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  • 21.09.2012

    Finanzgericht Köln: Beschluss vom 07.08.2012 – 10 Ko 2683/11

    Die Anrechnung einer im Vorverfahren entstandenen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr im Klageverfahren scheitert, wenn die Bevollmächtigten zwischen finanzbehördlichem Vorverfahren und Klageverfahren gewechselt haben. Der Senat folgt insoweit den für das Zivilverfahren geltenden Grundsätzen. § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist auch hier einschränkend auszulegen, da auch hier der Grund für die Anrechnung, das Entfallen umfänglicher Einarbeitung für das Klageverfahren, nicht entfällt, wenn der Bevollmächtigte nach dem Vorverfahren wechselt.


    BESCHLUSS

    In dem Rechtsstreit

    hat der 10. Senat in der Besetzung:Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … am 7. August 2012 beschlossen:

    Gründe

    I.

    Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die im Vorverfahren entstandene Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des Klageverfahrens anzurechnen ist.

    Die Erinnerungsgegnerin erhob gegen den Erinnerungsführer die Klage 2 K 3720/09. Im Einspruchsverfahren war sie von dem Steuerberater R vertreten worden. Im Klageverfahren wurde sie durch eine Rechtsanwaltssozietät vertreten.

    Nachdem sich die Hauptsache erledigt hatte, wurden dem Erinnerungsführer mit Beschluss vom 18. Februar 2011 die Kosten des Klageverfahrens auferlegt.

    Daraufhin beantragte die Erinnerungsgegnerin mit Schriftsatz vom 4. April 2011, die ihr zu erstattenden Kosten festzusetzen.

    Der Kostenbeamte des Finanzgerichts setzte mit Beschluss vom 3. August 2011 die der Erinnerungsgegnerin vom Erinnerungsführer zu erstattenden Kosten fest. Dabei rechnete er nicht eine Geschäftsgebühr des Vorverfahrens auf die Verfahrensgebühr des Klageverfahrens an.

    Mit der rechtzeitig eingelegten Erinnerung macht der Erinnerungsführer geltend, dass die Geschäftsgebühr des Vorverfahrens auf die Verfahrensgebühr des Klageverfahrens anzurechnen sei. Dies gelte auch, wenn zwischen Einspruchs- und Klageverfahren ein Beraterwechsel stattgefunden habe.

    Der Erinnerungsführer beantragt,

    unter Änderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 3. August 2011 die zu erstattenden Kosten mit der Maßgabe neu festzusetzen, dass die Geschäftsgebühr des Vorverfahrens auf die Verfahrensgebühr des Klageverfahrens angerechnet wird.

    Die Erinnerungsgegnerin beantragt,

    die Erinnerung zurückzuweisen.

    II.

    Die zulässige Erinnerung ist unbegründet.

    Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss ist rechtmäßig und verletzt den Erinnerungsführer deshalb nicht in seinen Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO – analog.

    Der Kostenbeamte hat zu Recht die Geschäftsgebühr des Vorverfahrens nicht auf die Verfahrensgebühr des Klageverfahrens angerechnet.

    Nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – VV RVG – wird eine wegen desselben Gegenstands nach den Nrn. 2300 bis 2303 entstandene Geschäftsgebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet.

    Im Streitfall war die Anrechnung nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG auf das finanzgerichtliche Verfahren keine Anwendung finde. Insoweit verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 30. Juli 2009 10 Ko 1450/09 (Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2009, 1857; ebenso Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 139 FGO Tz. 91 (Stand Oktober 2011)).

    Die Anrechnung war auch nicht ausgeschlossen, weil die Erinnerungsgegnerin im Vorverfahren von einem Steuerberater vertreten worden war. Die Anrechnung gilt nach Auffassung des beschließenden Senats auch für Steuerberater (vgl. Beschlüsse vom 26. Februar 2007 10 Ko 1308/06, EFG 2007, 953 und vom 18. Mai 2010 10 Ko 3184/09, EFG 2010, 1642). Der Senat nimmt zur Begründung auf die vorgenannten Beschlüsse Bezug.

    Die Anrechnung ist im Streitfall aber deshalb ausgeschlossen, weil die Bevollmächtigten des Klageverfahrens die Erinnerungsgegnerin nicht auch im vorausgegangenen finanzbehördlichen Vorverfahren vertreten haben.

