02.01.2014
Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 05.11.2013 – 15 K 14/13
- Zu den Voraussetzungen und zum Inhalt eines Aufteilungsbescheides betr. die Aufteilung der ESt-Schuld von Ehegatten.
- Die Befugnis des Gesamtschuldners, einen Aufteilungsantrag zu stellen, steht keine Einrede i. S. des BGB dar.
- Die Vorschriften über die Aufteilung einer Gesamtschuld sehen nicht vor, dass der Schuldner den Aufteilungsantrag zurücknimmt.
Denn mit dem Aufteilungsantrag übt der Gesamtschuldner ein verwaltungsrechtliches Gestaltungsrecht aus.
- Die Ausübung eines verwaltungsrechtlichen Gestaltungsrechts ist unwiederholbar und unwiderruflich.
- Wer als Gesamtschuldner einen Aufteilungsantrag gestellt hat, kann diesen auch im Verfahren über den Einspruch gegen den
Aufteilungsbescheid nicht zurücknehmen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger berechtigt ist, seinen Antrag auf Beschränkung der Vollstreckung vor
Bestandskraft des bereits erteilten Aufteilungsbescheides zurückzunehmen.
Mit Bescheid vom 24. November 2011 setzte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau, der
Beigeladenen, die Einkommensteuer für das Jahr 2010 (Streitjahr) auf … € fest. Der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens
legte das FA Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit sowie Einkünfte der Beigeladenen aus Gewerbebetrieb und aus
nichtselbständiger Arbeit zugrunde. Da die Eheleute keine Einkommensteuererklärung abgegeben hatten, ermittelte das FA die
Besteuerungsgrundlagen im Schätzungswege.
Gegen den Bescheid legte der Kläger Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren reichten der Kläger und die Beigeladene beim FA
die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ein, mit der sie Zusammenveranlagung beantragten. Der Kläger und die Beigeladene
erklärten, seit Juli 2011 dauernd getrennt zu leben.
Mit Bescheid vom 13. Juni 2012 setzte das FA für das Streitjahr Einkommensteuer in Höhe von … € fest. Aus dem Abrechnungsteil
ergab sich eine Nachforderung des FA in Höhe von insgesamt 1.100 €…Gegen die Festsetzung der Einkommensteuer legten der Kläger
und die Beigeladene keinen Rechtsbehelf ein.
Auf Antrag des Klägers vom 21. Juni 2012 erteilte das FA am 11. Juli 2012 einen Aufteilungsbescheid. Dadurch teilte das FA
die Gesamtschuld nach dem Verhältnis der Beträge auf, die sich bei getrennter Veranlagung zur Einkommensteuer ergäben. Dies
führte dazu, dass auf den Kläger 100 v. H. und auf die Beigeladene 0 v. H. der Steuer entfielen. Den Kläger trifft hiernach
eine Nachforderung in Höhe von 2.500 €, während der Beigeladenen eine Erstattung in Höhe von 1.400,00 € zusteht. …
Gegen den Aufteilungsbescheid legte der Kläger am 12. Juli 2012 Einspruch ein. Er nehme den Aufteilungsantrag zurück. Aufgrund
des Bescheides habe sich die Steuerschuld des Klägers erhöht. Auch die Beigeladene habe durch den Bescheid keinen Vorteil.
Einerseits würden die ihr zustehenden Erstattungen mit Rückständen aufgerechnet. Andererseits müsse der Kläger die Unterhaltszahlungen
an die Beigeladene solange einstellen, bis die Abgabenschuld getilgt sei. Mit Bescheid vom 14. November 2012 zog das FA die
Beigeladene zum Einspruchsverfahren hinzu.
