· Fachbeitrag · Projektmanagement
Mit diesen 10 Regeln gelingt das Projektmanagement in der Steuerkanzlei
von StB Christian Herold, Herten/Westf.
| Hand aufs Herz: Gibt es in Ihrer Kanzlei Projekte, mit deren Ergebnis oder Verlauf Sie nicht zufrieden sind ‒ z. B. die Einführung eines Dokumenten-Management-Systems (DMS) oder einer neuen Telefonanlage? Haben Sie den Eindruck, dass letztlich doch alles an Ihnen hängen bleibt und die Mitarbeiter Entscheidungen an Sie „hochdelegieren“? Dann liegt es mit großer Wahrscheinlichkeit daran, dass die Erfahrung in der Durchführung von Projekten fehlt. KP beschreibt die typischen Fehler und gibt Hinweise, mit deren Hilfe künftige Projekte gelingen werden. |
Was ist überhaupt ein Projekt?
Laut „Wikipedia“ ist ein Projekt ein zielgerichtetes, einmaliges Vorhaben, das aus einem Satz von abgestimmten, gelenkten Tätigkeiten mit Anfangs- und Endtermin besteht und durchgeführt wird, um unter Berücksichtigung von Zwängen bezüglich Zeit, Ressourcen (z. B. Geld bzw. Kosten, Produktions- und Arbeitsbedingungen, Personal) und Qualität ein Ziel zu erreichen. Einfacher ausgedrückt: Ein Projekt ist eine komplexe Aufgabe mit einem definierten Ziel, an der üblicherweise mehrere Personen zusammenarbeiten.
Regel 1: Ziel eindeutig festlegen
Viele Projekte sind von vornherein zum Scheitern verurteilt, weil das Ziel entweder nicht konkret festgelegt wird oder kein Konsens über das Ziel herrscht.
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Die Mitarbeiter einer DATEV-Kanzlei, in der kaum Fremdprogramme eingesetzt werden, werden mit dem Projekt „Einführung eines DM“ beauftragt. Hier stellt sich die Frage, ob zu dem Projekt auch die Wettbewerbsbeobachtung mit dem Testen verschiedener Systeme gehört oder ob die Mitarbeiter von vornherein davon ausgehen, dass sie das „DATEV DMS classic“ einführen sollen. |
Von daher lautet Regel 1: Geben Sie das Ziel eindeutig vor und stellen Sie sicher, dass bei allen Projektbeteiligten Einigkeit darüber herrscht. Das Ziel ist schriftlich niederzulegen ‒ und zwar nicht mit den Worten des Kanzleiinhabers. Lassen Sie es von einem der Projektbeteiligten niederschreiben. Erst dann ist erkennbar, ob das Ziel von allen verstanden worden ist. Das Ziel sollte immer mit Ihrer Kanzleistrategie ‒ sofern es diese gibt ‒ übereinstimmen.
Regel 2: Ganz oder gar nicht
„Wie soll ich das neben meiner Tagesarbeit schaffen?“ ist wohl der Spruch, den Kanzleiinhaber bei der Initiierung von Projekten zwar häufig hören, aber regelmäßig ignorieren ‒ nach dem Motto: „Es wird schon irgendwie klappen“ oder „Sie schaffen das schon“. Doch mit dieser Haltung wird es nicht klappen. Projektmitarbeiter benötigen Freiräume. Dabei haben es Steuerkanzleien sogar relativ einfach: Aufgrund der Zeitaufschreibungen wissen sie in aller Regel, wie viel Zeit jeder einzelne Mitarbeiter für welche Tätigkeit bzw. für welchen Mandanten aufbringt. Nur wenn Mitarbeiter freie Projektressourcen haben, sie also von anderen Tätigkeiten entlastet werden, können sie in den Projekten gute Ergebnisse erzielen.
Das heißt nicht, dass aufgrund unvorhergesehener Probleme oder der Annahme eines Neumandats nicht umdisponiert werden kann. Kein Steuerberater sollte auf ein lukratives Mandat verzichten, weil seine Mitarbeiter wegen eines Projekts unabkömmlich sind. Aber: Wenn dies der Fall ist, sollte das Projekt offiziell gestoppt werden und nicht stillschweigend vor sich „hin köcheln.“ Denn im Moment ist vielleicht allen Beteiligten klar, dass ein dringender Mandantenwunsch Vorrang vor der Projektbegleitung hat. Doch oftmals geraten die „Störfeuer“ nach einigen Wochen in Vergessenheit und die Beteiligten müssen sich dafür rechtfertigen, warum das Projekt ins Stocken geraten ist. Das führt zu Frustration auf allen Ebenen. Daher gilt Regel 2: ganz oder gar nicht.
