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  • · Fachbeitrag · Praxisbewertung

    Worin liegt der spezielle Vorteil von Ertragswertverfahren?

    von Dipl.-Kfm. Reiner Löbbers, WP StB Rechtsbeistand;externer Berater bei Glawe, Köln

    | Bei der Ertragswertmethode wird der Nettoüberschuss als Differenz zwischen zukünftig erwartbaren Einnahmen und Ausgaben für die Berechnung herangezogen. Diese prognostizierten Überschüsse werden über einen definierten Zeitraum auf den Gegenwartswert abgezinst (Barwert/Praxiswert). Der Investor setzt den Kapitalisierungszinssatz für eine vergleichbare fristen-, risiko- und steuer-äquivalente Alternativinvestition an. Die Investition des Käufers ist die Desinvestition des Verkäufers. |

    Ermittlung der künftig erwartbaren Überschüsse

    Die bereinigten Vergangenheitswerte (untypische und nicht betriebsnotwendige Aspekte sind zu eliminieren) der letzten drei bis fünf Jahre liefern den Anhaltspunkt für die Prognose der nächsten drei bis fünf Jahre (Phase I), die einer GuV-Planung auf Grundlage einer detaillierten Auftragsplanung entnommen werden kann. Die heute zur Verfügung stehende Praxissoftware, die die praxistypische Umsatz- und Kostenstruktur abbildet, macht eine solche Planung in relativ kurzer Zeit mit relativ geringem Aufwand an Zeit und Kosten möglich. In der sich daran anschließenden Phase II wird der letzte Überschuss der Phase I als ewige Rente fortgeschrieben. Ggf. kann für diese Phase auch noch eine Wachstumsrate berücksichtigt werden.

     

    Wie man den zahlreichen Veröffentlichungen im Schrifttum entnehmen kann, sieht es nicht so aus, dass die Erstellung umfangreicher Tabellen, Analysen und Erklärungen über „branchenübliche“ Prämissen weniger aufwendig ist als die Erstellung einer Planungsrechnung als Grundlage für die Ertragswertmethode für relativ einfach strukturierte Steuerberaterpraxen.

     

    Der für die Planung angesetzte Überschuss ist um einen individuellen angemessenen Unternehmerlohn als Tätigkeitsvergütung zu mindern (Löbbers, KP 19, 135). Die Geschäftsführervergütung bei Kapitalgesellschaften muss daraufhin geprüft werden, ob sie den Bestimmungskriterien eines solchen kalkulatorischen Unternehmerlohns entspricht. Um die Steueräquivalenz zu einer Alternativinvestition herzustellen, wird der Überschuss noch um einen typisierenden Steuersatz von 35 % gekürzt.

    Bestimmung des Diskontierungszeitraums

    Das theoretische Konzept der Ertragswertrechnung mit einer ewigen Rente für ein „unsterbliches“ Unternehmen gilt überwiegend für kapitalmarktorientierte Unternehmen. Deshalb haben das IDW und auch die BStBK für die Bewertung von KMU, zu denen auch Steuerberatungspraxen zählen, besondere Hinweise gegeben.

     

    • Hinweise zum Vorgehen

    „Gerade bei KMU ist zu berücksichtigen, dass die Ertragskraft in besonderer Weise vom Eigentümer abhängig sein kann. Auch der Wirtschaftsprüfer ist insoweit als Hauptleistungsträger in seiner Praxis anzusehen. Der aus seiner Tätigkeit resultierende immaterielle Faktor wird sich mit seinem Ausscheiden verflüchtigen und dem Nachfolger nur für eine begrenzte Zeit noch zur Verfügung stehen. Im Zeitablauf wächst der neue Praxisinhaber in eine eigene Vertrauensposition bei den Mandanten, sodass sich das erworbene Ertragspotenzial mit der Zeit zu einem eigenen, auf der eigenen Beratungsleistung basierenden Ertragspotenzial wandelt. Dieses theoretische Denkmodell kann als Begründung für … einen begrenzten Diskontierungszeitraum herangezogen werden.“ (Boerger a.a.O.)

