25.11.2015 · IWW-Abrufnummer 145874
Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 15.04.2015 – 1 K 23/13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
FG Baden-Württemberg, 15.04.2015 - 1 K 23/13
In dem Finanzrechtsstreit
XXX
gegen
XXX
wegen Einkommensteuer 2008 und 2009, Umsatzsteuer 2008 und 2009 und Gewerbesteuermessbetrag 2008 und 2009
hat der 1. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg in der Sitzung vom 15. April 2015 durch
Vorsitzende Richterin am Finanzgericht
Richter am Finanzgericht
Ehrenamtliche Richter
für Recht erkannt:
Tenor:
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist u.a., ob unentgeltliche Wertabgaben i.S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) vorliegen, wenn ein Vermittler von Mobilfunkverträgen den Kunden bei Abschluss eines Mobilfunkvertrags "kostenlos" Mobilfunktelefone liefert. Im Verlauf des Klageverfahrens ist außerdem streitig geworden, ob der Kläger die Klagefrist eingehalten hat.
Der Kläger betrieb in den Streitjahren ein Mobilfunkgeschäft "mobile". Er erklärte zum 1. März 2010 die Betriebsaufgabe.
Der Beklagte (das Finanzamt -- FA-- ) erließ im Anschluss an eine Außenprüfung (Bericht vom 26. März 2012) am 20. Juli 2012 die hier streitigen Einkommensteuerbescheide 2008 und 2009, die Gewerbesteuermessbescheide 2008 und 2009 sowie die Umsatzsteuerbescheide 2008 und 2009. Das FA leitete außerdem gegen den Kläger am 30. Juni 2011 ein Steuerstrafverfahren ein, das bis heute nicht abgeschlossen ist.
Der damalige Bevollmächtigte des Klägers legte gegen diese Bescheide Einspruch ein, die er nicht begründete. In einem Telefonat am 26. November 2012 teilte der damalige Bevollmächtigte dem Sachbearbeiter der Rechtsbehelfsstelle mit, das Mandat sei inzwischen beendet; die Einspruchsentscheidung solle an den neuen Bevollmächtigten adressiert werden.
Der neue Bevollmächtigte hatte bereits mit Schreiben vom 28. September 2012 die Vertretung des Klägers angezeigt. Er unterhielt in den Jahren 2012 und 2013 sowohl in Y als auch in X (als Zweigstelle) Kanzleiräume. Sein Bruder, Mika K, betreibt in X in denselben Räumlichkeiten ein Buchführungsbüro.
Der Sachbearbeiter erstellte die Einspruchsentscheidung laut der sich in der Rechtsbehelfsakte befindlichen Abschrift am Montag, den 26. November 2012 ("erstellt am: 26.11.2012"). Die Einspruchsentscheidung trägt das Datum "27. November 2012". Auf Seite 1 der Einspruchsentscheidung steht "Zustellung durch Einlegen in den Briefkasten". Auf Seite 3 steht maschinengeschrieben "Orig. + MF in den Kanzlei-Briefkasten eingeworfen am 27.11.20012 um __ Uhr"; handschriftlich wurde "7:13" ergänzt und darunter das Unterschriftskürzel des Sachbearbeiters angebracht.
Die Rechtsbehelfsbelehrung der Einspruchsentscheidung lautet auszugsweise: "Die Frist zur Erhebung der Klage beträgt einen Monat. Sie beginnt mit Ablauf des Tages, an dem Ihnen die Einspruchsentscheidung bekannt gegeben worden ist (§ 47 Abs. 1 FGO). Bei Zusendung der Entscheidung durch einfachen Brief an einen Empfänger innerhalb der Bundesrepublik Deutschland gilt die Bekanntgabe mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bewirkt, es sei denn, dass die Entscheidung zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 366 AO). Im Falle der Zustellung der Entscheidung durch einen (Amts-)Boten mittels Einlegen in den Briefkasten des Empfängers gilt die Entscheidung mit der Einlegung in den Briefkasten als zugestellt."
