01.04.2011 · IWW-Abrufnummer 111295
Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 13.12.2010 – 5 Sa 890/10
Ein Anspruch auf Rückzahlung von zu viel gezahltem Arbeitsentgelt wird grundsätzlich in dem Zeitpunkt fällig, in dem bekannt war oder hätte bekannt sein müssen, dass eine Überzahlung vorliegt (im Anschluss an BAG vom 01.06.1995 - 6 AZR 912/94 -).
Tenor:
Das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 19.04.2010
- 15 Ca 5941/08 - wird teilweise abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 743,30 - netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2008 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
3. Hinsichtlich der Kosten verbleibt es hinsichtlich der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung; die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um finanzielle Restansprüche aus dem beendeten Arbeitsverhältnis.
Die am 06.10.1959 geborene Klägerin war zuletzt beim Finanzamt K -N des beklagten Landes zu einem Bruttoverdienst von 2.654,17 - beschäftigt.
Vom 24.04.2007 bis zum 04.05.2007 war die Klägerin arbeitsunfähig krank. Ab dem 14.05.2007 war die Klägerin durchgehend erkrankt bis zum 28.02.2008, wobei es sich nach Bescheinigung der Krankenkasse vom 11.07.2007 (Bl. 99 d. A.) um eine Erkrankung wegen derselben Krankheit handelte, die bereits Ursache der Erkrankung vom 24.04.2007 bis zum 04.05.2007 war.
Zum 11.06.2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Kündigungsschutzklage in dem Verfahren - 15 Ca 5144/07 - vor dem Arbeitsgericht Köln. Durch am 07.01.2008 verkündetes Urteil hat das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage der Klägerin stattgegeben. Die Klägerin wurde daraufhin ab dem 29.02.2008 bei der Beklagten wieder beschäftigt.
In dem von der Beklagtenseite angestrengten Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Köln - 11 Sa 410/08 - schlossen die Parteien einen Vergleich dahingehend, dass das Arbeitsverhältnis am 30.06.2008 endete und bis dahin ordnungsgemäß abgewickelt wird.
Bezüglich der Vergütung hatte das Landesamt für Besoldung und Versorgung der Beklagten zunächst aufgrund der Änderungsmitteilung vom 11.07.2007 die Entgeltfortzahlung der Klägerin bis zum 24.06.2007 berechnet, ausgehend davon, dass der sechswöchige Entgeltfortzahlungszeitraum am 14.05.2007 begonnen habe. Der sich daraus ergebende Betrag wurde an die Klägerin ausgezahlt. Mit Änderungsmitteilung vom 17.07.2007 teilte das Finanzamt Köln-N des beklagten Landes alsdann dem Landesamt für Besoldung und Versorgung des beklagten Landes mit, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 11.06.2007 aufgrund der außerordentlichen Kündigung beendet sei.
Für März und April 2008 erhielt die Klägerin einen Abschlag in Höhe von jeweils 2.000,00 -. In der Abrechnung für April 2008 hat das beklagte Land 1.126,53 - netto einbehalten (Abrechnung Bl. 231 d. A.). In der Abrechnung für Juli 2008 wird eine Einbehaltung in Höhe von 914,10 - brutto = 743,30 - netto ausgewiesen und eine Zuvielzahlung in Höhe von 743,30 - geltend gemacht (Bl. 11 d. A.).
In der Abrechnung für August 2008 (Bl. 12 d. A.) wird gegen den restlichen Urlaubsabgeltungsanspruch der Klägerin in Höhe von 1.100,79 - die Einbehaltung und Nettozuvielzahlung in Höhe von 743,30 - verrechnet.
Mit Schriftsatz vom 12.02.2010 hat das beklagte Land als Anlage 1 (Bl. 229 d. A.) eine Bezügeaufstellung vorgelegt, auf die vorliegend Bezug genommen wird. Aus dieser Bezügemitteilung folgt ein Bruttoanspruch der Klägerin für die Zeit von Juni 2007 bis Juni 2008 in Höhe von 14.289,71 - und ein daraus folgender Nettoanspruch in Höhe von 12.368,22 -. In der gleichen Anlage findet sich eine Aufstellung der tatsächlich erfolgten insgesamt sieben Nettozahlungen im Zeitraum von Juni 2007 bis September 2008, nämlich insgesamt 11.066,35 -. Die Differenz zum errechneten Nettobetrag aus der Bezügemitteilung in Höhe von 1.301,87 - wird dort mit "Steuern" bezeichnet.
