18.10.2024 · IWW-Abrufnummer 244342
Landesarbeitsgericht Niedersachsen: Urteil vom 05.06.2024 – 8 Sa 562/23
Eine Freistellung der Arbeitnehmerin von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung in Höhe von 50 Tagen im Zusammenhang mit einer Fortbildungsmaßnahme rechtfertigt nicht die Vereinbarung einer Bindungsdauer von fünf Jahren. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber im Rahmen der Fortbildungsmaßnahme zusätzlich Studiengebühren in nicht unerheblicher Höhe trägt.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts A-Stadt vom 03.08.2023 - 4 Ca 74/23 Ö - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
Tatbestand
Das klagende Land verlangt als Arbeitgeber von der beklagten Arbeitnehmerin die Rückzahlung von Fortbildungskosten.
Die Beklagte stand seit dem 18.08.0000 in einem Arbeitsverhältnis mit der in der Trägerschaft des klagenden Landes stehenden Universität. Gemäß Arbeitsvertrag vom 05.07.0000 (vgl. Bl. 7 der erstinstanzlichen Akte), durch den Tarifverträge der Länder in Bezug genommen wurden, war sie im Dezernat Gebäudemanagement als Verwaltungsmitarbeiterin beschäftigt und mit der Abschnittsleitung der Vergabestelle befasst. Für diese Tätigkeit erhielt die Beklagte Vergütung gemäß Entgeltgruppe 12 TV-L.
Am 01.08.0000/16.08.0000 schloss die Beklagte mit der ... GmbH - Institut für ... - einen Studienvertrag (vgl. Bl. 12 - 20 d.A.). Gemäß § 1 dieses Vertrages bot die ... GmbH in Kooperation mit der Fachhochschule ... einen berufsbegleitenden Master-Studiengang "Baurecht im Lebenszyklus von Bauwerken" an, der über einen Zeitraum von vier Semestern als Regelstudienzeit zu absolvieren war.
Am 08.08.0000 schlossen die Parteien einen Fortbildungsvertrag (vgl. Bl. 34 d.A.). In diesem Vertrag heißt es:
"...§ 1 Der Arbeitgeber ermöglicht Frau ... die Teilnahme an dem Masterstudiengang ... und finanziert ihr die hierfür anfallenden Studienbeiträge. Es besteht Einvernehmen darüber, dass die genannte Fortbildungsmaßnahme eine wirtschaftliche, den Marktwert der Arbeitskraft erhöhende Ausbildung darstellt. § 2 Für den Fall, dass die Beschäftigte innerhalb von 5 Jahren nach Beendigung des o.g. Mastestudiengangs aus dem Dienst der ... Universität ... aus von ihr zu vertretenden Gründen ausscheidet, verpflichtet sich diese zur Rückzahlung der finanzierten Studienbeiträge entsprechend nachstehender Regelung: a) Beim Ausscheiden der Beschäftigten bis 1 Jahr nach Beendigung des o.g. Masterstudiengangs sind 100 % der finanzierten Studienbeiträge in 60 Monatsraten zu erstatten. ... Nicht von der Beschäftigten zu vertretende Gründe sind: - gesundheitliche Gründe - wesentliche Änderungen des Aufgabengebietes der Beschäftigten. Auf eine Rückzahlung kann ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn diese eine unbillige Härte darstellt. ..."Die Beklagte schloss am 25.11.2021 den Studiengang erfolgreich ab. Für dieses Studium zahlte die Universität des klagenden Landes Studienbeiträge in Höhe von 4 x 3.570,00 Euro, insgesamt mithin 14.280,00 Euro.
Mit Schreiben vom 26.07.2022 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.9.2022.
Nach dem Ausscheiden der Beklagten schrieb die Universität des klagenden Landes eine Stelle als Leitung des Sachgebietes Vergabe- und Vertragswesen erneut aus. In dieser Stellenausschreibung (vgl. Anlage B1, Bl. 114 d.A.) ist eine Vergütung dieser Tätigkeit gem. Entgeltgruppe 14 TV-L aufgeführt. Ob die Aufgaben der Stelle mit den von der Beklagten seinerzeit für die Klägerin wahrgenommenen Tätigkeiten identisch sind, ist zwischen den Parteien streitig.
Mit der am 28.04.2023 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage vertritt das Land die Auffassung, die Beklagte sei zur Rückzahlung der Studienbeiträge verpflichtet. Die Bindungsdauer sei angemessen. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, aus nicht von ihr selbst zu vertretenden oder aus gesundheitlichen Gründen ausgeschieden zu sein.
