25.06.2024 · IWW-Abrufnummer 242199
Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 23.04.2024 – 8 K 66/22
Veranstaltet ein Arbeitgeber anlässlich der Verabschiedung eines Arbeitnehmers einen Empfang, ist entgegen R 19.3 Abs. 2 Nr. 3 LStR auch bei Überschreiten der Freigrenze von 110 € unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, ob es sich um ein Fest des Arbeitgebers (betriebliche Veranstaltung) oder um ein privates Fest des Arbeitnehmers handelt.
Finanzgericht Niedersachsen
Tatbestand
Die Klägerin ist ein Geldinstitut. Im Streitjahr trat der damalige Vorstandsvorsitzende der Klägerin, der Zeuge X, in den Ruhestand und schied aus dem Vorstand der Klägerin aus. Als Nachfolger im Amt des Vorstandsvorsitzenden wurde Y berufen. In diesem Zusammenhang veranstaltete die Klägerin im Streitjahr einen Empfang in den Geschäftsräumen ihrer Unternehmenszentrale in A. Für die Organisation und die Umsetzung der Veranstaltung war ein vom Verwaltungsrat bestimmtes Organisationsgremium insbesondere unter der Leitung einer Mitarbeiterin aus dem Personalbereich zuständig. Dieses erstellte die Einladungskarten und sprach die Einladungen auf der Grundlage einer unabhängig von der konkreten Veranstaltung zuvor nach geschäftsbezogenen Gesichtspunkten festgelegten Einladungsliste aus. Unter den ca. 300 geladenen Gästen befanden sich frühere und jetzige Vorstandsmitglieder der Klägerin, ausgewählte Mitarbeiter sowie der Verwaltungsrat, Angehörige des öffentlichen Lebens aus Politik, Verwaltung sowie bedeutenden Unternehmen und Institutionen aus der Region. Weiter waren Vertreter von Banken und Sparkassen, Vertreter von Verbänden Kammern und kulturellen Einrichtungen sowie Pressevertreter anwesend. Zudem waren acht Familienangehörige des Zeugen X als Gäste geladen. Im Rahmen des Empfangs stellte die Klägerin auch ihren neuen Vorstandsvorsitzenden vor. Die Gesamtaufwendungen für den Empfang in Höhe von ... € übernahm die Klägerin.
Aufgrund einer Prüfungsanordnung vom ... fand bei der Klägerin eine Lohnsteueraußenprüfung für den Zeitraum ... statt. Der Lohnsteueraußenprüfer kam u.a. zu der Auffassung, dass es sich bei dem Empfang anlässlich der Verabschiedung des Zeugen X nicht um eine Betriebsveranstaltung gehandelt habe, da nicht alle Arbeitnehmer der Klägerin eingeladen gewesen seien. Daher seien die Aufwendungen für den Empfang entsprechend der in R 19.3 Abs. 2 Nr. 3 Lohnsteuerrichtlinie (LStR) niedergelegten Verwaltungsauffassung dem Zeugen X als Arbeitslohn zuzurechnen und eine Nachversteuerung durchzuführen. Hierzu erklärte die Klägerin, dass nicht beabsichtigt sei, den Zeugen X in Regress zu nehmen. Für den Fall, dass Lohnsteuer nachzuerheben sei, gingen die Beteiligten insoweit übereinstimmend von einer Nettozahlung aus. Auf der Grundlage des Ergebnisses der Lohnsteueraußenprüfung erließ der Beklagte am ... einen Haftungs- und Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer für die Jahre ... . Darin setzte der Beklagte für die Übernahme der Kosten für die Veranstaltung vom ... Haftungsbeträge für Lohnsteuern in Höhe von ... €, Solidaritätszuschlag in Höhe von ... € und Kirchensteuer in Höhe von ... €, mithin insgesamt einen Betrag in Höhe von ... € an.
Den gegen diesen Haftungs- und Nachforderungsbescheid eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom ... als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neben Gehältern, Löhnen, Gratifikationen und Tantiemen gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG auch andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gehörten. Dazu zählten alle Einnahmen, die ein Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis erhalte. Die Zuwendung von Arbeitslohn sei anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer für das Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft eine objektive Bereicherung erfahre. Dies sei bei dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Fall, da der Empfang anlässlich seiner Verabschiedung nicht zustande gekommen wäre, wenn dieser nicht vorher der Klägerin seine Arbeitskraft zur Verfügung gestellt hätte. Daneben trete die Präsentation seines Nachfolgers in den Hintergrund. Die Klägerin könne sich auch nicht auf die Regelung in R 19.3 Abs. 2 Nr. 4 LStR berufen, wonach übliche Sachleistungen eines Arbeitgebers bei einem Empfang anlässlich eines runden Geburtstages eines Arbeitnehmers nicht als Arbeitslohn anzusehen seien, wenn es sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles um ein Fest des Arbeitgebers, also um eine betriebliche Veranstaltung handele. Nach dieser Verwaltungsvorschrift gehörten zum steuerpflichtigen Arbeitslohn des Arbeitnehmers nur die Aufwendungen des Arbeitgebers, die auf den Arbeitnehmer selbst, seine Familienangehörigen sowie private Gäste des Abnehmers entfielen, wenn sie 110 € je teilnehmender Person überstiegen. Vorliegend handele es sich jedoch um Sachleistungen des Arbeitgebers aus Anlass einer Verabschiedung des Arbeitnehmers. Dieser Sachverhalt sei speziell in R 19.3 Abs. 2 Nr. 3 LStR geregelt. Danach seien übliche Sachleistungen des Arbeitgebers im Rahmen einer Veranstaltung aus Anlass einer Verabschiedung oder eines Amts- oder Funktionswechsels eines Arbeitnehmers als Zuwendungen im ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers anzusehen. Überstiegen die Aufwendungen jedoch eine Freigrenze von 110 € je teilnehmender Person, seien die Aufwendungen insgesamt dem Arbeitslohn des Arbeitnehmers zuzurechnen. Eine R 19.3 Abs. 2 Nr. 4 LStR vergleichbare Regelung, dass nur die auf den konkreten Arbeitnehmer und dessen persönliche Gäste entfallenden Beträge als Arbeitslohn zu erfassen seien, enthalte Nr. 3 nicht.
Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin weiter gegen die Inanspruchnahme im Wege der Lohnsteuerhaftung für die Übernahme der Kosten des Empfangs aus Anlass der Verabschiedung ihres bisherigen Vorstandsvorsitzenden. Aufgrund des überwiegenden betrieblichen Interesses der Klägerin an der Veranstaltung seien die angefallenen Kosten abgesehen von dem auf den Zeugen X und dessen persönliche Gäste entfallenden Anteil nicht als lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn des Zeugen X, sondern als Betriebsausgaben der Klägerin zu qualifizieren. Bei der Prüfung der Gesamtumstände lasse der Beklagte entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Unrecht die weiteren Anlässe der Veranstaltung, die Präsentation des neuen Vorstandsvorsitzenden und der geänderten Zusammensetzung des Vorstands, unberücksichtigt. Die Klägerin habe das BFH-Urteil vom 28. Januar 2003 (VI R 48/99, BStBl II 2003, 724) zum Anlass genommen, interne Richtlinien für die Durchführung entsprechender Veranstaltungen aufzustellen. Die Einladungen würden daher im Namen der Klägerin erstellt und versandt. Es gebe im Vorhinein bestimmte Listen für die Auswahl möglicher Gäste. Die Organisation und Durchführung dieser Veranstaltungen erfolge durch den sogenannten Vorstandsstab, einer Organisationseinheit von weniger als zehn Personen, die den Vorstand in seiner Tätigkeit unterstütze und insbesondere auch für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig sei. Zudem seien die Veranstaltungen aus Anlass einer personellen Veränderung im Vorstand der Klägerin üblich und entsprächen einer langjährigen betrieblichen Praxis. Dem werde die verkürzende Darstellung in R 19.3 Abs. 2 LStR, dass bei Verabschiedung eines Arbeitnehmers und Kosten von mehr als EUR 110,00 brutto je Teilnehmer stets eine private Veranlassung mit der Folge des Lohnsteuereinbehalts (Nr. 3) gegeben sei, während bei einem runden Geburtstag des Arbeitnehmers unabhängig von der Höhe der Kosten stets eine betriebliche Veranlassung vorliege und deshalb grundsätzlich kein Lohnsteuereinbehalt (Nr. 4) vorzunehmen sei, nicht gerecht. Lediglich der auf den Zeugen X und dessen Gäste rechnerisch entfallende Anteil sei pauschal der Lohnsteuer zu unterwerfen.
Die Klägerin beantragt,
den Haftungs- und Lohnsteuernachforderungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge für die Zeit ... vom ... in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... abzuändern und den Haftungsbetrag um Lohnsteuer in Höhe von ... €, Solidaritätszuschlag in Höhe von ... € und Kirchensteuer in Höhe von ... € zu vermindern und stattdessen einen Betrag in Höhe von ... gem. § 37b Abs. 2 EStG pauschal zu versteuern.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist zur Begründung seines Antrags auf seine Ausführungen in der angefochtenen Einspruchsentscheidung vom ... .
Das Gericht hat aufgrund des Beschlusses vom 23. April 2024 Beweis erhoben über die Planung und Durchführung der Veranstaltung zur Verabschiedung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden X im Streitjahr durch die Vernehmung von X als Zeugen. Hinsichtlich des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23. April 2024 verwiesen.
Entscheidungsgründe
1. Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat. Arbeitslohn sind dabei gem. § 2 Lohnsteuerdurchführungsverordnung (LStDV) alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen. Insoweit ist unerheblich, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form die Einnahmen gewährt werden.
a) Die Zuwendung von Arbeitslohn ist nur dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer für das Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft eine objektive Bereicherung erfährt. Eine objektive Bereicherung des Arbeitnehmers ist jedoch dann nicht gegeben, wenn die Bewirtung der Gäste anlässlich eines Festes des Arbeitgebers erfolgt. Ob ein Empfang, den ein Arbeitgeber beispielsweise anlässlich eines besonderen Ereignisses eines seiner Mitarbeiter ausrichtet, als Fest des Arbeitgebers oder als das des Arbeitnehmers erscheint, ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 28. Januar 2003 VI R 48/99, BStBl II 2003, 724) unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.
Der BFH hat in dem genannten Urteil für den Fall eines besonderen runden Geburtstags eines Arbeitnehmers entscheidend darauf abgestellt, dass zwar der Geburtstag des Arbeitnehmers als Anlass des Festes dafür spreche, dass es sich um ein Fest des Arbeitnehmers handele. Aus den übrigen Umständen könne sich jedoch ergeben, dass es sich gleichwohl um ein Fest des Arbeitgebers handele. Trete der Arbeitgeber als Gastgeber auf, der die Gästeliste bestimme, spreche dies dafür, dass es sich um ein Fest des Arbeitgebers handele. Ferner sei von Bedeutung, ob es sich bei den Gästen um Geschäftspartner des Arbeitgebers, Angehörige des öffentlichen Lebens sowie der Presse, Verbandsfunktionäre sowie Mitarbeiter des Arbeitgebers handele oder um private Freunde und Bekannte des Arbeitnehmers. Finde der Empfang in den Räumen des Arbeitgebers statt, spreche dies ebenfalls dafür, dass es sich um ein Fest des Arbeitgebers handele. Schließlich sei zu berücksichtigen, ob das Fest den Charakter einer privaten Feier aufweise oder ob das nicht der Fall sei. Stelle sich der Empfang danach als Fest des Arbeitgebers dar, sei eine private Mitveranlassung unschädlich. Insbesondere finde § 12 Nr.1 EStG nur für den Bereich der Ausgaben eines Steuerpflichtigen Anwendung, nicht jedoch auf die als Arbeitslohn erzielten Einnahmen i.S. des § 8 EStG (BFH-Urteil vom 28. Januar 2003 VI R 48/99, BStBl II 2003, 724 unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 9. August 1996 VI R 88/93, BStBl II 1997, 97).
