· Fachbeitrag · Nachhaltigkeit
So bringen Sie das Thema Nachhaltigkeit erfolgreich in die Kanzlei ein
von Carl-Dietrich Sander, Kaarst, www.cd-sander.de
| Nachhaltigkeit ist längst kein Randthema mehr. Auch Steuerkanzleien sind immer häufiger mit der Frage konfrontiert, welchen Beitrag sie zu einer nachhaltigeren Zukunft leisten können und sollten. Doch wie lässt sich ein solches Engagement erfolgreich in der eigenen Kanzlei umsetzen? In diesem Beitrag wird gezeigt, wie eine Steuerkanzlei das Thema Nachhaltigkeit in ihre Strukturen integrieren kann und welche Schritte dabei zu beachten sind. Dabei spielt die Führungsebene ebenso eine wichtige Rolle wie die Einbindung der Mitarbeitenden. |
Wie ernst ist das Thema den Stakeholdern?
Sie wollen sich mit dem Thema Nachhaltigkeit intensiver beschäftigen und das Profil Ihrer Kanzlei für dieses Thema und mit diesem Thema schärfen. Bitte prüfen Sie in einem ersten Schritt, wie ernst der Führungsebene der Kanzlei das Thema wirklich ist. Denn nur, wenn die Führungsebene inhaltlich hinter diesem Engagement steht, werden die Aktivitäten authentisch wirken und damit erfolgreich sein können. Mit dem Begriff Führungsebene der Kanzlei sind zwei Ebenen angesprochen: die Inhaber bzw. Partner und die zweite Ebene (z. B. Teamleitungen), so es denn eine gibt.
Was die erste Ebene angeht, so handelt es sich bei der angesprochenen Frage um eine Selbstprüfung. Bitte seien Sie dabei selbstkritisch. Es nützt nichts, sich selbst und dann in der Folge anderen etwas vorzumachen. Wenn es mehrere Personen in der ersten Ebene gibt, sollten alle hinter dem Nachhaltigkeits-Engagement stehen. Die Steuerung dieses Engagements kann dann natürlich bei einer Person aus dem Gesellschafterkreis liegen, die besonders für das Thema brennt.
Die zweite Ebene ist für die Umsetzung und tägliche Gestaltung und damit das Gelingen des Nachhaltigkeits-Engagements besonders wichtig. Denn die zweite Ebene ist der Transmissionsriemen in die Gesamtbelegschaft. Die im ersten Abschnitt gestellten Fragen sollten daher nach dem Austausch im Gesellschafterkreis im zweiten Schritt mit der zweiten Ebene besprochen werden. Dies geschieht am besten im Rahmen der für diesen Austausch generell in der Kanzlei vorhandenen Strukturen und Gesprächsrunden. Der Mindestanspruch muss sein, dass diese das Thema in der Belegschaft nicht herabsetzen oder gar torpedieren.
Werden Sie als Leitungsebene mit dem Thema bei Ihren Mitarbeitenden offene Türen einrennen oder mehr oder weniger intensive Überzeugungsarbeit leisten müssen? Diese Frage sollte am Anfang der nächsten Schritte stehen. Auch hier wird der Austausch auf der Führungsebene vermutlich zu unterschiedlichen Eindrücken führen:
- Ist das Thema bereits ein Thema in den Gesprächen in der Kanzlei ‒ formell und informell?
- Wenn ja: in welcher Intensität? Gibt es Mitarbeitende, die das Thema besonders engagiert ansprechen?
- Wenn ja: Kommt das Thema aus der Eigenmotivation der Mitarbeitenden oder ggf. als Folge von Mandanten-Kontakten auf den Tisch?
Wenn bei den Eindrücken der Führungsebene von offenen Türen eher nicht die Rede ist oder diese nur bei wenigen, einzelnen Mitarbeitenden offen zu stehen scheinen, bietet sich eine Befragung der Belegschaft zum Themenkreis Nachhaltigkeit an. Ziel sollte es sein herauszufinden, welchen Stellenwert das Thema in der Belegschaft aktuell und perspektivisch hat. Eine solche Befragung wird natürlich auch bei offenen Türen in der Belegschaft zu weiteren und detaillierteren Eindrücken und vor allem Ideen und Vorschlägen für weitere Aktivitäten führen. Die Befragung kann auf verschiedenen Wegen durchgeführt werden: als Umfrage oder auch als moderierter Workshop.
Beachten Sie | Für beide Vorgehensweisen empfiehlt es sich, externe Hilfe heranzuziehen. Zum einen können geschulte (externe) Moderatoren die Beteiligten anders (heraus-)fordern als Mitglieder der Führungsebene das können. Zum anderen ist das Entwickeln von Fragebögen eine Wissenschaft für sich. Experten werden die Fragen so formulieren, dass sie widerspruchsfrei sind und möglichst ehrliche Antworten auslösen, sonst besteht die Gefahr, dass man die Antworten erhält, die man gerne hätte.
