· Fachbeitrag · Arbeitsentgelt
Der neue Mindestlohn: Das müssen Arbeitgeber zum Anwendungsbereich wissen
von Fachanwalt für Arbeitsrecht Nicolàs A. Knille, Osborne Clarke, Köln
| In Deutschland gilt ab dem 1. Januar 2015 - wie bislang schon in 21 der 28 EU-Mitgliedstaaten - ein genereller gesetzlicher Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro brutto pro Stunde. Nachfolgend erfahren Arbeitgeber, für welche Arbeitnehmer sie den Mindestlohn zahlen müssen und welche gravierenden Folgen eine Nichtbeachtung des Mindestlohns haben kann. |
Bisher gibt es nur in einzelnen Bereichen Regelungen über Mindestlöhne, insbesondere aufgrund allgemeinverbindlicher Tarifverträge, nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) oder dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Ab dem 1. Januar 2015 schreibt das Mindestlohngesetz (MiLoG) vor, dass grundsätzlich alle Arbeitgeber - auch wenn für sie kein anderes Regelungswerk gilt oder dieses bisher niedrigere Löhne vorsieht - allen Arbeitnehmern mindestens einen Bruttostundenlohn von 8,50 Euro zahlen müssen. Das gilt auch für geringfügig und kurzfristig Beschäftigte.
Zeitliche Übergangsregelungen
Bestimmte Arbeitgeber können Übergangsregelungen nutzen (§ 24 MiLoG):
- Tarifverträge können in den ersten beiden Jahren - also in 2015 und 2016 - geringere Mindestlöhne vorsehen. Das betrifft gegenwärtig vor allem das Friseurgewerbe, die Fleischverarbeitung, die Landwirtschaft sowie ostdeutsche Gebäudereinigungsfirmen, Wäschereien, Pflegebetriebe und Zeitarbeitsfirmen. Den aktuell maßgeblichen Mindestlohn erfahren Arbeitgeber von ihren Tarifpartnern oder Handwerkskammern.
- Auch Rechtsverordnungen auf der Grundlage des AEntG oder des AÜG können in den ersten beiden Jahren vom gesetzlichen Mindestlohn abweichen.
PRAXISHINWEIS | Die Mindestlöhne im AEntG und AÜG können Sie auf lgp.iww.de abrufen. Geben Sie die Abruf-Nrn. 142713 bzw. 142714 in die Suchfunktion ein.
Wichtig | Ab 2017 darf der Betrag von 8,50 Euro brutto auch in den Ausnahmefällen nicht mehr unterschritten werden. Sehen andere Regelungswerke einen höheren Mindestlohn vor, gilt dieser bereits vorher (§ 1 Abs. 3 MiLoG).
Ausnahmen für bestimmte Arbeitnehmer
Vom Mindestlohn ausgenommen sind folgende Personen (§ 22 MiLoG):
- Auszubildenden und Jugendlichen unter 18 Jahren ohne Berufsabschluss sowie ehrenamtlich Tätigen muss kein Mindestlohn gezahlt werden.
- Langzeitarbeitslose, die vor der Anstellung mindestens ein Jahr arbeitslos waren, kann der Arbeitgeber sechs Monate lang niedriger entlohnen.
- Zeitungszustellern muss ab 2015 ein Stundenlohn von 6,38 Euro brutto gezahlt werden (75 Prozent von 8,50 Euro), ab 2016 steigt er auf 7,23 Euro (85 Prozent; § 24 Abs. 2 MiLoG). Ab 2017 gelten 8,50 Euro, auch wenn der Mindestlohn dann durch die Kommission angehoben werden sollte.
- Für bestimmte Praktikanten gilt der Mindestlohn nicht, nämlich für solche,
- die ihr Praktikum auf Grundlage einer (hoch)schulrechtlichen Bestimmung, Ausbildungsordnung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie verpflichtend leisten;
- die ein Praktikum von bis zu drei Monaten vor der Ausbildung bzw. dem Studium zur Orientierung ableisten;
- die ein nicht vorgeschriebenes Praktikum begleitend zur Berufs- oder Hochschulausbildung ableisten und beim jetzigen Arbeitgeber bisher noch kein Praktikum absolviert haben; auch hier gelten die drei Monate;
- die an einer Einstiegsqualifizierung (§ 54a Sozialgesetzbuch III) oder an einer Berufsausbildung (§§ 68 bis 70 BBiG) teilnehmen.
Gravierende Folgen bei Verstößen gegen den Mindestlohn
Unterschreitet eine vertragliche Vereinbarung den Anspruch auf Mindestlohn oder schränkt sie diesen ein, ist dieser Teil der Vereinbarung unwirksam (§ 3 Satz 1 MiLoG). Der Arbeitgeber muss dann die „übliche“ Vergütung und die darauf entfallenden höheren Steuern und Sozialabgaben zahlen (§ 612 BGB). Die übliche Vergütung kann deutlich oberhalb des gesetzlichen Mindestlohns liegen. Weitere Konsequenzen für Arbeitgeber können sein (§ 21 MiLoG):
- Arbeitgeber, die den gesetzlichen Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig zahlen, handeln ordnungswidrig und können mit einer Geldbuße bis zu 500.000 Euro belegt werden. Weitere Bußgelder bis zu 30.000 Euro drohen bei Verstößen gegen Meldepflichten oder fehlender Mitwirkung bei Prüfungen nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz. Zudem droht der Ausschluss bei der Vergabe öffentlicher Aufträge.
- Die Strafen gelten nicht nur bei eigenen Arbeitnehmern, sondern auch wenn der Arbeitgeber andere Firmen mit Werk- oder Dienstleistungen in erheblichem Umfang beauftragt, von denen er weiß oder fahrlässig nicht weiß, dass sie oder Unterfirmen den Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig zahlen. In diesem Fall haftet der Auftraggeber wie ein Bürge (§ 13 MiLoG). Neben dem Risiko von Bußgeldern besteht das Risiko, verschuldensunabhängig für Verstöße der beauftragten Unternehmen einstehen zu müssen.
PRAXISHINWEIS | Auftraggeber sollten sich von ihren Auftragnehmern schriftlich zusichern lassen, dass sie und etwaige Nachunternehmer („Subcontractors“) die Vorschriften des Mindestlohngesetzes einhalten.
Weiterführender Hinweis
- Wie Arbeitgeber auf den Mindestlohn reagieren können, erfahren Sie im November.