08.01.2010
Finanzgericht des Saarlandes: Beschluss vom 14.11.2005 – 2 S 335/05
1. Die Terminsgebühr nach Nr. 3202 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz entsteht auch dann, wenn ein Telefongespräch der Beteiligten zur Erledigung des finanzgerichtlichen Verfahrens geführt hat. Das Gesetz schreibt insoweit keine bestimmte Form des Gesprächs vor.
2. Zusätzlich zur Terminsgebühr entsteht auch eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 des Vergütungsverzeichnisses, wenn zwar der Berichterstatter in telefonischen Unterredungen mit den Bevollmächtigten und mit dem Beklagten eine konkrete außergerichtliche Lösungsmöglichkeit angeregt, jedoch letztlich die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache darauf beruht hat, dass die Bevollmächtigten ohne jegliche Mitwirkung des Berichterstatters auf ihr Betreiben hin telefonisch eine Einigung mit dem Beklagten erzielt haben.
3. Da das Steuerrecht grundsätzlich vertraglichen Regelungen nicht zugänglich ist, kann eine Einigungsgebühr (Nr. 1000 Abs. 1 S. 1 des Vergütungsverzeichnisses) im finanzgerichtlichen Verfahren nur höchst ausnahmsweise entstehen. Eine solche Ausnahme liegt nicht vor, wenn die Einigung der Beteiligten die Modalitäten der Sicherung der Ansprüche des Vollstreckungsgläubigers betrifft, ohne indessen eine endgültige Regelung des zugrundeliegenden Streits hinsichtlich der zu vollstreckenden Steuerforderungen herbeizuführen.
Beschluss
In dem Rechtsstreit
hat der 2. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes unter Mitwirkung des Präsidenten des Finanzgerichts … als Vorsitzender sowie der Richter am Finanzgericht … und …
am 14. November 2005 beschlossen:
1. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28. September 2005 im Verfahren 2 K 181/05 wird dahingehend geändert, dass zusätzlich 1,2 Terminsgebühren festgesetzt und die Erledigungsgebühr auf 1,3 erhöht werden. Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
2. Die Entscheidung ergeht endgültig.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten haben einen Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit einer Arrestanordnung geführt. Aufgrund einer außergerichtlichen Einigung, die sich auch auf die Kostentragung durch den Beklagten erstreckte, erklärten die Beteiligten übereinstimmend den Rechtstreit für in der Hauptsache erledigt (Gerichtsakte – FG – Bl. 38, 49). Der Senat hat daraufhin in seinem Beschluss vom 18. Juli 2005 die Kosten des Verfahrens entsprechend der Einigung der Beteiligten über die Kostentragungspflicht dem Beklagten auferlegt (FG, Bl. 51).
In seinem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28. September 2005 hat der Urkundsbeamte des Finanzgerichts die vom Beklagten zu erstattenden Aufwendungen in Höhe von insgesamt 2.526,48 EUR festgesetzt, wobei er – ausgehend von einem Streitwert in Höhe von 34.601,00 EUR – unter anderem 1,6 Verfahrensgebühren sowie 1,0 Erledigungsgebühr zugrundelegte (FG, Bl. 67, 69). Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner Erinnerung vom 24. Oktober 2005 und beantragte, den Kostenfestsetzungsbeschluss dahingehend zu ergänzen, dass – wie von ihm ursprünglich beantragt – zusätzlich noch 1,2 Terminsgebühren sowie die Einigungsgebühr in Höhe von 1,3 festgesetzt werden. Seinen Antrag begründet er im Wesentlichen damit, dass die Terminsgebühr entstanden sei. Denn dafür sei maßgeblich, dass eine Besprechung stattgefunden habe, die auf die Erledigung des Verfahrens gerichtet gewesen sei. Dabei sei eine fernmündliche Besprechung ausreichend. Darüber hinaus sei die Einigungsgebühr nach Nr. 1004 VV-RVG in Höhe von 1,3 festzusetzen. Der Urkundsbeamte hat dieser Erinnerung nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie der Gerichtsakte verwiesen.
Gründe
II.
1. Die gemäß § 149 Abs. 2 Sätze 1 und 2 FGO zulässige Erinnerung ist teilweise begründet. Denn in dem Kostenfestsetzungsbeschluss wurde zu Unrecht keine Terminsgebühr festgesetzt. Im Übrigen ist der Beschluss jedoch rechtmäßig.
Nach § 139 Abs. 3 Satz 1 FGO sind die gesetzlich vorgesehenen Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten, der nach den Vorschriften des StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen befugt ist, stets erstattungsfähig. Im vorliegenden Fall sind die Bevollmächtigten des Klägers Rechtsanwälte und mithin nach § 3 Nr. 1 StBerG unbeschränkt zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt.
