24.08.2012 · IWW-Abrufnummer 122613
Landessozialgericht Hamburg: Urteil vom 07.06.2012 – L 1 KA 59/09
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
L 1 KA 59/09
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 15. Juli 2009 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist die sachlich-rechnerische Berichtigung der Honorarforderung der Klägerin für das Quartal II/2005. Gestritten wird um die Vergütung von Leistungen im Notfalldienst und dabei im Wesentlichen um die Frage, ob die Notfallpauschale des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) auch im Rahmen des nicht von der Beklagten organisierten Notfalldienstes, sondern des eigenverantwortlichen und freiwilligen hausärztlichen Notfalldienstes Ärzteverbund H.-N. in Ansatz gebracht werden kann.
Die Klägerin ist als Berufsausübungsgemeinschaft (Gemeinschaftspraxis) zur vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der Beklagten zugelassen. Sie nimmt an der hausärztlichen Versorgung teil. Ihre Gesellschafter sind ein Internist und ein Allgemeinarzt.
Gemeinsam mit weiteren Praxen bietet die Klägerin im Ärzteverbund H.-N. einen hausärztlichen Notfalldienst in der Notfallambulanz des A. Klinikums N. an. Die unter anderem im Internet bekannt gemachten Öffnungszeiten sind mittwochs und freitags von 16:00 bis 22:00 Uhr und samstags, sonntags und an Feiertagen von 10:00 bis 22:00 Uhr. Die Ärzte im Ärzteverbund H.-N. organisieren den hausärztlichen Notfalldienst als Bereitschaftsdienst.
Im Rahmen der Honorarabrechnung der Klägerin für das Quartal II/2005 nahm die Beklagte eine Berichtigung vor und in 103 Fällen Leistungen nach Nr. 01100 EBM (unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch einen Patienten zu bestimmten Zeiten) von der Honorarabrechnung aus. Die Geb ührenziffer werde im Rahmen der Rufbereitschaft in Ansatz gebracht. Bei Teilnahme am Notdienst müsse aber davon ausgegangen werden, dass der Vertragsarzt durch den Patienten in Anspruch genommen werde, so dass keine unvorhergesehene Inanspruchnahme vorliege. Die Berichtigung wurde bereits im Honorarbescheid für das Quartal II/2005 berücksichtigt. Ihren Widerspruch gegen den Berichtigungsbescheid begründete die Klägerin damit, auch bei Teilnahme an der hausärztlichen Notfallambulanz sei die Inanspruchnahme durch den einzelnen Patienten nicht vorhersehbar. Gegen den Honorarbescheid für das Quartal II/2005 wurde kein Widerspruch eingelegt.
Die Beklagte wies den Widerspruch gegen den Berichtigungsbescheid durch Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2006 zurück. Die Nr. 01100 EBM könne ebenso wenig in einer Notfallbereitschaft abgerechnet werden wie in einer Krankenhausnotfallambulanz oder im organisierten Notfalldienst. Die von Vertragsärzten an den Krankenhäusern abgehaltenen Notfallsprechstunden seien Sprechstunden, also Zeiten, zu denen der Arzt regelmäßig für die Patientenversorgung zur Verfügung stehe. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Arzt durch den Patienten in Anspruch genommen werde, so dass keine unvorhergesehene Inanspruchnahme gegeben sei.
Mit ihrer am 6. März 2006 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren nach Aufhebung der Berichtigung weiter verfolgt und unter anderem vorgetragen, im Rahmen des Bereitschaftsdienstes halte der Vertragsarzt keine Sprechstunde vor, da er nicht in seiner Praxis und mit seinem Personal zur Behandlung bereit stehe. Er sei auch nicht verpflichtet, sich während des Bereitschaftsdienstes auf dem Krankenhausgelände aufzuhalten. Wenn man der Klägerin nicht die Abrechnung nach Nr. 01100 EBM zugestehe, müsse sie die Leistungen zumindest aus Gründen der Gleichbehandlung nach Nr. 01210 EBM (Notfallpauschale im organisierten Notfalldienst) abrechnen können.
