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  • 12.09.2013

    Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Beschluss vom 24.07.2013 – 4 V 1522/13

    Der Hinweis im ESt-Bescheid, wonach für die Folgejahre
    keine Steuererklärung einzureichen sei, wenn sich die Einkommensverhältnisse
    nicht grundlegend veränderten, ist kein Verwaltungsakt
    und beinhaltet daher keine verbindliche Zusage.


    Gründe

    I.

    Die Antragsteller - Ast. - wenden sich im Wege des vorläufigen
    Rechtsschutzes gegen den Einkommensteuerbescheid 2010. Im Streitjahr
    2010 erzielten die verheirateten Ast. Einkünfte aus Rentenzahlungen
    sowie aus Versorgungsbezügen.


    Mit Schreiben vom 31. August 2012 forderte der Antragsgegner
    -Ag.- die Ast. auf, eine Einkommensteuererklärung für
    den Veranlagungszeitraum 2010 einzureichen. Grundlage war die OFD-Verfügung
    vom 13. August 2012, Az. O 2243
    A - Z 14 5. Hiernach waren Steuerpflichtige, bei denen anhand maschinell
    gesteuerter überschlägiger Ermittlung voraussichtlich Einkommensteuer
    anfallen wird, zur Einreichung von Steuererklärungen für den
    Veranlagungszeitraum 2010 aufzufordern. Die letzte Einkommensteuererklärung
    hatten die Ast. für das Jahr 2000 eingereicht.


    Hintergrund dieser OFD-Verfügung ist das zum 01.01.2005
    in Kraft getretene Alterseinkünftegesetz, mit dem die Besteuerung
    der Renten und Pensionen neu geregelt worden ist. Aufgrund eines
    Listenverfahrens wurden die sog. Rentenbezugsmitteilungen von Ehegatten
    zusammengeführt und die voraussichtlich festzusetzende
    Jahressteuer ermittelt. Im Ergebnis sollten auf diese Art und Weise
    Renteneinkünfte der Besteuerung zugeführt werden,
    bei denen nach altem Recht (bis einschließlich Veranlagungszeitraum
    2004) keine Steuer angefallen war.


    Die Ast. wandten ein, zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung
    nicht verpflichtet zu sein, weil dies in den Erläuterungen
    zum Einkommensteuerbescheid 2000 vom 12. März 2001 entsprechend
    verfügt gewesen sei. Die Einkommensverhältnisse
    der Ast. hätten sich seit dieser Zeit nicht gravierend geändert.


    Nach weiterem Schriftverkehr setzte der Ag. die Einkommensteuer
    für 2010 mit Bescheid vom 30. Januar 2013 in Höhe
    von 796 € fest. Grundlage der Steuerfestsetzung bildeten
    die Einnahmen laut den Rentenbezugsmitteilungen bzw. die von Seiten
    des früheren Arbeitgebers der Astin. elektronisch übermittelten Daten.
    Auch die Krankenversicherungsbeiträge der Ast. wurden elektronisch zur
    Verfügung gestellt. Im Übrigen wurden die steuerlichen
    Pauschbeträge berücksichtigt.


    Ihren Einspruch hiergegen begründeten die Ast. damit,
    dass der Ag. mit dem Steuerbescheid 2000 erklärt habe,
    dass für die Folgejahre keine Steuererklärungen
    mehr einzureichen sei, wenn sich die Einkommensverhältnisse
    der Ast. nicht grundlegend veränderten. Hierbei handele
    es sich um einen eigenständigen Verwaltungsakt, an den
    der Ag. - nicht zuletzt auch aufgrund eines geschaffenen Vertrauenstatbestandes
    - gebunden sei. „Im Vertrauen auf den Bescheid 2000” hätten
    sie auch alle für eine Steuererklärung relevanten
    Unterlagen vernichtet.


    Der Ag. wies mit Entscheidung vom 3. Mai 2013 den Einspruch als
    unbegründet zurück. Auf die ausführliche
    Begründung wird Bezug genommen. Über die hiergegen
    - im Wege der Klageerweiterung - erhobene Klage (4
    K 1210/13 ) hat das Gericht noch nicht entschieden.


