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  • 06.06.2012 · IWW-Abrufnummer 121698

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 18.01.2012 – 11 K 4319/10 E

    1) Bestandskräftige Einkommensteuerbescheide, die ein Arbeitszimmer des Steuerpflichtigen 2007 und 2008 nicht berücksichtigen, können nicht allein aufgrund der Entscheidung des BVerfG v. 6.7.2010 - 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 = BGBl. 2010, 1157 oder der zum 1.1.2007 gesetzlich rückwirkenden Neuregelung geändert werden, wenn sie in Bezug auf die Anerkennung von Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nicht vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen sind.


    2) Ein Änderungsanspruch ergibt sich auch nicht unmittelbar aus Art. 3 Abs. 1 GG. Denn der Gesetzgeber kann ohne Gleichheitsverstoß eine Rückwirkung von begünstigenden Neuregelungen auf die noch nicht bestandskräftigen Fälle beschränken.


    3) Aufwendungen eines Lehrers für ein Arbeitszimmer, dem beim Arbeitgeber kein weiterer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, können auch nicht nachträglich gem. § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO berücksichtigt werden. Denn auch bei Kenntnis solcher Aufwendungen hätte das FA diese nicht zum Abzug zugelassen, so dass die Kenntnis der Tatsache nicht zu einer niedrigeren Steuer geführt hätte. Ein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aufgrund der gesetzlichen Neuregelung liegt nach der Rechtsprechung des BFH nicht vor.


    FG Münster v. 18.01.2012

    11 K 4319/10 E

    Tatbestand
    Streitig ist die Änderbarkeit bestandskräftiger Einkommensteuer (ESt)-Bescheide u.a. nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO).

    Die Kläger (Kl.) sind Eheleute und wurden in den Streitjahren 2007 und 2008 zusammen zur ESt veranlagt. Der Kl. war Gymnasiallehrer und unterhielt, wie in den Vorjahren ein häusliches Arbeitszimmer, welches Kosten von jährlich mehr als 1.250 EUR verursachte. Mit ihrer am 08.02.2008 eingereichten ESt-Erklärung 2007 erklärten die Kl. u.a. Einkünfte des Kl. aus nichtselbstständiger Arbeit und sonstige Einkünfte der Kl. Bei den Werbungskosten erklärte der Kl. keinerlei Aufwendungen für sein häusliches Arbeitszimmer. Das Finanzamt (FA) setzte mit Bescheid vom 21.02.2008 die ESt 2007 auf xx.xxx EUR fest. Gegen diesen Bescheid haben die Kl. mit Schreiben vom 22.02.2008 Einspruch eingelegt und beantragt, Steuerberatungskosten in Höhe von 168,28 EUR als Sonderausgaben abzuziehen. Das FA hat daraufhin mit Zustimmung der Kläger mit Bescheid vom 30.01.2009 die ESt auf x.xxx EUR herabgesetzt und den Bescheid hinsichtlich der Steuerberatungskosten für vorläufig erklärt. Damit erledigte sich das Einspruchsverfahren.

    Ihre ESt-Erklärung 2008 haben die Kl. am 29.01.2009 beim FA eingereicht. Dabei wurden wiederum keinerlei Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer des Kl. erklärt. Mit Bescheid vom 20.02.2009 setzte das FA die ESt 2008 auf x.xxx EUR fest.

    Mit Schreiben vom 12.08.2010 beantragten die Kl., die ESt-Bescheide 2007 und 2008 zu ändern und Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer in Höhe von 1.250 EUR zu berücksichtigen. Zur Begründung wurde auf das BMF-Schreiben vom 12.08.2010 verwiesen. Dieses verhielt sich zu dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. 7. 2010 2 BvL 13/09, Entscheidungen des BVerfG (BVerfGE) 126, 268, Bundesgesetzblatt (BGBl) 2010, 1157, wonach entschieden wurde, dass die ab dem Veranlagungszeitraum 2007 geltende Neuregelung zur Abziehbarkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer (§ 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 6b EStG) mit Artikel (Art.) 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar sei, soweit das Abzugsverbot Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer auch dann umfasse, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Der Gesetzgeber war verpflichtet worden, den verfassungswidrigen Zustand rückwirkend auf den 1. Januar 2007 zu beseitigen. Als Anlage zu dem Änderungsantrag der Kl. war eine Aufstellung über die Aufwendungen für das Arbeitszimmer beigefügt.