b) Nach diesen Grundsätzen, denen der erkennende Senat folgt, scheidet auch im vorliegenden Verfahren eine Haftung der Klägerin als Arbeitgeberin gem. § 42d Abs. 1 EStG aus. Hinsichtlich der entstandenen Kosten für die Feierlichkeiten anlässlich des Ausscheidens des bisherigen Vorstandsvorsitzenden und der Einführung des neuen Vorsitzenden ist nur in einem geringen Umfang Arbeitslohn des Zeugen X als ausgeschiedener Arbeitnehmer der Klägerin anzunehmen.
aa) Nach dem Vortrag der Beteiligten und den Schilderungen des Zeugen stellt sich der Sachverhalt für den Senat so dar, dass allein die Klägerin als Gastgeberin des Empfangs aufgetreten ist. Sie hat die Einladungskarten entworfen und auf der Grundlage eigener, unabhängig von dem konkreten Empfang zuvor festgelegter Einladungslisten bestimmt, welche Personen eingeladen werden sollten. Die Gästeliste war insgesamt nach geschäftsbezogenen Gesichtspunkten erstellt worden. Bei den Gästen handelte es sich um Geschäftspartner der Klägerin, Angehörige des öffentlichen Lebens und der Presse, Vertreter anderer Banken aus dem regionalen Umkreis, Vertreter von ...-Organisationen und der Verbände sowie frühere und jetzige Mitarbeiter der Klägerin, nicht aber um Freunde und Bekannte des Zeugen X. Der Zeuge hatte lediglich die Möglichkeit erhalten, eine kleine Anzahl enger Familienangehöriger zu benennen, die ebenfalls zu der Veranstaltung eingeladen werden sollten. Hiervon hat er in geringem Umfang Gebrauch gemacht, so dass die Klägerin acht persönliche Gäste des Zeugen eingeladen hat. Der Empfang fand in den Geschäftsräumen der Klägerin statt und nicht im Haus des Zeugen X oder in von ihm angemieteten Räumlichkeiten.
bb) Hiervon gehen übereinstimmend auch die Beteiligten aus, nachdem der Zeuge die tatsächlichen Umstände hinsichtlich der Organisation und Durchführung der Veranstaltung vom ... anschaulich geschildert und insoweit den Vortrag der Klägerin bestätigt hat.
aaa) Der Zeuge X hat ausgeführt, dass der Rahmen anlässlich der Verabschiedung eines Vorstandsmitglieds bei der ... durchaus üblich gewesen sei. Auch seine Vorgänger im Amt und andere Vorstandskollegen hätten ähnliche Veranstaltungen ausgerichtet bekommen. Dies gehe auf einen Beschluss des Verwaltungsrates zurück. Der Verwaltungsrat spreche dann auch die Einladungen aus. Für die Organisation und die Umsetzung sei dann eine Mitarbeiterin aus dem Personalbereich zuständig gewesen. Er selbst habe nur ein gewisses Mitspracherecht bei der Auswahl der Speisen gehabt. Für die Auswahl der einzuladenden Personen gebe es entsprechende Listen. Auf diese Liste seien Organe der ..., Mitarbeiter und sogenannte Meinungsbildner aus dem öffentlichen Bereich, sowie besondere Kunden vertreten. Darüber sei ihm die Gelegenheit zur Äußerung von Wünschen gegeben worden, ob weitere Personen aus seinem persönlichen Umfeld eingeladen werden sollten. Die Veranstaltung selbst habe in der Eingangshalle der ... stattgefunden. Nach seiner Erinnerung habe der Slogan der Einladungskarte, die auch durch das Organisationsgremium erstellt worden sei und auf der die ... als Einladende aufgetreten sei, ungefähr "Verabschiedung des Vorstandsvorsitzenden X und Einführung des neuen Vorstandsvorsitzenden Y sowie Übergabe des Vorstandsvorsitzes" geheißen.
Diese Ausführungen sind für den erkennenden Senat in sich schlüssig und nachvollziehbar und decken sich sowohl mit den Ausführungen der Klägerin als auch mit den bisherigen Einschätzungen des Beklagten zum Sachverhalt. Zudem gibt die Aussage des Zeugen X keinen Anlass, an dessen Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Zwar hat der Zeuge als ehemaliger Vorstandsvorsitzender eine gewisse Nähe zur Klägerin. Allerdings ist der Zeuge schon seit einiger Zeit aus dem Amt ausgeschieden und hat kein eigenes wirtschaftliches Interesse an dem Ausgang des Verfahrens. Auch wenn die Frage im Raum steht, ob ihm die Aufwendungen für den Empfang als Arbeitslohn zuzurechnen seien, bestand zwischen den Beteiligten schon im Rahmen der Lohnsteueraußenprüfung Einigkeit darüber, dass es sich für den Fall, dass die Aufwendungen als Arbeitslohn zu behandeln seien, um einen Nettolohnvereinbarung handeln solle. Somit hat die Beurteilung dieser Frage letztlich keine steuerlichen Auswirkungen für den Zeugen.
bbb) Insgesamt stellt sich danach der Empfang als eine Veranstaltung der Klägerin dar, die als Einladende die Gästeliste bestimmt und den Empfang in den eigenen Geschäftsräumen durchgeführt hat. Neben der Verabschiedung des bisherigen Vorstandsvorsitzenden hat die Klägerin zugleich den geladenen Gästen auch den neuen Vorstandsvorsitzenden vorgestellt. Die persönliche Ehrung des Zeugen X als Anlass für den Empfang trat daneben in den Hintergrund, ebenso wie die im Vergleich zur Gesamtgästezahl sehr geringe Anzahl der auf persönliche Veranlassung des Zeugen X geladenen Gäste aus dessen familiären Umfeld. Damit führt die Kostentragung durch die Klägerin - abgesehen von der Einschränkung im Antrag der Klägerin hinsichtlich der auf den Zeugen X selbst und dessen Familienangehörigen entfallenden Aufwendungen - nicht zu einer Zuwendung von Arbeitslohn an ihn.
cc) Soweit sich der Beklagte auf die Verwaltungsvorschrift der Lohnsteuerrichtlinie (LStR) R 19.3 Abs. 2 Nr. 3 beruft, folgt der Senat der dort vertretenen Auffassung nicht.