Mit ihrer seit dem 22.07.2008 anhängigen und mehrfach geänderten Klage begehrte die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren Bruttoentgelt für die Monate Juni 2007, den Zeitraum von Februar bis Juni 2008, die Auszahlung einer Sonderzahlung für die Jahre 2007 und 2008 und die Zahlung eines Leistungsentgelts in Höhe von 308,90 - für Dezember 2007 aus der Lohnabrechnung April 2008. Zur Begründung hat die Klägerin u. a. vorgetragen, verschiedene in Abzug gebrachte Nettozahlungen seien tatsächlich nicht erfolgt. Desweiteren müssten in Abzug gebracht werden von den angeblich geleisteten Nettozahlungen die mehrfach in Abzug gebrachte angebliche Überzahlungen in Höhe von 743,30 -. Wie dieser angebliche Zuvielbetrag in Höhe von 743,30 - entstanden sei, sei nicht nachvollziehbar. Dieser Betrag könne daher nicht mit dem Urlaubsabgeltungsanspruch verrechnet werden. Entsprechend stehe der Klägerin tatsächlich der Urlaubsabgeltungsanspruch noch zu (Schriftsatz der Klägerin vom 22.09.2009, Seite 4 - Bl. 166 d. A.). Zudem müsse davon ausgegangen werden, dass mehrere Beträge mehrfach versteuert worden seien. Ein entsprechender Schaden sei selbstverständlich nicht der Klägerin anzulasten, sondern dem beklagten Land.
Die Klägerin hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin 13.921,74 - brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins der EZB aus 2.656,65 - seit dem 01.07.2009, aus 2.656,65 - seit dem 01.06.2008, aus 2.656,65 - seit dem 01.05.2008, aus 2.656,65 - seit dem 01.04.2008, aus 91,38 - seit dem 01.03.2008, aus 2.445,46 - seit dem 01.02.2008, aus 450,00 - seit dem 01.12.2007, aus 308,90 - seit dem 01.01.2008 sowie aus 143,87 - seit dem 01.07.2007 abzüglich gezahlter 9.883,45 - netto;
hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1) das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin 1.301,87 - netto zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins der EZB seit dem 01.07.2008;
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 122,31 - brutto zu zahlen abzüglich gezahlter 75,00 - netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins der EZB seit dem 01.07.2008.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land hat vorgetragen, aus der Bezügeaufstellung (Bl. 229 d. A.) ergebe sich, dass im Zeitraum von Juni 2007 bis Juni 2008 insgesamt 12.368,22 - netto zu zahlen gewesen seien und dass tatsächlich an die Klägerin im gleichen Zeitraum 11.066,35 - netto geflossen seien. Der Differenzbetrag in Höhe von 1.301,87 - sei das Ergebnis der durchzuführenden erhöhten Versteuerung nach der Jahreslohnsteuertabelle der Nachzahlungen für das Jahr 2007 erst im April 2008 und Mai 2008, sodass hier höhere Steuern abzuführen gewesen seien, als es bei einer Versteuerung nach der monatlichen Lohnsteuertabelle im laufenden Jahr 2007 der Fall gewesen wäre. Im Zuge der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses nach Vergleichsabschluss sei festgestellt worden, dass eine ursachengleiche Vorerkrankung vom 24.04 bis zum 04.05.2007 zu berücksichtigen gewesen sei, sodass der Entgeltfortzahlungszeitraum bereits am 13.06.2007 geendet habe. Mit dieser Zuvielzahlung (914,10 - plus 29,76 - = 743,30 - netto) sei zu Recht aufgerechnet worden (Schriftsatz der Beklagten vom 30.08.2008, Seite 5/Bl. 39 d. A.). Die Aufrechnung sei rechtzeitig erfolgt. Frühestmöglicher Kenntniszeitpunkt sei das Fax Finanzamts K -N vom 29.01.2008 an das Landesamt für Besoldung und Versorgung, mit welcher die Bescheinigung der B E über Vorerkrankungszeiten vom 11.07.2007 zur Kenntnis gebracht worden sei. Die sechsmonatige Ausschlussfrist des § 37 TV-L sei daher gewahrt. Die Aufrechnung sei erfolgt mit der Urlaubsabgeltung 2008 im August bzw. September 2008 (Schriftsatz der Beklagtenseite vom 12.02.2010, Seite 4 und 5, Bl. 195 und 196 d. A.).
