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  • · Fachbeitrag · Arbeitgeberleistungen

    Die Finanzverwaltung definiert die Grundvoraussetzungen für Zusätzlichkeitskriterium neu

    von StB Dipl.-Finw. (FH) Susanne Weber, WTS Steuerberatungsges. mbH, München

    | Die Finanzverwaltung hat auf die neue BFH-Rechtsprechung zur Zusätzlichkeit ( LGP 12/2019, Seite 201 ) reagiert; leider negativ. Sie hat die Voraussetzungen für viele steuerbegünstigte Leistungen neu definiert. |

    Das Plus steueroptimierter Zahlungen

    Um Lohnzahlungen steueroptimiert zu gestalten, zahlen Arbeitgeber den Mitarbeitern häufig anstelle von individuell zu versteuerndem Barlohn Arbeitslohn in Form von zweckbestimmten Leistungen, Sachzuwendungen oder pauschal zu versteuernden Bezügen aus. Dadurch kann die Lohnsteuer reduziert werden, weil

    • der Sachbezug ggf. niedriger bewertet wird als eine Barlohnzahlung, sodass entsprechend weniger Arbeitslohn zu versteuern ist,
    • der anzuwendende Pauschsteuersatz niedriger ist als die individuelle Steuer des Mitarbeiters, oder
    • eine steuerfreie Leistung gewährt wird.

     

    Darüber hinaus führen die meisten Pauschalierungen der Lohnsteuer zur Beitragsfreiheit in der Sozialversicherung. Einige Steuervergünstigungen erfordern es, dass die begünstigte Leistung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird. In diesem Fall ist eine Gehaltsumwandlung nicht möglich.

    BFH hatte ohnehin geschuldeten Arbeitslohn neu definiert

    Anlass für die Reaktion des BMF waren drei BFH-Entscheidungen aus dem Jahr 2019. Dort hatte der BFH in drei gleichgelagerten Fällen seine bisherige Rechtsprechung zur Zusätzlichkeit geändert:

     

     

    • Zusätzlicher Arbeitslohn liegt vor, wenn dieser verwendungs- bzw. zweckgebunden neben dem geschuldeten Lohn geleistet wird. Es kommt nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer auf den zusätzlichen Arbeitslohn einen arbeitsrechtlichen Anspruch hat.

     

    Für die Frage der Zusätzlichkeit ist die Vertragssituation im Zeitpunkt des Zuflusses maßgebend. Arbeitgeberleistungen, die der Arbeitgeber früher einmal geschuldet hat, bleiben hier außer Betracht, so der BFH.

    So hat die Finanzverwaltung auf den BFH reagiert

    Diese Rechtsprechung, die faktisch das Anwendungsgebiet steuerbegünstigter Zahlungen ausgeweitet hätte, hat der Finanzverwaltung missfallen. Sie hat schnell reagiert und geht jetzt nur noch dann von einer „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ erbrachten Leistung aus, wenn

    • 1. die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet wird,
    • 2. der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt wird,
    • 3. die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt wird und
    • 4. bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht wird.

     

    Diese Definition ist in allen offenen Fällen anzuwenden. Sie soll mit Blick auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung unabhängig davon gelten, ob der Arbeitslohn tarifgebunden ist (BMF, Schreiben vom 05.02.2020, Az. IV C 5 ‒S 2334/19/10017 :002, Abruf-Nr. 213992). Das bisherige BMF-Schreiben vom 22.05.2013 wird aufgehoben. In dem war geregelt, dass für die Zusätzlichkeit lediglich Voraussetzung ist, dass eine „zweckbestimmte Leistung“ zu dem Arbeitslohn hinzukommt, den der Arbeitgeber aus anderen Gründen schuldet.

