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  • · Fachbeitrag · Nachfolgeplanung

    Die vier Phasen des Praxisverkaufs

    von Dipl. Kfm. Reiner Löbbers, WP, StB, RB, Köln

    | Ihrem Mandanten haben Sie sicher schon mal geraten, für die Unternehmensnachfolge mindestens fünf Jahre einzuplanen. Aber haben Sie sich eigentlich schon mal die Frage gestellt, wie lange es wohl dauert, Ihre eigene Steuerberaterpraxis zu verkaufen? Mit diesem Beitrag möchte ich den Transaktionsprozess von Ihrer Entscheidung, die Praxis übergeben zu wollen, bis zur Unterschrift unter einen Übergabevertrag und zur Übergabe der Praxis selbst beschreiben. Eine besondere Bedeutung bei der Planung des Transaktionsprozesses kommt der Zeit zu: tempus fugit ‒ opera manet. |

    Einleitung

    Wenn es um den Verkauf der eigenen Praxis geht, dann verspüren viele Kollegen ein Unbehagen, dass im Zusammenhang mit dem eigenen Lebenswerk so „berufsunethische“ Begriffe wie Produkt, Geschäftsprozesse, Optimierung, Zeit- und Cashmanagement, Personalführung und Bewertung, Verhandlungsgeschick u. a. benutzt werden ‒ Begriffe, die ohne zu stottern gegenüber dem Mandanten über die Lippen gehen. Mancher scheint erst selbst lernen zu müssen, was er auch dem Mandanten raten sollte: das Produkt (Praxis) auf dem Markt zu einem fairen Preis an einen qualifizierten Abnehmer zu verkaufen.

     

     

    Das Produkt Kanzlei ist bekanntermaßen komplex und nicht sonderlich transparent. Es ist daher erklärungsbedürftig und der Abgeber muss planvoll vorgehen und einen Projektordner (im Geiste, auf dem PC oder in der Schreibtischschublade) anlegen, um sich in vier Projektschritten

    • 1. sorgfältig vorzubereiten (Vorbereitungsphase),
    • 2. gezielt Kontakte auszusuchen (Kontaktierungsphase),
    • 3. sachlich, fair und entschlossen zu verhandeln (Verhandlungs- und Vertragsphase) und
    • 4. einen sauberen Vertrag abzuschließen und für einen sicheren Geldzufluss zu sorgen (Abschlussphase).

     

    PRAXISTIPP | Über allem muss immer die grundsätzliche Selbstverpflichtung zur berufsrechtlich gebotenen Dokumentation eines Notfallmanagements stehen; denn was wäre mit meinen Mitarbeitern, meinen Mandanten und meinen Erben, wenn ich gestern gestorben wäre?

     

    Phase I: Vorbereitung

    Die Vorbereitung der Transaktion beginnt mit einer Statusfeststellung und der Entscheidung, den Prozess alleine oder zusammen mit einem Vertrauten (z. B. Berater, Coach, Vermittler) durchzuziehen. Ich empfehle, es nicht alleine zu machen ‒ schon allein der eingangs erwähnten emotionalen Hürde wegen.

     

    Die Statusfeststellung betrifft zunächst den Inhaber ganz persönlich und beantwortet die bekannten W-Fragen im Selbstgespräch vorm Spiegel:

     

    • Checkliste der W-Fragen für den Abgebenden
    • Wer bin ich?
    • Was will ich?
    • Was kann ich?
    • Wo stehe ich?
    • Wohin will ich?
    • Mit wem könnte ich?
    • Wie viel will ich?
    • u. a.
     

    PRAXISTIPP | Die Entscheidung muss aber auch mit Dritten ‒ Familie, Freunden, Mitarbeitern und ggf. einzelnen Mandanten ‒ reflektiert werden.

     

    Auf die persönliche Statusfeststellung muss die sachliche Analyse der Kanzlei folgen: Wie beschreibe ich mein Praxisprofil, Kanzlei-USP und welche Schlussfolgerungen ziehe ich aus den Strukturanalysen: Mandanten-, Mitarbeiter-, Umsatz-, Organisations-, Gewinn-/Rendite-, Betriebsvergleichs-, SWOT- und Portfolioanalyse.