Durch Urteil vom 19.04.2010 hat das Arbeitsgericht die Klage bis auf einen von der Beklagtenseite noch anerkannten Anspruch auf Abgeltung eines weiteren Urlaubstages abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht darauf abgestellt, der Antrag zu 1) sei bereits rechnerisch unschlüssig, weil sich aus den Darlegungen der Klägerin weder der geforderte Bruttobetrag, noch der angerechnete Nettobetrag erschließe. Im Gegensatz zur Klägerin sei die Beklagte der Aufforderung des Gerichts nachgekommen, eine Bezügeaufstellung vorzulegen, die den gesamten streitigen Zeitraum betreffe und ohne Nach- und Rückrechnungen im Einzelnen darstelle, welche Beträge zu zahlen gewesen seien, und welche tatsächlich gezahlt worden seien. Hieraus ergebe sich ein Bruttobetrag in Höhe von insgesamt 14.289,71 -, der deutlich höher liege, als das, was die Klägerin brutto mit ihrem Antrag zu 1) fordere. Auch hinsichtlich der erhaltenen Nettozahlungen sei die Darlegung der Klägerin widersprüchlich und nehme mit keiner Zeile Bezug auf die Übersicht der Beklagten. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf den mit dem Antrag zu 2) geltend gemachten Schadensersatzanspruch in Höhe eines sogenannten Steuerprogressionsschadens. Ein ausreichender Vortrag zur Berechnung des Progressionsschadens liege nicht vor. Die Vorlage der Lohn- und Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 und 2008 fehle.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt und im Rahmen der Berufungsbegründung eine Änderung ihrer Anträge gegenüber dem erstinstanzlichen Verfahren vorgenommen. Die Klägerin macht nunmehr drei Zahlungsansprüche in einer Gesamtsumme von 1.278,38 - netto geltend. Der erste Zahlungsanspruch betrifft den Rückforderungsanspruch der Beklagten in Höhe von 743,30 - netto. Ein solcher Rückzahlungsanspruch bestehe nicht. Wie bereits erstinstanzlich ausgeführt, sei dieser vermeintliche Rückzahlungsanspruch verfallen. Auf den Rückzahlungsanspruch finde § 37 TV-L Anwendung. Der Anspruch sei erst nach Ablauf der sechsmonatigen Ausschlussfrist mit der Lohnabrechnung Juli 2008, die der Klägerin erst im August 2008 zugegangen sei, verrechnet worden. Dabei komme es nicht auf die Kenntnisnahme des Landesamtes für Besoldung und Versorgung an, sondern auf die Kenntnisnahme der Beklagten, also des Landes N -W . Die Beschäftigungsbehörde, das Finanzamt K -N , habe aber bereits aufgrund der Mitteilung der Krankenkasse vom 11.07.2007 wesentlich früher davon Kenntnis gehabt, dass der tatsächliche Entgeltfortzahlungszeitraum der 24.04. bis 13.06.2007 gewesen sei.
Die Klägerin habe desweiteren Anspruch auf einen Krankengeldzuschuss für den Zeitraum Dezember 2007 und Januar 2008 in Höhe von 70,85 - und 174,83 -. Denn im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens sei unstreitig, dass beginnend ab dem 24.04.2007 bis einschließlich 13.06.2007 ein neuer Entgeltfortzahlungszeitraum entstanden sei. Dementsprechend habe die Beklagte im vorliegenden Fall zu Unrecht Krankengeldzuschuss lediglich bis zum 27.12.2007 geleistet. Dies entspreche einer Zahlung von nur 238 Tagen. Die Klägerin habe aber Anspruch auf Zahlung von 273 Tagen. Die weiteren 35 Tage seien daher von der Beklagten zu zahlen, und zwar für vier weitere Tage im Dezember 2007 und für Januar 2008 für 30 Tage.