Den eingelegten Rechtsbehelf wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 28. Dezember 2012 als unbegründet zurück. Ein Aufteilungsantrag
könne nur solange zurückgenommen werden, bis der Aufteilungsbescheid nicht erteilt sei. Ein erteilter Aufteilungsbescheid
könne nur aus den in § 280 der Abgabenordnung (AO) genannten Gründen geändert werden. Nicht zu diesen Gründen gehöre die Rücknahme
des Aufteilungsantrags. Eine solche Rücknahme sei auch nicht im Einspruchsverfahren möglich. Denn in diesem Verfahren könnten
nur Einwendungen gegen die Art der Aufteilung (d. h. gegen die Berechnung der Aufteilungsanteile) erhoben werden. Da § 280
AO gegenüber §§ 130 ff. AO und §§ 172 ff. AO die speziellere Vorschrift sei, würden die Änderungsmöglichkeiten für Aufteilungsbescheide
hierdurch abschließend geregelt.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 13. Januar 2013 Klage erhoben, mit der er die Aufhebung des Aufteilungsbescheides vom 11.
Juli 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Dezember 2012 begehrt. Er nehme den Antrag auf Aufteilung der Gesamtschuld
zurück. Die Folgen des Antrags seien dem Kläger bei Antragstellung nicht klar gewesen.
§ 280 AO stehe einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides nicht entgegen, weil diese Vorschrift nur die Änderung, nicht
aber die Aufhebung eines Aufteilungsbescheides regele. Eine Ausweitung des Regelungsbereichs des § 280 AO auf die Aufhebung
eines Aufteilungsbescheides widerspräche der Rechtssystematik der AO. Wenn der Schuldner im Einspruchsverfahren den Aufteilungsantrag
zurücknehme, sei dem Aufteilungsbescheid die Grundlage entzogen.
Der Kläger beantragt,
den Aufteilungsbescheid vom 11. Juli 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Dezember 2012 aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Zur Begründung nimmt das FA im Wesentlichen auf die Gründe der Einspruchsentscheidung Bezug.
Nach Anhörung ist die Ehefrau des Klägers mit Beschluss vom 8. April 2013 notwendig beigeladen worden. Mit Schreiben vom 16.
April 2013 hat der Berichterstatter die Beigeladene auf die sich aus § 60 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ergebenden
Rechte eines Beigeladenen hingewiesen.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Aufteilungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in dessen Rechten
(§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Zu Recht hat das FA durch die Einspruchsentscheidung eine Aufhebung des Aufteilungsbescheides abgelehnt.
1. Sind Personen Gesamtschuldner, weil sie zusammen zu einer Steuer vom Einkommen oder zur Vermögensteuer veranlagt worden
sind, so kann nach § 268 AO jeder von ihnen beantragen, dass die Vollstreckung wegen dieser Steuer jeweils auf den Betrag
beschränkt wird, der sich nach Maßgabe der §§ 269 bis 278 AO bei einer Aufteilung der Steuern ergibt. Der Antrag ist bei dem
im Zeitpunkt der Antragstellung für die Besteuerung nach dem Einkommen oder dem Vermögen zuständigen Finanzamt schriftlich
zu stellen oder zur Niederschrift zu erklären (§ 269 Abs. 1 AO). Die rückständige Steuer ist gemäß § 270 Satz 1 AO nach dem
Verhältnis der Beträge aufzuteilen, die sich bei der Einzelveranlagung nach Maßgabe des § 26a des Einkommensteuergesetzes
(EStG) und der §§ 271 bis 276 AO ergeben würden. Über den Antrag auf Beschränkung der Vollstreckung ist nach Einleitung der
Vollstreckung durch schriftlichen Bescheid (Aufteilungsbescheid) gegenüber den Beteiligten einheitlich zu entscheiden (§ 279
Abs. 1 AO). Der Aufteilungsbescheid hat die Höhe der auf jeden Gesamtschuldner entfallenden anteiligen Steuer zu enthalten;
ihm ist eine Belehrung beizufügen, welcher Rechtsbehelf zulässig ist und bei welcher Behörde er einzulegen ist (§ 279 Abs.