    Mit Bescheiden vom 30.09.2010 hat das FA die Änderung der ESt-Bescheide 2007 und 2008 abgelehnt. Zur Begründung hat es darauf hingewiesen, dass die ESt-Bescheide keinen Vorläufigkeitsvermerk zum häuslichen Arbeitszimmer enthielten und somit eine Änderungsmöglichkeit nicht gegeben sei.

    Die Kl. haben hiergegen mit Schreiben vom 26.10.2010 Einspruch eingelegt. Zur Begründung haben sie ausgeführt, dass das BVerfG mit Beschluss vom 06.07.2010 § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG i. d. F. des Steueränderungsgesetzes 2007 für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG erklärt habe, soweit der Abzug von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer auch dann ausgeschlossen sei, wenn für die berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Darüber hinaus habe das Gericht den Gesetzgeber verpflichtet, den verfassungswidrigen Zustand rückwirkend auf den 01.01.2007 durch Neufassung des Gesetzes zu beseitigen. Mit der Anordnung des BVerfG sei ein Festhalten an dem verfassungswidrigen Zustand unvereinbar. Dies gelte unabhängig davon, ob der Steuerbescheid einen Vorläufigkeitsvermerk enthalte oder nicht. Der Steuerpflichtige, dessen Steuerbescheid bekannt gegeben werde, bevor ein anderer Steuerpflichtiger den Bundesfinanzhof (BFH) oder das BVerfG angerufen habe, hätte damals keine Möglichkeit gehabt, erfolgreich einen Einspruch zu führen und das Ruhen des Verfahrens zu beantragen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorgelegen hätten. Er wäre von der Verwaltung zurückgewiesen und in das Klageverfahren gezwungen worden. Eben um dieses zu vermeiden, sei der Vorläufigkeitsvermerk angeordnet worden, wenn auch erst geraume Zeit später.

    Angesichts der Anordnung der rückwirkenden Anwendung der gesetzlichen Neuregelung wäre es höchst unbillig, einen Steuerpflichtigen schlechter zu behandeln als denjenigen, der seine Steuererklärung erst nach allgemeiner Anordnung des Vorläufigkeitsvermerks eingereicht habe. Zumindest unter dem Gesichtspunkt der materiellen Gerechtigkeit (§ 163 AO) müsse im Ergebnis eine Gleichbehandlung erfolgen.

    Das FA hat mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 09.11.2010 die Einsprüche der Kl. zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass eine Änderung eines bestandskräftigen Bescheides nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich sei. Die Voraussetzungen einer Änderungsvorschrift seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Insbesondere komme § 165 Abs. 2 Satz 1 AO nicht in Betracht, da der ursprüngliche Steuerbescheid hinsichtlich der Anwendung der Neuregelung bezüglich der steuerlichen Berücksichtigung der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht vorläufig ergangen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die EE des FA vom 09.11.2010 verwiesen, die sich in den beigezogenen Verwaltungsvorgängen befindet.

    Die Kl. haben mit Schreiben vom 10.11.2010 beim FA beantragt, die Steuerbescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO wegen neuer Tatsachen zu ändern und – ggf. unter Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 AO – die ESt 2007 auf x.xxx EUR und die ESt 2008 auf x.xxx EUR herabzusetzen. Zur Begründung haben sie ausgeführt, dass die Tatsache, dass der Kl. in den Streitjahren ein häusliches Arbeitszimmer genutzt habe, für das FA neu sei. Ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden treffe die Kl. nicht, da sie sich entsprechend der geänderten Gesetzeslage verhalten hätten.

