Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 03.07.2014 · IWW-Abrufnummer 141972

    Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 23.10.2013 – 2 K 321/13

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    FINANZGERICHT HAMBURG
    Aktz: 2 K 321/12
    Entschdatum: 23.10.2013
    Dokumententyp: Urteil - Senat
    Rechtskraft: -

    Tatbestand

    Die Kläger wenden sich gegen die Festsetzung von Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 2002 und 2003.

    Die Kläger sind Eheleute und werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Beteiligter der A ... Gesellschaft (im Folgenden Partnergesellschaft). Mit den Steuererklärungen für 2002 und 2003 erklärte er jeweils Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Mit Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 02.09.2004 wurden die Kläger erklärungsgemäß veranlagt und Erstattungszinsen zur Einkommensteuer von 78 € festgesetzt. Mit Bescheid vom 16.09.2005 wurde die festgesetzte Einkommensteuer 2003 geändert und Nachzahlungszinsen auf 43 € festgesetzt.

    Auf Grund einer bei der Partnergesellschaft durchgeführten Außenprüfung kam das Betriebsstättenfinanzamt zu dem Ergebnis, dass die Einkünfte aus der Tätigkeit als Insolvenzverwalter gewerblich seien und wegen der Abfärbewirkung dieser gewerblichen Einkünfte die gesamten Einkünfte der Partnergesellschaft als gewerblich zu beurteilen seien. Im Juni bzw. August 2006 ergingen deshalb für die Partnergesellschaft Gewerbesteuermessbescheide für 2002 und 2003 sowie geänderte Gewinnfeststellungsbescheide, in denen ein Gewinn aus Gewerbebetrieb festgestellt wurde.
    Der Beklagte änderte daraufhin am 07.08.2006 den Einkommensteuerbescheid 2002. Durch die Veränderung der Einkunftsart wurde eine Ermäßigung der Einkommensteuer für Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 35 des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigt und die Einkommensteuer dementsprechend (erheblich) niedriger sowie Erstattungszinsen in Höhe von 6.322 € festgesetzt. In gleicher Weise wurde mit Änderungsbescheid vom 21.08.2006 die Einkommensteuer für 2003 herab- und Erstattungszinsen in Höhe von 4.198 € festgesetzt.

    Die Partnergesellschaft legte gegen die Gewerbesteuermessbescheide sowie die Gewinnfeststellungsbescheide Rechtmittel ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Nachdem zwischen den Beteiligten die Möglichkeiten der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes unter Einbeziehung der durch die Änderung der Einkunftsart ausgelösten Einkommensteuererstattungen erörtert worden war, setzte das Betriebsstättenfinanzamt mit Bescheiden vom 20.09.2006 bzw. 21.11.2006 die Vollziehung der angefochtenen Bescheide bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung aus. Nach Ergehen der Einspruchsentscheidung ist nicht erneut Aussetzung der Vollziehung beantragt und auch nicht von Amts wegen gewährt worden. Im anschließenden Klageverfahren der Partnergesellschaft (2 K 22/08, 2 K 109/09) kam es zu einer gütlichen Einigung. Die Beteiligten verständigten sich darauf, dass die Einkünfte aus der Tätigkeit als Insolvenzverwalter weiterhin als solche aus Gewerbebetrieb beurteilt werden, jedoch nicht von einer Infizierung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit auszugehen sei.

    Auf Grund geänderter Gewinnfeststellungsbescheide setzte der Beklagte mit Bescheiden vom 30.04.2010 die Einkommensteuer der Kläger für 2002 und 2003 wieder herauf und Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer in 2002 in Höhe von 11.782 € und in 2003 in Höhe von 10.030 € fest.

    Am 02.06.2010 legten die Kläger Einspruch gegen die Festsetzung von Zinsen zur Einkommensteuer 2002 und 2003 ein und beantragten die Herabsetzung der festgesetzten Zinsen im Billigkeitswege auf 0 € bzw. einen Billigkeitserlass. Mit Einspruchsentscheidung vom 17.10.2012 wies der Beklagte die Einsprüche gegen die Bescheide über die Festsetzung von Zinsen zur Einkommensteuer für 2002 und 2003 vom 30.04.2010 als unbegründet zurück. Zur Begründung nahm er Bezug auf das Schreiben vom 20.08.2012, mit dem eingehend erläutert worden sei, dass den Einsprüchen nicht entsprochen werden könne.
    Über die Anträge auf Billigkeitserweis ist noch nicht entschieden worden.

