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  • · Fachbeitrag · Personalentwicklung

    Entwickeln Sie Ihre Mitarbeiter ‒ Sie haben auf mittlere Sicht nur diese!

    von Dipl.-Verwaltungswissenschaftler Markus Gaugler, Emsdetten

    | Kanzleien stehen vor enormen Herausforderungen. Immer höhere Bürokratismen (Geldwäschegesetz, Verfahrensdokumentation etc.) erschweren das Tagesgeschäft und angesichts der Digitalisierung soll sich die Kanzlei mal eben neu erfinden und neue digitale Geschäftsmodelle anbieten. Und das alles muss mit der bestehenden Mannschaft gestemmt werden, denn neue Mitarbeiter sind schwer zu bekommen. In der Kanzlei kommt es damit auf jeden einzelnen Mitarbeiter an. Nur wenn die Mitarbeiter das gesamte Leistungspotenzial abrufen, kann der Wandel gelingen. |

    Wie sieht es aber in Wirklichkeit aus?

    Das Gallup-Institut führt seit langer Zeit jährlich in verschiedenen Ländern Untersuchungen zur Mitarbeiterbindung, zur Mitarbeiterzufriedenheit und zur Produktivität durch.

     

     

    Lediglich 15 % aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben eine hohe emotionale Bindung an die Unternehmen und an ihre Aufgaben. Sie sehen sich selbst also als voll engagiert und voll motiviert am Arbeitsplatz an! Nur sie haben wirklich ihre Aufgabe und ihre „Berufung“ gefunden, sind mit Herzblut und Engagement bei der Sache und leisten wirklich hervorragende Arbeit.

     

    Der Anteil der Mitarbeiter mit mittlerer emotionaler Bindung liegt stabil bei gut zwei Dritteln, wobei die Tendenz hier zuletzt sogar leicht steigend war. Sie machen ihren „Job“, und machen diesen insgesamt ordentlich ‒ nicht weniger, aber auch nicht mehr.

     

    Demgegenüber ist der Anteil der Mitarbeiter mit geringer emotionaler Bindung wieder leicht zurückgegangen. Statt in der Spitze 24 % (2012) liegt der Wert aktuell bei 14 % ‒ was aber immer noch erschreckend hoch ist. Denn das bedeutet im Klartext, dass in Unternehmen mehr als jeder zehnte Mitarbeiter nicht wirklich produktiv ist. Diese Mitarbeiter sind unzufrieden, frustriert, demotiviert, überfordert oder unterfordert. Sie strahlen dies nach innen und außen aus, sorgen intern für schlechte Stimmung und extern gefährden sie den Ruf der Kanzlei.

    Woran liegt das Leistungsgefälle?

    Interessant ist, dass gar nicht das Gehalt der Hauptpunkt ist, der darüber entscheidet, in welcher der drei Gruppen sich die Mitarbeiter wiederfinden. Das Gehalt muss angemessen sein und ein gewisses Mindestmaß nicht unterschreiten. Aber ab diesem normalen, „vernünftigen“ Gehaltsniveau bringt ein Mehr an Gehalt gar keine große Bindungs- und Motivationswirkung mehr (sondern wirkt oft höchstens noch als „Kompensation“ und „Schmerzensgeld“ für eine Arbeitsumgebung und einen Arbeitsalltag, der als belastend, frustrierend und negativ wahrgenommen wird).

     

    Ab diesem Niveau sind es Punkte wie gute Zusammenarbeit und gute Führung, Respekt, positives Feedback, die Möglichkeit, sich einzubringen, zu gestalten und Ideen zu verwirklichen, sowie gute Arbeitsbedingungen, die den Unterschied ausmachen, und die stark über die emotionale Bindung an die Kanzlei und über die langfristige Produktivität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entscheiden.

     

    Sie können übrigens das Potenzial, das in Ihrer Kanzlei brach liegt, ganz einfach schätzen: Einfach Mitarbeiterzahl und Jahresdurchschnittskosten pro Mitarbeiter einsetzen und dann den Anteil der Mitarbeiter in den drei Gruppen schätzen.

     

    • Beispiel
    Kanzlei mit 20 Mitarbeitern, durchschnittlicher Personalaufwand 40.000 EUR

    Gruppe

    • 1. Leistungsminderung (%)
    • 2. Anzahl der Mitarbeiter
    • 3. durchschnittlicher Personalaufwand je Mitarbeiter (EUR)

    Potenzial (EUR)

    (=1. × 2. × 3.)

    Top-Leistungsbereitschaft

    0 %

    3

    40.000

    0

    Mittlere

    Leistungsbereitschaft

    30 %

    14

    40.000

    168.000

    Stark geminderte

    Leistungsbereitschaft

    60 %

    3

    40.000

    72.000

    Wertschöpfungspotenzial

    240.000

     

    Personalentwicklung ist auch in Kanzleien wichtig

    Die nicht verwirklichte Wertschöpfung der Kanzlei stellt aber nicht nur einen großen materiellen Verlust dar ‒ dahinter verbergen sich auch unzählige persönliche Dramen ‒ Menschen, die beruflich unzufrieden und in der „Sackgasse“ sind, hohe Fehlzeiten, Fluktuation, schlechter Service für den Kunden ‒ und das alles in einer Branche, die ohnehin schon unter dem Fachkräftemangel leidet und die Probleme hat, gute, qualifizierte Mitarbeiter zu finden.