Der Sachbearbeiter legte die kuvertierte Einspruchsentscheidung nach seinem Vortrag am Dienstag, den 27. November 2012, um 7:13 Uhr persönlich in den Briefkasten des Bevollmächtigten ein. Er heftete eine Kopie des Briefumschlags in die Rechtsbehelfsakte. Auf dem Briefumschlag befindet sich oben rechts ein Stempel mit "27. November 2012", darunter handschriftlich "Uhr" sowie das Unterschriftskürzel des Sachbearbeiters. Unterhalb der Kopie vermerkte der Sachbearbeiter handschriftlich: "Kopie des Kuverts für Nachweiszwecke ... Uhrzeit bei Einwurf vor Ort ergänzt (7:13) und in den mittleren Briefkasten eingeworfen." Auf dem Blatt befindet sich außerdem eine Skizze der drei Briefkästen am Haus unter der Anschrift des Bevollmächtigten, die von oben nach unten mit "Büromanagemet Mika K", "Rechtsanwalt Marko K (Anmerkung des Gerichts: der Bevollmächtigte des Klägers)" und "ohne Beschriftung" beschriftet sind.
Der Sachbearbeiter informierte mit E-Mail vom 27. November 2012, um 7:48 Uhr die Straf- und Bußgeldsachenstelle und ebenfalls am 27. November 2012 mit dem Formblatt "Mitteilung der Rechtsbehelfsstelle an das Arbeitsgebiet" die Veranlagungsstelle über den Erlass der Einspruchsentscheidung.
Der Kläger erhob mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2012 Klage gegen die Einspruchsentscheidung, der per Fax am gleichen Tag bei Gericht einging. Auf dem Briefkopf der Klageschrift ist u.a. die E-Mail-Adresse des Bevollmächtigten angegeben ("info@rak.de"). Der Klage war u.a. eine Kopie der Einspruchsentscheidung beigefügt, auf der sich auf der ersten Seite ein Stempel "Eingang 28. Nov. 2012" befindet.
Das FA beantragt mit Klageerwiderung an das Gericht vom 16. Januar 2013, die Klage als unzulässig abzuweisen. Der Kläger habe die Klagefrist versäumt. Die Einspruchsentscheidung sei am 27. November 2012 bekannt gegeben worden. Die Klagefrist endete daher mit Ablauf des 27. Dezember 2012. Die Klage sei ohne entschuldbaren Grund erst am 28. Dezember 2012 erhoben worden.
Der Sachbearbeiter übersandte die Klageerwiderung außerdem ebenfalls am 16. Januar 2013 per E-Mail an die vom Bevollmächtigten in der Klageschrift angegebene E-Mail-Adresse. Absender ist "poststelle@finanzamt-Y", in der Betreffzeile ist angegeben "Az. xxxx/xx MK, A ./. Finanzamt X, Klage beim FG BW 1 K 23/13". Der Bevollmächtigte antwortete auf diese E-Mail, indem er am 4. Februar 2013 seinen Schriftsatz vom 1. Februar 2013 ebenfalls auf elektronischem Weg an das FA übersandte.
Der Bevollmächtigte bestreitet daraufhin den Zugang der Einspruchsentscheidung am 27. November 2012. Er hält den Vortrag des FA zum Zugang für unglaubwürdig. Die Einspruchsentscheidung trage das Datum vom 27. November 2012. Sein auf der Einspruchsentscheidung angebrachter Posteingangsstempel datiere vom 28. November 2012. Der Briefkasten werde vom Büroleiter Mika K oder der Sekretärin arbeitstäglich zwischen 14:00 und 15:00 Uhr geleert, der Posteingang in einem Posteingangsbuch vermerkt und mit einem Posteingangsstempel versehen. Das -- in Kopie vorgelegte-- Posteingangsbuch weise für den 27. November 2012 eine Eintragung aus, so dass ausgeschlossen sei, dass der Briefkasten an diesem Tag nicht geleert worden sei. Im -- für das Gericht ausgedruckten-- elektronisch geführten Fristenkalender sei für Freitag, den 28. Dezember 2012 "Frist Klage A" eingetragen. Der Originalbriefumschlag der Einspruchsentscheidung befinde sich nicht mehr in seinen Akten.