    Am 16.11.2012 haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führen sie aus, dass die Festsetzung von Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 2002 und 2003 durch § 233 a der Abgabenordnung (AO) bei der erforderlichen teleologischen Reduktion nicht gedeckt sei. Wegen der materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Besonderheiten könne die Fallgruppe, bei der es nachträglich auf Grund eines Wechsels der Einkunftsart und der Anwendung des § 35 EStG zu Zinspflichten bekomme, nicht unter die Regelung des § 233 a AO fallen. Dass die Zinsfolgen zu einem unangemessenen Ergebnis führten, zeige auch das Bemühen der Partnergesellschaft und des Beklagten, Wege zur Vermeidung der Zinsfolgen zu finden. Wegen sachwidriger Zinsfolgen in Fällen des Verlustabzuges und bei Berichtigung auf Grund rückwirkender Ereignisse sei die Regelung des § 233 a AO bereits in der Vergangenheit einschränkend ausgelegt worden und in der Folgezeit geändert worden. Der vorliegende Sachverhalt sei den nunmehr in § 233 a Abs. 2a und 7 AO geregelten Fallgruppen den Grundlagen nach ähnlich, weil wegen der bestehenden Besonderheiten des Verfahrensrechts im Zusammenhang mit dem materiellen Recht ebenfalls Liquiditätsvorteile nicht vorgelegen hätten. Durch eine - spätere - erstmalige Gewerbesteuermessbetragsfeststellung und Gewerbesteuerfestsetzung sei eine "quasi" rückwirkende Berücksichtigung einer pauschalierten Gewerbesteuer bei der Einkommensteuer ausgelöst worden. Die Anrechnung einer Gewerbesteuer gemäß § 35 EStG bei der Einkommensteuer sei auch nicht durch eine Aussetzung der Vollziehung des Gewerbesteuermessbescheids zu verhindern gewesen. Auch eine Nicht-Auswertung der geänderten Gewinnfeststellung durch das Wohnsitzfinanzamt sei im Hinblick auf die Frist des § 171 Abs. 10 AO keine Lösung zur Vermeidung der Zinsfolge. Die spätere Feststellung eines Gewerbesteuermessbetrags und die Festsetzung der Gewerbesteuer sei einem rückwirkenden Ereignis durchaus vergleichbar, wenn der Wegfall oder die weitgehende Minderung der Gewerbesteuerpflicht nach § 35 EStG zu erheblichen Nachzahlungen bei der Einkommensteuer führe.
    Die Kläger hätten verfahrensrechtlich keine Möglichkeit gehabt, die die Nachzahlungszinsen begründende Erstattung der Einkommensteuer 2002 und 2003 zu verhindern. Wegen der vielen Partner der Partnergesellschaft habe sich ein Gleichlauf der Auswirkungen bei der Einkommensteuer der Partner einerseits und der Gewerbesteuer der Partnergesellschaft andererseits nicht herstellen lassen. Auch hätte mit dem Einkommensteuerguthaben nicht die Gewerbesteuerschuld ausgeglichen werden können, denn es handele sich insoweit um verschiedene Steuerpflichtige. Auch habe die Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuermessbescheide bzw. Gewinnfeststellungsbescheide keine Auswirkung auf die Art der Einkünfte gehabt, so dass die Folgen des § 35 EStG bei der Auswertung der Gewinnfeststellung Bestand gehabt hätten. Die Aussetzung der Vollziehung der Gewinnfeststellungsbescheide bilde zudem keine Grundlage dafür, dass eine bereits erfolgte Steuererstattung habe zurück gefordert werden können. Eine freiwillige Zahlung der erstatteten Beträge habe der Beklagte nicht hinnehmen wollen.
    Da die Partnerschaftsgesellschaft und auch sie, die Kläger, davon ausgegangen seien, dass das Klageverfahren hinsichtlich der Gewerblichkeit der Einkünfte gewonnen werden würde, habe das Geld auch nicht längerfristig zu einem dem gesetzlichen Zinssatz vergleichbaren Zins von 6 % pro Jahr angelegt werden können.
    Die Unmöglichkeit, in verfahrensrechtlich zulässiger Weise die Erstattung der Einkommensteuer zu vermeiden, erfordere letztlich eine einschränkende Auslegung des Anwendungsbereichs des § 233 a AO. Denn die Verzinsung einer nicht gewollten Erstattung, also eines Zwangsdarlehens, gehöre nicht zu den Zielgebieten der Regelung. Es gehe im vorliegenden Fall nicht um eine unangemessene Zinsbelastung im Einzelfall, sondern um die Unvermeidbarkeit der Zinspflicht aufgrund der vorliegenden tatsächlichen Konstellationen und der rechtlichen Gegebenheiten.