    Das FA hat mit Schreiben vom 12.11.2010 mitgeteilt, dass es bereits mit EE vom 09.11.2010 über die Einsprüche der Kl. entschieden habe. Die Kl. müssten daher ihre Einwendungen im Klageverfahren geltend machen. Zur Änderungsmöglichkeit gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO weist das FA darauf hin, dass eine Änderung ausscheide, wenn die Unkenntnis der später bekannt gewordenen Tatsache für die ursprüngliche Veranlagung nicht ursächlich (rechtserheblich) gewesen sei, weil das FA auch bei rechtzeitiger Kenntnis der Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner anderen Steuerfestsetzung gelangt wäre. Im vorliegenden Fall wäre das FA auch bei Kenntnis von den Aufwendungen für ein Arbeitszimmer im Rahmen der Veranlagung zu keinem anderen Ergebnis gekommen. Es hätte sich an der damals gültigen Rechtslage orientiert und Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten berücksichtigt.

    Mit ihrer am 23.11.2010 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgen die Kl. ihr Begehren weiter. Sie sind der Auffassung, dass die Bescheide aus dem Gebot der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG zu ändern seien. Das BVerfG habe mit seinem Beschluss vom 6. 7. 2010 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268, BGBl 2010 I S. 1157 entschieden, dass die im Veranlagungszeitraum 2007 geltende Neuregelung zur Abziehbarkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG) mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sei, soweit für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Darüber hinaus habe es den Gesetzgeber verpflichtet, den verfassungswidrigen Zustand rückwirkend auf den 01.01.2007 durch Neufassung des Gesetzes zu beseitigen. Diese Anordnung des Verfassungsgerichts habe Gesetzeskraft. Adressat sei nicht nur der ausdrücklich genannte Gesetzgeber, sondern (erst recht) die Verwaltung.

    Das FA sei zum Erlass von Bescheiden verpflichtet, in welchen der Anordnung des BVerfG (Verpflichtung zur Rückwirkung der Gesetzesänderung) Rechnung getragen werde. Diese Verpflichtung bestehe unabhängig davon, ob der ursprüngliche Bescheid bereits bestandskräftig sei oder ob überhaupt schon ein Veranlagungsverfahren vorangegangen sei und zwar bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung.

    Hierzu bedürfe es keiner Änderungsvorschriften nach der AO. Ebenso fehl am Platz sei der Versuch einer Abwägung zwischen dem einen oder dem anderen rechtsstaatlichen Grundsatz. Anspruchsgrundlage für den Erlass eines verfassungskonformen Bescheides sei nicht eine einfache gesetzliche Regelung, sondern bei diesem Richterspruch des Verfassungsgerichts Art. 3 GG selbst (status activus). Einfache gesetzliche Regelungen aller Art, sei es nach AO oder BVerfGG, träten hinter diesen verfassungsrechtlichen subjektiven Rechten des Bürgers zurück.

    Die Kl. weisen darauf hin, dass nach Ergehen der Entscheidung des BVerfG zur Entfernungspauschale auch alle bereits bestandskräftigen Bescheide geändert worden seien und die Aufwendungen für die ersten zwanzig Kilometer angesetzt worden seien.

    Die Kl. haben mit Schriftsatz vom 18.11.2011 auf den Aufsatz „Aufwand für ein häusliches Arbeitszimmer als nachträglich bekannt gewordene Tatsache” von Schüßler im Deutschen Steuerrecht (DStR) 2011 Seite (S.) 890 hingewiesen und sich die dortige Rechtsauffassung zu eigen gemacht.

    Die Kl. beantragen sinngemäß,

    1.) die Ablehnungsbescheide vom 30.09.2010 aufzuheben und unter Abänderung der EE vom 09.11.2010 und des ESt-Bescheides 2007 vom 30.01.2009 – ggf. unter Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 AO im Hinblick auf das Arbeitszimmer – die ESt auf x.xxx EUR herabzusetzen;

    2.) unter Abänderung der EE vom 09.11.2010 und des ESt-Bescheides 2008 vom 20.02.2009 – ggf. unter Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 AO im Hinblick auf das Arbeitszimmer – die ESt auf x.xxx EUR herabzusetzen;