Schließlich habe die Klägerin einen weiteren Zahlungsanspruch in Höhe von 289,40 -. Dieser resultiere daraus, dass sich die Klägerin in der Zeit vom 11.09.2007 bis zum 02.10.2007 in einer Reha-Maßnahme der D R befunden habe. Das für diesen Zeitraum gewährte Übergangsgeld habe 68 % ihres Nettoeinkommens betragen. Damit habe die Klägerin sehr viel weniger Zahlungen in diesem Zeitraum erhalten, als das Krankengeld, welches 90 % des Nettoeinkommens ausmache. Daraus resultiere ein Differenzanspruch in Höhe von 289,40 -.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 19.04.2010 - 15 Ca 5941/08 - das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin weitere 1.278,38 - netto zuzüglich Zinsen aus 70,85 - netto seit dem 01.01.2008, aus 174,83 - netto seit dem 01.02.2008, aus 289,40 - seit dem 01.11.2007 sowie aus 743,30 - seit dem 01.08.2008 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und hält die Berufung für offensichtlich unzulässig. Die Klägerin habe sich mit dem erstinstanzlichen Urteil und den dort aufgeführten Urteilsgründen nicht im Einzelnen auseinandergesetzt. Unvermittelt würden irgendwelche Rechnungspositionen herausgegriffen und zum Gegenstand tatsächlichen und rechtlichen Vorbringens gemacht. Ohnehin sei dies vor dem Hintergrund zu sehen, dass sich aus dem Vergleich der Angaben des beklagten Landes mit denen der Klägerin zwanglos ergebe, dass diese bei weitem überzahlt sei. Der im Berufungsverfahren vorgenommenen Klageänderung werde entgegengetreten.
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A. Die Berufung der Klägerin ist zul ässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt.
Bedenken bestehen allerdings hinsichtlich der Berufungsbegründung. Die Beklagtenseite hat insoweit gerügt, dass sich die Klägerin mit den Gründen des erstinstanzlichen Urteils nicht auseinandergesetzt habe.
Das Vorbringen der Klägerin ist nur vor dem Hintergrund noch ausreichend, dass die Klägerin erkennbar den berechtigten Rügen des Arbeitsgerichtsgerichts im erstinstanzlichen Vortrag an der mangelnden Konkretisierung und Schlüssigkeit des erstinstanzlichen Urteils Rechnung tragen will. Denn das Arbeitsgericht hatte in seinem Urteil mit Recht gerügt, dass es in dem erstinstanzlichen Vortrag der Klägerseite an einer konkreten nachvollziehbaren und auch rechnerisch schlüssigen Darlegung eines restlichen konkreten Forderungsbetrages fehlte. Dem folgend hat die Klägerin in ihrem Berufungsvorbringen ihre pauschale und rechnerisch unschlüssige Forderung auf Zahlung von 13.921,74 - brutto abzüglich gezahlter 9.883,45 - netto, ebenso wenig aufrechterhalten, wie ihren weiteren Anspruch auf Ersatz eines sogenannten Steuerprogressionsschadens in Höhe von 1.301,87 - netto. Demgegenüber hat die Klägerin in ihrem Berufungsvorbringen ihren Anspruch auf einzelne konkret berechnete Teilansprüche beschränkt und damit versucht, den erstinstanzlichen berechtigten Vorgaben Rechnung zu tragen.
Vor diesem Hintergrund kann der Klägerin letztlich nicht vorgehalten werden, das erstinstanzliche Urteil ignoriert und sich hiermit nicht auseinandergesetzt zu haben.
Die Berufung ist daher zulässig.
B. Die Berufung ist zum Teil begründet. Der Klägerin steht noch der aufgerechnete Betrag in Höhe von 743,30 - netto zu. Weitere Ansprüche bestehen hingegen nicht.
I. Die Klägerin hat Anspruch auf 743,30 - netto. Denn sie hat Anspruch auf Auszahlung der ungeschmälerten Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.100,79 -, wie sie in der Lohnabrechnung für August 2008 (Bl. 12 d. A.) abgerechnet worden war; die Beklagte war nicht befugt, hiergegen mit einem Zuvielzahlungsanspruch in Höhe von 743,30 - aufzurechnen.