Überdies sei die Zustellung nicht ordnungsgemäß vorgenommen worden. Eine Ersatzzustellung durch Niederlegung in den Briefkasten sei nach § 122 Abs. 5 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 5 Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) und § 180 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) nur zulässig, nachdem eine Zustellung durch Übergabe an den Adressaten nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 ZPO versucht worden sei; im Streitfall sei jedoch "anfänglich" eine Zustellung durch Niederlegung durchgeführt worden.
Der Bevollmächtigte beantragt mit Schriftsatz vom 1. Februar 2013 "hilfsweise" Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legt zur Glaubhaftmachung des fehlenden Verschuldens an der Fristversäumnis die eidesstattlichen Versicherungen seines Bruders und der gemeinsamen Sekretärin vor.
In der eidesstattlichen Versicherung des Mika K heißt es auszugsweise: "Ich führe seit etwa zehn Jahren ein Buchhaltungsbüro unter der Firma Büromanagement ... Inhalt meiner Tätigkeit war neben der Ausführung von Buchhaltungsarbeiten auch die Entgegennahme steuerlich relevanten Schriftverkehrs und, soweit ich nicht selbst zur Bearbeitung berechtigt bin, je nach Absprache die Weiterleitung an meine Mandanten oder einen von diesen beauftragten Steuerberater. Seit Februar 2012 ist zudem mein Bruder, Herr Rechtsanwalt Marko K, in den gemeinsam genutzten Büroräumen tätig und hat mich unter anderem mit der Erledigung der während seiner Arbeitszeit anfallenden notwendigen Tätigkeiten ... beauftragt. Im Rahmen meiner Büroorganisation ist die Fristenkontrolle meiner Sekretärin, Frau k E, zugewiesen. Diese überwacht sowohl interne Fristen als auch die Fristen für die Abgabe von Steuererklärungen sowie die Rechtsbehelfsfristen. Im Rahmen meiner Ausbildung zum Bilanzbuchhalter habe ich die Berechnung sämtlicher steuerrechtlich relevanter Fristen erlernt und geübt. Überdies wurde ich mehrfach durch meinen Bruder, Herrn Rechtsanwalt Marko K, zu diesem Thema aufgeklärt und insbesondere auf die haftungsrechtliche Bedeutung der Einhaltung von Rechtsbehelfsfristen hingewiesen. Die Arbeit von Frau E wird ständig durch mich überwacht, in Zweifelsfragen halte ich sofortige - ggf. telefonische - Rücksprache mit meinem Bruder. An die Rechtsanwaltskanzlei K adressierte Schreiben werden nach Vorlage von Frau E an mich sofort eingescannt und per E-Mail bzw. Fax an das Büro von Rechtsanwalt K in Y übermittelt. Weder in der Zeit vor der Zusammenarbeit mit Herrn Rechtsanwalt K noch seit diesem Zeitpunkt wurden jemals Fristen aufgrund von Mängeln in der Büroorganisation nicht eingehalten."
In der eidesstattlichen Versicherung der Frau k E heißt es auszugsweise: "Ich bin seit 22.05.2012 als Sekretärin für die Firma Büromanagement, Inhaber Herr Mika K und Herrn Rechtsanwalt K tätig. Im Rahmen meiner Tätigkeit ist mir neben allgemeinen Bürotätigkeiten wie die Aufnahme von Telefonaten, die Entgegennahme von Unterlagen der Mandanten und Büroverwaltung insbesondere auch die Bearbeitung der Post (übertragen). Hierzu wurde ich durch Herrn Rechtsanwalt Marko K und Herrn Mika K umfassend über die notwendigen Abläufe aufgeklärt und eingewiesen. Ich wurde sowohl zu Beginn meiner Tätigkeit in diesem Büro als auch zu späteren Zeitpunkten mehrmals auf die große Wichtigkeit einer ordnungsgemäßen Fristenkontrolle und sorgfältigen Notierung von Fristen hingewiesen und habe dies auch stets mit größter möglicher Sorgfalt beachtet. Ich entleere an jedem Werktag die Briefkästen der Fa. Büromanagement und von Herrn Rechtsanwalt K, öffne die Post und versehe sie mit einem Posteingangsstempel, welcher das Datum des Eingangs vermerkt. Zudem trage ich jeden Posteingang in das von mir geführte Posteingangsbuch ein. Anschließend notiere ich die entsprechenden Fristen in einem elektronischen Fristen- und Terminkalender. Meine Arbeit wird regelmäßig von Herrn Mika K oder Marko K kontrolliert. Fristversäumnisse gab es bisher noch nicht."