Das klagende Land hat vor dem Arbeitsgericht beantragt,
1) die Beklagte zu verurteilen, an das klagende Land 2.380,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 238,00 Euro seit dem 01.10.2022, aus 238,00 Euro seit dem 01.11.2022, aus 238,00 Euro seit dem 01.12.2022, aus 238,00 Euro seit dem 01.01.2023, aus 238,00 Euro seit dem 01.02.2023, aus 238,00 Euro seit dem 01.03.2023, aus 238,00 Euro seit dem 01.04.2023, aus 238,00 Euro seit dem 01.05.2023, aus 238,0 Euro seit dem 01.06.2023 und aus 238,00 Euro seit dem 01.07.2023 zu zahlen. 2) die Beklagte weiterhin zu verurteilen, an das klagende Land 11.900,00 Euro, zu zahlen in 50 Monatsraten à 238,00 Euro, zu zahlen.Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.Sie hat vor dem Arbeitsgericht geltend gemacht, ein Rückzahlungsanspruch des klagenden Landes bestehe nicht. Sie sei nicht aus von ihr zu vertretenden Gründen bei der Universität ausgeschieden. Ihre Aufgaben hätten sich im Laufe des Arbeitsverhältnisses verändert. Wegen der Schwangerschaften von Mitarbeiterinnen ihrer Abteilung sei es zu einer erheblich größeren Arbeitsbelastung der Beklagten gekommen. Sie habe nach erfolgreichem Abschluss des Studienganges gegenüber Vorgesetzten mündlich den Wunsch auf Höhergruppierung geäußert, was von den Vorgesetzten abgelehnt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Inhalt der dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Mit Urteil vom 3.8.2023, der Beklagten zu Händen ihrer Prozessbevollmächtigten zugestellt am 23.8.2023, hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, bei der Rückzahlungsklausel handele es sich zwar um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Diese genüge allerdings den Anforderungen der §§ 305 BGB, insbesondere sei die Dauer der Rückzahlungsverpflichtung der Beklagten bei ihrem Ausscheiden bis 5 Jahre nach dem Ende ihres Master-Studienganges nicht zu beanstanden. Der Wert der Qualifikation für die Beklagte sei ausschlaggebend für die lange Bindungsdauer. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei auch nicht davon auszugehen, dass ihr Ausscheiden aus nicht von ihr zu vertretenden Gründen erfolgt sei.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 29.8.2023 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung mit einem am 6.11.2023 bei dem erkennenden Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Sie macht geltend, das Arbeitsgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass die fünfjährige Bindungsdauer nicht zu beanstanden sei. Gleiches gelte für die nur jährliche und nicht monatliche Staffelung des Rückzahlungsbetrages. § 2 des Fortbildungsvertrages der Parteien enthalte auch keine ausreichende Differenzierung hinsichtlich des Grundes des Ausspruchs einer Eigenkündigung durch die Beklagte. Schließlich sei das Arbeitsgericht auch rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass das Ausscheiden der Beklagten nicht aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen erfolgt sei.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das am 03.08.2023 unter dem Aktenzeichen 4 Ca 74/23 Ö verkündete Urteil des Arbeitsgerichts A-Stadt abzuändern und die Klage abzuweisen.Das klagende und berufungsbeklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.Es tritt im Wesentlichen der erstinstanzlichen Entscheidung bei und verteidigt diese. Es tätigt insbesondere ins Einzelne gehende Darstellungen zur Untermauerung seiner Behauptung, das Ausscheiden der Beklagten sei nicht aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen erfolgt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in zweiter Instanz wird auf die hier zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der Kammerverhandlung vom 5.6.2024 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.
I.
Die Berufung ist zulässig, sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingereicht und begründet worden.
II.
Die Berufung ist auch begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rückzahlung der finanzierten Studienbeiträge nicht zu. Auf den Fortbildungsvertrag vom 8.8.2018 findet § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB Anwendung. Eine Bindungsdauer von fünf Jahren benachteiligt die Beklagte unangemessen. Eine Aufrechterhaltung der Klausel mit dem abgeänderten Inhalt einer noch zulässigen Dauer ist nicht möglich, da aus § 306 BGB ein Verbot der geltungserhaltenden Reduktion herzuleiten ist. Auf weitere im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Fortbildungsvertrag aufgeworfene tatsächliche und rechtliche Fragen kommt es nicht an.