Nachhaltigkeit geht alle an, daher: Machen lassen
Wenn die Belegschaft ehrlich in das gewollte Engagement zur Nachhaltigkeit einbezogen werden soll, ist eine Voraussetzung unbedingt zu beachten: Schon ein Fragebogen, erst recht aber ein oder mehrere parallele Workshops und noch mehr die Frage nach Ideen für Aktivitäten wird bei den Mitarbeitenden zweierlei auslösen: eine steigende Motivation für das Thema Nachhaltigkeit und die Erwartung, dass jetzt bald etwas in der Kanzlei geschieht! Diese Erwartungshaltung darf die Leitungsebene bzw. dürfen die Leitungsebenen der Kanzlei heute und morgen nicht enttäuschen. Das bedeutet, dass der Prozess fortgeführt und ein großer Teil der Ideen der Mitarbeitenden auch angepackt und umgesetzt werden muss. Wäre dies nicht der Fall, wird die Motivation für dieses Thema und auch die Motivation in der Belegschaft generell absacken ‒ und zwar deutlich unter das Ausgangsniveau, das vor der Befragung bestanden hat, denn die Mitarbeitenden würden sich nicht ernst genommen fühlen. Dieses Risiko sollte keine Kanzleiführung eingehen. Positiv umgesetzt kann eine Befragung mit auf sie folgenden Aktivitäten nicht nur die Motivation für das Thema Nachhaltigkeit, sondern die Motivation für die Arbeit in der Kanzlei generell erhöhen.
Wenn Kanzleien den beschriebenen Weg gehen, bewegen sie sich auf dem Weg einer positiven Mitarbeiterbindung. Besonders gut wird dies gelingen, wenn die Führungsebenen loslassen können: Lassen Sie die Belegschaft mal machen! Viele Mitglieder in den Führungsebenen von Kanzleien werden vermutlich erst einmal erstaunt sein, wie viele nicht nur engagierte Meinungen es zu dem Themenkreis geben wird, sondern auch wie viele gute und sinnvolle und umsetzbare Ideen für konkrete Aktivitäten und für mögliche weitere Schritte auf den Tisch kommen. Die Ergebnisse der Befragung gilt es nun zu strukturieren, zusammenzufassen und zu priorisieren. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird eine Idee aus der Sammlung lauten, den CO2-Fußabdruck der Kanzlei zu ermitteln. Dies wäre dann eine sinnvolle Aufgabe für eine Nachhaltigkeits-Projektgruppe (siehe KP 24, 180).
Diese Strukturierung nimmt nun bitte nicht die Führungsebene allein vor. Lassen Sie wiederum Ihre Mitarbeitenden machen! In Kanzleien mit z. B. bis zu zehn Mitarbeitenden kann dies gemeinsam erfolgen. Bei größeren Personalstrukturen wird vielleicht eine Nachhaltigkeits-Projektgruppe dafür gebildet. Dazu werden sich vermutlich Mitarbeitende mit einer hohen Eigenmotivation zu dem Themenkreis melden. Die Führungsebene sollte aber auch darauf achten, dass alle Abteilungen/Bereiche und unterschiedliche Stärkenprofile von Mitarbeitenden (kreative, strukturierte, umsetzungsorientierte etc.) vertreten sind. Natürlich sind auch die Mitglieder der Führungsebenen in diese Vorgehensweise eingebunden und ihre Ideen und Vorschläge werden in gleicher Weise aufgenommen und berücksichtigt, wie die aller Mitarbeitenden.
Nun ist die Kanzleileitung am Zug. Die erarbeiteten Vorschläge müssen mit der gesamten Arbeits- und Projektplanung der Kanzlei und mit ihren Kapazitäten abgestimmt werden. Aber auch hier gilt: Vertrauen Sie der Kompetenz Ihrer Mitarbeitenden: Einem großen Teil der gemachten Vorschläge werden Sie guten Gewissens zustimmen können.
Die Steuerung der weiteren Umsetzung der beschlossenen Aktivitäten in der Kanzlei sollte einer Person übertragen werden. Diese kann aus der oder den Führungsebenen kommen. Vielleicht bestimmen Sie aber auch eine Person aus der Belegschaft zur/zum Nachhaltigkeitsbeauftragten für die Kanzlei und diese übernimmt die Steuerung des Prozesses mit Berichtsverantwortung gegenüber der Kanzleileitung. Dabei sollten Sie darauf achten, dass diese Aufgabe nur jemand übernimmt, die bzw. der es gewohnt ist, strukturiert zu arbeiten und auch das Standing in der Belegschaft hat, die anderen auf das Einhalten der getroffenen Vereinbarungen anzusprechen.