Außerdem legt der Bevollmächtigte eine für die Sekretärin Frau k E bestimmte "Checkliste Post" vor, in der Vorgaben für die Bearbeitung des Posteingangs und Postausgangs gemacht werden.
Der Bevollmächtigte trägt weiter vor, der Wiedereinsetzungsantrag sei auch rechtzeitig gestellt worden. Hilfsweise beantragt er Wiedereinsetzung bezüglich der Antragsfrist. Er habe die Klageerwiderung des FA vom 16. Januar 2013 vom Gericht erst am 28. Januar 2013 erhalten. Er bestreitet, bereits am 16. Januar 2013 eine E-Mail mit der Klageerwiderung erhalten zu haben. Die E-Mail sei erst "im zeitlichen Zusammenhang mit dem Eingang des durch das Gericht zugestellten Schriftsatzes" bei ihm im Spam-Ordner aufgefunden worden. Alle E-Mails, deren Absender nicht bekannt und die nicht signiert seien, würden in einen geschützten Ordner verschoben, um eine Infektion mit Computerviren zu vermeiden, und lediglich in größeren Abständen durchgesehen. Im Übrigen bestünde keine Pflicht innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, vorab und am Gericht vorbei versandte Schriftstücke zur Kenntnis zu nehmen. Jedenfalls könnten solche Schriftstücke nicht die Frist für einen Wiedereinsetzungsantrag in Gang setzen.
Zur Sache macht der Kläger insbesondere geltend, es lägen keine unentgeltlichen Wertabgaben i.S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG vor, wenn der Kläger den Kunden bei Abschluss eines Mobilfunkvertrags "kostenlos" Mobilfunktelefone liefert.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
die Einkommensteuerbescheide 2008 und 2009, die Gewerbesteuermessbescheide 2008 und 2009 sowie die Umsatzsteuerbescheide 2008 und 2009 vom 20. Juli 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. November 2012 dahin abzuändern, dass die jeweilige Bemessungsgrundlage um 5.694,02 € (2008) und um 25.968,19 € (2009) herabgesetzt wird.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hält die Klage bereits für unzulässig. Der Sachbearbeiter habe keine Zustellung nach dem Verwaltungszustellungsgesetz vorgenommen, sondern die Einspruchsentscheidung am 27. November 2012 nach § 122 Abs. 1 AO durch Einwurf in den Briefkasten des Empfängers bekannt gegeben. Dem Eingangsstempel beim Bevollmächtigten mit dem Datum des 28. November 2012 komme keine Beweiskraft zu, weil er nicht den Tag festhalte, an dem Schriftstücke in seinen Machtbereich gelangen, sondern nur den Tag der Briefkastenleerung. Werde -- wie vorgetragen-- der Briefkasten arbeitstäglich zwischen 14:00 und 15:00 Uhr geleert, erhielten die Schriftstücke, die am Vortag nach 15:00 Uhr in den Briefkasten eingeworfen werden, den gleichen Eingangsstempel wie die Schriftstücke, die am Tag der Leerung zugehen.
Der Kläger habe die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verspätet beantragt. Der Sachbearbeiter habe dem Bevollmächtigten die Klageerwiderung per E-Mail am 16. Januar 2013 übersandt. Damit habe dieser Kenntnis vom Versäumen der Klagefrist erlangt. Die Wiedereinsetzung hätte binnen zwei Wochen und damit bis zum Ablauf des 30. Januar 2013 beantragt werden müssen. Der Kläger habe den Wiedereinsetzungsantrag jedoch erst am 1. Februar 2013 gestellt.