    Mit Faxschreiben vom 25. April 2013, bei Gericht am 29. April
    2013 eingegangen, begehren die Ast. die Aussetzung der Vollziehung
    des Einkommensteuerbescheides 2010 vom 30. Januar 2013 durch das
    Gericht. Sie führen aus, dass sich der Ag. einer Aussetzung
    des Einkommensteuerbescheides verweigert habe. Ebenfalls mit Faxschreiben
    vom 25. April 2013 hat der Prozessbevollmächtigte der Ast.
    beim Ag. einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt. Er
    bezog sich hierbei auf eine Mahnung der Finanzkasse des Finanz-amts
    ... Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vom 25. April 2013
    lehnte der Ag. mit Schreiben vom 30. April 2013 ab.


    Die Ast. beantragen

    die Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides
    2010 vom 30. Januar 2013 durch das Gericht.


    Der Ag. beantragt,

    den Antrag abzulehnen.

    Seiner Ansicht nach fehlt es bereits an der Zugangsvoraussetzung
    des § 69 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung -FGO-. Zudem
    habe eine Klage mangels Rechtmäßigkeitszweifeln
    offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Vollziehung habe für
    die Ast. auch keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen
    gebotene Härte zur Folge.


    II.

    Der Antrag ist unzulässig, wäre aber auch unbegründet.

    1. Die Zulässigkeit eines gerichtlichen Antrages auf
    Aussetzung der Vollziehung (§ 69 Abs. 3 Satz 1 FGO) setzt
    nach § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO grundsätzlich voraus,
    dass die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung
    ganz oder teilweise abgelehnt hat. Dies gilt ausnahmsweise nicht,
    wenn die Finanzbehörde über den bei ihr gestellten
    Aussetzungsantrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in
    angemessener Zeit sachlich nicht entschieden hat (§ 69
    Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 FGO) oder eine Vollstreckung droht § 69
    Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO). Diese besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen
    nach § 69 Abs. 4 FGO liegen im Streitfall nicht vor.


    Der beim Ag. gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung
    war im Zeitpunkt des Eingangs des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung
    durch das Gericht am 29. April 2013 noch nicht abgelehnt. Die angemessene
    Frist zur Bescheidung des beim Ag. gestellten Antrags auf Aussetzung
    der Vollziehung war ebenfalls noch nicht abgelaufen (zur Frage der
    Angemessenheit einer solchen Frist: Gräber/Koch,
    FGO, 7. Aufl., 2010, § 69 Rz. 78 ff. m.w.N.). Soweit die
    Antragsteller eine Mahnung erhalten haben, stellt dies noch keine
    Maßnahme der Vollstreckung dar (vgl. Klein/Brockmeyer,
    AO, 11. Aufl., 2012, § 259 Rz. 1), so dass der vorliegende
    Antrag auf Aussetzung der Vollziehung auch nicht nach § 69
    Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO zulässig ist.


    2. Der Antrag wäre auch unbegründet.

    a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 69 Abs.
    2 Satz 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz
    oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit
    des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung
    für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche
    Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.


    Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des
    angefochtenen Verwaltungsakts bestehen, wenn bei überschlägiger
    Prüfung neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden
    Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit
    sprechende Gründe zu Tage treten, die Unsicherheit oder
    Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten
    in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Für die Begründung
    solcher Zweifel genügt es, wenn - nach Aktenlage - die
    ernsthafte Möglichkeit besteht, dass der Antragsteller
    im Hauptsacheverfahren mit seinem Begehren obsiegen wird (ständige
    Rechtsprechung des BFH; vgl. die Nachweise bei Gräber/Koch,
    a.a.O., § 69 Rz. 86).


    b) Nach diesen Maßstäben bestehen keine ernstlichen
    Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen
    Einkommensteuerbescheides 2010 vom 30. Januar 2013.