Die Gebühren und Auslagen von Rechtsanwälten (Vergütung) bemessen sich nach Maßgabe des seit 1. Juli 2004 geltenden RVG (§ 1 Abs. 1 Satz 1 RVG). Die Höhe der Vergütung bestimmt sich dabei nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zum RVG – VV-RVG – (§ 2 Abs. 2 RVG).
1.1 Nach Nr. 3202 VV-RVG entsteht in Verfahren vor dem Finanzgericht eine Terminsgebühr in Höhe von 1,2. Nach Vorbemerkung 3 Abs. 3, die als allgemeine Vorschrift auch für Terminsgebühren im finanzgerichtlichen Verfahren gilt, entsteht die Terminsgebühr unter anderem für die Mitwirkung an auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechungen ohne Beteiligungen des Gerichts.
Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung hat die Form, in der das Gespräch geführt wird, für die Entstehung keine Bedeutung. Da das Gesetz keine bestimmte Form vorschreibe, komme jede Form in Betracht, auch beispielsweise ein spontanes Telefongespräch, das zur Erledigung des Verfahrens führe (vgl. Bischof in Bischof/Jungbauer/Podlech-Trappmann, RVG, 1. Aufl. 2004, Teil 3 Rz. 2.5.3 mit weiteren Nachweisen).
Dieser Auffassung schließt sich der Senat aus folgenden Erwägungen an: Zum einen sieht das Gesetz keine bestimmte Form vor, in der die Besprechung stattfinden muss, die auf die Erledigung des Verfahrens gerichtet ist. Daher ist es nicht erforderlich, dass beide Beteiligte bei der Besprechung in demselben Raum körperlich anwesend sein müssen. Angesichtes der modernen Telekommunikationsmittel und deren Berücksichtigung in den Prozessordnungen (vgl. insbesondere § 91a FGO) kann nach der Ansicht des Senats eine Besprechung daher auch mittels Videokonferenz stattfinden und unter den weiteren Voraussetzungen der Nr. 3204 VV-RVG eine Terminsgebühr auslösen. Es ist für den Senat kein Grund ersichtlich, weshalb anstelle einer Videokonferenz nicht auch eine telefonische Besprechung ausreichen sollte. Demzufolge entspricht auch eine telefonische Besprechung den Erfordernissen der Nr. 3204 VV-RVG.
Dass im Streitfall eine telefonische Unterredung zwischen den Beteiligten stattgefunden hat, steht außer Zweifel. Diese hat auch zu einer Einigung der Beteiligten dahingehend geführt, dass der Beklagte die vom Kläger angefochtene Arrestanordnung vom 21. Juni 2005 aufgehoben und den Kläger damit klaglos gestellt hat, so dass der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt werden konnte. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28. September 2005 hat dies nicht beachtet, so dass er entsprechend abzuändern war.
1.2 Demgegenüber kam die Festsetzung einer Einigungsgebühr nicht in Betracht.
Eine Einigungsgebühr entsteht nach Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 VV-RVG für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit der Beteiligten beseitigt wird. Diese Gebühr entsteht als allgemeine Gebühr nach der (amtlichen) Vorbemerkung 1 neben den in anderen Teilen bestimmten Gebühren, also auch neben der Terminsgebühr. Allerdings gilt dies bei Rechtsverhältnissen des öffentlichen Rechts, zu denen insbesondere auch das Steuerschuldverhältnis gehört, nur dann, wenn über die Ansprüche vertraglich verfügt werden kann (Nr. 1000 Abs. 4 VV-RVG). Da das Steuerrecht wegen der verfassungsrechtlichen Vorgaben unter anderem in Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG grundsätzlich vertraglichen Regelung nicht zugänglich ist, kann mithin die Einigungsgebühr in finanzgerichtlichen Verfahren nur höchst ausnahmsweise entstehen (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl. 2004, VV 1000, Rdnr. 19; Kühn/von Wedelstädt, AO/FGO, 18. Aufl. 2004, § 139 FGO, Rz. 24).