Zur Sache macht das FA geltend, der Kläger schulde jedenfalls die in den ihm erteilten Gutschriften ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c UStG, weshalb in den Streitjahren keine niedrigere Umsatzsteuer festgesetzt werden könne.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten zu einem Erörterungstermin geladen. Der Bevollmächtigte hat dem Gericht daraufhin mitgeteilt, er habe keinen Kontakt zum Kläger mehr. Er könne daher auch keine prozesserledigenden Erklärungen abgeben.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unzulässig. Der Kläger hat die Klagefrist versäumt.
1. Die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage beträgt nach § 47 der Finanzgerichtsordnung (FGO) einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf. Die Einspruchsentscheidung ist gemäß § 366 AO schriftlich zu erteilen, zu begründen, mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen und den Beteiligten bekannt zu geben.
a) Die Einspruchsentscheidung wurde dem Kläger durch Einlegen in den Briefkasten seines Bevollmächtigten bekannt gegeben.
Nach § 122 Abs. 1 Satz 1 AO ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden (Satz 3).
Weder § 366 AO noch § 122 AO schreiben für die Bekanntgabe eine förmliche Zustellung vor. Vielmehr liegt die Form der Bekanntgabe im Ermessen der zuständigen Finanzbehörde. Diese kann daher auch andere als die in § 122 AO (Bekanntgabe durch die Post gemäß Abs. 2, Bekanntgabe durch elektronische Übermittlung gemäß Abs. 2a, öffentliche Bekanntgabe gemäß Abs. 3, 4 und Zustellung gemäß Abs. 5) geregelten Formen der Bekanntgabe wählen. So können Schriftstücke, mithin auch Einspruchsentscheidungen, beispielsweise an Amtsstelle übergeben oder -- wie im Streitfall-- durch Boten überbracht werden (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH-- vom 15. Januar 2001 IX B 99/00, BFH/NV 2001, 887; vom 27. Juni 2001 X B 23/01, BFH/NV 2001, 1529; Finanzgericht des Saarlandes, Urteil vom 19. August 1992 1 K 87/92, Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG-- 1993, 196, unter II.3.; Müller-Franken in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, FGO, § 122 AO Rn 326; Seer in Tipke/Kruse, AO, FGO, § 122 AO Rn 47).
Die Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes, deren Verletzung der Kläger nachhaltig rügt, finden auf die Bekanntgabe durch Einlegen in den Briefkasten keine Anwendung und sind deshalb ohne Bedeutung. Nach § 122 Abs. 5 AO wird ein Verwaltungsakt zugestellt, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben oder behördlich angeordnet wird. Der Sachbearbeiter des FA hat vorliegend eine Zustellung auch nicht dadurch behördlich angeordnet, dass er auf der ersten Seite der Einspruchsentscheidung "Zustellung durch Einlegen in den Briefkasten" angebracht hat. Eine behördliche Anordnung setzt voraus, dass der Wille, den betreffenden Verwaltungsakt durch förmliche Zustellung zu übermitteln, aus dem Akteninhalt deutlich wird, z.B. durch die Anordnung "per PZU" oder durch Ausfüllen der Postzustellungsurkunde durch einen Mitarbeiter des Finanzamts (BFH-Urteil vom 16. März 2000 III R 19/99, BFHE 191, 486, BStBl II 2000, 520 [BFH 16.03.2000 - III R 19/99]). Das ist vorliegend nicht der Fall. Auch aus der -- insoweit juristisch unscharf formulierten-- Rechtsbehelfsbelehrung der Einspruchsentscheidung geht hervor, dass mit der "Zustellung" durch einen Amtsboten eine besondere Form der Bekanntgabe gemeint ist.
b) Die Einspruchsentscheidung ist am 27. November 2012 bekannt gegeben worden.
Wird ein Verwaltungsakt durch Einlegen in den Briefkasten bekannt gegeben, gilt die Vermutung des § 122 Abs. 2 AO nicht. Ein schriftlicher Verwaltungsakt ist vielmehr bekanntgegeben im Sinne des § 122 Abs. 1 AO, wenn er derart in den Machtbereich des Bekanntgabeadressaten gelangt ist, dass diesem die Kenntnisnahme normalerweise möglich war und von diesem auch erwartet werden konnte (BFH-Urteil vom 14. März 1990 X R 104/88, BFHE 160, 207, BStBl II 1990, 612 [BFH 14.03.1990 - X R 104/88]). Das ist mit dem Einlegen in den Briefkasten geschehen.