2 Satz 1 AO). Weitere Bestimmungen für den Inhalt des Aufteilungsbescheides enthält § 279 Abs. 2 Satz 2 AO. Gemäß § 280 Abs.
1 AO kann der Aufteilungsbescheid außer in den Fällen des § 129 AO nur geändert werden, wenn (Nr. 1) nachträglich bekannt
wird, dass die Aufteilung auf unrichtigen Angaben beruht und die rückständige Steuer infolge falscher Aufteilung ganz oder
teilweise nicht beigetrieben werden konnte oder (Nr. 2) sich die rückständige Steuer durch Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung
oder ihre Berichtigung nach § 129 AO erhöht oder vermindert. Nach Beendigung der Vollstreckung ist eine Änderung des Aufteilungsbescheids
oder seine Berichtigung nach § 129 AO nicht mehr zulässig (§ 280 Abs. 2 AO).
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) stellt die Befugnis des Gesamtschuldners, einen Aufteilungsantrag zu stellen,
keine Einrede i. S. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) dar. Unter Einreden versteht man materielle Leistungsverweigerungsrechte
(vgl. Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 72. Aufl., § 390 Rz 1), während der Antrag nach § 268 AO die Ausübung eines
verwaltungsrechtlichen Gestaltungsrechts darstellt (vgl. Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 269
AO Rz 1; Horn in Schwarz, AO, § 269 Rz 2; Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 269 AO Rz 5), das die Gesamtschuld
als solche unberührt lässt (Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 268 AO Rz 5) und nur zu einer Beschränkung
der Vollstreckung im weiteren Sinne führt (zum Ganzen BFH-Urteil vom 12. Juni 1990 VII R 69/89, BFHE 163, 498, BStBl II 1991,
493).
2. Nach diesen Grundsätzen ist der Kläger nicht berechtigt, im Verfahren über den Einspruch gegen den Aufteilungsbescheid
vom 11. Juli 2012 den Antrag auf Beschränkung der Vollstreckung (§§ 268 f. AO) zurückzunehmen.
a) Die Vorschriften über die Aufteilung einer Gesamtschuld (§§ 268 bis 280 AO) sehen nicht die Möglichkeit vor, dass der Schuldner
den Aufteilungsantrag zurücknimmt.
Unter welchen Voraussetzungen ein Aufteilungsbescheid geändert werden kann, ist abschließend in § 280 Abs. 1 AO geregelt.
Zu Recht hat das FA in seiner Einspruchsentscheidung darauf hingewiesen, dass es sich hierbei gegenüber §§ 130 ff. AO und
§§ 172 ff. AO um die speziellere Vorschrift handelt. Das bedeutet, dass ein Aufteilungsbescheid ausschließlich nach Maßgabe
der Bestimmungen des § 280 Abs. 1 AO korrigiert werden kann (vgl. Horn in Schwarz, AO, § 280 Rz 1; Klein/Brockmeyer, AO, 11.
Aufl., § 280 Rz 1; Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 280 AO Rz 2).
Die Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 AO liegen im Streitfall nicht vor. Denn der Aufteilungsbescheid vom 11. Juli 2012 beruht
weder auf unrichtigen Angaben (Nr. 1), noch hat sich die rückständige Steuer nach Erteilung des Bescheides geändert (Nr. 2).
Eine Korrekturmöglichkeit nach §§ 268 ff. AO besteht demnach nicht.
b) Dem FA ist weder nach dem Vorbringen der Beteiligten noch nach Aktenlage bei Erlass des Aufteilungsbescheides eine offenbare
Unrichtigkeit unterlaufen, die gemäß § 280 Abs. 1 AO i. V. m. § 129 AO durch eine Aufhebung des Bescheides berichtigt werden
könnte.
c) Schließlich ist auch eine Aufhebung des Aufteilungsbescheides nach § 367 Abs. 2 AO ausgeschlossen. Da der Kläger mit seinem
Antrag vom 21. Juni 2012 ein verwaltungsrechtliches Gestaltungsrecht ausgeübt hat und die Ausübung dieses Rechts unwiderruflich
ist, kann der Kläger den Aufteilungsantrag nicht zurücknehmen.
aa) Nach § 367 Abs. 2 AO hat die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen.