1.
Bei dem Fortbildungsvertrag vom 8.8.2018 handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 BGB.
a.
Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Die Vereinbarung muss darüber hinaus für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sein. Das ist der Fall, wenn der Text in mindestens drei Fällen zur Grundlage von Vertragsbedingungen gemacht wird (vgl. BAG 23. Januar 2007 - 9 AZR 482/06 - Rn. 15, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 38 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 19). Dabei reicht es aus, wenn eine Partei ein von einem Dritten für eine Vielzahl von Verträgen angefertigtes Formular verwendet, selbst wenn sie es selber nicht in mindestens drei Fällen nutzt (BGH 16. November 1990 - V ZR 217/89 - zu 1 der Gründe, NJW 1991, 843).
Nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB liegen keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor, soweit Vertragsbedingungen im Einzelnen ausgehandelt sind. Ein bloßes übereinstimmendes Verständnis des Inhalts von Allgemeinen Geschäftsbedingungen führt nicht bereits dazu, dass einzeln ausgehandelte Vertragsbedingungen vorliegen. Nur dann, wenn der Verwender die betreffende Klausel inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung dieser Vertragsbedingungen zu beeinflussen, sind die Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB erfüllt. Der Verwender muss sich deutlich und ernsthaft zu gewünschten Änderungen der zu treffenden Vereinbarung bereiterklären (BAG 18. Januar 2006 - 7 AZR 191/05 - Rn. 23, AP BGB § 305 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 13). Das verlangt mehr als ein gemeinsames Verständnis des Inhalts der Norm (BAG 15. September 2009 - 3 AZR 173/08 -, Rn. 29 - 33, juris).
Nach der äußeren Gestaltung des Fortbildungsvertrages ist sein Text für eine Vielzahl von Fällen formuliert. Individualisiert ist er lediglich in Ziffer 1 insoweit, als der Name der Beklagten und die Art des Studienganges bezeichnet werden.
Die Klägerin behauptet zwar, es sei eine Individualvereinbarung aus besonderem Anlass geschlossen worden, substantiiert diese Behauptung jedoch nicht. So trägt sie insbesondere nicht substantiiert und unter Beweisantritt dazu vor, dass und auf welche genaue Weise der Inhalt der Vereinbarung im Einzelnen ausgehandelt worden sein soll. Die Rückzahlungsvereinbarung unterliegt damit dem Prüfungsmaßstab der §§ 305 bis 310 BGB.
b.
Selbst wenn man die Auffassung verträte, Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 BGB lägen nicht vor, da der Fortbildungsvertrag nur zur einmaligen Verwendung mit der Beklagten bestimmt gewesen sei, ergibt sich nichts Anderes. § 307 BGB findet jedenfalls nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB auf die Vereinbarung Anwendung.
aa.
Nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB ist § 307 BGB bei Verbraucherverträgen auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann anzuwenden, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Arbeitsverträge und auch die im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses geschlossenen Vereinbarungen sind Verbraucherverträge iSv. § 310 Abs. 3 BGB (BAG 7. Oktober 2015 - 7 AZR 945/13 - Rn. 34 mwN; zum Verbraucherbegriff vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 21 ff.).
bb.
Die Möglichkeit der Einflussnahme setzt voraus, dass der Verwender den gesetzesfremden Kerngehalt seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen bzw. vorformulierten Vertragsbedingungen ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verwendungsgegner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner Interessen einräumt. Das Merkmal des "Einflussnehmens" in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB entspricht dem "Aushandeln" in § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB (BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 25 mwN). Die Möglichkeit der Einflussnahme ist nicht bereits dann auszuschließen, wenn der vorformulierte Text bestehen bleibt. In aller Regel schlägt sich eine Bereitschaft zum Aushandeln zwar in Änderungen des vorformulierten Textes nieder. Bleibt es nach einer Erörterung bei dem vorformulierten Text, weil der Betroffene nunmehr mit diesem einverstanden ist, so kann der Vertrag gleichfalls als das Ergebnis eines Aushandelns betrachtet werden. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich der Verwender deutlich und ernsthaft zu eventuell gewünschten Änderungen der zu treffenden Vereinbarung bereit erklärt und dass dies dem anderen Teil bei Abschluss des Vertrags bewusst war. Die Möglichkeit der Einflussnahme muss sich dabei auf die konkrete Klausel beziehen, deren Anwendbarkeit oder Auslegung im Streit steht (BAG 12. Dezember 2013 - 8 AZR 829/12 - Rn. 31 mwN). Ist die Möglichkeit der Einflussnahme streitig, muss der Verwender - nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast - den Vortrag des Verwendungsgegners, er habe keine Einflussmöglichkeit gehabt, qualifiziert bestreiten, indem er konkret darlegt, wie er Klauseln zur Disposition gestellt hat und aus welchen Umständen darauf geschlossen werden kann, der Verwendungsgegner habe die Klauseln freiwillig akzeptiert (BAG 12. Dezember 2013 - 8 AZR 829/12 - aaO; 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 27; BAG, Urteil vom 10. Mai 2016 - 9 AZR 434/15 -, Rn. 22 - 28, juris).