    Diese Folgen hat das BMF-Schreiben für die Praxis

    Relevant ist diese Änderung u. a. für folgende Sachverhalte:

     

    • Steuerfreie Zuschüsse zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands und der betrieblichen Gesundheitsförderung bis zur Höhe von 500 Euro im Kalenderjahr (§ 3 Nr. 34 EStG)
    • Steuerfreie Leistungen für Familienservice und Kindernotbetreuung (§ 3 Nr. 34a EStG)
    • Steuerfreie Überlassung eines betrieblichen (Elektro-)Fahrrads zur privaten Nutzung (§ 3 Nr. 37 EStG)
    • Steuerfreies Aufladen von Elektroautos oder Hybridelektrofahrzeugen im Betrieb des Arbeitgebers (§ 3 Nr. 46 EStG)
    • Mit einem Steuersatz von 15 Prozent zu versteuernde Barzuschüsse für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte (§ 40 Abs. 2 S. 1 EStG)
    • Pauschal zu versteuernde Beträge für die Übereignung von Datenverarbeitungsgeräten samt Zubehör und Zuschüsse für die Internetnutzung (§ 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 EStG)
    • Pauschal zu versteuernde unentgeltliche oder verbilligte Übereignung eines betrieblichen Fahrrads (§ 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG)
    • Pauschalierung der Lohnsteuer für Sachzuwendungen nach § 37b Abs. 2 EStG

     

    Zwei Beispiele zeigen, welche Gestaltungen die Finanzverwaltung anders bewertet als der BFH und künftig als steuerschädlich einstuft.

     

    • Beispiel

    Ein Arbeitgeber vereinbart mit seinen Arbeitnehmern, dass ihre Bruttogehälter (zeitlich unbegrenzt) herabgesetzt werden. Gleichzeitig vereinbart er die Leistung eines Zuschusses für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte bzw. eines pauschalen Zuschusses für die Internetnutzung.

     

    Bewertung
    nach der BFH-Rechtsprechung
    Bewertung aus Sicht
    der Finanzverwaltung

    Der Arbeitgeber darf die Lohnsteuer für die Zuschüsse zur Internetnutzung nach § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 EStG mit 25 Prozent und die Zuschüsse für Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte nach § 40 Abs. 2 S. 2 EStG mit 15 Prozent pauschalieren. Denn die Zuschüsse erfüllen das Zusätzlichkeitserfordernis. Die Gehaltsumwandlung ist nicht steuerschädlich.

    Der Anspruch auf Arbeitslohn wird zugunsten eines Zuschusses für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte bzw. eines pauschalen Zuschusses für die Internetnutzung herabgesetzt. Das ist aus neuer Sicht der Finanzverwaltung steuerschädlich (Kriterium 2).

     

     

     

    • Beispiel

    Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren arbeitsvertraglich, dass die geplante Erhöhung des Bruttolohns um 200 Euro als Kindergartenkostenzuschuss für zwei nicht schulpflichtige Kinder verwendet wird. Wenn die Kinder schulpflichtig werden, muss über das Gehalt neu verhandelt werden.

     

    Bewertung
    nach der BFH-Rechtsprechung
    Bewertung aus Sicht
    der Finanzverwaltung

    Der Arbeitgeber hat das Zusätzlichkeitserfordernis gewahrt. Die Gehaltsumwandlung ist nicht steuerschädlich. Der Arbeitgeber darf den Zuschuss zur Unterbringung und Betreuung der nicht schulpflichtigen Kinder nach § 3 Nr. 33 EStG steuerfrei gewähren. Allerdings bleibt es beim geminderten Bruttoarbeitslohn, wenn die Kinder schulpflichtig werden und die Steuerfreiheit des Zuschusses wegfällt.

    Der Kindergartenkostenzuschuss wird als verwendungs- oder zweckgebundene Leistung anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt. Das ist aus neuer Sicht der Finanzverwaltung steuerschädlich (Kriterium 3).

     

     

    Wichtig | Vorprogrammiert sind Streitigkeiten bei solchen Gestaltungen, die nach den BFH-Urteilen im Vertrauen auf die Urteile ohne vorherige Anrufungsauskunft zwischen Arbeitgeber und -nehmer vereinbart worden waren, die also eigentlich steuerunschädlich sind. Der Arbeitgeber muss die steuerliche Anerkennung in diesen Fällen gerichtlich durchsetzen. Da die Urteile nicht im BStBl. veröffentlicht wurden, muss sich das Finanzamt nicht an sie halten. Abzuwarten bleibt, ob der Gesetzgeber die Voraussetzungen für die Zusätzlichkeit gesetzlich regeln wird. Eine geplante Regelung im Grundrentengesetz wurde zwischenzeitlich wieder verworfen.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2020 | Seite 41 | ID 46356082