     

    „Bei Freiberuflerpraxen ist die Personenbezogenheit so gewichtig, dass es einer Modifikation des Ergebniszeitraums bedarf. Die Begriffe modifizierte Ertragswertmethode bzw. modifiziertes Ertragswertverfahren gehen vor allem auf diese Modifikation zurück. Der Zeitraum, über den der Einfluss des bisherigen Praxisinhabers auf einen Nachfolger gleicher Qualifikation nachwirkt, wurde früher auch als Verflüchtigungszeitraum bezeichnet. Mehr und mehr hat sich aber in der modernen Unternehmensbewertung der Gedanke durchgesetzt, dass es weniger um die kaum messbare Größe geht, wie lange die Inhaber-Klientel-Beziehung nach einer Veräußerung nachwirkt, sondern eher um die Frage nach der Reproduktionsdauer des zu bewertenden Unternehmens durch einen Unternehmer gleicher Qualifikation und mit vergleichbaren unternehmerischen Fähigkeiten.“ (Siewert a.a.O.)

     

    Ausgangspunkt der modifizierten Ertragswertmethode ist die Unterstellung, dass der Praxiserwerber einige Jahre benötigt, um sich eine vergleichbare Praxis aufzubauen. Daher ist es angebracht, wenn er den in dieser Aufbauzeit erzielten Nettoüberschuss dem Praxisveräußerer als Kaufpreis für den Praxiswert bezahlt. Als Anhaltspunkt dient auch ein Rückgriff auf die von der Finanzverwaltung anerkannten Abschreibungsdauern: drei bis fünf Jahre für Einzelpraxen und sechs bis zehn Jahre für Sozietäten.

     

    Für welchen Zeitraum die Nettoüberschüsse abgezinst werden sollen, ist wertentscheidend.

     

    Ermittlung des Kalkulationszinsfußes

    Den Ausgangspunkt bildet ein risikofreier laufzeitäquivalenter Basiszinssatz für eine vergleichbare Investition. Dieser Basiszinssatz wird vom IDW laufend berechnet und kann z. B. unter Kleeber/Unternehmensbewertung im Internet aktuell abgerufen werden. „Das Risiko einer Investition wird über eine Risikoprämie berücksichtigt, … wobei eine am (Aktien-)Markt beobachtbare Marktrisikoprämie mit einem unternehmensspezifischen Risikofaktor (Betafaktor) bewertet wird.“ (Boerger a.a.O.)

     

    Die jeweils praxisspezifischen Besonderheiten und deren subjektiv vorzunehmende Bewertung kann dann bei der Festsetzung der einzelnen Komponenten (Risiken) durch Zu- und Abschläge berücksichtigt werden. Hilfreich ist es auch, einen Zinssatz zu wählen, der den Erwartungen des Käufers (Investors) entspricht und öffentlich zugänglich ist. Dafür würde sich beispielsweise der Zinssatz für Anleihen der Freund & Partner-Gruppe StBG anbieten, der bei Laufzeiten von fünf bis sieben Jahren zwischen 5 und 7 % liegt.

     

    Bei diesen Überlegungen ist zu beachten, dass die zu berücksichtigenden Risiken nicht doppelt in der Gesamtrechnung angesetzt werden; sie können entweder bei der Ermittlung des Zinssatzes oder bei der Planung der Überschüsse berücksichtigt werden. Dies sollte in den Unterlagen des Bewerters auch ausreichend und nachvollziehbar dokumentiert werden.

