· Fachbeitrag · Fortbildungskosten/Weiterbildungskosten
Diese Fort- und Weiterbildungskosten lassen sich steuer- und beitragsfrei erstatten (Teil 2)
von Dipl.-Finanzwirt, M.A. (Taxation), Daniel Denker, Oldenburg und Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage, www.steuer-webinar.de
| Berufliche Fort- und Weiterbildungen stehen bei Arbeitnehmern hoch im Kurs. Doch Fort- und Weiterbildung kostet Zeit und Geld. Um dem Arbeitnehmer finanziell unter die Arme zu greifen, kann der Arbeitgeber die Kosten übernehmen oder erstatten. Dazu hat er verschiedene steuerbegünstigte Möglichkeiten. LGP beleuchtet die Möglichkeiten ‒ in dieser Ausgabe insbesondere unter dem Blickwinkel des § 3 Nr. 19 EStG . |
Steuerfreie Weiterbildungsleistungen nach § 3 Nr. 19 EStG
Liegt die Bildungsmaßnahme nicht im ganz überwiegend betrieblichen Interesse des Arbeitgebers (LGP 9/2021, Seite 176), führt die Maßnahme dennoch nicht zwangsläufig zur Steuer- und Sozialversicherungspflicht. Dann kann nämlich noch § 3 Nr. 19 EStG ins Spiel kommen. Steuerfrei sind danach
- alle Weiterbildungsleistungen des Arbeitgebers für Maßnahmen nach § 82 Abs. 1 und 2 SGB III und
- Weiterbildungsleistungen, die der Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit des Arbeitnehmers dienen (jeweils § 3 Nr. 19 S. 1 EStG) sowie
- Beratungsleistungen (Outplacement-Beratung), die der Arbeitgeber oder auf dessen Veranlassung ein Dritter zur beruflichen Neuorientierung bei Beendigung des Dienstverhältnisses erbringt (§ 3 Nr. 19 S. 2 EStG).
Eine Ausnahme gilt nur für Weiterbildungsleistungen, die überwiegenden Belohnungscharakter haben. In diesen Fällen ist die Steuerbefreiung nicht anwendbar (entspricht der Regelung der R 19.7 LStR).
Für die Steuerbefreiung ist es nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber selbst die Weiterbildungsleistung erbringt. Er kann ‒ was die Regel sein dürfte ‒ mit den zu erbringenden Leistungen auch einen Dritten (z. B. Fortbildungsunternehmen) beauftragen. Ist das der Fall, muss die Weiterbildung nach dem Wortlaut der Vorschrift jedoch vom Arbeitgeber veranlasst sein. Weitere Voraussetzungen enthält die Vorschrift nicht. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass dem Arbeitnehmer die Kostenübernahme vor Beginn der Maßnahme zugesagt wurde.
Weiterbildungsleistungen im Sinne des § 82 SGB III
Unter die Weiterbildungsleistungen nach § 82 Abs. 1 und 2 SGB III fallen Maßnahmen, die Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln, die über eine arbeitsplatzbezogene kurzfristige Fortbildung hinausgehen. Der Berufsabschluss muss bei einer Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren in der Regel mindestens vier Jahre zurückliegen. Der Arbeitnehmer darf in den letzten vier Jahren vor Antragsstellung nicht an einer beruflichen Weiterbildung teilgenommen haben, die nach dieser Vorschrift gefördert wird. Und die Maßnahme muss von einem zugelassenen Träger durchgeführt werden und mehr als 120 Stunden dauern (§ 82 Abs. 1 S. 1 SGB III).
Ziel der Förderung muss die Weiterbildung von Arbeitnehmern sein, deren Arbeitsplatz durch Technologie ersetzt wird oder die in anderer Weise von einem Strukturwandel betroffen sind (§ 82 Abs. 1 S. 2 SGB III), oder die Weiterbildung in einem Engpassberuf (§ 82 Abs. 1 S. 3 SGB III). Weiterbildungsmaßnahmen von Arbeitnehmern in Betrieben mit weniger als 250 Beschäftigten werden gefördert, wenn der Arbeitnehmer mindestens 45 Jahre alt oder schwerbehindert ist (§ 82 Abs. 1 S. 4 SGB III). Ausgeschlossen von der Förderung ist die Teilnahme an Maßnahmen, zu deren Durchführung der Arbeitgeber aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Regelungen verpflichtet ist.
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Arbeitnehmer M ist 50 Jahre alt und gelernter Schweißer. Er arbeitet bei einer Zeitarbeitsfirma und hat in den letzten vier Jahren an keiner nach § 82 SGB III geförderten Maßnahme teilgenommen. Aufgrund voranschreitender Digitalisierung hat sich sein Arbeitsplatz beim Entleiher stark verändert. Um den technologischen Veränderungen und Herausforderungen gerecht zu werden, nimmt sein Arbeitgeber Kontakt mit dem Arbeitgeberservice auf. Dieser vermittelt einen passenden Fortbildungslehrgang mit einem Umfang von 150 Stunden. Aufgrund der Betriebsgröße beteiligt sich der Arbeitgeber an den Lehrgangskosten mit 50 Prozent.