    3.) hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    Das FA beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Es ist der Auffassung, dass eine Ungleichbehandlung von noch offenen und bereits bestandskräftig entschiedenen Fällen nicht gegen das Grundgesetz verstoße, insbesondere nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Das BVerfG habe die Verfassungsmäßigkeit des § 79 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) in einer Reihe von Entscheidungen bestätigt. Zwar befriedige die Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen durch die Regelung zu § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG nicht das Bedürfnis nach Gerechtigkeit im Einzelfall. Das Bedürfnis nach Gerechtigkeit im Einzelfall stehe aber im Widerstreit zu der rechtsstaatlichen Forderung nach Rechtssicherheit, wozu auch die Rechtsbeständigkeit bestandskräftiger Entscheidungen gehöre. Wenn der Gesetzgeber in diesem Widerstreit in § 79 Abs. 2 BVerfGG ähnlich wie z.B. bei Verjährungsvorschriften der Rechtssicherheit den Vorzug gegeben habe, so sei dies nicht zu beanstanden. Das FA weist in diesem Zusammenhang auf das BFH-Urteil vom 11. 2. 1994 III R 50/92, BFHE 173, 383, BStBl. II 1994, 389 hin.

    Das Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland werde von dem Grundsatz beherrscht, dass der Bürger in der Regel sein Recht nur innerhalb der dafür vorgesehenen Rechtsmittelfristen durchsetzen könne, auch wenn bei Versäumung dieser Fristen im Einzelfall Härten eintreten würden. Gerade dieser Grundsatz diene entgegen der Auffassung der Kl. dem Rechtsfrieden. Es sei daher grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber diesem Grundsatz auch in Fällen der Verfassungswidrigkeit einer Norm den Vorrang vor der Gerechtigkeit in jedem Einzelfall gebe. Das FA weist in diesem Zusammenhang auf das BFH-Urteil vom 9. 9. 1994 III R 17/93, BFHE 175, 395, BStBl. II 1995, 8 hin.

    Der Senat hat mit Zustimmung der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung am 18.01.2012 entschieden.



    Entscheidungsgründe
    Die Klage ist unbegründet.

    Die Ablehnungsbescheide vom 30.09.2010 und die EE vom 09.11.2010 sind rechtmäßig und verletzen die Kl. nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die bestandskräftigen Bescheide vom 30.01.2009 wegen ESt 2007 und vom 20.02.2009 wegen ESt 2008 können vom FA nicht geändert werden, da es an einer Änderungsvorschrift fehlt.

    1.) Ein Anspruch auf Änderung der Bescheide ergibt sich nicht aus der Neuregelung, die der Gesetzgeber auf Grund der Entscheidung des BVerfG rückwirkend zum 01.01.2007 in Kraft gesetzt hat. Der Gesetzgeber kam dem Auftrag des BVerfG im Jahressteuergesetz 2010 (BGBl. I, 2010, 1768) in Artikel 1 nach und stellte für den Sachverhalt, dass kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, die vor 2007 geltende Gesetzeslage wieder her. Die grundsätzliche Nichtabziehbarkeit für Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG wird durch den Gesetzgeber nun wieder weiter eingeschränkt, in dem § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG i. d. F. des Steueränderungsgesetzes 2007 durch folgende Sätze ersetzt wurde:

    „Dieses gilt nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 EUR begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.”

    Die geforderte Rückwirkung auf den 01.01.2007 wurde in § 52 Abs. 12 Satz 9 EStG verankert:

    „§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 und 3 in der Fassung des Artikel 1 des Gesetzes vom 08. Dezember 2010 ( BGBl 2010 I S. 1768) ist erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2007 anzuwenden.”

    Diese Regelung gilt nicht für die diejenigen Fälle, die bereits bestandskräftig veranlagt sind. Das ergibt sich aus der Gesetzesbegründung.

    Danach soll die Neuregelung unter Verweis auf § 82 i.V.m. § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nur für „offene” Fälle gelten. „Offen” sollen danach nur solche Fälle sein, in denen entweder noch kein Steuer- oder Feststellungsbescheid ergangen ist, derartige Bescheide hinsichtlich der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 oder 3 AO vorläufig, nach § 164 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen sind oder über einen gegen den Steuer- und Feststellungsbescheid eingelegten außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelf noch nicht unanfechtbar entschieden worden ist (s. Bundestagsdrucksache (BT-Drucks.) 17/3549 S. 22).