1. Die Klage ist, soweit sie sich nunmehr auf die Auszahlung dieses aufgerechneten Betrages von 743,30 - richtet, zulässig. Indem die Klägerin in der Berufungsinstanz ihren Klageanspruch auf diese Forderung konkretisiert hat, hat sie eine Klageänderung vorgenommen. Die Zulässigkeit einer Klageänderung im Berufungsverfahren richtet sich nach § 533 ZPO. Nach § 533 Nr. 1 ZPO ist eine Klageänderung nur zulässig, wenn der Gegner einwilligt, oder das Gericht dies für sachdienlich hält und nach § 533 Nr. 2 ZPO die Klageänderung auf Tatsachen gestützt wird, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrundezulegen hat. Im vorliegenden Fall ist jedenfalls von einer Sachdienlichkeit der Klageänderung auszugehen. Es muss als sachdienlich angesehen werden, wenn die Klägerin ihren zunächst unsubstantiierten globalen Zahlungsanspruch auf konkrete, auch betragsmäßig berechnete Einzelansprüche reduziert hat. Dafür spricht auch, dass die Frage der Rechtmäßigkeit der Aufrechnung mit einer angeblichen Zuvielzahlung bereits erstinstanzlich eine Rolle gespielt hatte. Während die Klägerin erstinstanzlich die Rechtmäßigkeit der Einbehaltung gerügt hatte, vor allem unter dem Gesichtspunkt der mehrfachen Einbehaltung, hatte die Beklagte erstinstanzlich vorgetragen, innerhalb der Ausschlussfrist de Zuvielzahlungsanspruch geltend gemacht und mit ihm aufgerechnet zu haben.
Die identische Tatsachengrundlage im Sinne des § 533 Nr. 2 ZPO ist ebenfalls gegeben, da diese vor allem darin besteht, dass die Krankenkasse mit Schreiben vom 11.07.2007 (Bl. 99 d. A.) bereits mitgeteilt hatte, dass wegen derselben Krankheit bereits Arbeitsunfähigkeit vom 24.04.2007 bis zum 04.05.2007 bestanden hatte, und dass die Abrechnung für August 2008 (Bl. 11 d. A.), mit der die Aufrechnung mit dem Betrag von 743,30 - vorgenommen worden war, Grundlage der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO war.
Die Klageänderung ist daher unabhängig von der verweigerten Einwilligung der Beklagtenseite zulässig.
2. Die Aufrechnung gegen den ungeschmälerten Urlaubsabgeltungsanspruch mit einer vermeintlichen Zuvielzahlung in Höhe von 743,30 - kann aus mehreren, unabhängig voneinander bestehenden Gründen keinen Erfolg haben.
a. Die zur Aufrechnung gestellte Forderung ist nach § 37 Abs. 1 TV-L verfallen und existiert nicht mehr.
Grundlage der Forderung des beklagten Landes auf Rückzahlung der Zuvielzahlung ist, dass aufgrund der anzurechnenden Vorerkrankungen der Entgeltfortzahlungszeitraum für die Klägerin nicht erst am 24.06.2007, sondern bereits am 13.06.2007 endete. Tatsächlich aber hatte die Klägerin zunächst Entgeltfortzahlung bis zum 24.06.2007 erhalten. Nachdem die Klägerin im Juni 2007 alsdann außerordentlich gekündigt worden war, hat die Beklagte mit Schreiben vom 30.11.2007 (Bl. 63 d. A.) einen Anspruch auf Entgeltüberzahlung für die Zeit nach dem 11.06.2007 in Höhe von 1.126,58 - netto geltend gemacht.
Einen Anspruch auf Überzahlung wegen des nicht zutreffend berechneten Entgeltfortzahlungszeitraums für die Zeit vom 14.06.2007 bis zum 24.06.2007 in Höhe von 943,86 - brutto = 743,30 - netto, hat die Beklagte hingegen erst mit der Bezügemitteilung für Juli und August 2008 (Bl. 11 und 12 d. A.) geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war ein möglicher Überzahlungsanspruch aber bereits verfallen.
Denn von dem Umstand, dass anrechnungspflichtige Vorerkrankungen vorlagen, die zu einem Ende des Entgeltfortzahlungszeitraums bereits am 13.06.2007 führten, hatte die Beklagtenseite bereits seit Juli 2007 durch das Schreiben der Krankenkasse vom 11.07.2007 (Bl. 99 d. A.) Kenntnis.