Noch in den Lohnsteuerrichtlinien 2003 hatte das Bundesfinanzministerium (BMF) die verbindliche Verwaltungsauffassung dahingehend vorgegeben, dass übliche Sachleistungen des Arbeitgebers aus Anlass der Diensteinführung, eines Amts- oder Funktionswechsels, eines runden Arbeitnehmerjubiläums oder der Verabschiedung eines Arbeitnehmers nicht als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft anzusehen seien, soweit die Aufwendungen des Arbeitgebers einschließlich der Umsatzsteuer je teilnehmender Person einen Betrag von 110 € nicht übersteigen. Anderenfalls seien die Aufwendungen dem Arbeitslohn des Arbeitnehmers zuzurechnen.
In der Folge der BFH-Entscheidung vom 28. Januar 2003 (VI R 48/99, a.a.O.) hat das BMF insoweit für die Verwaltung bindend in der ab 2005 geltenden Lohnsteuerrichtlinie R 70 Abs. 2 Nr. 3a vorgegeben, dass übliche Sachleistungen bei einem Empfang anlässlich eines runden Geburtstags eines Arbeitnehmers nicht zum Arbeitslohn gehören, wenn es sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls um ein Fest des Arbeitgebers handele. Ausgenommen hiervon seien lediglich die anteiligen Aufwendungen des Arbeitgebers, die auf den Arbeitnehmer selbst, seine Familienangehörigen sowie private Gäste des Arbeitnehmers entfielen, wenn diese Aufwendungen mehr als 110 € je teilnehmender Person ausmachten.
Die darin vertretene Verwaltungsauffassung, die der zwischenzeitlich erfolgten und für das Jahr ... geltenden Neufassung in R 19.3 Abs. 2 Nr. 3 (Sachleistungen aus Anlass der Diensteinführung, eines Amts- oder Funktionswechsels ... oder der Verabschiedung eines Arbeitnehmers) und Nummer 4 (übliche Sachleistungen anlässlich eines runden Geburtstages eines Arbeitnehmers) entsprechen, ist in sich nicht widerspruchsfrei und steht mit den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 28. Januar 2003 (VI R 48/99, a.a.O.) nicht in Einklang. Die Unterscheidung der Aufwendungen in solche anlässlich der Verabschiedung eines Arbeitnehmers, die bei Überschreiten der Freigrenze von 110 € insgesamt zu Arbeitslohn des Arbeitnehmers führen sollen, und in solche anlässlich eines runden Geburtstages, die lediglich bei Überschreiten der Freigrenze von 110 € hinsichtlich des betroffenen Arbeitnehmers und seiner privaten Gäste zu Arbeitslohn führen sollen, ist nicht nachvollziehbar. Unter Berücksichtigung der BFH-Entscheidung vom 28. Januar 2003 (VI R 48/99, a.a.O.) erscheint es dem erkennenden Senat umso mehr gerechtfertigt, die hinsichtlich eines Fests des Arbeitgebers aus Anlass eines runden Geburtstages eines Arbeitnehmers aufgestellten Grundsätze auch für den Fall der Verabschiedung eines Arbeitnehmers anzuwenden. Eine sachgerechte Differenzierung lässt sich insoweit nicht erkennen. Vielmehr ist der Senat der Auffassung, dass ein Fest anlässlich der Diensteinführung oder der Verabschiedung eines Arbeitnehmers sogar eher den betrieblichen Bereich des Arbeitgebers betrifft als ein runder Geburtstag eines Arbeitnehmers.
2. Soweit die Klägerin beantragt hat, den auf den Zeugen X und dessen persönliche Gäste entfallenden Kostenanteil in Höhe von ... € gem. § 37b Abs. 2 EStG pauschal mit 30 v.H. der aufgewendeten Kosten zu versteuern folgt der Senat dem Antrag der Klägerin.
Nach § 37b Abs. 1 EStG können Steuerpflichtige die Einkommensteuer einheitlich u.a. für alle innerhalb eines Wirtschaftsjahres gewährten betrieblich veranlassten Zuwendungen, die zusätzlich zur ohnehin vereinbarten Leistung oder Gegenleistung erbracht werden und die nicht in Geld bestehen, mit einem Pauschsteuersatz von 30 Prozent erheben. Gem. Abs. 2 gilt Abs. 1 auch für betrieblich veranlasste Zuwendungen an Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen, soweit sie nicht in Geld bestehen und zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden. Dabei kann der Senat jedoch offenlassen, ob eine entsprechende Versteuerung, über die sich die Beteiligten insoweit einig sind, im vorliegenden Verfahren vorzunehmen ist, da der Senat nicht über den Antrag der Klägerin hinausgehen kann.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 1 und 3, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
III. Die Zulassung der Revision erfolgt gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Rechtsfortbildung, da die von der Verwaltung in R 19.3 Abs. 2 Nr. 3 und 4 LStR vorgenommene Unterscheidung zwischen einer Verabschiedung oder einem runden Geburtstag eines Mitarbeiters nicht sachgerecht erscheint.
Urteil vom 23.04.2024
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Inanspruchnahme der Klägerin im Wege der Lohnsteuerhaftung.