Im Streitfall ist das Gericht anhand der vorliegenden Unterlagen davon überzeugt, dass der Sachbearbeiter des FA die Einspruchsentscheidung am 27. November 2012 und nicht erst am 28. November 2012 in den Briefkasten des Bevollmächtigten eingelegt hat. Von einer Einvernahme des Sachbearbeiters des FA als Zeugen konnte daher abgesehen werden.
Zur Überzeugungsbildung i.S. des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist erforderlich, dass der Tatrichter ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem persönlichen Gewissen unterworfen persönliche Gewissheit in einem Maße erlangt, dass er an sich mögliche Zweifel überwindet und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann, wobei der Richter nicht eine von allen Zweifeln freie Überzeugung anstreben darf, sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen vielmehr mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit überzeugen muss (BFH-Urteil vom 24. März 1987 VII R 155/85, BFH/NV 1987, 560).
Für eine Bekanntgabe am 27. November 2012 um 7:13 Uhr spricht vorliegend eindeutig der in der Rechtsbehelfsakte dokumentierte Geschehensablauf an diesem Tag. So hat der Sachbearbeiter am 27. November 2012 um 7:48 Uhr die Straf- und Bußgeldsachenstelle über den Erlass der Einspruchsentscheidung in der Vergangenheitsform informiert ("die betreffenden Einsprüche wurden mit heutiger Einspruchsentscheidung als unbegründet zurückgewiesen"). Der Sachbearbeiter muss die Einspruchsentscheidung also vorher erlassen haben. Auf dem kopierten Kuvert der Einspruchsentscheidung hat der Sachbearbeiter den Stempel mit dem Datum "27. Nov. 2012" aufgebracht und diese Seite nochmals mit Datum "27.11.12" und seinem Kürzel unterschrieben. Auch das Formblatt, mit dem der Sachbearbeiter die Veranlagungsstelle über den Erlass der Einspruchsentscheidung informiert hat, weist als Datum den 27. November 2012 auf. Das Datum in der E-Mail an die Straf- und Bußgeldsachenstelle wird vom Computer vorgegeben und kann daher nicht aus Versehen unrichtig eingetragen worden sein; es bestehen zudem nicht die geringsten Anhaltspunkte für eine Manipulation. Bei den übrigen Datumsangaben müsste sich der Sachbearbeiter wiederholt geirrt haben, indem er anstelle des 28. November 2012 mehrmals einen falschen Tag angegeben hat. Dies hält der Senat für ausgeschlossen.
Auf der anderen Seite sind die Unterlagen aus der Sphäre des Bevollmächtigten nicht geeignet, Zweifel an der Gewissheit vom Zugang am 27. November 2012 zu erzeugen. Zwar hat der Bevollmächtigte bzw. seine Angestellten auf der Einspruchsentscheidung seinen Stempel "Eingang 28. Nov. 2012" auf der Einspruchsentscheidung angebracht, dieses Datum in das Posteingangsbuch eingetragen und laut seinem Terminkalender zum Ausgangspunkt für die Berechnung der Klagefrist herangezogen. Die Eintragungen im Posteingangsbuch und im Terminkalender sind bloße Folgefehler des unrichtigen Eingangsstempels. Es gibt außer dem Eingangsstempel keinen weiteren objektiv nachprüfbaren Umstand, der nahelegt, dass der Briefumschlag tatsächlich erst am 28. November 2012 eingeworfen sein soll. Der Senat geht daher davon aus, dass der Briefkasten -- wenn auch einmalig-- am 27. November 2012 nicht geleert oder aus anderen hier nicht nachvollziehbaren Gründen der Stempel erst am 28. November 2012 angebracht worden ist. In Anbetracht der Fülle der Indizien für einen Zugang am 27. November 2012 besteht daher auch kein non- liquet.
c) Die Klagefrist begann daher mit Ablauf des 27. November 2012 (Dienstag) und endete nach einem Monat mit Ablauf des 27. Dezember 2012 (Donnerstag). Die Klage wurde erst am 28. Dezember 2012 und damit verspätet erhoben.