    Grundsätzlich greift die Anrechnungsregelung gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG nur ein, wenn derselbe Bevollmächtigte außergerichtlich gegenüber dem späteren Prozessgegner tätig geworden. Sie ist nicht anzuwenden, wenn der Erstattungsberechtigte vorprozessual von einem anderen Anwalt vertreten war und es erst nach Beendigung der außergerichtlichen Tätigkeit zu einem Bevollmächtigtenwechsel kommt (OLG Koblenz, Beschluss vom 20.08.2008 14 W 524/08 FamAZ 2009, 1244 und Beschluss vom 17. Oktober 2008 14 W 625/08, FamAZ 2009, 1244; OLG München, Beschluss vom 25.11.2008 11 W 2558/08 NJW 2009, 1220; Herget in Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 91 Rn. 13 „Anwaltswechsel”).

    Der Senat folgt dieser Auffassung auch für das finanzgerichtliche Verfahren.

    Diesem Ergebnis steht § 91 Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung – ZPO – nicht entgegen.

    Zwar gehören die Vorschriften der §§ 139 ff. FGO über die Kostenerstattung zu den Bestimmungen über das Verfahren im Sinne des § 155 FGO, die u.a. durch die sinngemäße Anwendung der Regelung des § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO ergänzen sind (Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11.05.1976 VII B 79/74, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1976, 574). Gemäß § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO sind die Kosten mehrerer Rechtsanwälte nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen, oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. Dabei wird im zivilrechtlichen Schrifttum allerdings eine einschränkende Anwendung des § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf die Fälle befürwortet, bei denen der Bevollmächtigtenwechsel innerprozessual, also im Rahmen des laufenden Gerichtsverfahrens vollzogen wird; andernfalls stelle sich die Frage der Notwendigkeit des Bevollmächtigtenwechels nicht (OLG Koblenz und OLG München sowie Herget, jeweils a.a.O.).

    Nachdem der Senat bisher offengelassen hat, ob er dieser Anwendungsbegrenzung uneingeschränkt folgen kann, entscheidet er nunmehr, dass ein die Anrechnung der Geschäftsgebühr in jedem Fall ausschließt, unabhängig davon, aus welchen Gründen der Bevollmächtigtenwechsel erfolgt ist.

    Hierfür spricht der mit der Anrechnung verfolgte Zweck. Dieser besteht darin, die Verfahrensgebühr eines Bevollmächtigten zu mindern, wenn er bereits vorprozessual für den Mandanten tätig geworden ist, weil er sich dann nicht mehr wie ein erstmals beauftragter Bevollmächtigter umfänglich in die Sache einarbeiten muss. Diese Einarbeitung ist ihm bereits mit der Geschäftsgebühr abgegolten worden. Mit der Verfahrensgebühr soll sodann nur die Mehrarbeit für die weitere Vertretung im Klageverfahren abgegolten werden. Bei einem Bevollmächtigtenwechsel zieht dieser Sinn der Anrechnungsregelung nicht.

    Diesem Ergebnis steht § 139 Abs. 1 FGO nicht entgegen. Danach sind u.a. Kosten die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Hieraus und aus dem Grundsatz von Treu und Glauben im Prozessrechtsverhältnis ergibt sich die Pflicht jedes Beteiligten, die Kosten seiner Prozessführung, die ihm ggfs. zu erstatten sein werden, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung seiner prozessualen Belange vereinbaren lässt (sog. Kostenminimierungspflicht, vgl. Brandis, a.a.O., Tz. 8 mit Rechtsprechungsnachweisen). Diese Kostenminimierungspflicht gilt nur im Prozessrechtsverhältnis, das erst mit Klageeingang entsteht, und nicht durchgängig vom Veranlagungs- über das Einspruchs- bis zum Klageverfahren.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Entscheidung über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ergeht gerichtsgebührenfrei, weil das Kostenverzeichnis eine Gebühr für diesen Beschluss nicht vorsieht. Die Pflicht zur Kostentragung beschränkt sich demgemäß auf die Auslagen des Gerichts und die außergerichtlichen Kosten.

    VorschriftenZPO § 91 Abs 2 Satz 2