    Die ESt-Bescheide vom 30.01.2009 wegen ESt 2007 und 20.02.2009 wegen ESt 2008 sind bestandskräftig. Da sich aus der Neuregelung zur Abziehbarkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer keine Änderungsmöglichkeit für bestandskräftige Bescheide ergibt, können die ESt-Bescheide nicht geändert werden. Es gelten die allgemeinen Änderungsvorschriften.

    2.) Die Kl. sind der Auffassung, dass die ESt-Bescheide vom 30.01.2009 wegen ESt 2007 und 20.02.2009 wegen ESt 2008 zu ändern seien und zwar aus dem Gebot der Gleichbehandlung nach Artikel 3 GG. Das BVerfG habe in dem Beschluss vom 06.07.2010 nicht nur § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG i. d. F. des Steueränderungsgesetzes 2007 für unvereinbar mit Artikel 3 Abs. 1 GG erklärt, sobald der Abzug von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer auch dann ausgeschlossen sei, wenn für die berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Darüber hinaus habe es den Gesetzgeber verpflichtet, dem verfassungswidrigen Zustand rückwirkend auf den 01.01.2007 durch Neufassung des Gesetzes zu beseitigen. Mit dieser Anordnung des BVerfG sei ein Festhalten an den verfassungswidrigen Zustand unvereinbar.

    Dies gelte unabhängig davon, ob der Steuerbescheid einen Vorläufigkeitsvermerk enthalte oder nicht. Indem das BVerfG die rückwirkende Anordnung getroffen habe, habe der Bürger einen eigenen unmittelbaren Rechtsanspruch auf Berücksichtigung der Kosten des Arbeitszimmers aus dem verletzten Grundrecht des Artikel 3 GG erlangt. Dieser Rechtsanspruch gehe den einfach verfahrensrechtlichen Vorschriften der AO über die Bestandskraft bzw. Änderung von Steuerbescheiden vor.

    Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. Die Wirkung der Entscheidungen des BVerfG ist in § 79 Abs. 2 BVerfGG geregelt. Danach ist gegen ein rechtskräftiges Strafurteil, das auf einer mit dem Grundgesetz für unvereinbar oder nach § 78 BVerfGG für nichtig erklärten Norm oder auf der Auslegung einer Norm beruht, die vom BVerfG für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist, die Wiederaufnahme des Verfahrens nach den Vorschriften der Strafprozessordnung zulässig. Im Übrigen bleiben vorbehaltlich der Vorschriften des § 95 Abs. 2 BVerfGG oder einer besonderen gesetzlichen Regelung die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen, die auf einer gemäß § 78 BVerfGG für nichtig erklärten Norm beruhen, unberührt. Letzteres gilt in analoger Anwendung auch für die Entscheidungen des BVerfG, in denen ein Gesetz nicht für nichtig, sondern nur für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt wird (s. BVerfG Beschlüsse vom 21. 5. 1974 I BvL 22/71 und 21/72, BVerfGE 37, 217, 262 und vom 22. 3. 1990 II BvL 1/86, BVerfGE 81, 363, 384). Es ist auch nicht einzusehen, warum die Beschränkbarkeit der Auswirkungen einer Entscheidung des BVerfG auf nicht bestandskräftige Verwaltungsakte bei der Nichtigerklärung von Gesetzen gelten soll, bei der weniger einschneidenden Unvereinbarkeitserklärung aber nicht.

    Die analoge Anwendung des § 79 Abs. 2 BVerfGG auf gesetzliche Regelungen, die vom BVerfG für unvereinbar mit dem GG erklärt worden sind, bedeutet, dass der Gesetzgeber die erforderliche gesetzliche Neuregelung auf noch nicht bestandskräftig entschiedene Fälle beschränken kann. Das hat der Gesetzgeber in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 und 3 EStG in der Fassung des Artikel 1 des Gesetzes vom 08. Dezember 2010 ( BGBl 2010 I S. 1768) für die Neuregelung der steuerlichen Berücksichtigung von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer getan.