Die Beklagte hat entgegnet, die festen Öffnungszeiten des vom Ärzteverbund H.-N. selbständig organisierten Notfalldienstes seien einer ärztlichen Sprechstunde zumindest ähnlich. Eine Abrechnung der Nr. 01210 EBM scheide aus, wenn der Notfalldienst wie hier eigenverantwortlich von den Vertragsärzten organisiert sei und über die Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigungen zur Sicherstellung des vertragsärztlichen Notfalldienstes hinausgehe. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat die Beklagte ihre Bereitschaft erklärt, bei Aufhebung des streitbefangenen Berichtigungsbescheides trotz bestandskräftigen Honorarbescheides das Honorar für das streitbefangene Quartal neu zu berechnen.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 15. Juli 2009 abgewiesen. Die angefochtene Berichtigung sei rechtmäßig. Die Beklagte könne sich auf § 45 Abs. 2 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte bzw. § 34 Abs. 4 Satz 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen berufen, denn danach sei sie berechtigt, die Honorarforderung des Arztes bei sachlich-rechnerischen Fehlern zu berichtigen. Die Honorarforderung der Klägerin sei auch fehlerhaft gewesen, soweit im Quartal II/2005 in 103 Fällen die Nr. 01100 EBM abgerechnet worden sei. Denn die Inanspruchnahme der Ärzte sei während des vom Ärzteverbund H.-N. organisierten hausärztlichen Notfalldienstes innerhalb fester, von Ärzteseite vorgegebener Öffnungszeiten erfolgt. Eine Inanspruchnahme im Rahmen von Dienstsituationen, z. B. im organisierten Not(fall)dienst, bei organisierten Sprechstunden oder bei anderen Ambulanzdiensten, sei nicht mit den Gebührenpositionen Nr. 01100 oder 01101 EBM berechnungsfähig. Ebenso wenig könne hier die Nr. 01210 EBM berücksichtigt werden. Die Notfallpauschale sei schon nach dem Wortlaut der Leistungslegende nur im organisierten Not(fall)dienst berechnungsfähig sowie für nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte, Institute und Krankenhäuser. Dabei sei unter organisiertem Not(fall)dienst der Dienst zu verstehen, zu dem in der Regel die niedergelassenen Ärzte von der Beklagten oder durch eine diese vertretende Organisation eingeteilt würden. Nur in diesem organisierten Notdienst sei die Notfallpauschale berechnungsfähig. Zum organisierten Notdienst gehörten die in der Notfallambulanz von der Klägerin erbrachten Leistungen jedoch nicht. Etwas anderes könnte allenfalls gelten, wenn mit dem von der Beklagten organisierten Notdienst eine ausreichende Versorgung in H. nicht sichergestellt wäre. Das sei aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Eine Ausweitung der Gebührenposition in Nr. 01210 EBM auf den hier in Streit stehenden freiwilligen, vom Ärzteverbund H.-N. zusätzlich angebotenen Notfalldienst scheide aus. Denn der Katalog der berechnungsfähigen Leistungen sei abschließend und einer analogen Berechnung nicht zugänglich. Die erbrachten Leistungen hätten daher nur über die arztgruppenspezifischen Gebührenpositionen berechnet werden können. Ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot sei darin nicht zu erkennen. Denn zur Teilnahme am organisierten Not(fall)dienst seien die Vertragsärzte verpflichtet, während der vom Ärzteverbund H.-N. bereitgehaltene Not(fall)dienst ein freiwilliges Zusatzangebot sei.
