· Fachbeitrag · Mitarbeitervergütung
10 Regeln für variable Vergütungsmodelle
von StB Dipl.-Finw. Christian Herold, Herten, www.herold-steuerrat.de
| Variable Vergütungsbestandteile für die Mitarbeiter sind in vielen Branchen üblich. Auch in Steuerkanzleien werden Gehälter vielfach mit Boni, Tantiemen, Prämien oder anderen Sondervergütungen gekoppelt. Dennoch wird in fast allen mir bekannten Steuerkanzleien darüber diskutiert, wie eine variable Vergütung optimal ausgestattet werden sollte. Der folgende Beitrag wird Ihnen zwar diese Diskussionen nicht abnehmen können, allerdings stellt er anhand von 10 Regeln die wichtigsten Entscheidungsparameter dar, um die Überlegungen zumindest ein Stück weit zu vereinfachen. |
Regel 1: Gehaltsbestandteil versus echter Bonus
Interessanterweise herrscht in vielen Unternehmen keine Klarheit darüber, ob eine variable Vergütung ein echter Gehaltsbestandteil ist oder „nur“ als Bonus für eine herausragende Leistung gezahlt wird.
|
Einer größeren Steuerkanzlei ist es gelungen, einen Steuerberater und Fachberater für Unternehmensnachfolge einzustellen. Er erklärt sich damit einverstanden, dass sein Gehalt von brutto insgesamt 90.000 EUR einen variablen Bestandteil von 10.000 EUR enthält. Tatsächlich gelingt es dem neuen Kollegen, seine variable Vergütung in den ersten beiden Jahren trotz eines nur durchschnittlichen Arbeitseinsatzes von 45 Stunden pro Woche in voller Höhe zu erarbeiten. Im dritten Jahr wechselt der für ihn zuständige Partner, der zum Thema „variable Gehaltsbestandteile“ eine vollkommen andere Vorstellung hat. Er geht davon aus, dass der Betrag von 10.000 EUR nur bei einem außergewöhnlichen Arbeitseinsatz und Erfolg erreicht werden kann. Aufgrund der unterschiedlichen Auffassungen und auch der tatsächlichen Übung in der Vergangenheit kommt es letztlich zum Streit zwischen den Beteiligten. |
Sicherlich werden Sie an dieser Stelle richtigerweise einwenden, man hätte die Vergütung vertraglich besser regeln müssen, um Klarheit zu erhalten. Allerdings wird der beste Vertrag nicht weiterhelfen, wenn bereits die inneren Haltungen und Erwartungen von Vorgesetztem und Mitarbeiter weit auseinanderliegen. Von daher: Werden Sie sich zunächst selbst darüber klar, ob ein variabler Gehaltsbestand für Ihre Mitarbeiter Teil der Gesamtvergütung sein soll, der bereits bei der erwarteten Leistung ausgezahlt wird oder ob er ein echter Bonus ist.
Regel 2: Die Lenkungsfunktion der Vergütung erkennen
Neben der Entscheidung für einen Gehaltsbestandteil oder für einen Bonus müssen Sie sich über die gewünschte Lenkungsfunktion der Vergütung im Klaren sein. Eine einmalige Sondervergütung oder ein Geschenk zum Jahresende können motivationsfördernd sein, werden aber üblicherweise nicht zu einer anderen Arbeitsweise der Mitarbeiter führen. Eine Tantieme, die 20 % oder mehr des Gesamtgehalts beträgt, kann dagegen zu erwünschten oder unerwünschten (Neben-)Wirkungen führen.
|
Sie planen die Einführung von Datev ProCheck, Ihre Mitarbeiter werden jedoch im hohen Maße erfolgsabhängig vergütet. Sie haben zum Jahresbeginn Umsatz- und Ertragsziele vereinbart und bewusst qualitative Ziele außen vor gelassen. Sie werden feststellen, dass der Wille zur Einführung von Datev ProCheck nicht sonderlich ausgeprägt sein wird. |
Deshalb sollten Sie mit dem Instrument einer hohen variablen Vergütung sorgfältig umgehen und gegebenenfalls quantitative mit qualitativen Zielen koppeln. Dies geschieht am einfachsten, wenn Sie bereits vor dem neuen Jahr eine Kanzleistrategie erarbeiten, der sich alle Mitarbeiter verpflichtet fühlen. Auch die Frage, ob Sie ein Umsatz- oder ein Ertragsziel oder eine Koppelung von beiden vereinbaren, müssen Sie beantworten. Wie Sie es aber machen: Freuen Sie sich, wenn die gewünschte Lenkungsfunktion eingetreten ist. Und ärgern Sie sich nicht, wenn nicht honorierte Ziele auch nicht erreicht werden.