    Die Ungleichbehandlung von noch offenen und bereits bestandskräftig entschiedenen Fällen verstößt nicht gegen das GG, insbesondere nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs.1 GG. Das BVerfG hat die Verfassungsmäßigkeit des § 79 Abs. 2 BVerfGG in einer Reihe von Entscheidungen bestätigt ( BVerfG Urteile vom 12. 12. 1957 1 BvR 678/57 , BVerfGE 7, 194, 195 ff.; vom 7. 7. 1960 2 BvR 435, 440/60, BVerfGE 11, 263, 265; vom 3. 11. 1965 1 BvR 62/61, BVerfGE 19, 150, 166, und vom 16. 1. 1980 1 BvR 127, 679/78, BVerfGE 53, 115, 130). Zwar befriedigt die Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen durch Regelungen wie in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG i. d. F. des Steueränderungsgesetzes 2010 nicht das Bedürfnis nach Gerechtigkeit im Einzelfall. Das Bedürfnis nach Gerechtigkeit im Einzelfall steht aber im Widerstreit zu der rechtsstaatlichen Forderung nach Rechtssicherheit, wozu auch die Rechtsbeständigkeit bestandskräftiger Entscheidungen gehört. Wenn der Gesetzgeber in diesem Widerstreit in § 79 Abs.2 BVerfGG ähnlich wie z.B. bei Verjährungsvorschriften der Rechtssicherheit den Vorzug gegeben hat, so ist dies nicht zu beanstanden (so BFH-Urteil vom 11. 2. 1994 III R 50/92, BFHE 173, 383, BStBl. II 1994, 389).

    3.) Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO kommt ebenfalls nicht in Betracht. Danach können Steuerbescheide geändert werden, soweit Tatsachen ohne grobes Verschulden des Steuerpflichtigen erst nachträglich bekannt werden, die zu einer geringeren Steuer führen.

    a) Tatsache ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestandes sein kann, also tatsächliche Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften – materieller oder immaterieller Art – (siehe BFH-Urteil vom 31. 3. 1981 VII R 1/79, BFHE 133, 13, BStBl. II BStBl 2013 II S. 1981, BStBl 2013 II S. 507; BFH-Urteil vom 28. 9. 1984 VI R 48/82, BFHE 141, 532, BStBl II 1985, 117 und BFH-Urteil vom 18. 3. 1988 V R 206/83, BFH/NV 1990, 1). Die Tatsachen können sich sowohl auf Sachen als auch auf Personen beziehen. Auch Verhältnisse oder Beziehungen zwischen Sachen, zwischen Personen oder zwischen Sachen und Personen können Tatsachen sein. Die Tatsachen können sowohl äußere, objektive Tatsachen sein, die der Außenwelt angehören, als auch innere, subjektive Tatsachen, wie eine Absicht oder ein Plan. Das Nichtvorliegen von Tatsachen wird ebenso behandelt wie das Vorliegen, d.h. § 173 AO ist anwendbar, wenn eine Tatsache, die bisher nicht berücksichtigt wurde, bekannt wird, aber auch, wenn bekannt wird, dass eine Tatsache, die bisher berücksichtigt wurde, nicht eingetreten ist.

    Keine Tatsachen sind Wertungen, Schlussfolgerungen, juristische Subsumtionen, Rechtsanwendung, Rechtsansichten und ähnliches. Sie stellen keinen Vorgang und keine Beziehung und keine Eigenschaft einer Person oder Sache dar (siehe BFH-Urteil vom 28. 4. 1987 IX R 108/83, BFH/NV 1987, 772). Ebenfalls keine Tatsache ist eine Gesetzesänderung. Übersieht das FA eine Rechtsänderung, liegt ein Rechtsfehler, keine neue Tatsache vor (siehe Niedersächsisches FG, Urteil vom 24. 7. 2009 11 K 199/09, EFG 2009, 1715).