Die Klägerin ist ein Geldinstitut. Im Streitjahr trat der damalige Vorstandsvorsitzende der Klägerin, der Zeuge X, in den Ruhestand und schied aus dem Vorstand der Klägerin aus. Als Nachfolger im Amt des Vorstandsvorsitzenden wurde Y berufen. In diesem Zusammenhang veranstaltete die Klägerin im Streitjahr einen Empfang in den Geschäftsräumen ihrer Unternehmenszentrale in A. Für die Organisation und die Umsetzung der Veranstaltung war ein vom Verwaltungsrat bestimmtes Organisationsgremium insbesondere unter der Leitung einer Mitarbeiterin aus dem Personalbereich zuständig. Dieses erstellte die Einladungskarten und sprach die Einladungen auf der Grundlage einer unabhängig von der konkreten Veranstaltung zuvor nach geschäftsbezogenen Gesichtspunkten festgelegten Einladungsliste aus. Unter den ca. 300 geladenen Gästen befanden sich frühere und jetzige Vorstandsmitglieder der Klägerin, ausgewählte Mitarbeiter sowie der Verwaltungsrat, Angehörige des öffentlichen Lebens aus Politik, Verwaltung sowie bedeutenden Unternehmen und Institutionen aus der Region. Weiter waren Vertreter von Banken und Sparkassen, Vertreter von Verbänden Kammern und kulturellen Einrichtungen sowie Pressevertreter anwesend. Zudem waren acht Familienangehörige des Zeugen X als Gäste geladen. Im Rahmen des Empfangs stellte die Klägerin auch ihren neuen Vorstandsvorsitzenden vor. Die Gesamtaufwendungen für den Empfang in Höhe von ... € übernahm die Klägerin.
Aufgrund einer Prüfungsanordnung vom ... fand bei der Klägerin eine Lohnsteueraußenprüfung für den Zeitraum ... statt. Der Lohnsteueraußenprüfer kam u.a. zu der Auffassung, dass es sich bei dem Empfang anlässlich der Verabschiedung des Zeugen X nicht um eine Betriebsveranstaltung gehandelt habe, da nicht alle Arbeitnehmer der Klägerin eingeladen gewesen seien. Daher seien die Aufwendungen für den Empfang entsprechend der in R 19.3 Abs. 2 Nr. 3 Lohnsteuerrichtlinie (LStR) niedergelegten Verwaltungsauffassung dem Zeugen X als Arbeitslohn zuzurechnen und eine Nachversteuerung durchzuführen. Hierzu erklärte die Klägerin, dass nicht beabsichtigt sei, den Zeugen X in Regress zu nehmen. Für den Fall, dass Lohnsteuer nachzuerheben sei, gingen die Beteiligten insoweit übereinstimmend von einer Nettozahlung aus. Auf der Grundlage des Ergebnisses der Lohnsteueraußenprüfung erließ der Beklagte am ... einen Haftungs- und Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer für die Jahre ... . Darin setzte der Beklagte für die Übernahme der Kosten für die Veranstaltung vom ... Haftungsbeträge für Lohnsteuern in Höhe von ... €, Solidaritätszuschlag in Höhe von ... € und Kirchensteuer in Höhe von ... €, mithin insgesamt einen Betrag in Höhe von ... € an.
Den gegen diesen Haftungs- und Nachforderungsbescheid eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom ... als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neben Gehältern, Löhnen, Gratifikationen und Tantiemen gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG auch andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gehörten. Dazu zählten alle Einnahmen, die ein Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis erhalte. Die Zuwendung von Arbeitslohn sei anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer für das Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft eine objektive Bereicherung erfahre. Dies sei bei dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Fall, da der Empfang anlässlich seiner Verabschiedung nicht zustande gekommen wäre, wenn dieser nicht vorher der Klägerin seine Arbeitskraft zur Verfügung gestellt hätte. Daneben trete die Präsentation seines Nachfolgers in den Hintergrund. Die Klägerin könne sich auch nicht auf die Regelung in R 19.3 Abs. 2 Nr. 4 LStR berufen, wonach übliche Sachleistungen eines Arbeitgebers bei einem Empfang anlässlich eines runden Geburtstages eines Arbeitnehmers nicht als Arbeitslohn anzusehen seien, wenn es sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles um ein Fest des Arbeitgebers, also um eine betriebliche Veranstaltung handele. Nach dieser Verwaltungsvorschrift gehörten zum steuerpflichtigen Arbeitslohn des Arbeitnehmers nur die Aufwendungen des Arbeitgebers, die auf den Arbeitnehmer selbst, seine Familienangehörigen sowie private Gäste des Abnehmers entfielen, wenn sie 110 € je teilnehmender Person überstiegen. Vorliegend handele es sich jedoch um Sachleistungen des Arbeitgebers aus Anlass einer Verabschiedung des Arbeitnehmers. Dieser Sachverhalt sei speziell in R 19.3 Abs. 2 Nr. 3 LStR geregelt. Danach seien übliche Sachleistungen des Arbeitgebers im Rahmen einer Veranstaltung aus Anlass einer Verabschiedung oder eines Amts- oder Funktionswechsels eines Arbeitnehmers als Zuwendungen im ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers anzusehen. Überstiegen die Aufwendungen jedoch eine Freigrenze von 110 € je teilnehmender Person, seien die Aufwendungen insgesamt dem Arbeitslohn des Arbeitnehmers zuzurechnen. Eine R 19.3 Abs. 2 Nr. 4 LStR vergleichbare Regelung, dass nur die auf den konkreten Arbeitnehmer und dessen persönliche Gäste entfallenden Beträge als Arbeitslohn zu erfassen seien, enthalte Nr. 3 nicht.
Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin weiter gegen die Inanspruchnahme im Wege der Lohnsteuerhaftung für die Übernahme der Kosten des Empfangs aus Anlass der Verabschiedung ihres bisherigen Vorstandsvorsitzenden. Aufgrund des überwiegenden betrieblichen Interesses der Klägerin an der Veranstaltung seien die angefallenen Kosten abgesehen von dem auf den Zeugen X und dessen persönliche Gäste entfallenden Anteil nicht als lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn des Zeugen X, sondern als Betriebsausgaben der Klägerin zu qualifizieren. Bei der Prüfung der Gesamtumstände lasse der Beklagte entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Unrecht die weiteren Anlässe der Veranstaltung, die Präsentation des neuen Vorstandsvorsitzenden und der geänderten Zusammensetzung des Vorstands, unberücksichtigt. Die Klägerin habe das BFH-Urteil vom 28. Januar 2003 (VI R 48/99, BStBl II 2003, 724) zum Anlass genommen, interne Richtlinien für die Durchführung entsprechender Veranstaltungen aufzustellen. Die Einladungen würden daher im Namen der Klägerin erstellt und versandt. Es gebe im Vorhinein bestimmte Listen für die Auswahl möglicher Gäste. Die Organisation und Durchführung dieser Veranstaltungen erfolge durch den sogenannten Vorstandsstab, einer Organisationseinheit von weniger als zehn Personen, die den Vorstand in seiner Tätigkeit unterstütze und insbesondere auch für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig sei. Zudem seien die Veranstaltungen aus Anlass einer personellen Veränderung im Vorstand der Klägerin üblich und entsprächen einer langjährigen betrieblichen Praxis. Dem werde die verkürzende Darstellung in R 19.3 Abs. 2 LStR, dass bei Verabschiedung eines Arbeitnehmers und Kosten von mehr als EUR 110,00 brutto je Teilnehmer stets eine private Veranlassung mit der Folge des Lohnsteuereinbehalts (Nr. 3) gegeben sei, während bei einem runden Geburtstag des Arbeitnehmers unabhängig von der Höhe der Kosten stets eine betriebliche Veranlassung vorliege und deshalb grundsätzlich kein Lohnsteuereinbehalt (Nr. 4) vorzunehmen sei, nicht gerecht. Lediglich der auf den Zeugen X und dessen Gäste rechnerisch entfallende Anteil sei pauschal der Lohnsteuer zu unterwerfen.
Die Klägerin beantragt,
den Haftungs- und Lohnsteuernachforderungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge für die Zeit ... vom ... in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... abzuändern und den Haftungsbetrag um Lohnsteuer in Höhe von ... €, Solidaritätszuschlag in Höhe von ... € und Kirchensteuer in Höhe von ... € zu vermindern und stattdessen einen Betrag in Höhe von ... gem. § 37b Abs. 2 EStG pauschal zu versteuern.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist zur Begründung seines Antrags auf seine Ausführungen in der angefochtenen Einspruchsentscheidung vom ... .
Das Gericht hat aufgrund des Beschlusses vom 23. April 2024 Beweis erhoben über die Planung und Durchführung der Veranstaltung zur Verabschiedung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden X im Streitjahr durch die Vernehmung von X als Zeugen. Hinsichtlich des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23. April 2024 verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist begründet. Der angefochtene Haftungs- und Nachforderungsbescheid vom ... in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... ist in dem von der Klägerin geltend gemacht Umfang rechtswidrig und verletzt sie in ihren Rechten. Der Beklagte hat die Klägerin weitgehend zu Unrecht für Lohnsteuer auf Aufwendungen für die Veranstaltung anlässlich der Verabschiedung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden, des Zeugen X, in Haftung genommen. Bei diesen Aufwendungen handelte sich nicht um Arbeitslohn des Zeugen X, soweit diese rechnerisch nicht auf den Zeugen und seine eingeladenen Familienangehörigen entfallen.
1. Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat. Arbeitslohn sind dabei gem. § 2 Lohnsteuerdurchführungsverordnung (LStDV) alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen. Insoweit ist unerheblich, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form die Einnahmen gewährt werden.
a) Die Zuwendung von Arbeitslohn ist nur dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer für das Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft eine objektive Bereicherung erfährt. Eine objektive Bereicherung des Arbeitnehmers ist jedoch dann nicht gegeben, wenn die Bewirtung der Gäste anlässlich eines Festes des Arbeitgebers erfolgt. Ob ein Empfang, den ein Arbeitgeber beispielsweise anlässlich eines besonderen Ereignisses eines seiner Mitarbeiter ausrichtet, als Fest des Arbeitgebers oder als das des Arbeitnehmers erscheint, ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 28. Januar 2003 VI R 48/99, BStBl II 2003, 724) unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.
Der BFH hat in dem genannten Urteil für den Fall eines besonderen runden Geburtstags eines Arbeitnehmers entscheidend darauf abgestellt, dass zwar der Geburtstag des Arbeitnehmers als Anlass des Festes dafür spreche, dass es sich um ein Fest des Arbeitnehmers handele. Aus den übrigen Umständen könne sich jedoch ergeben, dass es sich gleichwohl um ein Fest des Arbeitgebers handele. Trete der Arbeitgeber als Gastgeber auf, der die Gästeliste bestimme, spreche dies dafür, dass es sich um ein Fest des Arbeitgebers handele. Ferner sei von Bedeutung, ob es sich bei den Gästen um Geschäftspartner des Arbeitgebers, Angehörige des öffentlichen Lebens sowie der Presse, Verbandsfunktionäre sowie Mitarbeiter des Arbeitgebers handele oder um private Freunde und Bekannte des Arbeitnehmers. Finde der Empfang in den Räumen des Arbeitgebers statt, spreche dies ebenfalls dafür, dass es sich um ein Fest des Arbeitgebers handele. Schließlich sei zu berücksichtigen, ob das Fest den Charakter einer privaten Feier aufweise oder ob das nicht der Fall sei. Stelle sich der Empfang danach als Fest des Arbeitgebers dar, sei eine private Mitveranlassung unschädlich. Insbesondere finde § 12 Nr.1 EStG nur für den Bereich der Ausgaben eines Steuerpflichtigen Anwendung, nicht jedoch auf die als Arbeitslohn erzielten Einnahmen i.S. des § 8 EStG (BFH-Urteil vom 28. Januar 2003 VI R 48/99, BStBl II 2003, 724 unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 9. August 1996 VI R 88/93, BStBl II 1997, 97).
