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  • 11.08.2021 · IWW-Abrufnummer 224019

    Landesarbeitsgericht Nürnberg: Urteil vom 19.05.2021 – 4 Sa 423/20

    1. Befinden sich auf dem Arbeitszeitkonto des Arbeitnehmers bei seinem Ausscheiden noch Minusstunden, darf der Arbeitgeber Entgelt hierfür nur kürzen bzw. zurückfordern, wenn dies arbeitsvertraglich vereinbart ist.

    2. Hat der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis außerordentlich gekündigt und haben die Parteien in einem Vergleich Freistellung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses vereinbart, ist dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Einbringung der Minusstunden genommen. Dies geht zu Lasten des Arbeitgebers.

    3. Eine Klausel im Vergleich, die besagt, dass die Freistellung unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche und etwaige Zeitguthaben erfolgt, ist ohne Vorliegen weiterer Anhaltspunkte dahingehend zu verstehen, dass auch eventueller Streit über den Stand des Arbeitszeitkontos beseitigt werden soll und auch Minusstunden nicht mehr geltend gemacht werden können.


    Tenor:

    I. Die Berufung der Beklagten und Widerklägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg, Kammer Aschaffenburg, vom 13.10.2020, Az. 2 Ca 200/20, wird auf Kosten der Beklagten und Widerklägerin zurückgewiesen.

    II. Die Revision wird nicht zugelassen.



    Tatbestand



    Die Parteien streiten zuletzt noch über Rückforderungsansprüche des ehemaligen Arbeitgebers an den Arbeitnehmer insbesondere im Hinblick auf die geleistete Sonderzahlung und auf Ausgleich des im Minus stehenden Arbeitszeitkontos.



    Der Kläger war bei der Beklagten im Zeitraum 01.10.2018 bis 31.12.2019 beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis zunächst außerordentlich am 21.10.2019. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund eines im Verfahren 6 Ca 1236/19 vor dem Arbeitsgericht Würzburg, Kammer Aschaffenburg, am 21.11.2019 geschlossenen Vergleichs aufgrund ordentlicher Arbeitgeberkündigung mit Ablauf des 31.12.2019. In diesem Vergleich ist, soweit vorliegend von Interesse, folgendes vereinbart (Anlage zur Klageschrift, Bl. 6 ff. d.A.):



    1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endet aufgrund ordentlicher, betrieblich veranlasster Arbeitgeberkündigung vom 21.10.2019 mit Ablauf des 31.12.2019.



    2. Die beklagte Partei hält die im Zusammenhang mit der Kündigung erhobenen Vorwürfe nicht aufrecht.



    3. Der Kläger wird unwiderruflich unter Fortzahlung der Vergütung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Es besteht Einigkeit, dass Urlaubsansprüche und etwaige Zeitguthaben in Natur eingebracht sind.



    4. Die Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis bis zu dessen Beendigung ordnungsgemäß ab und zahlt den entsprechenden Nettobetrag an den Kläger aus, soweit noch nicht geschehen und vorbehaltlich eines Anspruchsübergangs auf Dritte.



    5. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis auszustellen und zu übersenden, auf Basis des bereits erteilten Zwischenzeugnisses vom 24.07.2019 und mit einer dreigeteilten Schlussformel (Dank, Bedauern, Wunsch).



    6. Darüber hinaus bestehen aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung keine finanziellen Ansprüche mehr.



    7. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.



    8. Dieser Vergleich wird rechtswirksam, wenn ...



    Der Vergleich wurde nicht widerrufen. Die Beklagte erteilte mehrere Abrechnungen (Anlagenkonvolut zum Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 23.06.2020, Bl. 39 ff. d.A.).