Regel 3: Legen Sie sich fest und wechseln Sie nicht hin und her
Variable Vergütungsmodelle benötigen eine mehr oder weniger objektive Bemessungsgrundlage. Das können beispielsweise Messgrößen wie Umsatz und/oder Deckungsbeitrag für die Gesamtkanzlei, die Einheit oder den einzelnen Mitarbeiter sein. Es können aber auch qualitative Werte wie etwa das Bestehen einer Fachberaterprüfung sein. Sofern die quantitativen Größen im Vordergrund stehen, werden Sie regelmäßig zum Jahresanfang die Parameter für die Zielerreichung festlegen. Wichtig: Den absoluten Wert, bei dem 100 % der Tantieme erreicht werden, werden Sie üblicherweise zwar jedes Jahr aufs Neue festlegen müssen, wechseln Sie aber nicht Jahr für Jahr die grundsätzliche Berechnungsart. Das führt bei den Mitarbeitern, auch wenn es vielleicht gut gemeint ist, zu Misstrauen.
|
Sie planen für Ihre Kanzlei in den nächsten beiden Jahren ein Umsatzwachstum und nehmen dabei wegen erforderlicher Investitionen einen zeitweisen Ertragsrückgang in Kauf. Mit den Mitarbeitern vereinbaren Sie eine Tantieme, die sich am Umsatz und nicht am Ertrag orientiert. Die Tantiemehöhe ist zudem degressiv gestaffelt, das heißt, sie kann bei einem überdurchschnittlichen Erfolg auch überproportional steigen. Tatsächlich werden Ihre Erwartungen übertroffen und Sie merken schon im ersten Jahr, dass die zugesagten Tantiemen recht hoch sind. Von daher entscheiden Sie sich, bereits im zweiten Jahr wieder zur Bemessungsgrundlage „Ertrag“ oder „Deckungsbeitrag“ zurückzukehren. |
Regel 4: Lassen Sie keine Ausreden gelten
Variable Vergütungsbestandteile sind oft so gestaltet, dass die Mitarbeiter einen wesentlichen Einfluss auf das Erreichen haben. Dennoch geschieht es immer wieder, dass durch Sondereinflüsse, die der Mitarbeiter nicht zu vertreten hat, der geplante Umsatz oder Deckungsbeitrag nicht erreicht wird. In diesem Fall sollten Sie natürlich fair bleiben und trotz vorheriger Festlegung eines objektiven Maßstabs für eine angemessene Entlohnung sorgen.
|
Im Dezember wird ein Großauftrag angenommen. Das Honorar, das die Tantieme einiger Mitarbeiter erheblich beeinflussen könnte, wird erst im darauffolgenden Februar abgerechnet. Andere Aufträge, die ohne den Großauftrag noch im Dezember hätten fakturiert werden können, bleiben liegen. |
Aber: Lassen Sie nicht jedes Argument gelten. Mitarbeiter neigen verständlicherweise dazu, die durch sie nicht beeinflussbaren Faktoren in den Vordergrund zu schieben und dementsprechend trotz der verpassten Zielerreichung für eine 100%ige Auszahlung der Tantieme zu kämpfen. Allerdings wird im umgekehrten Fall, also der Umsatzsteigerung ohne eigene Leistung, niemand für eine Minderung der Tantieme plädieren. Daher gilt: Lassen Sie keine Ausreden gelten und weichen Sie wirklich nur im Ausnahmefall von den objektiven Messgrößen ab.