    Die Kläger beantragen,
    die Bescheide über die Festsetzung von Zinsen zur Einkommensteuer 2002 und 2003 vom 30.04.2010 und die Einspruchsentscheidung vom 17.10.2012 in der Weise zu ändern, dass die Zinsen jeweils auf 0 € festgesetzt werden.

    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Zinsfestsetzung zu Recht erfolgt sei und für eine Gesetzesauslegung im Sinne einer teleologischen Reduktion kein Raum bestehe. Nach dem Willen des Gesetzgebers habe mit der allgemeinen Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen ein Ausgleich dafür geschaffen werden sollen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeiten festgesetzt und fällig würden. Entstehende Liquiditätsvorteile des Steuerpflichtigen sollten abgeschöpft, sowie Zinsvor- und -nachteile ausgeglichen werden. Dieser Zielsetzung des Gesetzes werde auch die im vorliegenden Fall erfolgte Zinsfestsetzung gerecht. Die Zinsfestsetzung im Falle der Änderung der zu Grunde liegenden Steuerfestsetzung anzupassen sei folgerichtig und entspreche dem Zweck des § 233 a AO. Dies gelte auch, wenn die Änderung zu Ungunsten des Steuerpflichtigen erfolge und ihre Ursache in der Änderung eines Grundlagenbescheides habe. Die Verzinsung erfolge unabhängig von persönlichen Auswirkungen auf den Steuerpflichtigen oder etwaigem Verschulden. Es solle gerade keine Einzelfallbetrachtung vorgenommen werden.
    Nach seinem Kenntnisstand sei von Seiten der Kläger kein Kontakt mit der zuständigen Veranlagungsstelle aufgenommen worden, um die Einkommensteuererstattung angesichts der Zinsproblematik zurückzuzahlen. Der von den Klägern vorgelegte Schriftwechsel mit dem Finanzamt Hamburg-1 in der Sache eines anderen Partners zeige vielmehr, dass grundsätzlich die Intention bestanden habe, die Gewerbesteuer nicht zu zahlen (AdV-Antrag), daneben jedoch die Einkommensteuererstattung nebst Verzinsung entgegen zu nehmen.

    Dem Gericht haben die Rechtsbehelfsakte und die Einkommensteuerakten des Beklagten zu der Steuer Nr. .../.../... vorgelegen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Vorverfahren mit Einspruchsentscheidung vom 17.10.2012 erfolglos abgeschlossen.
    Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzten die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Festsetzung von Zinsen zur Einkommensteuer ist nicht rechtsfehlerhaft. Von der Festsetzung von Zinsen gemäß § 233 a EStG ist nicht auf Grund der Besonderheiten des Sachverhalts abweichend von dem Wortlaut abzusehen.

    Nach § 233 a Abs. 1 S. 1 AO sind Zinsen auf Steuern zu leisten, wenn die Festsetzung der Steuer zu einer Steuernachzahlung oder Steuererstattung führt. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer einerseits und den anzurechnenden Steuerabzugsbeträgen, der anzurechnenden Körperschaftsteuer und den bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (§ 233 a Abs. 3 S. 1 AO). Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233 a Abs. 2 S. 1 AO). Wird die Steuerfestsetzung - wie im Streitfall - geändert, ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer maßgebend für die Zinsberechnung (§ 233 a Abs. 5 Sätze 1 und 2 AO).