    Mit seiner am 21.02.2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger Nachzahlung bestimmter Bruttobeträge abzüglich ausgezahlter Nettobeträge begehrt. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 24.07.2020 Widerklage auf Rückzahlung überzahlter Beträge erhoben, die sich insbesondere auf die Erstattung eines Minusbestandes von 40,33 Stunden aus dem geführten Arbeitszeitkonto und Überzahlungen wegen an den Kläger geleisteten Nettobeträgen trotz bestehender Überleitung von Ansprüchen auf die Arbeitsagentur ergeben.



    Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt:



    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.818,79 Euro brutto abzüglich zwischenzeitlich gezahlter 10.800,34 Euro netto sowie abzüglich von der Bundesagentur für Arbeit für Oktober 2019 gezahlter 567,63 Euro sowie November 2019 gezahlte 1.922,10 Euro netto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus 5.267,43 Euro seit dem 01.11.2019, aus 8.969,38 Euro seit dem 01.12.2019 sowie aus 5.581,98 Euro seit dem 01.01.2010 zu zahlen..



    Der Beklagte hat beantragt:



    1. Die Klage wird abgewiesen.



    2. Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte 2.498,73 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 24.01.2020 zu zahlen.



    Der Kläger hat beantragt,



    die Widerklage abzuweisen.



    Das Arbeitsgericht Würzburg - Kammer Aschaffenburg - hat mit Endurteil vom 13.10.2020 wie folgt entschieden:



    1. Die Klage wird abgewiesen.



    2. Der Kläger und Widerbeklagte wird verurteilt, an die Beklagte und Widerklägerin 1.514,35 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.01.2020 zu zahlen.



    3. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.



    4. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 89 %, die Beklagte 11 %.



    5. Der Streitwert wird auf 9.027,45 Euro festgesetzt.



    6. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.



    Das Arbeitsgericht Würzburg hat seine Entscheidung, soweit vorliegend von Interesse, im Wesentlichen damit begründet, sämtliche eingeklagten Vergütungsansprüche des Klägers seien durch Erfüllung erloschen. Von der entsprechenden Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen entsprechend den nachträglich erstellten Abrechnungen sei die Kammer nach der Vernehmung der zuständigen Personalbetreuerin als Zeugin überzeugt. Allerdings sei die Widerklage teilweise begründet, weil der Kläger einen Teil der Vergütungszahlungen zu Unrecht erhalten habe. Der Kläger habe statt 11.784,72 €, die ihm zugestanden hätten, insgesamt 13.299,07 € erhalten. Die Beklagte sei nicht berechtigt, darüber hinaus einen Betrag von 700,34 € wegen offener Minusstunden zurückzufordern. Zwar bestehe ein solches grundsätzliches Recht, da der Kläger seine Arbeitszeit selbst habe einteilen können. Dem stehe der Vergleich nicht entgegen, da dieser zur ordnungsgemäßen Abrechnung verpflichte. Die Beklagte habe jedoch nicht nachgewiesen, dass tatsächlich 40,33 Minusstunden offen seien. Aus den Stundennachweisen ergäben sich nur 23,08 Minusstunden, im Monat September habe der Kläger 5 Stunden 44 Minuten zusätzliche Arbeit geleistet. Die Höhe des vom Kläger bezogenen Arbeitslosengeldes von 2.498,73 € habe die Beklagte abziehen bzw. zurückfordern können.



    Das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg - Kammer Aschaffenburg - vom 13.10.2020 ist den anwaltlichen Prozessvertretern der Beklagten ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 27.10.2020 zugestellt worden. Diese haben namens und im Auftrag der Beklagten mit Schriftsatz vom 09.11.2020, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 10.11.2020, Berufung gegen die Entscheidung eingelegt und sie mit Schriftsatz vom 27.11.2020, eingegangen beim Landesarbeitsgericht am 30.11.2020, begründet.