Eine solche Ausnahme ist im Streitfall jedoch nicht gegeben. Die Einigung der Beteiligten betrifft die Modalitäten der Sicherung der Ansprüche des Vollstreckungsgläubigers, ohne indessen eine endgültige Regelung des zugrundeliegenden Streits hinsichtlich der zu vollstreckenden Steuerforderungen herbeizuführen. Daher handelt es sich nicht um einen Vertrag im Sinne der Nr. 1000 VV-RVG, die eine Einigungsgebühr auslösen könnte. Selbst wenn man die Einigung zwischen den Beteiligten als öffentlich-rechtlichen Vertrag qualifizieren wollte, so könnte dieser dennoch nicht mit einem Vergleich im Sinne der §§ 779 Abs. 1 BGB, 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gleichgesetzt werden, da – wie ausgeführt – lediglich die Modalität der Sicherung des Fiskus, nicht aber der Streit über die zugrundeliegende Steuerforderung geregelt wurde. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass die Erledigungsgebühr – entsprechend der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Rechtslage (§§ 23, 24 BRAGO) – in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten an die Stelle der Einigungsgebühr tritt (vgl. Kühn/von Wedelstädt, AO/FGO, 18. Aufl. 2004, § 139 FGO, Rz. 14, 24). Insoweit ist der Kostenfestsetzungsbeschluss deshalb rechtmäßig.
1.3 Demgegenüber ist darüber hinaus noch eine Erledigungsgebühr in Höhe von 1,3 zu gewähren.
Eine Erledigungsgebühr entsteht nach Nr. 1002 Satz 1 VV-RVG, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung des mit einem Rechtsbehelf angefochten Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Dies setzt voraus, dass der Bevollmächtigte eine besondere, gerade auf die außergerichtliche Erledigung gerichtete Tätigkeit entfaltet hat und diese Tätigkeit (mit) kausal für die Erledigung des Rechtsstreits ist (siehe zum Beispiel FG Hessen, Beschluss vom 26. November 2002 12 Ko 1552/00 EFG 2003, 490; vgl. auch Kühn/von Wedelstädt, AO/FGO, 18. Aufl. 2004, § 139 FGO, Rz. 14; im Übrigen Jost, Gebühren und Kostenrecht im FG- und BFH-Verfahren, 2005, Rubrik 2 Rz. 5.3).
Der Senat geht im vorliegenden Fall davon aus, dass die Bevollmächtigten eine entsprechende besondere Tätigkeit entfaltet haben. Zwar hat der Berichterstatter in telefonischen Unterredungen mit den Bevollmächtigten und mit dem Beklagten eine konkrete außergerichtliche Lösungsmöglichkeit angeregt, jedoch beruhte letztlich die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache darauf, dass die Bevollmächtigten ohne jegliche Mitwirkung des Berichterstatters auf ihr Betreiben hin eine Einigung mit dem Beklagten erzielt haben.
Der Senat hat keine Bedenken, die Erledigungsgebühr neben der Terminsgebühr (siehe oben 1.1) zu gewähren (so auch Kühn/von Wedelstädt, AO/FGO, 18. Aufl. 2004, § 139 FGO, Rz. 24). Denn die Terminsgebühr tritt an die Stelle der bisherigen Verhandlungs-, Erörterungs- und Beweisgebühr (§ 31 Abs.1 Nrn. 2 bis 4 BRAGO) und entsteht im Gegensatz zum früheren Recht unter anderem auch dann, wenn der Bevollmächtigte an einer Besprechung mit dem Beklagten mitwirkt, die auf die Erledigung des Verfahrens gerichtet ist. Dadurch wird nicht ausgeschlossen, dass darüber hinaus eine Erledigungsgebühr entsteht, sofern die hierfür erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Voraussetzungen sind nicht deckungsgleich mit denen der Terminsgebühr. Für die Terminsgebühr genügt bereits die Mitwirkung an einem entsprechenden Termin, während die Erledigungsgebühr – wie oben dargestellt – ein darüber hinausgehendes, besonderes Tätigwerden des Bevollmächtigten erfordert.
Der Kostenfestsetzungsbeschluss ist deshalb insoweit rechtmäßig, als er eine Erledigungsgebühr – anstelle der beantragten Einigungsgebühr – zugrundegelegt hat. Allerdings ist die Erledigungsgebühr, wie nunmehr im Erinnerungsverfahren beantragt, in Höhe von 1,3 zu gewähren. Zwar sieht Nr. 1002 VV-RVG eine Erledigungsgebühr in Höhe von 1,5 vor, jedoch kann der Senat mangels eines weitergehenden Antrags des Klägers nicht mehr gewähren.
1.4 Aus alledem ergibt sich, dass dem Kläger nach § 139 Abs. 3 Satz 1 FGO folgende Gebühren zu erstatten sind:
1,2 Terminsgebühren
1,3 Verfahrensgebühren
1,3 Erledigungsgebühren.
2. Die Entscheidung ist nach § 128 Abs. 4 Satz 1 FGO unanfechtbar.