Ein Anspruch auf Rückzahlung zu viel gezahlten Arbeitsentgelts wird grundsätzlich spätestens in dem Zeitpunkt fällig, in dem bekannt war oder hätte bekannt sein müssen, dass eine Überzahlung vorliegt (siehe grundlegend BAG Urteil vom 01.06.1995 - 6 AZR 912/94 -, NZA 1996, Seite 136 ff.).
Das Bestehen eines Überzahlungsanspruchs aufgrund des vorzeitigen Ablaufs der Entgeltfortzahlungsfrist am 13.06.2007 hätte dem beklagten Land als Arbeitgeber damit spätestens aufgrund der Mitteilung der Krankenkasse vom 11.07.2007 über die anrechnungspflichtige Vorerkrankung bekannt sein können. Dies gilt unabhängig davon, ob die Kommunikation zwischen den einzelnen Behörden des beklagten Landes, hier also zwischen der Beschäftigungsbehörde, dem Finanzamt K -N , und der Besoldungsbehörde funktioniert hat oder nicht.
Die sechsmonatige tarifvertragliche Ausschlussfrist endete mithin am 11.01.2008. Innerhalb dieses Zeitraums hat das beklagte Land aber keinen Anspruch wegen Überzahlung infolge eines verkürzten Entgeltfortzahlungszeitraums in Höhe von 743,30 - netto geltend gemacht.
Der tarifvertragliche Verfall wäre im übrigen auch dann eingetreten, wenn man von dem erstinstanzlich vorgetragenen Ansatz der Beklagtenseite ausgeht, als maßgeblicher Zeitpunkt der Kenntnisnahme könne erst der 29.01.2008 angesetzt werden, weil erst mit Faxschreiben vom 29.01.2008 das Landesamt für Besoldung und Versorgung von dem Schreiben der Krankenkasse über die anrechnungspflichtige Vorerkrankung informiert worden sei. Denn selbst wenn man diesen - unzutreffenden - Ansatz zugrundelegt, ist die sechsmonatige Ausschlussfrist nicht gewahrt. Sie wäre dann nämlich abgelaufen am 29.07.2008. Tatsächlich ist die Geltendmachung und Aufrechnung aber erst durch die Gehaltsabrechnungen für Juli und August 2008 (Bl. 11 und 12 d. A.) erfolgt. Diese Abrechnungen sind der Klägerin aber jedenfalls im Juli 2008 nicht mehr übersandt worden. Die Beklagte selbst hat diesbezüglich in ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 12.02.2010 (Seite 4, Bl. 195 d. A.) vorgetragen, die Aufrechnung sei mit der Urlaubsabgeltung 2008 im August bzw. September 2008 erfolgt. Dem entspricht es, dass die Klägerin vorgetragen hat, diese Abrechnungen im August 2008 erhalten zu haben. Zu diesem Zeitpunkt war die sechsmonatige Ausschlussfrist aber in jedem Fall bereits abgelaufen.
b. Die Aufrechnung war zudem wegen Unpfändbarkeit der Urlaubsabgeltungsansprüche im vorliegenden Fall ausgeschlossen. Nach § 394 BGB kann gegen eine Forderung insoweit nicht aufgerechnet werden, als sie unpfändbar ist. Über § 394 BGB finden die Pfändungsschutzvorschriften für Arbeitseinkommen nach §§ 850 ff. ZPO Anwendung. Nach § 850 c ZPO muss dem Arbeitnehmer trotz Aufrechnung das Existenzminium unter Beachtung seiner Unterhaltspflichten verbleiben. Der pfändbare Betrag und damit der Teilbetrag der Vergütung, gegen den aufgerechnet werden kann, ist aus der Pfändungstabelle zu entnehmen. Im Streitfall muss der Arbeitgeber den pfändbaren Teil, gegen den aufgerechnet werden soll, im Einzelnen darlegen (BAG Urteil vom 05.12.2002 - 6 AZR 569/01 -, NZA 2003, Seite 802).