    aa) Für die Ast. bestand schon deshalb eine Pflicht
    zur Abgabe der Einkommensteuer 2010, weil diese gemäß § 149
    Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung -AO- vom Ag. hierzu aufgefordert
    wurden. Zudem ergibt sich die Verpflichtung unmittelbar aus der
    Durchführungsverordnung zur Einkommensteuer -EStDV-, da
    der Gesamtbetrag der Einkünfte der Ast. mehr als das Zweifache
    des Grundfreibetrages nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer
    1 des Einkommensteuergesetzes -EStG 2010-, mithin mehr als 16.009 € (Stand
    01.01.2010) betrug (§ 56 Satz 1 Nr. 1 a EStDV).


    bb) Der Ag. war auch nicht aufgrund der Hinweismitteilung im
    Einkommensteuerbescheid 2000 gehindert, die Einkommensteuer für
    2010 festzusetzen. Entgegen der Ansicht der Ast. handelt es sich
    bei der Hinweismitteilung nicht um einen Verwaltungsakt, hier in
    Gestalt eines Freistellungsbescheides. Ein Freistellungsbescheid
    ist ein Steuerbescheid, der nach dem Willen des Finanzamtes den
    Steuerpflichtigen davon unterrichtet, dass eine Steuer von ihm aufgrund
    des geprüften Sachverhalts dem Grunde nach überhaupt
    nicht oder für einen bestimmten Veranlagungs- oder Erhebungszeitraum
    nicht gefordert werde (BFH vom 22. Oktober 1986 I R 254/83 , BFH/NV
    1988, 10 ; vom 9. April 2008 II R 31/06 BFH/NV
    2008,1435 ). Einen derartigen Regelungsgehalt hatte die
    Mitteilung des Ag. im Bescheid 2000 nicht. Denn diese Mitteilung
    bezog sich nicht auf eine Steuerforderung des Ag. bzw. eine Verpflichtung
    der Steuerpflichtigen zur Steuerzahlung, sondern auf die Abgabe
    von Steuererklärungen.


    cc) Der Ag. war auch nicht aufgrund einer verbindlichen Zusage
    gehindert, eine Steuerfestsetzung für das Streitjahr durchzuführen.
    Eine solche verbindliche Zusage ist in dem Zusatz im Einkommensteuerbescheid
    2000 nicht zu sehen. Das Finanzamt ist bei der Veranlagung nach
    dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung an eine bei einer vorhergehenden
    Veranlagung zugrunde gelegte Rechtsauffassung grundsätzlich
    nicht gebunden, es sei denn, die Behörde hätte für
    künftige Steuerabschnitte in der Vergangenheit in einem
    konkreten Einzelfall eine verbindliche Zusage oder Auskunft gegeben.
    Das war jedoch, wie der Ag. ausführlich in der Einspruchsentscheidung
    dargestellt hat, nicht der Fall. Der Hinweis im Einkommensteuerbescheid
    2000 beruhte offensichtlich auf der Auswertung der für
    2000 abgegebenen Einkommensteuererklärung, die eine Einkommensteuer
    von 0 DM ergab. Nur unter der Prämisse eines gleichbleibenden
    Sachverhaltes und einer unveränderten Rechtslage konnte
    der Ag. auf die künftige Abgabe von Steuererklärungen
    verzichten. Hieran fehlt es angesichts des zwischenzeitlich in Kraft
    getretenen Alterseinkünftegesetzes.