Regel 3: Keine Hierarchien im Projekt
Bei jedem Projekt sollte es einen Projektauftraggeber ‒ i. d. R. den Kanzleiinhaber ‒ und einen Projektleiter geben. Die Unterscheidung ist wichtig, denn der Auftraggeber ist für das Gelingen des Projekts nur mittelbar verantwortlich. Der Projektleiter ist der eigentlich Verantwortliche. Er sucht sich die passenden Mitwirkenden, legt Zeitpläne und Budgets fest, kommuniziert mit externen Dienstleistern und beruft die Projektrunden ein. Er berichtet dem Auftraggeber und bespricht mit ihm den Projektfortschritt. Er erarbeitet Lösungsvorschläge, wenn es hakt, und sorgt dafür, dass Konflikte nicht eskalieren. Der Projektleiter sollte nach Erfahrung, Engagement, Menschenkenntnis und dem für das Projekt notwendigen Fachwissen ausgesucht werden. Keinesfalls darf die Hierarchieebene eine Rolle spielen. Selbst innerhalb des Projektteams bleiben Hierarchiefragen außen vor, auch wenn das schwierig sein kann.
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Die Kanzlei möchte ihre Social Media-Aktivitäten erweitern und plant eine umfassende Facebook-Präsenz. In einem solchen Projekt ist es sinnvoll, die Auszubildenden nicht nur einzubinden, sondern ihnen Verantwortung zu übertragen. |
Regel 4: Legen Sie Meilensteine fest
Größere Projekte sollten in kleinere Teilschritte untergliedert werden. Jeder Teil-Projekterfolg wird als Meilenstein bezeichnet.
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Sie planen, DATEV ProCheck für alle relevanten Kanzleiprozesse einzuführen. Sie legen fest, dass bis zum 31.3. die Checklisten für den Prozess „Steuererklärungen“ definiert sind, bis zum 30.4. für den Prozess „Lohnbuchhaltung“ usw. |
PRAXISHINWEIS | Lassen Sie sich als Kanzleiinhaber zu den im Vorfeld festgelegten Terminen von den Meilensteinen berichten. Sind die Meilensteine nicht erreicht worden, fragen Sie nach, woran es gelegen hat und definieren Sie mit dem Projektleiter ggf. einen neuen Zeitplan. Lassen Sie aber nicht locker. |
Regel 5: Führen Sie ein Ampel-System ein
Oftmals wird an mehreren Projekten gleichzeitig gearbeitet.
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Die Kanzlei möchte mit aller Macht ins digitale Zeitalter vorrücken und plant einerseits die Einführung eines DMS, anderseits die umfassende Umsetzung von „DATEV Unternehmen online“ bei den Mandanten. Es werden zwei Projektteams gebildet, Ziele vereinbart und der Terminplan festgelegt. Beiden Projektteams ist bei fristgerechter Zielerreichung ein Bonus versprochen worden. Eines Tages benötigen jedoch beide Teams zeitgleich die Mithilfe des Sekretariats. Es folgt ein Kampf um die freien Kapazitäten. Wie kann diese Situation gelöst werden? |
Zuweilen wird sich damit beholfen, die Projekte von Anfang an in A-, B- und C-Kategorien einzuteilen. Davon ist jedoch abzuraten, denn B- und C-Projekte sollten erst gar nicht initiiert werden. Jeder Mitarbeiter wird ungeachtet der Priorisierung sein eigenes Projekt vorantreiben wollen. Deshalb sollte allen Projekten zunächst die gleiche Priorität eingeräumt und die Zeiten ‒ vor allem die Zeiten von nur mittelbar Beteiligten ‒ sollten sorgfältig geplant werden. Kommt es dann doch zu einer Kollision, führen Sie ein Ampel-System ein. Sie als Kanzleiinhaber müssen entscheiden, welches Projekt Vorrang hat. Dabei ist es wichtig, dass Sie Ihre Entscheidung allen Beteiligten erläutern.
Regel 6: Die getroffenen Entscheidungen sind zu akzeptieren
Manchmal suchen einzelne Projektmitglieder Verbündete außerhalb des Projektteams, um Entscheidungen rückgängig machen zu können, die sie nicht mittragen möchten. Dann finden Diskussionen, die eigentlich im Projekt geführt werden sollen, parallel dazu auf den Fluren statt. Das ist strikt zu unterbinden. Sofern der Rat oder die Auffassung eines Kollegen oder einer Abteilung benötigt wird, sind die entsprechenden Personen zur nächsten Projektrunde einzuladen. Im Anschluss werden Entscheidungen getroffen, die nicht nur von allen Projektmitgliedern, sondern auch von den Kollegen zu akzeptieren sind. Nur der Projektauftraggeber hat ein Vetorecht. Und zur Not gibt es immer noch Regel 10.