Nach § 850 c ZPO ist ein monatliches Nettoeinkommen von bis zum 930,00 - unpfändbar, selbst wenn keine Unterhaltspflichten bestehen. Im vorliegenden Fall betrug der Gesamtvergütungsanspruch der Klägerin für den Monat Juli 2008 ausweislich der Entgeltabrechnung lediglich 1.100,79 - brutto, was unter Berücksichtigung der gesetzlichen Steuern und Sozialversicherungsabgaben zu einem Nettobetrag von unter 930,00 - führte. Eine Aufrechnung war daher schon aus diesem Grund nicht möglich.
3. Die Klägerin hat daher Anspruch auf Auszahlung des Betrages von 743,30 - netto nebst Zinsen.
II. Der Anspruch auf einen zusätzlichen Krankengeldzuschuss in Höhe 70,85 - netto für Dezember 2007 und 174,83 - netto für Januar 2008 steht der Klägerin hingegen nicht zu.
Selbst wenn man auch insoweit eine Klageänderung gemäß § 533 ZPO für zulässig hielte, ist festzuhalten, dass eine schlüssige Berechnung diesbezüglich nicht vorliegt. Zur Begründung ihrer Berechnung knüpft die Klägerin allein daran an, dass von dem 24.04.2007 als Beginn der Arbeitsunfähigkeit auszugehen sei. Bereits erstinstanzlich hatte demgegenüber die Beklagte aber ihre konkrete Berechnung des Krankengeldzuschusses vorgelegt (Bl. 49 f. d. A.), aus der hervorging, dass für die Berechnung des Krankengeldzuschusses weitere Vorerkrankungen anzurechnen waren, insbesondere diejenige vom 02.02. bis zum 16.02.2007, diejenige vom 23.02.2007 bis zum 09.03.2007, diejenige vom 23.03.2007 sowie diejenige vom 20.04. bis zum 22.04.2007 (siehe Aufstellung Bl. 50 d. A.). Unter Anrechnung dieser Zeiten hat die Beklagte die 39-Wochenfrist des § 22 TV-L berechnet und deren Ende auf den 27.12.2007 festgelegt.
Mit dieser Berechnung hat sich die Klägerin nicht auseinandergesetzt, auch nicht im Berufungsverfahren. Auch wenn, wie die Klägerin vorträgt, ab dem 24.04.2007 ein neuer sechswöchiger Entgeltfortzahlungszeitraum begonnen hat, vermag dies allein die Richtigkeit der Berechnung der Beklagtenseite, die bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war, nicht in Frage zu stellen.
Ein entsprechender Anspruch kann daher nicht zugesprochen werden.
III. Schließlich besteht kein Anspruch auf Zahlung von weiteren 289,40 - netto. Insoweit mangelt es bereits an der Sachdienlichkeit einer entsprechenden Klageänderung. Denn der Umstand, dass die Klägerin in der Zeit vom 11.09.2008 bis zum 02.10.2008 nicht Krankengeld, sondern Übergangsgeld bezogen hat und daraus Ansprüche der Klägerin konkret abgeleitet werden, wurde erstmals im Berufungsverfahren vorgebracht und stützt sich insoweit auf eine neue Tatsachengrundlage. In der Sache kommt hinzu, dass die Klägerin keine konkrete Darlegung eingereicht hat, welche Leistungen sie bekommen hat, und welche sie meint bekommen zu müssen, sondern sich auf die Angabe pauschaler Prozentsätze bei Übergangsgeld (68 %) und bei Krankengeld (90 %) beschränkt hat. Die konkreten Bescheide hat die Klägerin nicht vorgelegt, weder bezüglich der Unterbrechung des Krankengeldes noch bezüglich des erhaltenen Übergangsgeldes. Der Anspruch ist daher nicht schlüssig dargetan.
IV. Insgesamt hatte die Berufung im dargestellten Umfang Erfolg und musste im Übrigen zurückgewiesen werden. Bei der Kostenentscheidung war zu berücksichtigen, dass das Arbeitsgericht aufgrund der im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung maßgebenden Antrags und Sachlage zutreffend entschieden hat, so dass die erstinstanzliche Kostenentscheidung aufrecht zu erhalten war. Nach Klageänderung im Berufungsverfahren war über die Kosten nach § 92 ZPO zu entscheiden.
Die Revision konnte nicht zugelassen werden, da die Rechtssache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung hatte, sondern eine Einzelfallentscheidung auf der Basis der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu treffen war.