b) Nach diesen Grundsätzen, denen der erkennende Senat folgt, scheidet auch im vorliegenden Verfahren eine Haftung der Klägerin als Arbeitgeberin gem. § 42d Abs. 1 EStG aus. Hinsichtlich der entstandenen Kosten für die Feierlichkeiten anlässlich des Ausscheidens des bisherigen Vorstandsvorsitzenden und der Einführung des neuen Vorsitzenden ist nur in einem geringen Umfang Arbeitslohn des Zeugen X als ausgeschiedener Arbeitnehmer der Klägerin anzunehmen.
aa) Nach dem Vortrag der Beteiligten und den Schilderungen des Zeugen stellt sich der Sachverhalt für den Senat so dar, dass allein die Klägerin als Gastgeberin des Empfangs aufgetreten ist. Sie hat die Einladungskarten entworfen und auf der Grundlage eigener, unabhängig von dem konkreten Empfang zuvor festgelegter Einladungslisten bestimmt, welche Personen eingeladen werden sollten. Die Gästeliste war insgesamt nach geschäftsbezogenen Gesichtspunkten erstellt worden. Bei den Gästen handelte es sich um Geschäftspartner der Klägerin, Angehörige des öffentlichen Lebens und der Presse, Vertreter anderer Banken aus dem regionalen Umkreis, Vertreter von ...-Organisationen und der Verbände sowie frühere und jetzige Mitarbeiter der Klägerin, nicht aber um Freunde und Bekannte des Zeugen X. Der Zeuge hatte lediglich die Möglichkeit erhalten, eine kleine Anzahl enger Familienangehöriger zu benennen, die ebenfalls zu der Veranstaltung eingeladen werden sollten. Hiervon hat er in geringem Umfang Gebrauch gemacht, so dass die Klägerin acht persönliche Gäste des Zeugen eingeladen hat. Der Empfang fand in den Geschäftsräumen der Klägerin statt und nicht im Haus des Zeugen X oder in von ihm angemieteten Räumlichkeiten.
bb) Hiervon gehen übereinstimmend auch die Beteiligten aus, nachdem der Zeuge die tatsächlichen Umstände hinsichtlich der Organisation und Durchführung der Veranstaltung vom ... anschaulich geschildert und insoweit den Vortrag der Klägerin bestätigt hat.
aaa) Der Zeuge X hat ausgeführt, dass der Rahmen anlässlich der Verabschiedung eines Vorstandsmitglieds bei der ... durchaus üblich gewesen sei. Auch seine Vorgänger im Amt und andere Vorstandskollegen hätten ähnliche Veranstaltungen ausgerichtet bekommen. Dies gehe auf einen Beschluss des Verwaltungsrates zurück. Der Verwaltungsrat spreche dann auch die Einladungen aus. Für die Organisation und die Umsetzung sei dann eine Mitarbeiterin aus dem Personalbereich zuständig gewesen. Er selbst habe nur ein gewisses Mitspracherecht bei der Auswahl der Speisen gehabt. Für die Auswahl der einzuladenden Personen gebe es entsprechende Listen. Auf diese Liste seien Organe der ..., Mitarbeiter und sogenannte Meinungsbildner aus dem öffentlichen Bereich, sowie besondere Kunden vertreten. Darüber sei ihm die Gelegenheit zur Äußerung von Wünschen gegeben worden, ob weitere Personen aus seinem persönlichen Umfeld eingeladen werden sollten. Die Veranstaltung selbst habe in der Eingangshalle der ... stattgefunden. Nach seiner Erinnerung habe der Slogan der Einladungskarte, die auch durch das Organisationsgremium erstellt worden sei und auf der die ... als Einladende aufgetreten sei, ungefähr "Verabschiedung des Vorstandsvorsitzenden X und Einführung des neuen Vorstandsvorsitzenden Y sowie Übergabe des Vorstandsvorsitzes" geheißen.
Diese Ausführungen sind für den erkennenden Senat in sich schlüssig und nachvollziehbar und decken sich sowohl mit den Ausführungen der Klägerin als auch mit den bisherigen Einschätzungen des Beklagten zum Sachverhalt. Zudem gibt die Aussage des Zeugen X keinen Anlass, an dessen Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Zwar hat der Zeuge als ehemaliger Vorstandsvorsitzender eine gewisse Nähe zur Klägerin. Allerdings ist der Zeuge schon seit einiger Zeit aus dem Amt ausgeschieden und hat kein eigenes wirtschaftliches Interesse an dem Ausgang des Verfahrens. Auch wenn die Frage im Raum steht, ob ihm die Aufwendungen für den Empfang als Arbeitslohn zuzurechnen seien, bestand zwischen den Beteiligten schon im Rahmen der Lohnsteueraußenprüfung Einigkeit darüber, dass es sich für den Fall, dass die Aufwendungen als Arbeitslohn zu behandeln seien, um einen Nettolohnvereinbarung handeln solle. Somit hat die Beurteilung dieser Frage letztlich keine steuerlichen Auswirkungen für den Zeugen.
bbb) Insgesamt stellt sich danach der Empfang als eine Veranstaltung der Klägerin dar, die als Einladende die Gästeliste bestimmt und den Empfang in den eigenen Geschäftsräumen durchgeführt hat. Neben der Verabschiedung des bisherigen Vorstandsvorsitzenden hat die Klägerin zugleich den geladenen Gästen auch den neuen Vorstandsvorsitzenden vorgestellt. Die persönliche Ehrung des Zeugen X als Anlass für den Empfang trat daneben in den Hintergrund, ebenso wie die im Vergleich zur Gesamtgästezahl sehr geringe Anzahl der auf persönliche Veranlassung des Zeugen X geladenen Gäste aus dessen familiären Umfeld. Damit führt die Kostentragung durch die Klägerin - abgesehen von der Einschränkung im Antrag der Klägerin hinsichtlich der auf den Zeugen X selbst und dessen Familienangehörigen entfallenden Aufwendungen - nicht zu einer Zuwendung von Arbeitslohn an ihn.
cc) Soweit sich der Beklagte auf die Verwaltungsvorschrift der Lohnsteuerrichtlinie (LStR) R 19.3 Abs. 2 Nr. 3 beruft, folgt der Senat der dort vertretenen Auffassung nicht.