    In ihrer Berufung führt die Beklagte und Widerklägerin aus, das Arbeitsgericht habe nur einen Rückforderungsbetrag von 1.514,35 € statt von 2.498,73 € zugestanden. Das Urteil enthalte lediglich Ausführungen zum Anspruch auf Ausgleich der Minusstunden in Höhe von 700,34 €. Zur Differenz von 284,04 € enthalte das Urteil keine Ausführungen und leide daher an Rechtsfehlern. Die Minusstunden seien jedoch durch die Vorlage der Verdienstabrechnungen nachgewiesen (Einzelheiten S. 4 der Berufungsbegründung, Bl. 180 d.A.).



    Die Beklagte, Widerklägerin und Berufungsklägerin stellt im Berufungsverfahren zuletzt folgenden Antrag:



    1. Auf die Berufung der Berufungsklägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg - Kammer Aschaffenburg - vom 13.10.2020 (Az. 2 Ca 200/20) im Umfang der Beschwer abgeändert.



    2. Der Kläger, Widerbeklagte und Berufungsbeklagte wird verurteilt, an die Beklagte, Widerklägerin und Berufungsklägerin 2.498,73 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.01.2020 zu zahlen.



    3. Der Kläger, Widerbeklagte und Berufungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.



    Der Kläger, Widerbeklagte und Berufungsbeklagte beantragt:



    Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.



    Der Kläger hält die Berufung für unbegründet. Es sei nicht unstreitig, dass er die Arbeitsleistung selbst habe einteilen können. Unabhängig davon sei ihm durch die Beendigungslösung mit Freistellung durch Vergleich vom 21.11.2019 die Möglichkeit genommen worden, eventuelle Minusstunden auszugleichen. Dies müsse sich die Beklagte zurechnen lassen. Im Übrigen seien Minusstunden nicht angefallen. Er habe die vertraglich geschuldeten Leistungen auf der Basis einer 38,5-Stunden-Woche vollständig erbracht. Eventuelle weitere Überzahlungen seien durch die Abgeltungsklausel des abgeschlossenen Vergleichs erledigt.



    Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Darstellung des Sachverhalts in Tatbestand und Entscheidungsgründen des arbeitsgerichtlichen Urteils, auf die Niederschrift über die Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 19.05.2021 und auf die von den Parteien eingebrachten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.



    Entscheidungsgründe



    Die form- und fristgerecht eingereichte und begründete Berufung der Beklagten und Widerklägerin ist nur teilweise zulässig und im Übrigen in der Sache nicht begründet. Der Beklagten und Widerklägerin stehen über die im arbeitsgerichtlichen Urteil zugesprochenen Beträge hinaus keine weiteren Ansprüche gegen den Kläger zu. Die Berufungskammer folgt weitestgehend den ausführlichen und sorgfältigen Ausführungen des Arbeitsgerichts, denen sie sich anschließt, so dass auf eine erneute, nur wiederholende Darstellung verzichtet werden kann (§ 69 Abs. 2 ArbGG).



    Zu den in der Berufung von den Parteien vorgetragenen Tatsachen und Argumenten ist folgendes hinzuzufügen:



    1. Die Berufung ist nicht zulässig, soweit sie sich auf Zahlungsansprüche von mehr als 700,34 € bezieht. Insoweit fehlt es an einer nachvollziehbaren Begründung.



    a. Das Arbeitsgericht hat im Einzelnen und nachvollziehbar ausgeführt, aus welchen Gründen dem Kläger noch ein Zahlungsbetrag in Höhe von 11.784,72 € zusteht.



    Dem ist die Beklagte und Widerklägerin in keiner Weise entgegengetreten. Die Berufungskammer hat daher diesen Betrag als dem Kläger zustehend zugrunde zu legen.



    b. Unstreitig hat die Beklagte einen Betrag von 13.299,07 € netto an den Kläger geleistet. Es errechnet sich also ein Überzahlungsbetrag von 1.514,35 €. Das Arbeitsgericht hat der Beklagten und Widerklägerin diesen Betrag zugesprochen.