2. Dem Kläger ist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm nach § 56 Abs. 1 FGO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (Satz 2). Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (Satz 3).
a) Der Kläger hat den Wiedereinsetzungsantrag nicht innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt.
Ein Hindernis fällt spätestens in dem Zeitpunkt weg, in dem der Beteiligte bzw. sein Bevollmächtigter Kenntnis von der Versäumung der Frist erlangt hat oder bei Anwendung der möglichen und zumutbaren Sorgfalt bzw. bei ordnungsgemäßer Verfolgung der Rechtssache erkennen musste, dass eine gesetzliche Frist versäumt sein könnte und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls frühestens den Wiedereinsetzungsantrag bei Gericht stellen kann oder stellen könnte. Der "Wegfall des Hindernisses" i.S. des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO ist also kein verschuldensunabhängiges Tatbestandsmerkmal; die Frist beginnt folglich nicht erst, wenn der Beteiligte oder der Bevollmächtigte tatsächlich erkannt hat, dass die Frist des § 56 Abs. 1 FGO versäumt worden ist, sondern bereits dann, wenn das Weiterbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann. Liegen Umstände vor, die zu Zweifeln Anlass geben, ob die Frist eingehalten worden ist, oder hätten Zweifel aufkommen müssen, so fällt das Hindernis spätestens in dem Zeitpunkt weg, in dem durch eine Nachfrage Gewissheit über die Rechtzeitigkeit des Handelns hätte erlangt werden können (BFH-Beschluss vom 14. Dezember 1994 II R 35/92, BFH/NV 1995, 698). Bei Prozessvertretung kommt es auf die Kenntnis des Bevollmächtigten an (BFH-Beschluss vom 30. August 2002 III B 62/01, BFH/NV 2003, 67).
Im Streitfall hat der Sachbearbeiter des FA dem Bevollmächtigten per E-Mail am 16. Januar 2013 mitgeteilt, er halte die Klage für unzulässig und dies näher erläutert. Dadurch hätte der Bevollmächtigte bereits an diesem Tag erkennen können, dass die Klagefrist versäumt sein könnte.
Dem steht nicht entgegen, dass der Sachbearbeiter des FA den für das Gericht bestimmten Schriftsatz (hier: Klageerwiderung) zusätzlich direkt an den Bevollmächtigten übermittelt hat. Die Antragsfrist beginnt nicht erst dann, wenn das Gericht den säumigen Kläger darauf hinweist, dass die Klagefrist versäumt worden ist. Es reicht aus, dass ein Beteiligter (hier: FA) dem s äumigen Beteiligten (hier: Kläger) mitteilt, dass die Rechtsbehelfsfrist nicht eingehalten worden ist (BFH-Beschluss vom 6. März 2006 X B 104/05, BFH/NV 2006, 1136; vgl. auch Beschluss des Bundesgerichtshofs -- BGH-- vom 29. April 1974 VII ZB 1/74, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -- HFR-- 1975, 85). Eine entsprechende Einschränkung ergibt sich weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus dem Sinn und Zweck der Antragsfrist. Die Antragsfrist dient der beschleunigten Weiterführung des Verfahrens, auf die der Gesetzgeber im Hinblick auf die bereits durch die Säumnis eingetretene Verzögerung besonders bedacht sein durfte (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts -- BVerfG-- vom 2. März 1993 1 BvR 249/92, BVerfGE 88, 118). Dieser Zweck gilt unabhängig davon, ob der säumige Beteiligte vom Gericht, vom anderen Beteiligten oder von selbst auf die Fristversäumnis aufmerksam wird. Hinzu kommt, dass der Bevollmächtigte selbst auf seinem Briefkopf seine E-Mail-Adresse für Korrespondenz angibt und -- wie im Streitfall mit der E-Mail an das FA vom 4. Februar 2013-- auch zum Austausch von Schriftsätzen mit dem FA genutzt hat.