Der Verwaltungsakt kann auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden
Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. Einer Einspruchsentscheidung
bedarf es nur insoweit, als die Finanzbehörde dem Einspruch nicht abhilft.
Obwohl § 280 Abs. 1 AO bei Aufteilungsbescheiden eine eigenständige und abschließende Regelung der Korrekturmöglichkeiten
enthält, kann grundsätzlich auch im Rechtsbehelfsverfahren eine Änderung des Bescheides herbeigeführt werden (vgl. Urteil
des Finanzgerichts - FG - Rheinland-Pfalz vom 28. April 1999 1 K 1679/98, juris Rz 17; Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler,
§ 280 AO Rz 2).
Eine Aufhebung des streitgegenständlichen Aufteilungsbescheides nach § 367 Abs. 2 AO kommt jedoch wegen dessen Rechtsnatur
als verwaltungsrechtliches Gestaltungsrecht nicht in Betracht.
(1) Soweit ersichtlich ist in der abgabenrechtlichen Literatur die Frage, ob ein Aufteilungsbescheid im Rechtsbehelfsverfahren
wegen Rücknahme des Antrags aufgehoben werden kann, bislang nicht erörtert worden. Vielfach wird jedoch die Auffassung vertreten,
dass im Rechtsbehelfsverfahren nur Einwendungen gegen den aufzuteilenden Betrag, den angewendeten Aufteilungsmaßstab, die
Anrechnung von Beträgen nach § 276 Abs. 6 AO und das Aufteilungsverfahren erhoben werden können (Horn in Schwarz, AO, § 279
Rz 9; Klein/Brockmeyer, AO, 11. Aufl., § 279 Rz 2; Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 279 AO Rz
9; Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 279 AO Rz 9). Dagegen können Einwendungen gegen den Steuerbescheid weder hinsichtlich
der Höhe der Steuer noch hinsichtlich der Zuordnung einzelner Besteuerungsgrundlagen zu dem einen oder anderen Zusammenveranlagten
erhoben werden (BFH-Beschluss vom 27. August 1990 VI B 216/89, BFH/NV 1991, 214; Horn in Schwarz, AO, § 279 Rz 9; Kruse in
Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 279 AO Rz 9).
(2) Nach der Rechtsprechung des BFH gibt es im Abgabenrecht neben verwaltungsrechtlichen Gestaltungsrechten wie dem Antrag
auf Beschränkung der Vollstreckung nach §§ 268 f. AO auch schuldrechtliche Gestaltungsrechte, zu denen z. B. die Aufrechnung
mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis und die Aufrechnung gegen diese Ansprüche gehören (§ 226 Abs. 1 AO). Die Aufrechnungserklärung
der Finanzbehörde ist eine rein rechtsgeschäftliche Erklärung, mit der ein schuldrechtliches Gestaltungsrecht ausgeübt und
kein Verwaltungsakt erlassen wird (BFH-Urteil vom 31. August 1995 VII R 58/94, BFHE 178, 306, BStBl II 1996, 55; BFH-Beschluss
vom 29. November 2012 VII B 88/12, BFH/NV 2013, 508, unter II. 1. c) der Gründe; Klein/Brockmeyer/Ratschow, AO, 11. Aufl.,
§ 118 Rz 24; Klein/Rüsken, a. a. O., § 226 Rz 65, jeweils m. w. N.).