Regel 5: Kleinvieh macht keinen Mist
Zu Deutschland gehört ein großes Gerechtigkeitsempfinden gekoppelt mit einer Liebe zu Detailregelungen. Wir Steuerrechtler wissen das nur zu gut. Zahlreiche Regelungen zu variablen Gehaltsbestandteilen versuchen, dem gerecht zu werden. Grundsätzlich ist dagegen nichts einzuwenden. So kann eine Tantieme zum Beispiel zu 20 % an persönliche Umsatzziele, zu 20 % an persönliche Ertragsziele, zu 30 % an den Kanzleierfolg und zu weiteren 30 % an qualitative persönliche Ziele (Abschluss eines bestimmten Projekts usw.) geknüpft werden. Aber: Teilen Sie nur auf, wenn es betragsmäßig wirklich sinnvoll ist. Verteilen Sie eine Tantieme von 1.000 EUR nicht auf fünf Einzelziele. Zwar können auch 200 EUR für einen Mitarbeiter viel Geld sein. Oft wird der Betrag aber kaum ein Anreiz für das Erreichen eines Einzelziels sein.
Regel 6: Vergütungsregeln müssen leicht zu erklären sein
Vergütungsmodelle sollten so komplex wie nötig und so einfach wie möglich sein. Der Grund liegt darin, dass Sie und Ihre Mitarbeiter auch unterjährig wissen sollten, wie viel Prozent zur Zielerreichung noch fehlen. Dazu können beispielsweise quartalsweise Hochrechnungen dienen, die Rückschlüsse auf die voraussichtliche Tantiemehöhe zulassen. Denn falls später bei einer Quartals-Hochrechnung erkannt wird, dass das Jahresziel ohne Zusatzanstrengungen nicht erreicht werden kann, werden die Mitarbeiter angesichts der Auswirkungen auf ihre variable Vergütung möglicherweise „Gas geben.“ Bei komplizierten Tantiemeberechnungen kann dieser Effekt hingegen verfliegen.
Regel 7: Sorgen Sie für Transparenz und Einheitlichkeit
Regelungen zu variablen Vergütungen sollten transparent sein. Zwar muss nicht die Höhe jedes einzelnen Gehalts allen Kanzleimitarbeitern bekannt sein. Die grundsätzlichen Messgrößen für Tantiemen und gegebenenfalls auch die wichtigsten Zielvereinbarungen sollten aber bekannt gemacht werden ‒ zumindest wenn die Kanzlei insgesamt oder überwiegend mit dem Instrument arbeitet. Ansonsten besteht die Gefahr, dass es aufgrund gegenläufiger Interessen zu Streit oder Unmut kommt.
|
Ein Mitarbeiter soll für die Durchführung eines Projekts zum Jahresende einen Bonus erhalten. Er benötigt jedoch die Unterstützung eines Kollegen. Dieser wiederum hat jedoch ausschließlich ein zahlenbasiertes Ziel und zeigt daher wenig Bereitschaft zur Projektarbeit. |
Transparenz setzt aber auch eine gewisse Einheitlichkeit voraus. Das heißt: Legen Sie mit gleichartig tätigen Mitarbeitern gleichartige Messgrößen fest, also Umsatz und/oder Ertrag bzw. Deckungsbeitrag. Scheuen Sie sich auch nicht, die qualitativen Ziele bekannt zu machen, sofern diese nicht zu persönlich sind bzw. dem Datenschutz entgegenstehen. Ohnehin sollten alle Ziele mit der ‒ gemeinsam erarbeiteten ‒ Kanzleistrategie im Einklang stehen. Von daher gibt es nur wenige Gründe, die Ziele geheim zu halten.
Regel 8: Vorsicht vor Gleichmacherei
Transparenz und Einheitlichkeit sollten jedoch nicht zu einer Gleichmacherei führen. Es spricht nichts dagegen, bei einem besonders erfolgreichen Geschäftsjahr alle Mitarbeiter, auch die Auszubildenden, mit einem Geschenk oder einer Sondervergütung in gleicher Höhe zu bedenken. Das ist Ausdruck einer Wertschätzung und Dank für eine besonders gute Leistung der gesamten Kanzlei im abgelaufenen Jahr. Hier zählen der Teamgedanke und die Förderung der Mitarbeitermotivation. Sie sollten sich jedoch davor hüten, es bei dieser einheitlichen Sondervergütung zu belassen, wenn ein, zwei oder mehrere Mitarbeiter in besonderem Maße zum Kanzleierfolg beigetragen haben, indem sie ein neues Mandat oder lukrative Aufträge akquiriert haben.