Ergebnis: Die Übernahme der Lehrgangskosten ist steuerfrei nach § 3 Nr. 19 Buchst. a) EStG. Es handelt sich um eine Maßnahme im Sinne des § 82 SGB III. |
Voraussetzung für die Förderung ist ein angemessener Arbeitgeberbeitrag zu den Lehrgangskosten, der sich nach der Betriebsgröße auf Grundlage der Beschäftigtenzahl richtet (§ 82 Abs. 2 SGB III):
Beschäftigte Arbeitnehmer | Angemessener Arbeitgeberbeitrag |
0 bis 9 | 0 Prozent der Kosten |
10 bis 249 | 50 Prozent der Kosten |
250 bis 2.499 | 75 Prozent der Kosten |
Ab 2.500 | 85 Prozent der Kosten |
Der Arbeitgeberbeitrag zu den Weiterbildungskosten wird durch § 3 Nr. 19 Buchst. a) EStG steuerfrei gestellt. Zu den Weiterbildungskosten gehören nach § 83 SGB III die Lehrgangskosten, Fahrtkosten, Kosten der auswärtigen Unterbringung und Verpflegung sowie die Kosten für die Betreuung von Kindern.
Weiterbildung zur Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit
Nach der Gesetzesbegründung sind unter § 3 Nr. 19 Buchst. b) EStG solche Weiterbildungen zu subsumieren, die eine Anpassung und Fortentwicklung der beruflichen Kompetenzen des Arbeitnehmers ermöglichen und dazu beitragen, dass er der beruflichen Herausforderung besser gerecht wird. Ein Bezug zum SGB III ist nicht erforderlich.
Eine Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit ist dabei gegeben, wenn durch die Bildungsmaßnahme Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt werden, die ganz allgemein der Berufstätigkeit förderlich sein können. Ein Abschluss der Fortbildung ist keine Voraussetzung. Ein direkter Bezug zur aktuellen beruflichen Tätigkeit ist seit dem 01.01.2019 nicht mehr erforderlich. Begünstigt sind damit z. B. nicht arbeitsplatzbezogene Sprach- oder Computerkurse sowie Veranstaltungen zur Förderung von Soft Skills. Diese Leistungen fallen nicht bereits unter R 19.7 LStR (keine Maßnahme im ganz überwiegend betrieblichen Interesse des Arbeitgebers), sodass die Steuerbefreiung insoweit konstitutiv ist.
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Ein Arbeitgeber (Malerbetrieb) meldet einen seiner Handwerker zu einem EDV-Kurs an. Ziel des Kurses ist es, die EDV-Kenntnisse des Teilnehmers zu verbessern und durch die EDV-Nutzung Arbeitsabläufe zu optimieren. Der Arbeitgeber trägt sämtliche Kosten.
Ergebnis: Die Fortbildungskosten können hier steuerfrei vom Arbeitgeber erstattet werden. Durch die Teilnahme wird die Beschäftigungsfähigkeit des Arbeitnehmers gestärkt und verbessert. Seit 01.01.2019 ist es nicht mehr nötig, dass die Fortbildung etwas mit dem aktuellen Einsatzgebiet des Mitarbeiters zu tun hat. |
Eine besondere Form der Weiterbildungsmaßnahme ist nicht erforderlich. Begünstigt sind damit typische Präsenzveranstaltungen, aber auch Online-Kurse oder eLearning-Angebote.
Beratungsleistungen zur beruflichen Neuorientierung
Mit dem „Jahressteuergesetz 2020“ wurde § 3 Nr. 19 S. 2 EStG eingefügt, wonach auch Beratungsleistungen zur beruflichen Neuorientierung bei Beendigung des Dienstverhältnisses steuerfrei sind. Damit sind auch die Outplacement- oder Newplacement-Beratungen für den ausscheidenden Arbeitnehmer steuer- und beitragsfrei. Begünstigt sind also vom Arbeitgeber übernommene Kosten für Dienstleistungen von Unternehmen, die darauf abzielen, aus dem Betrieb ausscheidende Arbeitnehmer in deren weiterem beruflichen Werdegang zu begleiten und insbesondere bei der künftigen Jobfindung bzw. einem Start in die Selbstständigkeit zu unterstützen.
Wichtig | Die Finanzverwaltung hat sich in Gestalt der OFD Nordrhein-Westfalen dazu geäußert, inwieweit die Steuerbefreiung auch auf Outplacement-Beratungen angewendet werden kann (OFD Nordrhein-Westfalen, Kurzinformation 02/2020 vom 04.08.2020, DB 2020, 1878). Details dazu finden Sie in LGP 10/2020, Seite 180 → Abruf-Nr. 46855875.