     

    Und hier kommt nun die gute Nachricht: Diese Faktoren, die die Zufriedenheit und Produktivität der Mitarbeitenden massiv beeinflussen, kann man in ihrer derzeitigen Ausprägung messen, Defizite und Entwicklungsfelder identifizieren, und dann gezielt Potenzial wieder aufbauen und nachbilden.

     

    Die Schritte hierzu sind einfach und klar strukturiert:

     

    • Bestandsaufnahme: Hierzu empfehlen wir den DNLA-Ansatz (Discovering Natural Latent Abilities), der auf wissenschaftlichen Forschungsergebnissen des Max-Planck-Instituts beruht und als Methodik psychologisch validiert wurde. Für die Mitarbeiter der Kanzlei werden die erfolgskritischen Sozialkompetenzfaktoren („Soft Skills“) strukturiert erhoben. Zu diesen Faktoren gehören z. B. Eigenverantwortlichkeit, Leistungsdrang, Flexibilität, Initiative, Einsatzfreude, Systematik, Einfühlungsvermögen und Auftreten im Umgang mit Kunden, Umgang mit Kritik und Umgang mit Misserfolgen.

     

    • Analyse des Ist-Zustands: Die Ergebnisse werden in einer Personalbilanz ® zusammengestellt. Sie ist hier beispielhaft für eine Struktur mit drei Teamleitern am Ende dieses Beitrags aufgeführt.

     

    • Schwerpunktbildung und Ableitung von Entwicklungsmaßnahmen: Aus dieser Übersicht lassen sich bereits erste Prioritäten und Schwerpunkte ablesen. Mit den Ergebnissen, die in Einzelgesprächen mit den Mitarbeitenden aufgearbeitet wurden, konnten individuelle Problempunkte und Handlungsfelder ausfindig gemacht werden, aber auch organisationale Probleme, etwa Schwierigkeiten in der Abstimmung, in der Kommunikation und in der Einbeziehung. Auf dieser Grundlage kann man dann individuelle Handlungspläne und Fördermaßnahmen für jede(n) Beteiligte(n) individuell sowie Maßnahmen für die ganze Teilnehmergruppe und für die ganze Kanzlei ableiten.

     

    PRAXISTIPP | Die Aufgaben in einer Kanzlei werden nicht weniger und schon gar nicht einfacher. Die Mandanten werden immer anspruchsvoller, sodass auch die Mitarbeiter auf Augenhöhe mit den Mandanten agieren müssen ‒ oder es bleibt alles an Ihnen hängen. Der Markt für Steuerfachkräfte ist jedoch ein Arbeitnehmermarkt und praktisch leer. Daher sind viele Kanzleien darauf angewiesen, ihr internes Potenzial voll zu nützen. Denn nicht nur die Mandanten sind ein Wertschöpfungsfaktor, die Mitarbeiter sind es auch. Die konsequente Steigerung der Arbeitsproduktivität durch digitale Prozesse ist das eine, die Erschließung ungenutzter Leistungspotenziale ist das andere. Für Kanzleien kann es daher sehr sinnvoll sein, in die Personalentwicklung zu investieren.

     

     

     

    Erläuterungen zur Abbildung der Personalbilanz ®

    Die mit Symbolen bei den Personen ausgedrückten Bewertungen sind das Ergebnis der Bestandsaufnahme, die zu drei Hauptfaktoren verdichtet wurden:

    • Sozialkompetenz,
    • Leistung/Zielerreichung und
    • Wahrnehmung durch Vorgesetzte

     

    Nur wenn jemand in allen drei Hauptfaktoren top aufgestellt ist (in Schulnoten wären das Bewertungen von 1 und 2), sind optimale Voraussetzungen für den beruflichen Erfolg gegeben. In der Abbildung wird dies an dem aufwärts gerichteten Pfeil sichtbar. Er drückt aus, dass alle drei Hauptfaktoren bei dieser Person in die richtige Richtung weisen (s. die drei kleinen aufwärts gerichteten Dreiecke). Das ist z. B. bei Frau Reinhard der Fall.

     

    Würde auch nur einer der Hauptfaktoren mit 3 oder 4 zu beurteilen sein (erkenntlich an der Raute) wird auch die Gesamtbeurteilung geändert (erkenntlich an dem Pfeil mit zwei Enden). Das gilt z. B. für Herrn Kall im Team von Herrn Meier. Nach derselben Logik weist der Pfeil nach unten, wenn auch nur einer der Hauptfaktoren mit schlechter als 4 zu bewerten wäre (vgl. die Bewertung von Frau Diest im Team von Herrn Meier).

     

    Zum Autor | Der Autor ist Personal- und Organisationsberater bei der DNLA GmbH (www.dnla.de) in Emsdetten.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2019 | Seite 198 | ID 46109153