· Fachbeitrag · Steuerberater in Österreich
„Wo komm‘ma da hin?“ ‒ „Wo komm‘ma da her?“ ‒ „Do könnt a jeda komma!“
von Alexandra Buba, M.A., www.medientext.com, Nürnberg
| Diese drei Reaktionen unterstellt der Volksmund „dem“ Österreicher im Hinblick auf Veränderungen. Das passt so gar nicht zur Reformfreude der verkammerten Berufe. Denn in Österreich änderten sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten die regulatorischen Rahmenbedingungen für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer bereits mehrfach: Erst fiel die Honorarordnung weg. Dann erhielten die Buchhalter erweiterte Befugnisse. Und seit 2017 gilt das neue Wirtschaftstreuhandberufsgesetz (WTBG). Geschadet hat die Liberalisierung dem Berufsstand nicht, im Gegenteil, er wird immer beliebter. |
Pragmatischer Optimismus in Österreich
Dass die Nachbarn so reformerprobt sind, kommt ihnen möglicherweise im Hinblick auf künftig ins Haus stehende weitreichende Veränderungen zupass. Wenn Brüssel Ernst macht (Derlath, KP 18, 198), betrifft der Wegfall von Vorbehaltsaufgaben nicht nur deutsche Steuerberater, sondern die österreichischen ebenso. Allzu sorgenvoll blicken die österreichischen Berufsträger allerdings nicht in die Zukunft. Sie sehen die Dinge pragmatisch: Lebe mit Veränderungen; antizipiere sie, so gut es geht und gestalte sie mit, wo du kannst.
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„ (...) Aber wenn wir uns umsehen, merken wir, dass es nicht nur uns alleine trifft m‒ Banken, viele Industriezweige und andere Dienstleister sind in einer ähnlichen Situation. Als weiteres sagt uns das auch, dass es wenig Sinn macht, sich allzu lange gegen solche Veränderungen zu stemmen ‒ sie kommen auch ohne uns regelmäßig und nehmen kaum Rücksicht auf den Status quo. Und drittens gibt es uns nach all diesen Veränderungen immer noch ‒ und wenn man darüber nachdenkt, es möge uns nie schlechter gehen! (...) Fürchten wir uns nicht vor Veränderungen! Nützen wir stattdessen die Aufbruchsstimmung, die die Änderungen im Umfeld, das neue WTBG und die neuen Technologien für uns bringt. (...)“ |
Und in Deutschland?
In Deutschland steht der Berufsstand ebenfalls vor Herausforderungen und hat immerhin schon mal einen Schuldigen.
So äußerte sich Harald Elster, Präsident des Deutschen Steuerberaterverbands, in seiner Ansprache zum Steuerberatertag 2018 dergestalt, dass es „bei dem Angriff der EU-Kommission um nicht mehr oder weniger geht, als die Zukunft unseres Berufsstands“. „Nachdem die EU-Kommission mit dem Dienstleistungspaket zu scheitern droht, stellt sie diesmal die Vorbehaltsaufgaben des steuerberatenden Berufs grundsätzlich infrage“, so Elster weiter. Er könne das Vorgehen der EU-Kommission nicht nachvollziehen. Das Verhalten der EU-Kommission könne nur noch als ein bösartiger Angriff auf die deutschen Steuerberater verstanden werden. Der Verband sehe seine Kernaufgabe indes darin zu verhindern, dass „die EU-Kommission dem Kern der steuerberatenden Tätigkeit massiven Schaden zufügt“.
Parallelen und Unterschiede in den Märkten
Vielleicht rechtfertigen ja die Unterschiede in den Märkten der beiden Länder eine derart unterschiedliche Einschätzung? Denn in der Tat gibt es neben Parallelen auch Unterschiede.
Mehr Kanzleien werden verkauft
Der Branchenkenner und Gründer der Jost AG, Klaus Jost, der seit vielen Jahren auch in Österreich Kanzleien im Hinblick auf die Nachfolge berät, stellt jedenfalls fest, dass sich der Markt dort in den vergangenen Monaten verändert. „Hatten wir noch bis vor kurzem die Situation, dass es in Österreich mehr Käufer als Verkäufer gab, sind nunmehr erste Ansätze erkennbar, dass sich die Lage in dieselbe Richtung wie in Deutschland entwickelt: Es stehen mehr Kanzleien zum Verkauf als ernsthafte Kaufinteressenten vorhanden sind.“
DSGVO, Digitalisierung, Generationenwechsel, Bibus
Als mögliche Ursachen dafür nennt Jost neben der neuen Datenschutzgrundverordnung, der fortschreitenden Digitalisierung und dem anstehenden Generationenwechsel ‒ immer mehr Steuerberater sind älter als 60 Jahre ‒ auch die wachsende Sorge vor dem Wegfall von Vorbehaltsaufgaben auf Druck der EU. In der Vergangenheit freilich profitierte der Berufsstand in Österreich immer eher von Liberalisierungsschritten, als dass er darunter litt. „Die erweiterten Kompetenzen der Buchhalter belasten die Steuerberater in Österreich nicht“, so Jost (siehe hierzu auch Buba, KP 19; 49).