    dd) Auch eine Bindung nach Treu und Glauben vermag der Senat
    nicht zu erkennen. Es fehlt bereits an hierfür ursächlichen
    Dispositionen der Ast. im Anschluss an den Hinweis im Einkommensteuerbescheid
    2000. Die Nichtabgabe der Steuererklärungen für
    die Folgejahre ist keine Vermögensdisposition in diesem
    Sinn. Die Ast. haben auch nicht substantiiert dargelegt, für
    welche konkreten steuerlich zu berücksichtigenden Aufwendungen
    sie deshalb keine Unterlagen aufbewahrt haben, weil sie davon ausgingen,
    diese nicht mehr steuerlich geltend zu machen. Hierbei ist auch
    die gesetzliche Wertung in § 207 Abs. 1 AO zu berücksichtigen.
    Dort ist die verbindliche Zusage im Rahmen einer Außenprüfung
    geregelt, die dann außer Kraft tritt, wenn die Rechtsvorschriften,
    auf denen die Entscheidung beruhte, geändert werden. Die
    Finanzbehörde kann dem Bürger - letztlich zu Lasten
    der anderen Steuerzahler - nicht für die Zukunft die Anwendung
    einer ihn begünstigenden Gesetzeslage zusagen, wenn diese
    später wegfällt. Die Einhaltung einer Zusage kann
    vielmehr nur auf der Basis der geltenden Gesetze garantiert werden.
    Vorliegend hat sich die bei Erteilung des Hinweises im Steuerbescheid
    2000 zugrunde gelegte Gesetzeslage mit Änderung der Besteuerung
    der Alterseinkünfte ab 2005 geändert. Dem-zufolge
    hat der Ag. auch erst ab dem Veranlagungszeitraum 2005 Steuererklärungen
    bei den Ast. angefordert.


    ee) Auch auf eine Verwirkung können sich die Ast. nicht
    berufen. Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist Ausfluss des Grundsatzes
    von Treu und Glauben und Anwendungsfall des Verbots widersprüchlichen
    Tuns. Es greift ein, wenn ein Anspruchsberechtigter durch sein Verhalten
    beim Verpflichteten einen Vertrauenstatbestand dergestalt geschaffen
    hat, dass nach Ablauf einer gewissen Zeit die Geltendmachung des
    Anspruchs als illoyale Rechtsausübung empfunden werden
    muss (Rechtsmissbrauch). Dabei reicht ein bloßes Untätigbleiben
    der Finanzbehörde in der Regel nicht aus, um einen Steueranspruch
    als verwirkt anzusehen. Der Tatbestand der Verwirkung setzt neben
    dem bloßen Zeitmoment sowohl ein bestimmtes Verhalten des
    Anspruchsberechtigten voraus, demzufolge der Verpflichtete bei objektiver
    Beurteilung darauf vertrauen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen
    zu werden (Vertrauenstatbestand) als auch, dass der Steuerpflichtige
    tatsächlich auf die Nichtgeltendmachung des Anspruchs vertraut
    und sich hierauf eingerichtet hat (Vertrauensfolge). Der Steuerpflichtige
    soll davor geschützt werden, erhebliche Nachteile zu erleiden, die
    nicht entstanden wären, wenn das Finanzamt den Steueranspruch
    rechtzeitig geltend gemacht hätte. Ein solcher vom Ag.
    begründeter Vertrauenstatbestand ist vorliegend nicht erkennbar
    (wie hier auch Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 24.
    Oktober 2012 - 7
    K 2010/12 E -, EFG 2010, 262 ).


    c) Eine Aussetzung des angefochtenen Bescheids ist auch nicht
    wegen Vorliegens einer unbilligen Härte geboten (§ 69
    Abs. 2 S. 2 FGO). Hiervon wäre nur auszugehen, wenn bei
    Vollziehung des angefochtenen Bescheids wirtschaftliche Nachteile
    drohten, die nicht oder nur schwer wieder gut zu machen wären oder
    wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen
    Existenz des Steuerpflichtigen führen würde (vgl.
    Gräber/Koch, a.a.O., § 69 Rz. 105). Hierzu
    ist nichts vorgetragen und auch nach Aktenlage nichts erkennbar.


    III.

    1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    2. Die Beschwerde wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen
    des § 115 Abs. 2 i.V.m. § 128 Abs. 3 Satz 2 FGO
    nicht erfüllt sind.

    VorschriftenAO §§ 89 Abs. 2, 118, 149 Abs. 1 Satz 2, 204, 207 Abs. 1;, 22a, , 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1;, EStDV § 56 Satz1 Nr. 1a