15.12.2009 · IWW-Abrufnummer 094135
Bundesgerichtshof: Urteil vom 12.11.2009 – IX ZR 218/08
Hat ein Kommanditist Steuernachzahlungen infolge verringerter Verlustzuweisungen zu verzinsen, beginnt die Verjährung eines Ersatzanspruchs gegen den steuerlichen Berater wegen verspäteten Hinweises auf dieses Risiko mit dem ersten Bescheid, welcher die Verluste der KG in dementsprechend vermindertem Umfang feststellt, selbst wenn es gelingt, durch Vorziehung von Sonderabschreibungen die Gewinnerhöhung in spätere Veranlagungszeiträume zu verschieben und dadurch den Zinsschaden zu mindern.
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 12. November 2009
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter und
die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Dr. Pape und Grupp
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 13. November 2008 und das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 8. April 2008 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand:
Der Kläger ist seit 1997 Kommanditist der C. KG (im Folgenden: KG), die von der beklagten Steuerberatungsgesellschaft vertreten wird. Die KG erwarb aufgrund notarieller Urkunde vom 21. Dezember 1996 ein Anwesen mit Büro- und Geschäftsgebäude. Die Verkäuferin behielt sich vor, zur Umsatzsteuer zu optieren und übte diese Option am 20. Januar 1997 für den ganz überwiegenden Teil des Kaufpreises aus. Die Finanzverwaltung vertrat in der Folge die Auffassung, bereits der 1996 als umsatzsteuerliches Netto gezahlte Kaufpreis enthalte einen Vorsteueranteil, und änderte am 10. September 1997 durch Bescheid an die KG die gesondert und einheitlich festgestellten Verluste der Gesellschafter entsprechend. In der 1998 eingereichten, von der Beklagten vorbereiteten Steuererklärung für die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung des Veranlagungszeitraums 1997 machte die KG als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch die für 1996 bereits anerkannten Vorsteueranteile geltend. Das Finanzamt stellte die Verluste des Veranlagungszeitraums 1997 mit Bescheid vom 10. November 1998 zunächst erklärungsgemäß fest.
Nach einer Betriebsprüfung bei der KG änderte das Finanzamt am 7. August 2002 den Bescheid vom 10. November 1998 und berücksichtigte nunmehr die bereits für 1996 anerkannten Vorsteuern im Veranlagungszeitraum 1997 nicht mehr. Um die wegfallenden Verluste steuerlich auszugleichen, zog die KG Sonderabschreibungen vor, die ursprünglich für die Jahre 1999 bis 2002 geltend gemacht worden waren. Das Finanzamt hob daraufhin nach Aussetzung der Vollziehung den geänderten Feststellungsbescheid vom 7. August 2002 wieder auf und änderte stattdessen am 6. April 2006 die zuvor für die Veranlagungszeiträume 1999 bis 2002 ergangenen Feststellungsbescheide.
Über diese Vorgänge wurden die Kommanditisten, darunter der Kläger, von der Beklagten durch Schreiben vom 22. November 2002, 24. August 2005 und 7. Oktober 2005 unterrichtet. In dem erstgenannten Schreiben wies die Beklagte auch darauf hin, dass bei Erfolglosigkeit des eingelegten Einspruchs Steuernachzahlungen fällig werden könnten, die mit jährlich 6 v.H. zu verzinsen seien.
Die gegenüber dem Kläger zuletzt ergangenen Einkommensteuerbescheide vom 25. April 2006 belasteten ihn mit Nachzahlungszinsen für die Veranlagungszeiträume 1999 bis 2002 von zusammen 14.838 EUR. Von diesem Betrag hat der Kläger als Schadensersatz für unzureichende Beratung von der Beklagten drei Viertel verlangt nebst vorgerichtlichen Anwaltskosten von 837,52 EUR. Die Beklagte hat die Schadensberechnung beanstandet und die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Landgericht hat dem Kläger einen Schadensersatz von 6.361,13 EUR zuzüglich Zinsen und Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 603,93 EUR zugesprochen. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger einen Schadensersatz von insgesamt 10.256,06 EUR zuzüglich Zinsen sowie 837,52 EUR für die in Anspruch genommene anwaltliche Beratung zu zahlen.
Gegen diese Verurteilung wendet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Nach dem festgestellten Sachverhältnis (§ 563 Abs. 3 ZPO) führt die Berufung der Beklagten zur Abweisung der Klage wegen Anspruchsverjährung.
I.