Wegfall der Honorarordnung
Und auch 2006, als die Honorarordnung auf Betreiben der österreichischen Wettbewerbsbehörde hin widerrufen wurde, habe nur anfangs Skepsis geherrscht. Denn während die Rechtsanwälte in Österreich noch gesetzlich vorgegebene Entgelte vereinnahmen, vereinbaren sie die Steuerberater seit nunmehr über einem Jahrzehnt frei mit den Mandanten ‒ mit ungeahnten Effekten, wie Jost weiß: „Nach dem Wegfall der Vorgaben sind die Honorare kurzfristig sogar gestiegen, mittlerweile hat sich das aber wieder eingependelt.“
Starkes Wachstum des Berufsstands
Gewachsen ist demgegenüber aber die Zahl der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in Österreich; innerhalb von fünf Jahren zwischen 2013 und 2018 stieg laut der österreichischen Berufskammer allein die Zahl der Steuerberater von knapp 5.000 auf knapp 6.000 an, auch die Wirtschaftsprüfer verzeichneten einen moderaten Zuwachs. Ebenfalls deutlich erhöht hat sich die Anzahl der Berufsanwärter. In Prozentzahlen ausgedrückt klingt dies noch einmal deutlich beeindruckender: So wuchs die Zahl der Steuerberater in Österreich in den vergangenen fünf Jahren um 18 %, die der Wirtschaftsprüfer um rund 4 %, und Berufsanwärter gab es 21 % mehr. Zum Vergleich: In Deutschland, in dem zehnmal so viele Einwohner wie in Österreich leben, gibt es mehr als zehnmal so viele Berufsangehörige. Ihre Zahl wuchs im selben Zeitraum um 4,5 %.
Zwei Schlussfolgerungen
Diese Zahlen legen zwei Schlussfolgerungen nahe: Zum einen scheint der Beruf in Österreich mehr Absolventen anzusprechen und insgesamt attraktiver zu wirken als in Deutschland. Zum anderen ist der österreichische Markt möglicherweise nicht in derselben Weise gesättigt wie hierzulande.
Das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz von 2017
Vielleicht ist daran eine geschicktere Lobby-Arbeit nicht ganz unbeteiligt. Denn auch wenn in den vergangenen Jahren aus Sicht von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern protektionistische Regelungen gestrichen wurden, sorgten sie zuletzt mit dem Wirtschaftstreuhandberufsgesetz für das Gegenteil. Diese letzte Neuregelung des Berufs trat im Herbst 2017 nach mehr als fünfjähriger Vorbereitungszeit in Kraft. Das Gesetz brachte neben Neuerungen zur Geldwäscheprävention wesentliche Veränderungen im Hinblick auf die Neuaufstellung der beratenden Berufsgruppen, deren Prüfungsverfahren und Befugnisse.
Verschieden, aber nicht getrennt
Auch in Österreich können danach nunmehr die Titel „Wirtschaftsprüfer“ und „Steuerberater“ unabhängig voneinander erworben werden. Beiden Berufsgruppen gemeinsam ist ein Basisteil des Examens, zu dem eine Spezialprüfung für die jeweils angestrebte Berufsgruppe kommt. Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder heißt „Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer“. Die neue Bezeichnung nimmt auf die Neuausrichtung der beiden Berufsgruppen Bezug und transportiert aussagekräftiger, dass künftig der Steuerberater der Spezialist für Steuerrecht und die Parteienvertretung sein wird und der Wirtschaftsprüfer sich auf Prüfungsleistungen konzentriert.
Mehr juristische Kompetenzen
In allen Fragen der Rechnungslegung werden Wirtschaftsprüfer und Steuerberater weiterhin identische Befugnisse haben. Dies schließt auch die Rechtsberatung einschließlich der Erstellung einfacher, standardisierter und formularmäßig gestalteter Arbeitsverträge ein. Auch Sachverständigengutachten dürfen WP und StB erstellen, im Bereich des Abgabenrechts ist dies allerdings dem Steuerberater vorbehalten.
Ebenfalls exklusiv für Steuerberater ist seit 2017 die Beratung und Vertretung im Steuerstrafverfahren und in sozialversicherungsrechtlichen Verfahren. Außerdem dürfen Steuerberater ihre Mandanten jetzt auch gegenüber der Finanzpolizei, in Verwaltungsstrafverfahren und vor dem Verwaltungsgerichtshof in Sozialversicherungsangelegenheiten vertreten. Diese Befugniserweiterung sei „sachlich gerechtfertigt“, kommentiert das österreichische WP-Jahrbuch 2018, und werde der Kerntätigkeit des Berufsstands gerecht.
Ob dies auch alle Rechtsanwälte in Österreich so sehen, sei dahingestellt. Fest steht jedenfalls, dass die Steuerberater mit der Neuregelung durchgängige Beratungspakete anbieten können, die weit in den Bereich hinreichen, der bislang den Anwälten vorbehalten war. Was sie daraus machen, darf mit großer Spannung beobachtet werden.
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