cc.
Ausgehend von diesen Grundsätzen fehlte es an einer Möglichkeit zur Einflussnahme. Die Klägerin behauptet nicht substantiiert, die Beklagte habe die Gelegenheit gehabt, erforderlichenfalls wegen einzelner Formulierungen mit der Klägerin zu verhandeln. Ihr Vortrag lässt nicht erkennen, dass und ggf. wie sich die Klägerin deutlich und ernsthaft zu eventuell gewünschten Änderungen der zu treffenden Vereinbarung bereit erklärt hat und aufgrund welcher Umstände dies der Beklagten bei Abschluss des Vertrags bewusst war. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass der Inhalt der Rückzahlungsklausel vor deren schriftlichen Fixierung ernsthaft zur Disposition stand.
Danach ist der Fortbildungsvertrag und die in ihm geregelte Rückzahlungsvereinbarung, insbesondere deren § 2, nach seinem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie er von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der gewöhnlich beteiligten Verkehrskreise verstanden wird. Dabei sind nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 19.01.2011 - 3 AZR 621/08 - juris Rn. 17; BAG 27.07.2010 - 3 AZR 777/08 - juris Rn. 21 und öfter (st. Rspr. des Bundesarbeitsgerichts).
2.
Die Bindungsdauer von fünf Jahren benachteiligt die Beklagte unangemessen, da sie gemessen an der Fortbildungsdauer auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles, insbesondere der von Seiten des klagenden Landes aufgewendeten Mittel und den seitens der Beklagten erzielten Vorteile, deutlich zu lang ist.
a.
Fortbildungs- und Bindungsdauer müssen in angemessenem Verhältnis stehen. Von der Dauer der Fortbildung hängt wegen Vergütungsfortzahlung oder Gewährung von Unterhaltszuschuss nicht nur maßgeblich die Höhe der arbeitgeberseitigen Aufwendungen ab. Entscheidend ist vielmehr, dass sie zudem ein starkes Indiz für den Wert der erworbenen Qualifikation ist (BAG 16.3.1994, NZA 1994, 937 [BAG 16.03.1994 - 5 AZR 339/92] ; 6.9.1995, NZA 1996, 314). Dazu gilt im Einzelnen: Bei einer Lehrgangsdauer von bis zu 1 Monat ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung darf höchstens eine sechsmonatige Bindung (BAG 5.12.2002, NZA 2003, 559 [BAG 05.12.2002 - 6 AZR 539/01] ; 15.9.2009, NZA 2010, 550), bei einer Lehrgangsdauer von bis zu 2 Monaten eine einjährige Bindung (BAG 15.12.1993, NZA 1994, 835), bei Lehrgangsdauer von 3 bis 4 Monaten eine zweijährige Bindungsfrist (BAG 6.9.1995, NZA 1996, 314 [BAG 06.09.1995 - 5 AZR 241/94] ) und bei einer Lehrgangsdauer von 6 Monaten bis zu einem Jahr ohne Arbeitsverpflichtung im Regelfall keine längere Bindung als 3 Jahre (BAG 23.2.1983, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 6; 11.4.1984, NZA 1984, 288; 23.4.1986, NZA 1986, 741 [BAG 23.04.1986 - 5 AZR 159/85] ; 15.12.1993, NZA 1994, 835 [BAG 15.12.1993 - 5 AZR 279/93] ) vereinbart werden. Bei einer mehr als zweijährigen Dauer der Fortbildungsmaßnahme ohne Arbeitsleistung wird eine Bindungsdauer von fünf Jahren für zulässig gehalten (BAG 19.6.1974, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 1; 12.12.1979, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 4; vgl. auch die Zusammenfassung der bisherigen Rspr. in BAG 6.9.1995, NZA 1996, 437 [BAG 06.09.1995 - 5 AZR 174/94] ; 14.1.2009, NZA 2009, 666 [BAG 14.01.2009 - 3 AZR 900/07] ).