     

    Als Drittes gehört zur Vorbereitung auch eine Marktstatusfeststellung über die Wettbewerbssituation und das gewerbliche Umfeld. Auf dieser Grundlage sollte der Abgebende ein objektives Bild der Praxis zeichnen können, das seinen Ausdruck in einem Exposé findet, mit dem er in die Phase II einsteigen kann.

    Phase II: Kontaktierung

    Jetzt müssen Sie mit Ihrem Produkt an den Markt gehen. Es gibt 90.000 Steuerberater. Wie finden Sie darunter potenzielle Kaufinteressenten und unter diesen die Richtige oder den Richtigen? Nun gut. Sie schreiben in Eigeninitiative das Exposé anonym aus. Sie wenden sich an die Berufsverbände, Kammern, Banken und Kollegen oder an die Maklerprofis. Wenn Sie aber dachten, Sie könnten sich jetzt zurücklehnen und sich aus der Masse der Interessenten Ihren Wunschkandidaten aussuchen ‒ weit gefehlt! Manchmal sind es weniger als gehofft, manchmal viele, aber nur wenige, die zu Ihrem Profil passen. Ihr Produkt muss sich am Markt in der Realität beweisen und Ihr Wunschszenario wird einem Härtetest unterzogen. Das fordert Geduld und Realismus, um nach einigen Wochen oder Monaten ein paar ernsthafte Interessenten ausgewählt zu haben, die Sie mit in die dritte Phase übernehmen.

    Phase III: Verhandlung und Vertragsentwurf

    Nun geht es konkret darum, Ihr Produkt und Ihren Preis argumentativ zu untermauern, Informationsasymmetrien auszugleichen, die Blackbox für den Interessenten zu erhellen, Vertrauen weiter auszubauen. Dabei sollten Sie sich auch in die Lage der Gegenseite versetzen, um Lösungen für einen gemeinsamen erfolgreichen Abschluss zu erarbeiten. Ein erster Vertragsentwurf sollte die Eckpunkte der Übernahme samt eines ersten Kaufpreisangebots sowie die vertraglich notwendigen Anlagen enthalten.

    Phase IV: Abschluss

    Wenn Sie in der glücklichen Lage sind, jetzt noch mit zwei Kandidaten um einen möglichst guten Abschluss ringen zu können, sollten Sie diese letzte Phase dennoch nicht zu lange hinauszögern. Der Kaufpreis sollte jetzt verbindlich definiert und die Finanzierung gesichert sein. Die Verhandlungen müssen darüber hinaus die Rahmenbedingungen (vor allem: Übergabezeitpunkt, Überleitungszeit, aktuelle Vertragsanlagen, Abrechnungsfragen, Zahlungsfälligkeiten u. a.) präzise klären. Spätestens jetzt wird die Entscheidung für den richtigen Kandidaten fallen. Mit ihm zusammen müssen Sie noch mal den Vertrag Wort für Wort durchgehen und sich gegenseitig versichern, dass Sie über alle Formulierungen eine 100%ige einstimmige Auffassung haben. Dann können Sie beide unterschreiben. Erst jetzt sollten Sie dem anderen Interessenten absagen.

     

    FAZIT | Im Idealfall haben Sie das Projekt nach sieben Monaten abgeschlossen; aber rechnen Sie eher mit bis zu 18 Monaten. Nach der Unterschrift müssen Sie auch noch die Übergabe der Kanzlei organisieren. Wenn Sie alles professionell geplant und sich ggf. professionell haben begleiten lassen und dabei immer die erforderliche Sorgfalt (due diligence) haben walten lassen, dann werden alle Beteiligten zufrieden sein. So soll es sein ‒ und in 90 % der Fälle ist es auch so!

     

    Zum Autor | Der Autor ist externer Berater bei der Glawe GmbH, Köln und befasst sich intensiv mit Praxisbewertungen.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2019 | Seite 77 | ID 45672492