Regel 7: Sprints sind besser als Marathons
Ein typischer Projektablauf: Einmal wöchentlich treffen sich die Projektmitglieder an einem vorher festgelegten Wochentag jeweils für drei Stunden, um z. B. gemeinsame Standards für die FiBu zu erarbeiten. Die Teilnehmer gehen davon aus, dass sie etwa sechs Monate bis zum Projektende benötigen. Gegen diese Vorgehensweise ist grundsätzlich nichts einzuwenden, da sie die Kanzleiabläufe am wenigsten beeinträchtigt. Allerdings ergeben sich mehrere Nachteile: Zum einen werden die Projektmitglieder Woche für Woche aus ihrer Tagesarbeit herausgerissen und müssen sich jedes Mal aufs Neue mit dem aktuellen Projektstand befassen. Das kostet Anlaufzeit. Hinzu kommt, dass ein Projekt zuweilen in die falsche Richtung läuft. Hat es jedoch bereits mehrere Monate in Anspruch genommen oder sind Kosten entstanden, nimmt die Bereitschaft, es in eine andere Richtung zu lenken oder ganz zu stoppen, von Woche zu Woche ab. Deshalb kann es sinnvoll sein, Projekte in sogenannten Sprints durchzuführen. Dazu werden die Projektmitglieder nicht nur einmal wöchentlich, sondern z. B. für eine ganze Woche zusammengezogen, um ein vorher festgelegtes Ziel oder Teilziel zu erarbeiten. In dieser Zeit sind die Projektmitglieder von der Tagesarbeit freizustellen und ggf. sind Überstunden anzuordnen, um das jeweilige Projektziel bis zum Ende der Woche zu erreichen.
Regel 8: Dokumentation ist gut ‒ Kreativität ist besser
Jedes Projektziel ist schriftlich zu definieren. Auch die jeweiligen Projektfortschritte und -entscheidungen müssen notiert werden. Ob es daneben aber Anträge für die Genehmigung von Budgets, ausführliche Protokolle für jede einzelne Projektrunde und Stundenaufschreibungen geben muss, sollte jede Kanzlei für sich entscheiden. Denn jedem noch so ambitionierten Projektteam wird mit überhandnehmender Verwaltungsarbeit der Esprit genommen. Wichtiger ist es, Motivation und Kreativität zu fördern. In der Projektarbeit ist es wichtig, mindestens eine Kreativitätstechnik zu beherrschen. Zum einen geht es darum, bereits bei Projektbeginn möglichst viele Ideen oder zu klärende Punkte zu sammeln. Zum anderen gerät fast jedes Projekt irgendwann einmal ins Stocken und bedarf eines neuen Impulses. Leicht zu erlernen ist das bewährte Mind Mapping. Richtig angewendet ist es umfassenden Excel-Tabellen mit abzuarbeitenden Detailschritten vorzuziehen.
Regel 9: Projekte sind ehrlich nachzubereiten
Aus jedem Projekt sollte gelernt werden. Was war gut? Was hätte verbessert werden können? Welche Erfahrungen wurden mit Dienstleistern gesammelt? Welche Fehler sollten auf keinen Fall wiederholt werden? Gerade Steuerberater und ihre Mitarbeiter wurden sozusagen mit einer „Null-Fehler-Toleranz“ erzogen. Daher lautet die Empfehlung: Arbeiten Sie zunächst an der Fehlerkultur in Ihrer Kanzlei. Erst wenn alle Mitarbeiter wissen, dass ihnen bei einem offenen Umgang mit Fehlern zur Seite gestanden wird, können Sie davon ausgehen, dass eine ehrliche Nachbereitung von Projekten erfolgt und die Lernkurve steigt.
Regel 10: Mut, alles umzuwerfen
Auch wenn es in Regel 6 heißt „Die getroffenen Entscheidungen sind zu akzeptieren“, bedeutet das nicht, dass neuere Erkenntnisse unberücksichtigt bleiben. Manchmal können diese Erkenntnisse schmerzhaft und teuer sein. Dennoch muss im äußersten Fall die Bereitschaft vorhanden sein, ein Projekt komplett einzustellen. Diese Entschlusskraft muss nicht nur beim Kanzleiinhaber, sondern mindestens auch beim Projektleiter existieren. Akzeptieren Sie, dass jedes Projekt den Keim des Scheiterns in sich trägt. Dabei erfordert die Projekteinstellung meistens mehr Mut als die Initiierung eines Projekts.