Der Senat hat keinen vernünftigen Zweifel daran, dass der Bevollmächtigte die E-Mail am 16. Januar 2013 erhalten hat. Eine E-Mail geht zu, wenn sie in die Mailbox des Empfängers gelangt (Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Aufl. 2012, § 130 Rn. 7a). Der Bevollmächtigte hat dem Gericht auf Aufforderung einen Ausdruck der E-Mail vorgelegt, aus dem ersichtlich ist, dass diese am 16. Januar 2013 um 12:47 Uhr "gesendet" worden ist. Dieses Datum gibt -- auf dem Ausdruck der E-Mail vom Computer des Empfängers-- den Zeitpunkt wieder, zu dem die E-Mail an den E-Mail-Server des Empfängers übergeben wird. Unerheblich ist, ob die E-Mail in den Spam-Ordner gelangte und ob der Bevollmächtigte täglich sein Postfach einschließlich des Spam-Ordners durchschaut; entscheidend ist, dass er die E-Mail jederzeit hätte einsehen können (vgl. Landgericht Bonn, Urteil vom 10. Januar 2014 15 O 189/13, Anwaltsblatt -- AnwBl-- 2014, 962).
Die Antragsfrist begann daher mit Ablauf des 16. Januar 2013 (Mittwoch) und endete nach zwei Wochen mit Ablauf des 30. Januar 2013 (ebenfalls Mittwoch). Der Wiedereinsetzungsantrag wurde erst am 2. Februar 2013 und damit verspätet gestellt.
Es kann daher unentschieden bleiben, ob die Fristversäumnis als entschuldbar anzusehen wäre. Der Senat weist gleichwohl darauf hin, dass jedes Verschulden -- also auch einfache Fahrlässigkeit-- die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließt (BFH-Urteil vom 29. April 2008 I R 67/06, BFHE 221, 201, BStBl II 2011, 55 [BFH 29.04.2008 - I R 67/06]). Der Beteiligte muss sich ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO). Vorliegend ist das Original des Briefumschlags -- wie auf der in der Rechtsbehelfsakte befindlichen Kopie ersichtlich-- vom Sachbearbeiter des FA mit "27. Nov. 2012" abgestempelt worden. Nach dem Vortrag des Bevollmächtigten soll der Briefumschlag erst am 28. November 2012 eingeworfen sein. In Anbetracht der abweichenden Daten wäre der Bevollmächtigte gehalten gewesen, durch Rücksprache beim FA den genauen Zeitpunkt des Zugangs abzuklären. Wartet er gleichwohl bis zum letzten Tag der von ihm berechneten Frist mit der Klageerhebung, handelt er auf eigenes Risiko.
b) Auch eine Wiedereinsetzung in die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung ist abzulehnen.
Zwar kann auch hinsichtlich der Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung und die Nachholung der versäumten Rechtshandlung eine Wiedereinsetzung gewährt werden, jedoch nur, wenn auch diese Frist ohne Verschulden nicht eingehalten wurde (BFH-Entscheidungen vom 21. März 1996 X R 100/95, BFH/NV 1996, 694; vom 9. Juni 1999 I R 23/98, BFH/NV 2000, 51).
Im Streitfall ist dem Bevollmächtigten ein Verschulden am Versäumen der Antragsfrist anzulasten, das dem Kläger zuzurechnen ist. Der Bevollmächtigte ging rechtsirrig davon aus, dass er per E-Mail ankommende Schriftstücke, die ihn auf das Fristversäumnis hinweisen, nicht beachten müsse.
3. Das Gericht entscheidet über den Rechtsstreit durch Endurteil. Nach § 97 FGO kann vorab durch Zwischenurteil "über die Zulässigkeit der Klage" entschieden werden. Verneint das Gericht -- wie vorliegend-- eine Sachurteilsvoraussetzung, kann nicht durch Zwischenurteil entschieden werden, weil durch die Klageabweisung der Rechtsstreit endgültig erledigt wird (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, FGO, § 97 FGO Rn 5; Brandis in Tipke/Kruse, AO, FGO, § 97 FGO Rn 3; Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts -- BVerwG-- vom 30. April 1980 7 C 91/79, BVerwGE 60, 123).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.