Das Berufungsgericht hat in seinem mehrfach veröffentlichten Urteil (vgl. DB 2009, 278; DStR 2009, 555 m. Anm. Meixner; Stbg 2009, 379 m. Anm. Pestke) angenommen, dass sich die Verjährung des streitigen Schadensersatzanspruchs noch gemäß § 68 StBerG a.F. beurteile. Im Widerspruch dazu steht seine Schlussfolgerung, der Anspruch des Klägers sei erst mit Zugang der letztgültigen Feststellungsbescheide vom 6. April 2006 für die Jahre 1999 bis 2002 entstanden, welche Grundlage der letztgültigen Einkommensteuerbescheide des Klägers vom 25. April 2006 mit den darin festgesetzten Nachzahlungszinsen gewesen seien.
II.
Für den Beginn und die Dauer der Verjährung gemäß Art. 229 § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13, Satz 2, § 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 EGBGB ist die mit Wirkung vom 15. Dezember 2004 durch Art. 16 Nr. 2 des Gesetzes zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3214) aufgehobene Vorschrift des § 68 StBerG hier weiterhin anwendbar. Denn die Revision rügt zutreffend, dass die Verjährung des klägerischen Schadensersatzanspruchs bereits mit der Bekanntgabe des geänderten Bescheids vom 7. August 2002 über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung für das Jahr 1997 begonnen habe, nicht erst - wie vom Berufungsgericht angenommen - mit Bekanntgabe der Feststellungsbescheide vom 6. April 2006.
1.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist geklärt, dass ein Schaden aus einer Steuerberatung erst dann entstanden ist, wenn sich die Vermögenslage des Betroffenen durch die Pflichtwidrigkeit des Beraters gegenüber seinem früheren Vermögensstand objektiv verschlechtert hat. Dafür genügt, dass der Schaden dem Grunde nach erwachsen ist, mag auch die Höhe noch nicht beziffert werden können. Es muss nicht feststehen, dass eine Vermögenseinbuße bestehen bleibt und damit endgültig wird (BGHZ 114, 150, 152 f.; 119, 69, 70 ff; BGH, Urt. v. 12. Februar 2004 - IX ZR 246/02, WM 2004, 2034, 2037; v. 29. Mai 2008 - IX ZR 222/06, WM 2008, 1416 Rn. 14). Ist dagegen - objektiv betrachtet - noch offen, ob ein pflichtwidriges, mit einem Risiko behaftetes Verhalten zu einem Schaden führt, ist ein Ersatzanspruch noch nicht entstanden, so dass die Verjährungsfrist noch nicht in Lauf gesetzt wird (BGHZ 119, 69, 71; BGH, Urt. v. 12. Februar 2004 a.a.O.; v. 29. Mai 2008 a.a.O.). In der Regel beginnt danach die Verjährung des Ersatzanspruchs gegen einen Steuerberater, der steuerliche Nachteile oder von der Besteuerung abhängige sonstige Vermögensnachteile seines Mandanten verschuldet hat, mit der Bekanntgabe des belastenden Steuerbescheides gemäß § 122 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 2, § 183 Abs. 1 AO (BGHZ 119, 69, 73; 129, 386, 388; BGH, Urt. v. 26. Mai 1994 - IX ZR 57/93, WM 1994, 1848 f; v. 3. November 2005 - IX ZR 208/04, WM 2006, 590, 591; v. 10. Januar 2008 - IX ZR 53/06, WM 2008, 613, 614 Rn. 7). Diese Grundsätze gelten auch, wenn der Steuerbescheid noch keine Steuerfestsetzung enthält, sondern Besteuerungsgrundlagen selbständig feststellt, welche für die nachfolgende Steuerfestsetzung gemäß § 182 Abs. 1 AO bindend sind (BGHZ 119, 69, 73; BGH, Urt. v. 3. Juni 1993 - IX ZR 173/92, WM 1993, 1677, 1680 unter III. 2. a; v. 13. Dezember 2007 - IX ZR 130/06, WM 2008, 611, 612 Rn. 11, 12; v. 7. Februar 2008 - IX ZR 198/06, WM 2008, 1612, 1613 Rn. 14, 16). Maßgebend ist, wann das Feststellungs- und Beurteilungsrisiko des Steuerpflichtigen, dessen Einschätzung sein 10 weiteres Verhalten bestimmt, sich durch einen Verwaltungsakt der Finanzbehörde erstmals zu einem Schaden verdichtet hat (BGHZ 129, 386, 389 f; BGH, Urt. v. 13. Dezember 2007 a.a.O. Rn. 12; v. 7. Februar 2008 a.a.O. Rn. 18). Dies setzt bei einem Grundlagenbescheid nicht voraus, dass gleichzeitig bereits ein Leistungsbescheid der Finanzverwaltung ergangen und eine zusätzliche Steuerschuld nebst Zinspflicht begründet worden ist, für die im Wege der Leistungsklage Ersatz gefordert werden könnte, soweit diese Belastung vermeidbar war. Schon der Grundlagenbescheid vom 7. August 2002 verdichtete das hier seit 1998 bestehende Nachversteuerungs- und Verzinsungsrisiko zu einem mit hoher Wahrscheinlichkeit bevorstehenden Schaden. Die Erhebung einer Klage, welche die Ersatzpflicht der Beklagten für die drohenden Nachversteuerungszinsen feststellen sollte, war dem Kläger von diesem Zeitpunkt an möglich und zuzumuten. Das genügt für den Beginn der Anspruchsverjährung gemäß § 68 StBerG a.F. Diesem rechtlichen Gesichtspunkt hat das Berufungsgericht keine ausreichende Beachtung geschenkt.
