· Fachbeitrag · Praxisübergabe
Wenn der ehemalige Praxisinhaber als freier Mitarbeiter weiterarbeitet
von StB Jürgen Derlath, Münster
| Eine Statusfeststellung für eine zum Zeitpunkt der Antragstellung oder danach beendete Tätigkeit ist möglich. Sie ist aber nicht uneingeschränkt zulässig. Zwar geht das Verfahren grundsätzlich von einer zeitnahen Klärung der Verhältnisse aus, sodass es mit zunehmendem Zeitablauf für die Beteiligten an Bedeutung verliert. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn die von der Statusfeststellung erfasste Tätigkeit über ihre Beendigung hinaus aktuell fortwirkt (LSG Niedersachsen-Bremen 18.11.22, L 1 BA 91/19). |
Der freie Mitarbeiter will nachträglich abhängig beschäftigt gewesen sein
Nach der Praxisübergabe war der bisherige Praxisinhaber auf der Grundlage eines freien Mitarbeitervertrags für den Praxiserwerber tätig. Das Vertragsverhältnis überstand eine Sozialversicherungsprüfung ohne Beanstandungen. Im Laufe der Zeit kam es zu Meinungsverschiedenheiten, die schließlich vor Gericht ausgetragen wurden und im Rahmen eines Vergleichs zu einer Zahlung des Erwerbers an seinen Vorgänger (85.000 EUR) führten. Dieser stellte daraufhin einen Antrag auf Statusfeststellung in der Hoffnung, dass seine Tätigkeit ‒ rückwirkend ‒ als abhängige Beschäftigung und damit als sozialversicherungspflichtig eingestuft würde. Da das Statusfeststellungsverfahren nicht wie gewünscht ausging, legte der ehemalige Praxisinhaber Widerspruch ein. Er hatte Erfolg und seine Tätigkeit wurde rückwirkend als abhängige Beschäftigung eingestuft. Dagegen klagte der Praxiserwerber, dem sowohl das SG als auch das LSG recht gaben. Die NZB wurde vom BSG (18.7.23, B 12 BA 34/22, Beschluss) zurückgewiesen.
Die über die Beendigung hinausgehende gegenwärtige Wirkung
Um das rückwirkende Feststellungsinteresse zu begründen, hatte der frühere Inhaber vorgetragen, dass das FA seine Beurteilung der steuerlichen Behandlung der Vergleichszahlung vom Ausgang dieses Berufungsverfahrens abhängig mache. Das LSG weist zwar darauf hin, dass das FA wegen der Eigenständigkeit des einkommensteuerrechtlichen und des sozialversicherungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs nicht an den Ausgang dieses Verfahrens gebunden sei. Es räumt aber ein, dass die sozialrechtliche Behandlung der Frage indizielle Bedeutung für das Steuerrecht haben könne (BFH 20.10.10, VIII R 34/08). Durch die vorgelegten Schreiben des FA war für das Gericht hinreichend belegt, dass dieses dem Ausgang des Statusfeststellungsverfahrens zumindest eine gewisse Bedeutung beimisst, auch wenn davon auszugehen ist, dass es sich der fehlenden Bindung an diese Schreiben bewusst ist.
FAZIT | Die Entscheidung des LSG ist auch deshalb lesenswert, weil das freie Beschäftigungsverhältnis recht ausführlich dargestellt wird und gut nachvollzogen werden kann, wie das Gericht die einzelnen Indizien für und wider eine freie Mitarbeit bewertet. |