Gegen das am 30. Juli 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27. August 2009 Berufung eingelegt. Mit dieser hat sie unter anderem vorgetragen, das Bestehen von festen Öffnungszeiten schließe die Berechnungsfähigkeit der Gebührenpositionen Nr. 01100 bzw. 01101 EBM im Rahmen des vom Ärzteverbund H.-N. organisierten hausärztlichen Notfalldienstes nicht aus. Selbst wenn man aber mit dem Sozialgericht unterstelle, dass eine unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch den Patienten in den streitgegenständlichen Fällen nicht vorgelegen habe, so sei der Klägerin zumindest jeweils die Gebühr Nr. 01210 EBM zuzusprechen gewesen. Das Sozialgericht habe für seine im Wortlaut keine Stütze findende Auslegung, dass organisierter Not(fall)dienst im Sinne dieser Gebührenposition nur ein durch die Beklagte selbst organisierter Dienst sein könne, keine nähere Begründung geliefert. Auch habe sich das Gericht mit der Frage, ob die von der Klägerin vorgetragenen Besonderheiten ihres Sachverhalts eine Ausnahme rechtfertigen könnten, nicht auseinandergesetzt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 15. Juli 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat erwidert, die Klägerin könne die Notfallpauschale Nr. 01210 EBM nicht beanspruchen, denn diese sei im Bezirk der Beklagten ausschließlich abrechnungsfähig für Leistungen, die gemäß der Notfalldienstordnung der Beklagten im Rahmen des von der Beklagten durchgeführten Ärztlichen Notfalldienstes H. erbracht würden. Denn ausweislich der Leistungslegende sei die Nr. 01210 EBM nur dann berechnungsfähig, wenn es sich um Leistungen im "organisierten Not(fall)dienst" handele. Dieser sei die Sicherstellung der ambulanten medizinischen Versorgung außerhalb der geregelten Sprechzeiten. Die Sicherstellung und Organisation des Notdienstes obliege nach § 75 Abs. 1 Satz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) der Beklagten, die sie durch entsprechende Satzungsregelungen treffen könne. Der Begriff des organisierten Not(fall)dienstes bezeichne danach ausschließlich den Notfalldienst, der in Erfüllung dieses Sicherstellungsauftrags organisiert sei und betrieben werde. Die Beklagte habe in ihrem Bezirk auf der Grundlage der Notfalldienstordnung mit dem Ärztlichen Notfalldienst H. ein zentrales, großstädtisches Notfalldienstsystem installiert, das sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht die ärztliche Versorgung der Bevölkerung im Notfall sicherstelle. Nur in diesem Kontext sei die streitige Notfallpauschale berechnungsfähig, nicht jedoch im Rahmen freiwillig und aus eigener Initiative organisierter Notfalldienste. Rechtmäßig auch habe die Beklagte durch ihre angefochtenen Bescheide die fehlerhafte Honorarforderung der Klägerin in Bezug auf die Nr. 01100 EBM berichtigt. Denn die Gebührenpositionen Nr. 01100 und 01101 EBM vergüteten ausweislich ihrer Leistungslegenden die "unvorhergesehene Inanspruchnahme" des Vertragsarztes in den dort näher bezeichneten Zeiträumen. Es werde allein die Inanspruchnahme des Vertragsarztes zur Unzeit abgegolten, soweit dieser nicht in den aufgeführten Zeiträumen Sprechstunden abhalte oder am organisierten Notfalldienst teilnehme. Würden aber wie hier ärztliche Sprechstunden bzw. organisierte Dienstsituationen angeboten, handele es sich bei der Inanspruchnahme dieses Angebots nicht um eine "unvorhergesehene Inanspruchnahme" zur Unzeit. In diesen Fällen suche der Patient den Arzt zwar ohne vereinbarten Termin auf, allerdings nicht unerwartet. Hiermit stimme überein, dass die Gebührenpositionen Nr. 01100 und 01101 EBM auch nicht von Instituten und Krankenhäusern abgerechnet werden könnten, weil hier ohnehin immer ein Notfall- bzw. Bereitschaftsdienst eingerichtet sei.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Akte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.
Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die von der Beklagten vorgenommene sachlich-rechnerische Berichtigung ist rechtmäßig. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Honorar gemäß ihrer berichtigten Forderung nach Nr. 01100 EBM noch nach Nr. 01210 EBM.
Die Beklagte ist zu sachlich-rechnerischen Richtigstellungen von Honorarforderungen befugt, soweit ein Vertragsarzt bei seiner Quartalsabrechnung Gebührennummern ansetzt, deren Tatbestand durch seine Leistungen nicht erfüllt ist oder die er aus anderen Gründen nicht in Ansatz bringen darf (z. B. Fachfremdheit der Leistung oder Leistungsausschluss). Rechtsgrundlage für die Vornahme sachlich-rechnerischer Berichtigungen waren im streitbefangenen Quartal noch § 45 Abs. 2 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte bzw. § 34 Abs. 4 Satz 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen. Danach berichtigt die Kassenärztliche Vereinigung die Honorarforderung des Vertragsarztes bei Fehlern hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit.