Diese Grundsätze gelten allerdings nur für den Regelfall, sodass im Einzelfall auch bei kürzerer Dauer der Fortbildung eine längere Bindung gerechtfertigt ist, wenn der Arbeitgeber erhebliche Mittel aufwendet und die Fortbildung dem Arbeitnehmer besondere Vorteile bringt (sowie umgekehrt bei geringem Aufwand und geringen Vorteilen: BAG 15.12.1993, NZA 1994, 835 [BAG 15.12.1993 - 5 AZR 279/93] ; 6.9.1995, NZA 1996, 437 [BAG 06.09.1995 - 5 AZR 174/94] ; vgl. zu allem Vorstehenden ErfK/Preis, 24. Aufl. 2024, BGB § 611a Rn. 657).
b.
Vorliegend war die vollzeitig beschäftigte Beklagte für die Zwecke der Fortbildungsmaßnahme unstreitig an insgesamt 50 Tagen von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung bezahlt freigestellt. Dies rechtfertigt nach der in Jahrzehnten gefestigten, oben im Einzelnen wiedergegebenen höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Bindungsdauer von einem Jahr. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles, insbesondere der seitens des klagenden Landes - zusätzlich zur bezahlten Freistellung - aufgewendeten Studiengebühren von 14.280 Euro, sowie des Umstandes, dass die Masterqualifikation für die Beklagte einen spürbaren, deutlichen Vorteil bringt, da es sich um einen allseitig, insbesondere auch in der gesamten Privatwirtschaft, anerkannten Abschluss handelt, ist aus Sicht des erkennenden Gerichts im vorliegenden Fall eine Bindungsdauer von zwei Jahren angemessen. Ob es alternativ vertretbar erschiene, unter besonderer Fokussierung auf die Werthaltigkeit der Masterqualifikation eine Bindungsdauer von drei Jahren für vereinbarungsfähig zu erklären, kann angesichts der dieselbe noch einmal deutlich übersteigenden, vom klagenden Land gewählten Bindungsdauer von fünf Jahren vorliegend dahinstehen.
3.
Die Frist von fünf Jahren ist nicht auf ein geringeres Maß zurückzuführen.
Die frühere Rechtsprechung des BAG zur Aufrechterhaltung unzulässiger Rückzahlungsklauseln auch durch Rückführung zu langer Bindungsfristen auf das noch zulässige Maß (stellvertretend BAG 16.3.1994, NZA 1994, 937 [BAG 16.03.1994 - 5 AZR 339/92] ; LAG Köln 1.2.2001, NZA-RR 2001, 461) ist mit dem Verbot geltungserhaltender Reduktion im AGB-Recht unvereinbar (BAG 11.4.2006, NZA 2006, 1042 [BAG 11.04.2006 - 9 AZR 610/05] ; 14.1.2009, NZA 2009, 666 [BAG 14.01.2009 - 3 AZR 900/07] ; 6.8.2013, NZA 2013, 1361 [BAG 06.08.2013 - 9 AZR 442/12] ). Ist eine zu lange Bindungsdauer vereinbart, führt dies grundsätzlich zur Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel insgesamt; ein Rückzahlungsanspruch besteht nicht (auch nicht aus §§ 812?ff., BAG 21.8.2012, NZA 2012, 1428 [BAG 21.08.2012 - 3 AZR 698/10] ; vgl. zu allem Vorstehenden ErfK/Preis, 24. Aufl. 2024, §§ 305-310 BGB Rz. 94).
4.
Ob die Klausel auch aus anderen Gründen zu beanstanden ist (wofür vieles spricht) und ob das Ausscheiden der Beklagten vorliegend aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen erfolgte (wofür ebenfalls einiges spricht), kann somit vorliegend dahinstehen.
III.
Das klagende Land hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen. Bei zutreffender rechtlicher Bewertung hätte bereits das Arbeitsgericht die Klage abweisen müssen.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG), bestanden nicht. Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Anwendung feststehender höchstrichterlicher Rechtsprechung.
Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72 a ArbGG) und der sofortigen Beschwerde (§ 72 b ArbGG) wird hingewiesen.