Ein Gestaltungsrecht ist nach einmaliger Ausübung verbraucht. Mit dieser Konsumtion des Gestaltungsrechts hängt auch die allgemein
angenommene Unwiderruflichkeit der einmal abgegebenen Gestaltungserklärung zusammen (vgl. zur Unwiderruflichkeit von Gestaltungserklärungen
im Allgemeinen Palandt/Ellenberger, Bürgerliches Gesetzbuch, 72. Aufl., Überblick vor § 104 Rz 17, und zur Unwiderruflichkeit
von Aufrechnungserklärungen im Besonderen Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 388 Rz 1; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 145 Rz
11a; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 72. Aufl., § 145 Rz 12). Dem Gesetzgeber des BGB war die Unwiderruflichkeit
einer Gestaltungserklärung so selbstverständlich, dass in dem heutigen § 315 BGB (§ 353 des ersten Entwurfs zum BGB) eine
Bestimmung über die Unwiderruflichkeit, die noch im Entwurf enthalten war, von der Kommission ausdrücklich als selbstverständlich
gestrichen worden ist (Protokolle zum Entwurf des BGB, Bd. VI, Seite 153). Unwiederholbarkeit und Unwiderruflichkeit der Gestaltungserklärung
sind der Preis dafür, dass man auf so einfache Weise, nämlich durch bloße Willenserklärung sein Recht verwirklichen kann (Urteil
des Bundesarbeitsgerichts - BAG - vom 26. August 1993, 2 AZR 159/93, BAGE 74, 143, m. w. N.).
bb) Hiernach hat das FA die Aufhebung des Aufteilungsbescheides auf den Einspruch des Klägers zu Recht abgelehnt.
(1) Die von Rechtsprechung und Literatur in erster Linie für schuldrechtliche Gestaltungsrechte aufgestellten Grundsätze sind
auf verwaltungsrechtliche Gestaltungsrechte jedenfalls grundsätzlich übertragbar. Hier wie dort erfordern es die Rechtsklarheit
und Rechtssicherheit, dass die Ausübung eines Gestaltungsrechts weder wiederholbar noch widerruflich ist.
Werden diese Grundsätze auf den Streitfall übertragen, kann der Kläger den am 21. Juni 2012 beim FA gestellten Antrag auf
Beschränkung der Vollstreckung unabhängig davon nicht zurücknehmen, dass der Aufteilungsbescheid vom 11. Juli 2012 noch nicht
in Bestandskraft erwachsen ist.
Es besteht kein Anlass dafür, von der grundsätzlichen Unwiderruflichkeit eines Aufteilungsantrags im Streitfall eine Ausnahme
zuzulassen. Auch das Vorbringen des Klägers, ihm sei die Auswirkung des Antrags nicht klar gewesen, rechtfertigt eine Aufhebung
des angefochtenen Bescheides nicht.
(2) Ferner spricht die Regelung des § 277 AO gegen eine Widerruflichkeit und damit eine gegen Wiederholbarkeit des Antrags
auf Beschränkung der Vollstreckung.
Solange nicht über den Antrag auf Beschränkung der Vollstreckung unanfechtbar entschieden ist, dürfen Vollstreckungsmaßnahmen
gemäß § 277 AO nur soweit durchgeführt werden, als dies zur Sicherung des Anspruchs erforderlich ist. Mit dieser Regelung
soll vermieden werden, dass vollstreckungsrechtlich vollendete Tatsachen geschaffen werden, bevor endgültig feststeht, in
welchem Umfang die einzelnen Gesamtschuldner für die rückständige Steuer in Anspruch genommen werden können (Horn in Schwarz,
AO, § 277 Rz 1). Die Vollstreckung wird - und zwar für jeden der Gesamtschuldner - bis zur unanfechtbaren Entscheidung über
den Aufteilungsantrag auf bloße Sicherungsmaßnahmen beschränkt. Eine endgültige Befriedigung des Abgabengläubigers ist vorerst
ausgeschlossen (vgl. Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 277 AO Rz 2; Klein/Brockmeyer, AO, 11. Aufl., § 277 Rz 1).
Bereits ergriffene Vollstreckungsmaßnahmen, die über den Sicherungszweck hinausgehen, sind auszusetzen bzw. aufzuheben, soweit
dies noch möglich ist (Horn in Schwarz, AO, § 277 Rz 1).