Zwar galt im streitbefangenen Quartal II/2005 bereits § 106a SGB V, der am 1. Januar 2004 in Kraft trat, und waren zum 1. April 2005 auch die Richtlinien nach § 106a Abs. 6 SGB V in Kraft getreten (DÄ 2004, A-2555; DÄ 2004, A-3135; DÄ 2005, A-79). Doch konnten ohne Vereinbarungen nach § 106a Abs. 5 SGB V keine Prüfungen nach neuem Recht stattfinden und ist die Vereinbarung über die Abrechnungsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung in H. erst am 30. November 2006 geschlossen worden; zwar ist sie zum 1. April 2005 in Kraft getreten, war aber nach ihrem § 11 Abs. 1 erstmalig auf die Abrechnung des Quartals I/2007 anzuwenden.
Die Abrechenbarkeit ärztlicher Leistungen bestimmt sich nach dem jeweils geltenden Einheitlichen Bewertungsmaßstab. Der zum 1. April 2005 in Kraft getretene und mithin im streitbefangenen Quartal II/2005 erstmals angewendete Einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM 2000 plus) enthielt in Abschnitt II (Arztgruppenübergreifende allgemeine Leistungen) 1. (Allgemeine Leistungen) 1.1 (Besondere Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch einen Patienten) die Nr. 01100. Diese Gebührenposition ist von der Klägerin in ihrer Honorarforderung 103mal in Ansatz gebracht worden und dies ist von der Beklagten berichtigt worden.
Die Nr. 01100 des EBM 2000plus lautet: "Unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch einen Patienten - zwischen 19:00 und 22:00 Uhr - an Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen, am 24.12. und 31.12. zwischen 07:00 und 19:00 Uhr."
Sie ist bewertet mit 500 Punkten. In der Leistungsbeschreibung heißt es: "Die Leistung nach der Nr. 01100 ist nicht berechnungsfähig, wenn Sprechstunden vor 07:00 Uhr oder nach 19:00 Uhr stattfinden oder Patienten zu diesen Zeiten bestellt werden. Im Rahmen der unvorhergesehenen Inanspruchnahme des Vertragsarztes ist die Leistung nach der Nr. 01100 auch dann nur einmal berechnungsfähig, wenn es sich um eine Gruppenbehandlung handelt. Die Leistung nach der Nr. 01100 ist ausschließlich bei kurativer Behandlung berechnungsfähig. Die Leistung nach der Nr. 01100 ist nicht neben den Leistungen nach den Nrn. 01101, 01102, 01210, 01218, 01410 bis 01413, 01950 und 01951 berechnungsfähig."
Die Nr. 01101 EBM betrifft die unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch einen Patienten zwischen 22:00 und 07:00 Uhr, an Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen, am 24.12. und 31.12. zwischen 19:00 und 07:00 Uhr (800 Punkte). Die Nr. 01102 EBM schließlich betrifft die Inanspruchnahme des Vertragsarztes an Samstagen zwischen 07:00 und 14:00 Uhr (260 Punkte).
Die streitbefangene Berichtigung der Honorarforderung nach der Nr. 01100 ist rechtmäßig, denn es ist keine unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch einen Patienten, wenn dieser das vom Vertragsarzt vorgehaltene Angebot einer Notfallsprechstunde annimmt. Es ist zu unterscheiden zwischen der Initiierung einer Notfallbehandlung durch den Patienten, der unvorhergesehen ärztlicher Behandlung bedarf, und der Frage, ob diese Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung durch den Patienten für den Arzt unvorhergesehen ist zu einer Zeit, in der er an einem unter seiner Mitwirkung bereitgestellten Notfalldienst teilnimmt. Der medizinische Fall mag unvorhergesehen sein, die Inanspruchnahme des Arztes ist es nicht.
Als Anwendungsfälle bleiben dann für Nr. 01100 bzw. 01101 EBM die echten Fälle unvorhergesehener Inanspruchnahme zur kurativen Behandlung außerhalb des Sprechstundenangebots oder der Teilnahme an einem Notfalldienstangebot, z. B. der nächtliche Anruf von Patienten beim Haus- oder Kinderarzt des Vertrauens.