Weiterbildung ‒ kein überwiegender Belohnungscharakter
In § 3 Nr. 19 S. 3 EStG wird die Steuer- und Beitragsfreiheit eingeschränkt. Hat die Weiterbildungsleistung überwiegenden Belohnungscharakter (insbesondere zu prüfen bei Incentive-Reisen), ist eine Steuerbefreiung ausgeschlossen; es handelt sich um steuerpflichtigen Arbeitslohn. Gleiches gilt, wenn die Fortbildung nicht der Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit des Arbeitnehmers dient.
Privat motivierte Fortbildungen des Arbeitnehmers (z. B. Angelschein, Sportflugzeugführerschein) sind damit regelmäßig nicht begünstigt. Gleiches gilt für nicht berufsbezogene, sondern gesellschaftsbezogene Weiterbildungen wie z. B. eine Bildungsreise ins Ausland zu einem allgemein gesellschaftspolitischen Thema.
Übernahme der Rückzahlungspflicht durch neuen Arbeitgeber
In der Praxis kommt es häufig vor, dass ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer zunächst die Kosten eines berufsbegleitenden Studiums erstattet und sich der Arbeitnehmer im Gegenzug verpflichtet, eine gewisse Zeit im Anschluss an das Studium für den bisherigen Arbeitgeber zu arbeiten (BMF, Schreiben vom 13.04.2012, Az. IV C 5 ‒ S 2332/07/0001). Im Falle eines vorzeitigen Arbeitgeberwechsels verpflichtet sich der Arbeitnehmer, die Studienkosten ganz oder teilweise (zeitanteilig) an den bisherigen Arbeitgeber zurückzuzahlen.
Übernimmt der neue Arbeitgeber diese Zahlung bei einem vorzeitigen Arbeitgeberwechsel, handelt es sich für den Arbeitnehmer um steuerpflichtigen Arbeitslohn. Denn es liegt kein überwiegend eigenbetriebliches Interesse des neuen Arbeitgebers vor (R 19.7 LStR). Auch ist die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 19 EStG nicht anwendbar, weil es sich nicht um eine Bildungsmaßnahme handelt, die der neue Arbeitgeber veranlasst hat. Der Arbeitnehmer kann allerdings den übernommenen Betrag als Werbungskosten geltend machen, sodass insoweit im Saldo doch keine Steuerbelastung eintritt (BFH, Urteil vom 28.04.2020, Az. VI R 5/18, Abruf-Nr. 218122).
Steuerfreie Erstattung von Nebenkosten der Weiterbildung
Neben den Kosten der eigentlichen Fort- oder Weiterbildung (z. B. Lehrgangskosten) können dem Arbeitnehmer auch weitere Kosten steuerfrei erstattet werden, die mit der Fortbildung im Zusammenhang stehen. Nach § 3 Nr. 13 bzw. 16 EStG ist es zulässig, dass der Arbeitgeber auch die Aufwendungen des Arbeitnehmers für anfallende Reisekosten, Umzugskosten und Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung steuerfrei erstattet.
Wichtig ist hierbei, dass die Erstattung nicht die Beträge übersteigen darf, die der Arbeitnehmer als Werbungskosten nach § 9 EStG geltend machen kann. Folglich ist eine steuerfreie Erstattung von Reisekosten nur bei beruflich veranlassten Fort- und Weiterbildungen möglich. Zugleich entfällt bei einer steuerfreien Erstattung der Werbungskostenabzug des Arbeitnehmers (§ 3c EStG). Im Saldo werden bei einer Erstattung folglich die Beiträge zu den Sozialversicherungen gespart, sodass sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer profitieren.
Checkliste / Steuerfrei erstattungsfähige Reisekosten | |
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Neben der steuerfreien Erstattung können auch pauschalversteuerte Zahlungen geleistet werden. Nach § 40 Abs. 2 Nr. 4 EStG ist es z. B. möglich, dem Arbeitnehmer das Doppelte der Verpflegungspauschalen zu zahlen. In Höhe der regulären Verpflegungspauschale findet die Steuerbefreiung Anwendung, in Höhe des übersteigenden Betrags erfolgt eine pauschale Besteuerung zum Pauschsteuersatz von 25 Prozent. Vorteil: Es entfallen die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge zu den Sozialversicherungen. Zudem spart der Arbeitnehmer Steuern, sofern sein Grenzsteuersatz oberhalb von 25 Prozent liegt.
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Ein Arbeitnehmer befindet sich von Montag bis Freitag in Bremen auf Montage und muss sich selbst verpflegen.
Ergebnis: Die steuerfreie Verpflegungspauschale beträgt je 14 Euro für Montag und Freitag und je 28 Euro für Dienstag bis Donnerstag (in Summe 112 Euro). Zusätzlich kann der Arbeitnehmer weitere 112 Euro (netto) erhalten, wenn der Arbeitgeber eine Pauschalversteuerung vornimmt und 25 Prozent pauschale Lohnsteuer zzgl. Soli und ggf. Kirchensteuer ans Finanzamt abführt, also 28 Euro. Die Pauschalversteuerung und die darauf entfallende Lohnsteuer ist im Lohnkonto aufzuzeichnen (§ 4 Abs. 2 Nr. 8 LStDV). |