgendwo richtig angekreuzt zu haben, als darum etwas eigenständig zu durchdenken und sich die Voraussetzungen und Konsequenzen klar zu machen. Der Unterricht muss auf selbstständiges weitergehendes Denken als Lernansatz achten, allein schon, weil an den allgemeinbildenden Schulen nicht mehr darauf geachtet wird. Nur so kann sich die Kreativität des Einzelnen erst entwickeln.
Ein weiter Punkt ist die Ausdrucksfähigkeit in Wort und Schrift. Die Kanzleien brauchen sehr wohl Mitarbeiter, die sich ausdrücken und mit den Mandanten (oft genug anspruchsvolle Freiberufler und Unternehmer) auf Augenhöhe sprechen können. Vermutlich muss der Berufsstand die Ausbildung viel stärker selbst in die Hand nehmen, etwa über eigene Akademien, an denen der Nachwuchs ausgebildet wird.
Und wer kommt für diese Ausbildung infrage?
Als mögliche Aspiranten kommen eigentlich nur Bewerber/innen nach Abschluss der zweijährigen höheren Handelsschule bzw. des Wirtschaftsgymnasiums infrage. Den anspruchsvollen Anforderungen dürfte in jedem Fall eine mindestens dreijährige duale Ausbildung entsprechen. Die Ausbildungsvergütung muss sich an den hohen Ansprüchen orientieren ‒ sonst gehen die Guten woanders hin.
Weiterführender Hinweis
- Ziele der Fortbildung zur/m Fachassistent/in Digitalisierung und IT-Prozesse (FAIT) (KP-Nachricht vom 1.2.21)