    Auf der Grundlage dieser Regelungen hat der Beklagte die Zinsen zur Einkommensteuer 2002 und 2003 mit Bescheiden vom 30.04.2012 festgesetzt. Der Höhe nach ist die Berechnung der Zinsen zwischen den Beteiligten unstreitig.

    Entgegen der Auffassung der Kläger ist der Anwendungsbereich der Vorschrift nicht einschränkend dahingehend auszulegen, dass Sachverhalte der vorliegenden Art nicht von der Norm erfasst werden.
    Nach ständiger Rechtsprechung ist Zweck der Regelung des § 233 a AO, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen "aus welchen Gründen auch immer" zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden. Liquiditätsvorteile, die dem Steuerpflichtigen oder dem Fiskus aus dem verspäteten Erlass eines Steuerbescheids typischerweise entstanden sind, sollen mit Hilfe der so genannten Vollverzinsung ausgeglichen werden. Ob die möglichen Zinsvorteile tatsächlich entstandenen sind, ist grundsätzlich unbeachtlich (BFH-Urteile vom 05.05.2011 V R 39/10, BFH/NV 2011, 1474; vom 23.10.2003 V R 2/02, BStBl II 2004, 39; vom 12.04.2000 XI R 21/97, BFH/NV 2000, 1178; vom 05.06.1996 X R 234/93, BStBl II 1996, 503). Nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) liegt es in der Konsequenz der Regelung, dass sie grundsätzlich unabhängig davon greift, aus welchem Grund es zu einem Unterschiedsbetrag gekommen ist und ob und inwiefern tatsächlich die Liquiditätsvorteile genutzt wurden. Auch ungewollte oder unwesentliche Zins- oder Liquiditätsvorteile sollen ausgeglichen werden. Die reine Möglichkeit der Kapitalnutzung bzw. die bloße Verfügbarkeit über einen bestimmten Geldbetrag reichen aus (BVerfG, Beschluss vom 03.09.2009 1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115; BFH-Urteil vom 12.04.2000 XI R 21/97, BFH/NV 2000, 1178).

    Der der Verzinsung zu Grunde liegende Zweck, nämlich Liquiditätsvorteile auszugleichen, ist trotz der besonderen Umstände des Sachverhalts erfüllt. Die Kläger haben durch die Herabsetzung der Einkommensteuer für 2002 und 2003 mit Bescheiden aus August 2006 und der Auszahlung des Steuerguthabens tatsächlich Liquiditätsvorteile gehabt, die sie hätten nutzen können oder genutzt haben. Der angefochtenen Zinsfestsetzung liegt eine verschuldensunabhängige Anwendung der Verzinsungsreglung zugrunde, welche die den Klägern entstandenen "potentiellen" Zinsvorteile abschöpft. In dieser Hinsicht unterscheidet sich auch der vorliegende Sachverhalt von den Fällen, die Anlass für die Einfügung der Absätze 2a und 7 in § 233 a AO gewesen sind. Denn bei rückwirkenden Ereignissen wird berücksichtigt, dass Finanzamt und Steuerpflichtiger in der Zeit bis zum Eintritt des rückwirkenden Ereignisses keine Liquiditäts- oder Zinsvorteile ziehen können. In den Fällen des Verlustrücktrags wird es ausgeschlossen, dass der Fiskus Erstattungszinsen für Zeiträume zu zahlen hat, in denen der Steuerpflichtige noch keinen Verlust erlitten hatte. § 233 a Abs. 2a und 7 AO stellen somit entsprechend dem Zweck der Norm gerade sicher, dass rückwirkende Ereignisse und Verlustrückträge bei der Verzinsung erst dann berücksichtigt werden, wenn entsprechende Liquiditätsvorteile oder -nachteile entstanden sind (vgl. Loose in Tipke/Kruse, § 233 a AO Rn. 63 m. w. N.). Der vorliegende Sachverhalt ist deshalb mit den von § 233 a Abs. 2a und 7 AO erfassten Sachverhalten nicht vergleichbar, denn die Kläger haben in Folge der geänderten Feststellung der Art der Einkünfte einen Liquiditätsvorteil tatsächlich erlangt. Es kommt dabei nicht darauf an, dass der Vorteil bei der Einkommensteuer durch die Festsetzung von Gewerbesteuer per Saldo ausgeglichen wurde. Denn § 233 a AO stellt auf den Vorteil des Steuerpflichtigen ab (vgl. BFH-Urteil vom 12.04.2000 XI R 21/97, BFH/NV 2000, 1178), Schuldner der Gewerbesteuer ist jedoch die Partnergesellschaft. Die Liquiditätsvorteile und -nachteile der Partnergesellschaft sind ebenfalls verzinst worden. Eine "Verrechnung" der steuerlichen Auswirkungen der geänderten Einkunftsart bei der Partnergesellschaft und deren Gesellschaftern und die daran anknüpfenden Zinsfolgen verbietet sich angesichts der unterschiedlichen Steuersubjekte, auch wenn im Ergebnis annährend ein Ausgleich der Vor- und Nachteile eingetreten sein mag.