    Danach stellt es eine Tatsache dar, dass der Kl. Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer getragen hat. Diese Aufwendungen können nach der gesetzlichen Neuregelung Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit sein, wenn kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.

    b) Die Kl. hatten in ihren Steuererklärungen die Aufwendungen für das Arbeitszimmer des Kl. nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit aufgeführt. Insofern waren sie dem FA bei der Veranlagung nicht bekannt und wurden erst durch die Änderungsanträge vom 12.08.2010 bekannt. Es handelte sich somit um nachträglich bekannt gewordene Tatsachen i. S. d. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO.

    c) An dem nachträglichen Bekanntwerden traf die Kl. auch kein grobes Verschulden. Grob fahrlässig handelt, wer die ihn nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnisses zuzumutende Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt (siehe BFH-Urteil vom 22. 5. 2006 VI R 17/05, BFHE 214, 154, BStBl. II 2006, 806 m. w. N.). Dass die Kl. auf Grund der gesetzlichen Neuregelung des Abzugs von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer durch das Steueränderungsgesetz 2007 davon ausgingen, dass sie künftig diese Aufwendungen nicht mehr geltend machen könnten und sie diese deswegen nicht erklärt haben, kann ihnen nicht zum Vorwurf gemacht werden. Grundsätzlich konnten sie davon ausgehen, dass die damalige gesetzliche Regelung unwirksam sei und ihre Aufwendungen für ein Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten berücksichtigt würden. Auch eine mögliche Verfassungswidrigkeit hätte sich ihnen nicht aufdrängen müssen. So war selbst die Entscheidung des BVerfG zur Frage der Verfassungsmäßigkeit nicht einstimmig. Die Kl. traf somit auch kein grobes Verschulden daran, dass die Tatsache erst nachträglich bekannt geworden ist.

    d) Allerdings muss die nachträglich bekannt gewordene Tatsache rechtserheblich sein. Das heißt, sie hätte zu einer niedrigeren Steuer führen müssen, wenn sie bekannt gewesen wäre.

    Nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23. 11. 1987 GrS 1/86, BFHE 151, 495, BStBl. II 1988, 180 darf ein Steuerbescheid wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen oder Beweismittel zu Gunsten des Steuerpflichtigen nicht aufgehoben oder geändert werden, wenn das FA bei ursprünglicher Kenntnis der Tatsachen und Beweismittel nicht anders entschieden hätte. Wie das FA bei Kenntnis bestimmter Tatsachen oder Beweismittel einen Sachverhalt im Zeitpunkt der ursprünglichen Veranlagung gewürdigt hätte, ist im Einzelfall auf Grund des Gesetzes, wie es nach der damaligen Rechtsprechung des BFH ausgelegt wurde, und den die FÄ bindenden Verwaltungsanweisungen zu beurteilen, die im Zeitpunkt des ursprünglichen Bescheiderlasses durch das FA gegolten haben. Die Rechtserheblichkeit einer nachträglich bekannt gewordenen Tatsache ist aber zu verneinen, wenn das FA auch bei rechtzeitiger Kenntnis der Tatsache schon bei der ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner anderen Steuerfestsetzung gelangt wäre (siehe Beschluss des GrS des BFH vom 23. 11. 1987 GrS 1/86, BFHE 151, 495 und BFH-Urteil vom 6. 11. 1973 VIII R 12/71, BFHE 110, 552, BStBl II 1974, 67).

    In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass durch das gerade ergangene Steueränderungsgesetz 2007 eine neue Rechtslage geschaffen worden war, nach der die FÄ verpflichtet waren, Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer bei den Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben unberücksichtigt zu lassen, soweit sie nicht für ein Arbeitszimmer anfielen, das den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen darstellte. Die Vorgängerregelung, wonach ausnahmsweise auch ein pauschaler Abzug von Aufwendungen in Höhe von 1.250 EUR möglich war, wenn kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand oder aber die betriebliche oder berufliche Betätigung im Arbeitszimmer mehr als 50 % ausmachte, war durch die Neuregelung im Steueränderungsgesetz 2007 entfallen. Insofern konnte auch die bisherige Rechtsprechung des BFH zu diesen Ausnahmemerkmalen nicht mehr herangezogen werden. Da die Finanzverwaltung verpflichtet ist, die gültigen Gesetze anzuwenden und andere Verwaltungsanweisungen zum Zeitpunkt der Veranlagungen nicht existierten, hätte das FA mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Aufwendungen des Kl. für sein Arbeitszimmer auch dann nicht berücksichtigt, wenn er diese bereits in seiner ESt-Erklärung aufgeführt hätte. Die Aufwendungen hätten somit nicht zu einer niedrigeren Steuer geführt. Sie waren nicht rechtserheblich, so dass eine Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht gegeben ist.