Könnte ein Gesamtschuldner - wie im Streitfall der Kläger - einen Aufteilungsantrag zurücknehmen bzw. widerrufen, hätte er
oder ein anderer Gesamtschuldner - im Streitfall: die Beigeladene - die Möglichkeit, erneut einen Antrag auf Beschränkung
der Vollstreckung zu stellen. Dadurch würde eine endgültige Befriedigung des Abgabengläubigers ein weiteres Mal vorläufig
vereitelt. Es spricht nichts dafür, dass nach dem Willen des Gesetzgebers das Beitreibungsinteresse des Abgabengläubigers
in dieser Weise durch die §§ 268 ff. AO beeinträchtigt werden soll.
Auch im Lichte des § 277 AO ist die angefochtene Entscheidung deshalb nicht zu beanstanden.
(3) Nach alledem folgt der erkennende Senat nicht dem 7. Senat des FG Berlin-Brandenburg, der in seinem Urteil vom 16. September
2009 7 K 7453/06 B (EFG 2010, 386) - ohne Begründung - offenbar davon ausgeht, ein Aufteilungsantrag könne zurückgenommen
werden.
Diese Ansicht lässt sich auch nicht mit den Vorschriften über die Veranlagung von Ehegatten begründen.
Nach §§ 26 ff. EStG in der bis 31. Dezember 2012 geltenden Fassung kann die Wahl der Veranlagungsart bis zur Bestandskraft
des Zusammenveranlagungsbescheides oder - bei getrennter Veranlagung bzw. besonderer Veranlagung nach § 26c EStG - eines der
beiden Bescheide geändert werden (vgl. im Einzelnen Schmidt/Seeger, EStG, 32. Aufl., § 26 Rz 23 f.). Die Grundsätze über die
Änderbarkeit der Wahl der Veranlagungsart sind für die Frage, ob ein Aufteilungsantrag zurückgenommen werden kann, allein
deshalb nicht maßgeblich, weil die §§ 26 ff. EStG den Ehegatten ein Wahlrecht („können … wählen”, § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG)
einräumen und das im 4. Teil der AO geregelte Festsetzungsverfahren betreffen, die §§ 268 ff. AO dagegen ein verwaltungsrechtliches
Gestaltungsrecht begründen - was vor allem in § 277 AO zum Ausdruck kommt (vgl. Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler,
§ 277 AO Rz 2) - und dem Vollstreckungsrecht (6. Teil der AO) angehören.
3. a) Der Senat konnte gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
b) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn das Gericht sie aus Billigkeit der unterliegenden
Partei oder der Staatskasse auferlegt (§ 139 Abs. 4 FGO). Im Regelfall entspricht es der Billigkeit, dem Beigeladenen Kostenerstattung
zuzubilligen, wenn er Sachanträge gestellt hat, weil er dann auch das Risiko getragen hat, zu unterliegen und mit Kosten belastet
zu werden (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1997 I R 10/92, BFHE 184, 212, BStBl II 1998, 63, unter I. C. der Gründe). Voraussetzung
für eine Billigkeitsentscheidung nach § 139 Abs. 4 FGO ist, dass der Beigeladene den obsiegenden Beteiligten unterstützt hat
(vgl. Stapperfend in Gräber, FGO, 7. Aufl., § 139 Rz 136, m. w. N.).
Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Die Beigeladene hat auch auf ausdrückliche Nachfrage durch das Gericht (Schreiben
vom 16. April 2013) davon abgesehen, Sachanträge zu stellen.
c) Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO zuzulassen. Durch die Rechtsprechung des BFH ist bislang nicht geklärt,
ob ein Antrag auf Beschränkung der Vollstreckung nach §§ 268 f. AO vor Eintritt der Bestandskraft des erteilten Aufteilungsbescheides
zurückgenommen werden kann.