Berücksichtigung verdient der Umstand, dass im streitbefangenen Quartal II/2005 der EBM 2000plus mit seinen Gebührenpositionen erstmalig Anwendung fand. Der bis dahin geltende EBM regelte in B. I. Nr. 5 unter Ausnahme von der Anrechnung auf Praxisbudgets die mit 300 Punkten bewertete Gebühr für eine Inanspruchnahme des Arztes durch einen Patienten zwischen 20 und 8 Uhr und zwischen 8 und 20 Uhr für Besuche, Visiten und Notfallbehandlungen an Samstagen, Sonntagen, gesetzlichen Feiertagen sowie am 24. und 31. Dezember sowie für einen Besuch oder eine Visite mit Unterbrechung der Sprechstundentätigkeit. Diese Gebühr nach Nr. 5 war nicht berechnungsfähig, wenn Sprechstunden vor 8 oder nach 20 Uhr stattfinden oder Patienten zu diesen Zeiten bestellt werden. Diese Regelung kannte mithin den Begriff der "unvorhergesehenen" Inanspruchnahme noch nicht und konnte die Klägerin ihre Notfallleistungen nach dieser Regelung bis zum Quartal I/2005 abrechnen. Ersichtlich jedoch setzt sich die ab dem Quartal II/2005 anzuwendende Nr. 01100 des EBM 2000plus von dieser Vorgängerregelung ab und verengt die Voraussetzungen für die Abrechnung dieser Gebühr. Auch dies spricht dafür, sie nicht einer weiten Auslegung zu unterziehen.
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich ist (dazu BSG 17.9.2008 – B 6 KA 51/07 R, SozR 4-2500 § 75 Nr. 10). Dies gründet sich zum einen darauf, dass das vertragliche Regelwerk des EBM dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des Bewertungsausschusses selbst ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen folgt die primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des EBM als einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse bzw. Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt. Nur soweit der Wortlaut eines Leistungstatbestandes zweifelhaft ist und es seiner Klarstellung dient, ist Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührenregelungen. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt ebenfalls nur bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen in Betracht und kann nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben. Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewendet werden.
Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist vorliegend kein Raum für die Annahme, es lagen unvorhergesehene Inanspruchnahmen vor und könnte die Klägerin die Gebühr nach Nr. 01100 EBM fordern.
Der Klägerin steht auch nicht stattdessen Honorar nach der Nr. 01210 des EBM 2000plus zu. Diese Gebührenposition gehört zu Abschnitt II Nr. 1 und dort 1.2 (Leistungen im Notfall und im organisierten ärztlichen Notfalldienst).
Die Nr. 01210 lautet: "Ordinationskomplex im organisierten Not(fall)dienst Obligater Leistungsinhalt - Persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt im organisierten Not(fall)dienst Fakultativer Leistungsinhalt - Beratung und Behandlung bis zu 10 Minuten Dauer, - In Anhang 1 aufgeführte Leistungen, einmal im Behandlungsfall."
Sie ist mit 500 Punkten bewertet. In der Leistungsbeschreibung heißt es: "Neben der Leistung nach der Nr. 01210 ist für die Berechnung des jeweiligen arztgruppenspezifischen Ordinationskomplexes in demselben Behandlungsfall mindestens ein weiterer persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt außerhalb einer Notfallbehandlung bzw. außerhalb des organisierten ärztlichen Not(fall)dienstes notwendig. Bei der Nebeneinanderberechnung der Leistung nach der Nr. 01210 sowie anderer Beratungs-, Gesprächs- und Erörterungsleistungen ist eine Dauer der Arzt-Patienten-Kontaktzeit von mindestens 20 Minuten Voraussetzung für die Berechnung weiterer Leistungen, auch dann, wenn das Gespräch mit unterschiedlicher Zielsetzung (Diagnose/Therapie) geführt wird. Die Leistung nach der Nr. 01210 ist nicht neben den Leistungen nach den Nrn. 01100 bis 01102, 01218, 01412, 01414, 01950 und 01951 berechnungsfähig."
Auf die Nr. 01210 EBM kann die Klägerin ihre Honorarforderung nicht stützen, weil die Inanspruchnahmen ihrer Behandlungsleistungen nicht im Rahmen des organisierten Not(fall)dienstes im Sinne dieser Gebührenposition erfolgten. Denn organisierter Not(fall)dienst in diesem Sinne ist nur der durch § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V legal definierte Notdienst, den die Kassenärztlichen Vereinigungen zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Sicherstellungsverpflichtung zu organisieren haben.