Sechs Gründe, warum Sie sich diesen Prozess antun sollten
In gefühlt jedem Newsletter können Sie lesen, dass das Thema Nachhaltigkeit in allen Bereichen der Gesellschaft zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Doch warum sollten Sie sich in der hier beschriebenen Weise überhaupt mit diesem Thema befassen? Schließlich haben Sie schon genug zu tun. Hierfür gibt es sechs gute Gründe.
Grund 1: Nachhaltigkeit dient der Zukunftssicherung der Kanzlei
Staatliche Regulierungen und gesetzliche Vorgaben gehen immer stärker in Richtung Nachhaltigkeit. Unternehmen sind zunehmend verpflichtet, Nachhaltigkeitsberichte zu erstellen und Maßnahmen zur Reduktion ihres ökologischen Fußabdrucks nachzuweisen. Steuerkanzleien, die sich bereits jetzt intensiv mit diesen Themen auseinandersetzen, werden nicht nur besser in der Lage sein, ihre Mandanten diesbezüglich zu beraten, sondern auch selbst auf zukünftige gesetzliche Anforderungen vorbereitet sein. Eine starke, nachhaltige Marke bietet in der Steuerberatung, einem traditionell eher konservativen Bereich, die Möglichkeit, sich als innovativ und zukunftsorientiert zu positionieren.
Grund 2: Sie stärken die Mandantenbeziehungen
Nachhaltigkeit wird zunehmend auch zu einem wichtigen Faktor in der Mandantenbeziehung. Immer mehr Unternehmen ‒ insbesondere solche, die selbst nachhaltige Geschäftsmodelle verfolgen oder entsprechenden gesetzlichen Vorgaben unterliegen ‒ suchen nach Partnern und Dienstleistern, die ihre Werte teilen und unterstützen. Eine Steuerkanzlei, die sich glaubwürdig und sichtbar dem Thema Nachhaltigkeit verschrieben hat, kann dadurch ihre Mandantenbeziehungen stärken und neue Mandanten gewinnen. Darüber hinaus eröffnet sich ein neues Beratungsfeld.
Grund 3: Sie steigern Mitarbeitermotivation und Mitarbeiterbindung
Ein weiterer wesentlicher Vorteil der Integration von Nachhaltigkeit in eine Steuerkanzlei liegt in der positiven Wirkung auf die Belegschaft. Wie bereits erwähnt wurde, spielt die Einbindung der Mitarbeitenden eine zentrale Rolle. Indem sie aktiv in Nachhaltigkeitsprozesse eingebunden werden, steigt nicht nur die Motivation für das Thema, sondern auch die generelle Zufriedenheit mit der Arbeit. Viele Menschen, insbesondere jüngere Generationen, legen großen Wert darauf, dass ihr Arbeitgeber sich sozial und ökologisch verantwortlich verhält.
Grund 4: Sie steigern Ihre Arbeitgeberattraktivität
In Zeiten des Fachkräftemangels kann dies ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein. Kanzleien, die sich nachhaltig aufstellen und dies authentisch leben, gelten als moderne und zukunftsorientierte Arbeitgeber, die auf die Bedürfnisse und Werte ihrer Mitarbeitenden eingehen. Dies erhöht nicht nur die Attraktivität der Kanzlei auf dem Arbeitsmarkt, sondern fördert auch ein besseres Arbeitsklima und eine gesteigerte Produktivität.
Grund 5: Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerung
Nachhaltigkeit wird oft primär mit ökologischen und sozialen Aspekten verbunden, doch sie hat auch einen ganz klaren wirtschaftlichen Nutzen. Eine Steuerkanzlei, die nachhaltig wirtschaftet, kann erhebliche Kosteneinsparungen realisieren. Dies beginnt bei einfachen Maßnahmen wie der Reduzierung des Papierverbrauchs durch Digitalisierung. Digitale Prozesse sparen nicht nur Ressourcen, sondern verbessern auch die Effizienz und reduzieren langfristig die Betriebskosten. Auch im Bereich Energieeffizienz gibt es großes Potenzial für Einsparungen.
Grund 6: Sie leisten einen Beitrag zur gesellschaftlichen Verantwortung
Abschließend sollte nicht vergessen werden, dass eine nachhaltige Steuerkanzlei auch einen wesentlichen Beitrag zur gesellschaftlichen Verantwortung leistet. Unternehmen stehen in der Pflicht, ihren Beitrag zu einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Gesellschaft zu leisten.