    Es ist zwar zutreffend, dass für die Kläger verfahrensrechtlich wohl keine Möglichkeit bestand, die Herabsetzung der Einkommensteuer zu verhindern, nachdem in den Gewinnfeststellungsbescheiden der Partnergesellschaft Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt worden waren. Soweit die Vollziehung des Grundlagenbescheids ausgesetzt worden ist, ist zwar auch die Vollziehung des Folgebescheids auszusetzen (§ 361 Abs. 3 S. 1 AO). Der Erlass eines Folgebescheides bleibt jedoch zulässig (§ 361 Abs. 3 S. 2 AO) und muss ggf. auch erfolgen. Denn die Anfechtung des Grundlagenbescheids führt nicht dazu, dass der Ablauf der für die Festsetzung der Folgesteuern maßgebende Festsetzungsfrist des § 171 Abs. 10 AO gehemmt wird (vgl. BFH-Urteil vom 19.01.2005 X R 14/04, BStBl II 2005, 242). Es ist jedoch höchst zweifelhaft, ob die Aussetzung der Vollziehung des Folgebescheids dazu führen kann, dass ein Steuerguthaben nicht ausgezahlt wird. Dies gilt auch für den Fall, dass im Grundlagenbescheid ausdrücklich die Art der Einkünfte von der Vollziehung ausgesetzt worden ist. Jedenfalls fehlt es an einer rechtlichen Grundlage, ein bereits ausgezahltes Steuerguthaben - wie im vorliegenden Fall - von dem Steuerpflichtigen zurückzufordern. Die negativen Zinsfolgen hätten die Kläger wohl nur verhindern können, wenn sie in Absprache mit dem Beklagten auf eine Auszahlung verzichtet oder sogleich eine Rückzahlung vor dem Hintergrund der streitigen Rechtsfrage vorgenommen hätten und der Betrag beispielsweise als Vorauszahlung auf die ihrer Auffassung nach gewiss wieder entstehende Einkommensteuerschuld verbucht worden wäre. Dass die Kläger in dieser Hinsicht tätig geworden sind, ist bislang nicht substantiiert dargelegt worden; vielmehr legt der Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung die Vermutung nahe, dass eine Rückzahlung der Einkommensteuer ohne eine Regelung des gesamten Steuerrechtsstreit auch nicht angestrebt worden ist. Eine Aufklärung dieses Sachverhalts, ggf. durch eine Vernehmung des als Zeugen angebotenen Büroleiters Pohl, bedarf es in diesem Verfahren nicht, denn derartige Rückzahlungsbemühungen wären im Rahmen eines Billigkeitsverfahrens zu würdigen. Für das Festsetzungsverfahren kommt es allein darauf an, ob die festgesetzten Zinsen dem Wortlaut und dem Zweck der Norm entsprechen.