Der Ausschluss der Abrechnung nach Nr. 01210 EBM für eigenverantwortlich und freiwillig organisierte Notfalldienste außerhalb des durch die Beklagte in Umsetzung ihrer gesetzlichen Sicherstellungsverpflichtung organisierten Notfalldienstes ist auch nicht gleichheitswidrig. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG schreibt vor, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches entsprechend unterschiedlich zu behandeln (vgl. BVerfG 23.5.2006 – 1 BvR 1484/99, BVerfGE 115, 381, 389). Damit ist dem Normgeber aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfG 28.1.2003 – 1 BvR 487/01, BVerfGE 107, 133, 141). Vorliegend jedoch sind sachlich tragfähige Gründe für die aufgezeigte unterschiedliche Behandlung vorhanden. Es liegen schon nicht im Wesentlichen gleich gelagerte Sachverhalte bei ambulanten Notfallbehandlungen im organisierten Notfalldienst der Beklagten einerseits und im eigenverantwortlich und freiwillig organisierten Notfalldienst, an dem die Klägerin mitwirkte, andererseits vor. Nach § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V umfasst der den Kassenärztlichen Vereinigungen obliegende Sicherstellungsauftrag auch die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst). Dieser gesetzliche Sicherstellungsauftrag begründet den Unterschied: Was in dessen Erfüllung von der Beklagten organisiert wird, ist organisierter Notdienst. Was daneben unter Mitwirkung von Vertragsärzten an Notfalldiensten bereitgestellt wird, mag in der Sache begrüßenswert sein, ist rechtlich aber etwas anderes.
Soweit die Klägerin darauf hingewiesen hat, dass in der vom Sozialgericht herangezogenen Kommentierung davon die Rede ist, unter dem organisierten Not(fall)dienst sei der Notdienst zu verstehen, zu dem "in der Regel" die niedergelassenen Ärzte von der Kassenärztlichen Vereinigung oder durch eine diese vertretende Organisation eingeteilt werden, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Damit ist zum einen nur darauf abgestellt, dass nicht nur die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen sondern alle niedergelassenen Ärzte zum Notfalldienst herangezogen werden können, zum anderen, dass bei Nichterfüllung des Sicherstellungsauftrags durch eine Kassenärztliche Vereinigung auch andere organisierte Not(fall)dienste nicht von vornherein ausgeschlossen sind. Anlass, den durch die Klägerin mitgetragenen Notfalldienst unter die Nr. 01210 EBM zu subsumieren, bietet die im Kommentar benutzte Formulierung "in der Regel" jedoch nicht.
Dennoch geht die Klägerin mit ihren erbrachten Leistungen nicht leer aus. Es bleibt bei der Abrechenbarkeit der jeweils erbrachten Leistungen mit den für diese vorgesehenen Punkten und Punktwerten.
Die vorliegende Unterscheidung zwischen der Vergütung der Leistungen von Vertragsärzten im organisierten Notdienst der Beklagten und im außerhalb dessen eigenverantwortlich und freiwillig organisierten Notfalldienst unter Mitwirkung von Vertragsärzten ist ihrerseits zu trennen von der Gleichstellung der bei Notfallbehandlungen Versicherter tätig werdenden Krankenhäuser oder Nichtvertragsärzte mit den Vertragsärzten. Letztere ist mehrfach Gegenstand von Entscheidungen des Bundessozialgerichts gewesen, nach dessen Rechtsprechung die Leistungen von Krankenhäusern oder Nichtvertragsärzten im Rahmen der ambulanten Notfallbehandlung grundsätzlich so zu vergüten sind, als ob sie von zugelassenen Vertragsärzten erbracht worden wären (BSG 17.9.2008 – B 6 KA 46/07 R, SozR 4-2500 § 75 Nr. 8; BSG 6.9.2006 – B 6 KA 31/05 R, SozR 4-2500 § 75 Nr. 4). Doch um diesen Fall geht es vorliegend nicht, sondern darum, ob die Mitglieder der Klägerin, wenn sie – was sie auch tun – nicht im organisierten Notdienst der Beklagten tätig sind, dennoch Honorar nach Nr. 01210 EBM fordern können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen. &8195;