Noch in den Lohnsteuerrichtlinien 2003 hatte das Bundesfinanzministerium (BMF) die verbindliche Verwaltungsauffassung dahingehend vorgegeben, dass übliche Sachleistungen des Arbeitgebers aus Anlass der Diensteinführung, eines Amts- oder Funktionswechsels, eines runden Arbeitnehmerjubiläums oder der Verabschiedung eines Arbeitnehmers nicht als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft anzusehen seien, soweit die Aufwendungen des Arbeitgebers einschließlich der Umsatzsteuer je teilnehmender Person einen Betrag von 110 € nicht übersteigen. Anderenfalls seien die Aufwendungen dem Arbeitslohn des Arbeitnehmers zuzurechnen.
In der Folge der BFH-Entscheidung vom 28. Januar 2003 (VI R 48/99, a.a.O.) hat das BMF insoweit für die Verwaltung bindend in der ab 2005 geltenden Lohnsteuerrichtlinie R 70 Abs. 2 Nr. 3a vorgegeben, dass übliche Sachleistungen bei einem Empfang anlässlich eines runden Geburtstags eines Arbeitnehmers nicht zum Arbeitslohn gehören, wenn es sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls um ein Fest des Arbeitgebers handele. Ausgenommen hiervon seien lediglich die anteiligen Aufwendungen des Arbeitgebers, die auf den Arbeitnehmer selbst, seine Familienangehörigen sowie private Gäste des Arbeitnehmers entfielen, wenn diese Aufwendungen mehr als 110 € je teilnehmender Person ausmachten.
Die darin vertretene Verwaltungsauffassung, die der zwischenzeitlich erfolgten und für das Jahr ... geltenden Neufassung in R 19.3 Abs. 2 Nr. 3 (Sachleistungen aus Anlass der Diensteinführung, eines Amts- oder Funktionswechsels ... oder der Verabschiedung eines Arbeitnehmers) und Nummer 4 (übliche Sachleistungen anlässlich eines runden Geburtstages eines Arbeitnehmers) entsprechen, ist in sich nicht widerspruchsfrei und steht mit den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 28. Januar 2003 (VI R 48/99, a.a.O.) nicht in Einklang. Die Unterscheidung der Aufwendungen in solche anlässlich der Verabschiedung eines Arbeitnehmers, die bei Überschreiten der Freigrenze von 110 € insgesamt zu Arbeitslohn des Arbeitnehmers führen sollen, und in solche anlässlich eines runden Geburtstages, die lediglich bei Überschreiten der Freigrenze von 110 € hinsichtlich des betroffenen Arbeitnehmers und seiner privaten Gäste zu Arbeitslohn führen sollen, ist nicht nachvollziehbar. Unter Berücksichtigung der BFH-Entscheidung vom 28. Januar 2003 (VI R 48/99, a.a.O.) erscheint es dem erkennenden Senat umso mehr gerechtfertigt, die hinsichtlich eines Fests des Arbeitgebers aus Anlass eines runden Geburtstages eines Arbeitnehmers aufgestellten Grundsätze auch für den Fall der Verabschiedung eines Arbeitnehmers anzuwenden. Eine sachgerechte Differenzierung lässt sich insoweit nicht erkennen. Vielmehr ist der Senat der Auffassung, dass ein Fest anlässlich der Diensteinführung oder der Verabschiedung eines Arbeitnehmers sogar eher den betrieblichen Bereich des Arbeitgebers betrifft als ein runder Geburtstag eines Arbeitnehmers.
2. Soweit die Klägerin beantragt hat, den auf den Zeugen X und dessen persönliche Gäste entfallenden Kostenanteil in Höhe von ... € gem. § 37b Abs. 2 EStG pauschal mit 30 v.H. der aufgewendeten Kosten zu versteuern folgt der Senat dem Antrag der Klägerin.
Nach § 37b Abs. 1 EStG können Steuerpflichtige die Einkommensteuer einheitlich u.a. für alle innerhalb eines Wirtschaftsjahres gewährten betrieblich veranlassten Zuwendungen, die zusätzlich zur ohnehin vereinbarten Leistung oder Gegenleistung erbracht werden und die nicht in Geld bestehen, mit einem Pauschsteuersatz von 30 Prozent erheben. Gem. Abs. 2 gilt Abs. 1 auch für betrieblich veranlasste Zuwendungen an Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen, soweit sie nicht in Geld bestehen und zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden. Dabei kann der Senat jedoch offenlassen, ob eine entsprechende Versteuerung, über die sich die Beteiligten insoweit einig sind, im vorliegenden Verfahren vorzunehmen ist, da der Senat nicht über den Antrag der Klägerin hinausgehen kann.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 1 und 3, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
III. Die Zulassung der Revision erfolgt gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Rechtsfortbildung, da die von der Verwaltung in R 19.3 Abs. 2 Nr. 3 und 4 LStR vorgenommene Unterscheidung zwischen einer Verabschiedung oder einem runden Geburtstag eines Mitarbeiters nicht sachgerecht erscheint.