    Für die Festsetzung von Nachzahlungszinsen ist es nicht von Bedeutung, ob beim Steuerpflichtigen tatsächlich Zinsvorteile entstanden sind. Es kommt somit nicht darauf an, dass die Kläger nach ihrem Vortrag die Einkommensteuererstattung nicht längerfristig haben anlegen können, weil sie jederzeit damit gerechnet haben, dass die vom Finanzamt abweichend beurteilte Art der Einkünfte in ihrem Sinne rechtlich geklärt werden würde. Dabei handelte es sich um eine persönliche Einschätzung der Kläger, nicht jedoch um einen offenkundigen Sachverhalt. Insoweit sind die Umstände - denen auch nur in einem Billigkeitsverfahren Rechnung getragen werden könnte - nicht mit denen des Verfahrens IX R 28/96 (BFH-Urteil vom 25.11.1997, BStBl II 1998, 550) vergleichbar. Dort beruhte eine zurücküberwiesene Vorauszahlung des Steuerpflichtigen auf einem Erfassungsfehler des Finanzamtes bei der Erstveranlagung. In einem solchen Fall entspricht die Verzinsung nicht dem Gesetzeszweck, wenn die Rückzahlung ausschließlich auf einem Fehler des Finanzamtes beruht, der Steuerpflichtige das Finanzamt unverzüglich auf diesen Fehler aufmerksam macht und den Betrag zur sofortigen Rückzahlung auf einem Girokonto bereithält. Der geänderten Steuerfestsetzung im vorliegenden Fall lag jedoch nicht ein offensichtlicher Fehler eines Sachbearbeiters zu Grunde, vielmehr ist das Betriebsstättenfinanzamt nach einer Außenprüfung zu einer anderen Würdigung des steuerlichen Sachverhalts gelangt. Die dieser Einschätzung zu Grunde liegenden Rechtsfragen haben erst nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Klärung erfahren. Die Erforderlichkeit einer Rückzahlung war danach ungewiss, andernfalls hätte die Partnergesellschaft in dem Verfahren über die Art der Einkünfte auch nicht einer einvernehmlichen Regelung zugestimmt, nach der weiterhin teilweise gewerbliche Einkünfte hinsichtlich der Tätigkeit der Insolvenzverwalter der Besteuerung zugrunde gelegt werden sollten.

    Eine einschränkende Auslegung des § 233 a AO ist auch nicht auf der Grundlage des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes geboten. Bei Steuergesetzen ist zu berücksichtigen, dass sie in der Regel Massenvorgänge des Wirtschaftslebens betreffen. Sie müssen, um praktikabel zu sein, Sachverhalte, an die sie dieselben steuerrechtlichen Folgen knüpfen, typisieren und damit in weitem Umfang die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen. Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die Steuerzahler darf allerdings ein gewisses Maß nicht übersteigen. Vielmehr müssen die steuerrechtlichen Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen. Außerdem darf eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren (BVerfG, Beschluss vom 03.09.2009 1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115 m. w. N.).
    Gemessen an diesen Grundsätzen kann nicht festgestellt werden, dass die Anwendung des § 233 a AO zu einer Ungleichbehandlung führt, der mit einer verfassungskonformen, einschränkenden Auslegung zu begegnen wäre. Durch die Sollverzinsung sollen Liquiditätsvorteile ausgeglichen werden. Sie wirkt gleichermaßen zu Gunsten wie zu Lasten des Steuerpflichtigen. In diesen Anwendungsbereich der Norm fällt auch der vorliegende Sachverhalt. Insbesondere im Verhältnis von Grundlagen- und Folgebescheiden sind Änderungen von Steuerfestsetzungen, die ggf. wieder abgeändert werden, gängige Praxis. Auch wenn im vorliegenden Fall durch die Änderung der Art der Einkünfte sich steuerliche Folgen ergeben haben, die die Kläger durch Ausschöpfung verfahrensrechtlicher Schritte wohl nicht haben verhindern können, so ändert dies nichts an dem dadurch tatsächlich erlangten Liquiditätsvorteil. Allein der Umstand, dass die Kläger in dem zugrunde liegenden Rechtsstreit eine andere Rechtsauffassung vertreten haben und deshalb davon ausgingen, dass die steuerlichen Folgen keinen Bestand haben würden, lässt diesen Sachverhalt nicht aus dem generellen Anwendungsbereich der Norm herausfallen. Ob ein "Zwangsdarlehen" vorlag, wie die Kläger vortragen, wird danach zu beurteilen sein, ob sie auch tatsächlich alles Mögliche unternommen haben, um eine Auszahlung zu verhindern bzw. eine Rückzahlung zu erwirken. Die Fragen sind ggf. im Billigkeitsverfahren zu würdigen.

    Die Kläger haben gemäß § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.