Bedenken Sie besondere Mitarbeiter also (gegebenenfalls stillschweigend) mit einem besonderen Bonus ‒ vorausgesetzt natürlich, dass diese aufgrund einer Tantiemeregelung nicht ohnehin entsprechend vergütet werden.
Regel 9: Entscheiden Sie gemeinsam mit dem Mitarbeiter
Die Auszahlung von variablen Gehaltsbestandteilen erfolgt üblicherweise nach Abschluss des Jahresgesprächs. Je nach Vereinbarung kann es aber auch unterjährige (Abschlags-)zahlungen geben. Bei Vergütungen, die an quantitative Ziele gebunden sind, wird es vorbehaltlich der in Regel 4 dargestellten Probleme grundsätzlich keine Diskussionen über deren Höhe geben. Anders sieht es bei qualitativen Zielen aus, deren Bewertung sich in aller Regel schwieriger gestaltet.
|
Ein Projekt ist zwar abgeschlossen worden, mit dem Ergebnis waren Sie jedoch erst zufrieden, nachdem Sie sich selbst eingeschaltet haben. In diesem Fall sollten Sie die Entscheidung über die Höhe der Tantieme für die Erreichung dieses (Teil-)Ziels gemeinsam mit dem Mitarbeiter treffen. Lassen Sie ihn einen ersten Vorschlag unterbreiten und versuchen Sie, mit ihm gemeinsam eine Lösung oder einen Kompromiss zu finden. Am Ende des Jahresgesprächs sollten aber beide Parteien mit diesem Kompromiss leben können. Kommen Sie zunächst nicht zu einer Einigung, setzen Sie einen neuen Gesprächstermin fest, um den Punkt noch einmal neu zu verhandeln. Zumeist hat sich die Aufregung dann auf beiden Seiten ein wenig gelegt. Aber: Lassen Sie die Tantieme nicht beliebig werden. Sind Sie tatsächlich mit einer Leistung nicht einverstanden, besteht kein Anlass, die Tantieme nur „um des lieben Friedens wegen“ auszuzahlen. |
Regel 10: Es gibt kein „Richtig“ und kein „Falsch“
Bei der Vereinbarung einer Tantieme geht es zumeist darum, Angestellte zu einer besonderen Leistung zu bewegen, die sie ohne diese Vergütung vermeintlich nicht erbracht hätten. In Steuerkanzleien liegt der Ansatz oft darin, dass die mit der FiBu betrauten Mitarbeiter die Mandanten und deren Bedürfnisse besser kennen als der Steuerberater selbst und mithilfe dieser Kenntnis zusätzliches Honorarvolumen generiert wird. Viele Steuerberater berichten mir, dass einige Mitarbeiter nach der Vereinbarung einer Sondervergütung zu ungeahnten Höhen aufgestiegen sind und der von ihnen erwirtschaftete Umsatz erheblich gestiegen ist. Die Kanzleiinhaber sind in der Regel „stolz auf ihren geschickten Schachzug“ und erfreuen sich an einem höheren Kanzleiumsatz.
Ein Personalberater könnte dem natürlich ‒ etwas provokant ausgedrückt ‒ entgegenhalten, dass ein Kanzleiinhaber, der den Umsatz pro Mitarbeiter erst nach der Vereinbarung von Sondervergütungen steigern konnte, in der Personalführung etwas grundlegend falsch macht. Ich persönlich neige eher zu dem Satz „Der Erfolg heiligt die Mittel“. Wer mit umsatz- oder erfolgsabhängigen Zusatzleistungen gute Erfahrungen gemacht hat, sollte diese beibehalten. Wer mit einer Koppelung an den Kanzleiumsatz bessere Erfahrungen macht als mit der Koppelung als individuelle Leistungen, hat keinen Grund zu wechseln.
Und wer seinen Mitarbeitern ohnehin ein überdurchschnittliches Grundgehalt zahlt, ein gutes Betriebsklima hat und mit den Leistungen der Angestellten sehr zufrieden ist, wird wenig Anlass haben, zusätzliche Anreize zu schaffen. Hier könnten eher Geld- oder Sachgeschenke zum Jahresende (oder auch unterjährig) bei besonderen Leistungen angezeigt sein. Letztlich gilt daher die Regel: Die Vergütung muss zur Kanzleiphilosophie passen und es gibt kein „Richtig“ und kein „Falsch“.