    Der entgegenstehenden Auffassung von Schüßler (Aufwand für ein häusliches Arbeitszimmer als nachträglich bekannt gewordene Tatsache in DStR 2011, 890), wonach durch die neue Regelung der Abziehbarkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer im Jahressteuergesetz 2010 und dessen Rückwirkung fiktiv darauf abzustellen sei, dass diese Neuregelung schon bei der Erstveranlagung hätte Berücksichtigung finden müssen, kann nicht gefolgt werden. Zu dem Zeitpunkt, als die ESt-Bescheide vom 30.01.2009 wegen ESt 2007 und 20.02.2009 wegen ESt 2008 ergingen, war weder die Rechtsprechung des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit der Neuregelung, noch die Gesetzesneuregelung auf Grund der Entscheidung des BVerfG bekannt. Die Rückwirkung bezieht sich indes wie bereits oben ausgeführt wurde, nur auf die „offenen” Fälle (siehe BT-drucks. 17/3549 S. 22). Weiter vermag der Senat auch nicht der Auffassung Schüßlers zu folgen, soweit dieser die Neuregelung mit Rückwirkung durch das Jahressteuergesetz 2010 auch auf bestandskräftige Veranlagungen beziehen will, weil diese nicht ausdrücklich durch das Gesetz ausgeschlossen sind. Im Gegenteil hätte nach Auffassung des Senates der Gesetzgeber bestandskräftige Bescheide ausdrücklich in die rückwirkende Änderungsmöglichkeit aufnehmen müssen, wenn es nicht bei der allgemeinen gesetzlichen Regelung zur Änderung von bestandskräftigen Bescheiden verbleiben sollte.

    4.) Aus ähnlichen Erwägungen scheidet auch die Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aus. Nach dieser Bestimmung ist ein Steuerbescheid zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).

    In diesem Zusammenhang kann der Senat wiederum offenlassen, ob eine rückwirkende gesetzliche Neuregelung ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sein kann. Der X. Senat des BFH hat diese Frage im Urteil vom 9. 8. 1990 X R 5/88, BFHE 162, 355, BStBl. II 1991, 55 verneint.

    Selbst wenn der erkennende Senat dieser Auffassung des X. Senat des BFH bei einer wegen Verfassungswidrigkeit einer Norm zwingend erforderlichen rückwirkenden Neuregelung nicht folgen würde, lägen jedenfalls die weiteren Voraussetzungen des § 175 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht vor. Diese Bestimmung fordert nämlich, dass das rückwirkende Ereignis steuerliche Wirkung auf den betreffenden Steuerfall hat. Die rückwirkende Neuregelung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 und 3 in der Fassung des Artikel 1 des Gesetzes vom 08. Dezember 2010 ( BGBl 2010 I S. 1768) für die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer müsste also auch für den Streitfall gelten. Das ist jedoch, wie oben dargelegt worden ist, nicht der Fall.

    5.) Auch eine Billigkeitsregelung können die Kl. im vorliegenden Verfahren nicht durchsetzen. Die Klage richtet sich allein gegen die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung. Über die Frage einer abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 Satz 1 AO muss grundsätzlich in einem eigenständigen Verwaltungsverfahren entschieden werden. Daran fehlt es. Deshalb kann darüber im Streitverfahren nicht entschieden werden (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. BFH-Urteile vom 18. 11. 1998 X R 110/95, BFHE 187, 488, BStBl 1999 II S. 225 vom 21. 9. 2000 IV R 54/99, BFHE 193, 301, BStBl II 2001, 178 und vom 09.03.2010 VIII R 24/08, BFHE 228, 499, BStBl II 2010, 903).

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Revisionsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO nicht ersichtlich ist.

    RechtsgebieteAO, EStG, GGVorschriftenAO § 175 Abs 1 Satz 1 Nr 2 EStG § 4 Abs 5 Satz 1 Nr 6b EStG § 52 Abs 12 Satz 9 GG Art 3 Abs 1 AO § 173 Abs 1 Satz 1 Nr 2