     

    Der Wert des Ertragswertverfahrens liegt in einer Due Diligence der Strukturen und Prozesse

    Die modifizierte Ertragswertrechnung (einschließlich des darunter zu subsumierenden Umsatzmultiplikatorverfahrens) erfordern zur Dokumentation und zur Begründung der Nachhaltigkeit der der Zukunftsplanung zugrunde gelegten verfügbaren Einnahmenüberschüsse die Optimierung der praxiskritischen Größen wie Umsatzstruktur, Kosten, Qualität, Zeit u. a. Umgekehrt ausgedrückt heißt das: Die Ergebnisse der Kanzleioptimierung liefern alle erforderlichen Informationen, die man für eine Ertragswertrechnung braucht.

     

    Wenn noch vor Jahren die einfache Umsatzmultiplikatormethode auf einem deutlich lebhafteren Käufermarkt für die Durchsetzung eines gewünschten Kaufpreises bei relativ oberflächlicher Evaluierung der Zielpraxis ausgereicht haben mag, so erfordert heute angesichts eines sich wandelnden Markts und angesichts der betriebswirtschaftlichen Qualifizierung der Beraterschaft die Bewertung einen niet- und nagelfesten Ansatz in Form einer Due Diligence der harten und weichen praxisrelevanten Faktoren einschließlich einer Hygiene-Diligence:

     

    • Stimmen die Zahlen?
    • Stimmen die Margen?
    • Sind die Verpflichtungen bekannt?
    • Stimmen die Erzählungen über das Werteversprechen der Transaktion einschließlich der strategischen Ziele und der Post-Merger-Synergien?

     

    Ein Verkäufer muss bei seiner vergangenheits- und zukunftsorientierten Due Diligence dem umfassenden Informationsbedürfnis eines Käufers (Investors) für dessen Kaufentscheidung Rechnung tragen, wenn die Parteien fair und partnerschaftlich und erfolgreich verhandeln wollen.

     

    Es genügt daher nicht, den Ertragswertrechner mit Zahlen zu füllen und das Ergebnis als Kaufpreiswunsch auf den Tisch zu legen. Die Due Diligence muss die gesamte organisatorische Praxiseinheit als zuverlässige und nachhaltige existentielle Erwerbs- und Einkommensquelle in den Blick nehmen. Dabei spielt die absolute oder relative Personenbezogenheit als eines von mehreren Kriterien je nach Kanzleityp eine mehr oder weniger prägende Rolle. Die auch berufsrechtlich geforderte Dokumentation und Qualifizierung der Geschäftsprozesse zielt darauf ab, eine den Fortbestand der Praxis gefährdende Personenabhängigkeit im Interesse des Inhabers, der Mitarbeiter und der Mandanten zu vermeiden. Dazu ist es kein Widerspruch, wenn unbestritten festgestellt werden darf, dass einzelne Persönlichkeiten einschließlich des Inhabers der Praxiseinheit ein Gepräge geben können. Das unterscheidet aber die Beurteilung nicht grundsätzlich von Managerpersönlichkeiten in kleinen oder großen Gewerbebetrieben oder von Partnern großer StBGs oder WPGs, die von einem Unternehmen in ein anderes wechseln.

     

    Die Due Diligence muss die Interdependenzen aufzeigen, die zwischen wichtigen Bestimmungsgrößen bestehen, z. B. zwischen:

    • Management und Dienstleistungsstruktur,
    • Umsatzstruktur und Deckungsbeiträgen,
    • Geschäftsprozessen und Gewinn,
    • Unternehmerlohn und Reproduktionszeitraum,
    • Dienstleistungsqualität und Mitarbeiterstruktur

     

    Sie kann dabei idealerweise auf ein Projekt Praxisoptimierung zurückgreifen.

     

    Die Darstellung dieser Interdependenzen in einem einfachen Businessplan und einer Planungsrechung abzubilden, macht es möglich, diese Ergebnisse in Form einer klassischen Liquiditätsrechnung zur Belegung der Kapitaldienstfähigkeit einer Kaufpreisfinanzierung (egal ob aus Eigen- oder Fremdkapital) als Kontrollrechnung zu plausibilisieren.

    Quelle: ID 46078274