    Der Kläger hat insoweit keine Berufung eingelegt. Dieser Betrag ist daher nicht mehr streitgegenständlich. Soweit die Beklagte und Widerklägerin sich auf die Überzahlung deswegen beruft, weil sie einen Betrag in Höhe von 2.498,73 € an den Kläger ausgezahlt hat, der zu diesem Zeitpunkt im Hinblick auf die erfolgte Überleitungsanzeige schon der Arbeitsagentur zustand, geht sie offenbar davon aus, dass dem Kläger ein geringerer Betrag als 11.784,72 € zustand.



    c. Darüber hinaus hat das Arbeitsgericht der Beklagten einen Gegenanspruch über 700,34 € versagt. Insoweit hat die Beklagte und Widerklägerin das erstinstanzliche Urteil mit Gründen angegriffen.



    d. Soweit die Beklagte und Widerklägerin einen weiteren Betrag von 284,04 € als widerklagend verfolgten Anspruch geltend gemacht hat, ist für die Berufungskammer nicht erkennbar, aus welchem Grund das arbeitsgerichtliche Urteil auch insoweit falsch sein soll. Letztlich kann dies nur daran liegen, dass derjenige Betrag, der dem Kläger vom Arbeitsgericht als zustehend bezeichnet worden ist, falsch sei.



    Die Beklagte hat sich in keiner Weise mit der ausführlichen Berechnung des Arbeitsgerichts auseinandergesetzt, hat in keiner Weise dargetan, dass und warum dies der Fall sein soll. Sie hat die behauptete Fehlerhaftigkeit des arbeitsgerichtlichen Urteils in diesem Punkt damit nicht nachvollziehbar begründet. Dies führt zur Unzulässigkeit der Berufung in Höhe des Betrages von 284,04 €.



    2. Soweit die Berufung zulässig ist, ist sie nicht begründet. Der Beklagten und Widerklägerin steht kein Ausgleichsanspruch für eventuell vorhandene Minusstunden auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers zu.



    a. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger seine Arbeitszeit tatsächlich völlig frei einteilen konnte und ob er tatsächlich am 21.10.2019 - dem Datum des Ausspruchs der außerordentlichen Kündigung - Minusstunden in einer Höhe von 40,33 Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto angesammelt hatte. Ein Ausgleichsanspruch der Beklagten besteht nämlich auch dann nicht, wenn ihr diesbezüglicher Vortrag zutreffen sollte.



    b. Zunächst würde ein Anspruch auf Ausgleich von Minusstunden beim Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis eine entsprechende Vereinbarung voraussetzen (zuletzt etwa BAG vom 21.03.2012, 5 AZR 670/11; LAG Rheinland-Pfalz vom 03.04.2014, 5 Sa 579/13; LAG Hamm vom 11.12.2019, 6 Sa 912/19, jeweils zitiert nach juris). Schon dies ist nicht erkennbar. Die Beklagte hat das Vorliegen einer solchen Vereinbarung weder behauptet noch eine solche vorgelegt oder unter Beweis gestellt.



    c. Selbst wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung selbstständig und ohne arbeitgeberseitige Weisungen einteilen und erbringen kann, ist der Arbeitgeber zum Abzug von Minusstunden nur berechtigt, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatte, vor seinem Ausscheiden einen Ausgleich der Stunden herbeizuführen. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Beklagte und Widerklägerin hat das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung gekündigt. Sie hat dem Kläger damit die Möglichkeit genommen, für einen entsprechenden Ausgleich seines Kontos zu sorgen. Dies geht zu ihren Lasten.



    d. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen. Die Parteien haben sich nämlich im Vergleich vom 21.11.2019 darauf geeinigt, dass der Kläger ab diesem Zeitpunkt bis zum 31.12.2019 einvernehmlich unter Fortzahlung der vereinbarten Vergütung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt würde. Zusätzlich haben sie vereinbart, dass dies unter Einbringung von Urlaubsansprüchen und etwaigem Zeitguthaben geschehen solle. Die Parteien haben damit den Anspruch des Klägers auf Vergütung eines Arbeitszeitguthabens und auch die Möglichkeit für den Kläger ausgeschlossen, nach diesem Zeitpunkt noch Minusstunden einzuarbeiten. Dies muss sich die Beklagte zurechnen lassen.