Bereits mit Bekanntgabe des Änderungsbescheids vom 7. August 2002 stand fest, dass die Finanzverwaltung den doppelten Werbungskostenansatz in den Veranlagungszeiträumen 1996 und 1997 erkannt hatte und die für das Jahr 1997 bisher anerkannten Verluste um die auf das Jahr 1996 entfallenden Beträge herabsetzte. Eine entsprechende Nachversteuerung war unvermeidbar. Denn aus dem Grundlagenbescheid ergab sich mit bindender Wirkung für den folgenden Steuerbescheid gemäß § 182 Abs. 1 AO eine entsprechende Steuerschuld des Klägers, zu der kraft Gesetzes die hier als Schaden geltend gemachten Nachzahlungszinsen gemäß § 233a Abs. 1 und 3 AO hinzutraten. Auch für die Zinsfestsetzung hat der Grundlagenbescheid entgegen der von der Revisionserwiderung vertretenen Ansicht gemäß § 233a Abs. 3 und 5 AO mittelbare Bindungswirkung. Denn mit dem gebundenen Folgebescheid ist nach 11 diesen Vorschriften auch die bisherige Zinsfestsetzung nach Maßgabe der erhöhten Steuerfestsetzung zu ändern.
2.
Die weiteren Maßnahmen der Beklagten und der KG dienten vorzugsweise der Schadensminderung. Infolge der verringerten Verlustzuweisungen im Veranlagungszeitraum 1997 musste der Kläger zusätzliche Gewinne versteuern. Diese Steuerlast konnte auf spätere Zeiträume verschoben werden, indem die KG Sonderabschreibungen in das Jahr 1997 vorzog. Dieses Vorziehen musste jedoch zu entsprechenden Gewinnerhöhungen der Folgejahre führen. Die schließlich in die Veranlagungszeiträume 1999 bis 2002 fallenden Steuernachzahlungen bewirkten gemäß § 233a Abs. 2 AO einen späteren Beginn der Nachzahlungszinsen als die drohende Steuernachzahlung für 1997. In diesem Schaden konkretisierte sich jedoch weiter das mit dem Festsetzungsänderungsbescheid vom 7. August 2002 bereits verwirklichte Schadensrisiko, welches durch die Steuererklärung der KG für den Veranlagungszeitraum 1997 und den hierauf beruhenden Feststellungsbescheid vom 10. November 1998 begründet worden war.
3.
Ohne Erfolg verweist die Revisionserwiderung demgegenüber auf das Senatsurteil vom 20. Juni 1991 (IX ZR 226/90, NJW 1991, 2833, 2834 f), in dem es um den Ersatz von Darlehenszinsen zur Finanzierung erhöhter Steuer- und Steuervorauszahlungen ging. Der Senat hat in dieser Entscheidung den verjährungsrechtlichen Grundsatz der Schadenseinheit für Folgeschäden von Steuerfestsetzungen gerade nicht auf die einzelnen steuerrechtlichen Veranlagungszeiträume beschränkt, sondern die in diese Richtung gehende ältere Rechtsprechung des IVa-Zivilsenats aufgegeben (a.a.O. S. 2835 unter II. 3. a, bb).
Die im Jahre 2007 erhobene Klage konnte den Ablauf der bereits 2005 eingetretenen Verjährung infolgedessen nicht mehr rechtzeitig hemmen.