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  • · Fachbeitrag · (Selbst-)Führung

    Warum Sie kurz vor dem Mittagessen keine wichtigen Entscheidungen mehr treffen sollten

    von Thomas Schneider, Essen

    | Menschen treffen Entscheidungen unterschiedlicher Bedeutung. Kleinigkeiten werden nebenbei entschieden. Langes Nachdenken und sorgfältiges Abwägen wären unwirtschaftlich und es bliebe am Ende des Tages zu wenig Zeit für das Wesentliche. Die Unterscheidung zwischen wichtig und unwichtig ist eine zentrale Kategorie wirtschaftlichen Handelns. Nur wer Wichtiges von Unwichtigem trennt, kann erfolgreich sein. Und trotzdem: Jeder kennt die Situation, in der man sich zu lange mit Unwesentlichem aufgehalten ‒ oder schlimmer ‒ eine wichtige Entscheidung „über‘s Knie gebrochen“ hat. Gutes Entscheiden aber hat viel mit Willenskraft zu tun. |

    Willenskraft ist eine schwankende Größe

    Willenskraft ist oft die treibende Kraft hinter diszipliniertem und verantwortungsvollem Handeln. Doch anders als viele annehmen, ist sie keine unveränderliche Charaktereigenschaft. Roy Baumeister und John Tierney führten in ihrem Buch „Die Macht der Disziplin“ (2021) den Vergleich zwischen Willenskraft und einem Muskel ein: Wie ein Muskel kann Willenskraft trainiert werden, wird aber auch bei zu intensiver Nutzung müde und erschöpft sich schließlich.

     

    • Unterzuckerte Richter

    Eine einprägsame Studie dazu ist das Experiment mit israelischen Berufungsrichtern. Die Forscher analysierten, wie Richter im Laufe eines Tages über Anträge auf vorzeitige Haftentlassung entschieden. Sie stellten fest, dass die Wahrscheinlichkeit für eine positive Entscheidung zu Beginn des Tages oder direkt nach Pausen (wie dem Mittagessen) am höchsten war. Im Laufe der Sitzung sank die Wahrscheinlichkeit stetig, sodass Anträge gegen Ende des Vormittags oder vor den Pausen tendenziell häufiger abgelehnt wurden. Die Richter, die zu Anfang des Tages also bereit waren, Fälle differenziert zu betrachten, tendierten später dazu, einfache Entscheidungen zu bevorzugen ‒ etwa die Fortsetzung der Haft ‒, weil es weniger mentale Energie erforderte. Dieses Phänomen nennt sich Entscheidungsmüdigkeit.

     

    Ursächlich war übrigens der Blutzuckerspiegel: Ein hoher Blutzuckerspiegel nach dem Frühstück oder Mittagessen führte zu 70 % Freilassungen, während diese Quote bis kurz vor der nächsten Mahlzeit auf 15 % sank. Wer über weniger Willenskraft verfügt, neigt zu einfacheren Entscheidungen. Dann ist es leichter, den Delinquenten im Gefängnis zu lassen, als das Für und Wider der vorzeitigen Haftentlassung sorgfältig abzuwägen.