    e. Mit dieser Vereinbarung haben die Parteien zudem deutlich gemacht, dass Streit über die Höhe des Arbeitszeitkontos nicht mehr geführt werden solle. Es wäre widersprüchlich, wenn nur ein eventuelles Zeitguthaben hätte eingebracht werden sollen, Zeitschulden aber von der Vergütung noch abziehbar gewesen wären. Für eine derart einseitige Bevorzugung der Beklagten gibt es keine Anhaltspunkte.



    Hätte man nicht das Arbeitszeitkonto streitlos stellen, sondern tatsächlich nur Guthabenstunden, nicht aber Minusstunden regeln wollen, hätte es nahegelegen, dies in dieser Ziffer in den Vergleich aufzunehmen.



    f. Bei einer vereinbarten Freistellung muss der Arbeitnehmer wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen, die die Freistellung haben kann, erkennen können, dass der Arbeitgeber ihn (auch) zur Erfüllung des Anspruchs auf Freistellung von der Arbeitspflicht freistellen will (BAG vom 20.11.2019, 5 AZR 578/18, zitiert nach juris).



    Vice versa muss er dann aber auch erkennen können, dass die Freistellung nicht gleichzeitig bedeuten soll, dass der Arbeitgeber, der ja mit der Freistellung auf die Arbeitsleistung insgesamt verzichtet, dennoch in diesem Zeitpunkt etwa vorhandene Minusstunden vom Gehalt abziehen will. Soll der Arbeitnehmer etwaiger Ansprüche auf Auszahlung von Guthabenstunden verlustig gehen, muss dies daher ausdrücklich vereinbart werden. Dasselbe gilt, wenn der Arbeitnehmer trotz der Freistellung, die ihn am Ausgleich etwaiger Minusstunden hindert, mit entsprechenden Entgeltabzügen rechnen muss.



    g. Letztlich ergibt sich dies auch aus der im Vergleich vereinbarten Abgeltungsklausel. Wenn dort niedergelegt ist, dass keine gegenseitigen finanziellen Ansprüche mehr bestehen, betrifft dies auch Abzugsansprüche des Arbeitgebers. Auch diese sollten ausgeschlossen sein. Der Hinweis auf die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Abrechnung besagt nichts anderes. Hieraus könnten allenfalls Schlüsse gezogen werden, wenn den Parteien bewusst gewesen wäre, dass noch Minusstunden offen sein könnten und wenn sie dies in die Abrechnung hätten einbeziehen wollen. Hierzu hat die Beklagte nichts vorgetragen, hierfür ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte. Die Klausel ist daher jedenfalls unter Berücksichtigung der Formulierung, dass auch Urlaubsansprüche und Ansprüche aus Zeitguthaben erledigt sein sollten, so zu verstehen, dass auch der Arbeitgeber keine Abzüge vom verstetigten Entgelt mehr vornehmen könne.



    h. Diese Rechtsfolge wäre im Übrigen unabhängig von dieser Auslegung dann zwingend, soweit der Kläger tatsächlich noch offene Urlaubsansprüche eingebracht hätte. Für Zeiträume, in denen er seine Urlaubsansprüche eingebracht hat, war ohnehin das volle Entgelt ohne Abzüge zu vergüten. Irgendwelche Einzelheiten, die nachvollziehbar machen würden, welche Urlaubsansprüche noch offen waren, hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte ebenfalls nicht vorgetragen.



    3. Nach alldem ist die Berufung der Beklagten und Widerklägerin teils unzulässig, teils unbegründet und daher zurückzuweisen. Sie hat daher auch die Kosten der Berufung zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).



    4. Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass.

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