13.09.2012 · IWW-Abrufnummer 123309
Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 01.06.2012 – 4 Sa 115/12
1)Darlegungs- und Beweislast für Arbeitsunfähigkeit im Heimaturlaub in einem EU-Land.
2)Kein fortdauerndes Leistungsverweigerungsrecht bei Verstoß gegen § 5 Abs. 2 EFZG.
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 25.11.2011 - 4 Ca 3357/10 G - abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.444,14 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2010 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlung.
Die Klägerin war bis zum 31.12.2010 bei dem Beklagten, der eine Apotheke betreibt, als pharmazeutisch/kaufmännische Angestellte beschäftigt. Das monatliche Bruttogehalt betrug zuletzt 1.765,00 €.
Die Klägerin war vom 21.07. bis zum 30.07.2010 arbeitsunfähig erkrankt. Vom 31.07.2010 bis zum 20.08.2010 hatte sie Urlaub, den sie in I verbrachte. Die Klägerin wurde auch in der Zeit vom 20.08. bis zum 26.09.2010 - allerdings aufgrund einer anderen Diagnose - in I krankgeschrieben. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen faxte sie dem Beklagten, nachdem sie bereits am 20.08.2010 mit einer Mitarbeiterin des Beklagten und am 26.08.2010 mit dem Beklagten selbst telefoniert hatte.
Die für ihre hiesige Krankenkasse (B ) bestimmten Exemplare der vom i Arzt ausgestellten Bescheinigungen übersandte sie der Krankenkasse erst am 27.09.2011. Wegen des Inhalts der in I ausgestellten Bescheinigungen wird auf die von der Klägerin eingereichten Kopien (insbesondere Bl. 61 ff. d. A. und Bl. 107 ff. d. A.) Bezug genommen. Wegen einer weiteren Bescheinigung des i Arztes wird auf Bl. 14 d. A. und auf die durch die Klägerin erfolgte, als solche nicht bestrittene Übersetzung (Bl. 15 d. A.) Bezug genommen.
Der Beklagte zahlte zwar die Monatsvergütung für den gesamten August 2010, nicht aber die Entgeltzahlung für den Teil vom 01.09. bis 29.06.2010. Die Klägerin macht dementsprechend einen Betrag von 1.444,14 € geltend, der rechnerisch nicht bestritten ist.
Der Beklagte bestreitet, dass die Klägerin in I arbeitsunfähig gewesen sei. Bei den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen handele es sich um Gefälligkeitsbescheinigungen. Auch gehe aus diesen nicht hervor, dass die Klägerin krankheitsbedingt arbeitsunfähig gewesen sei.
Der Beklagte meint, auch aufgrund der Tatsache, dass die Klägerin gegenüber der Krankenkasse ihrer Anzeigepflicht nicht nachgekommen sei, bestehe für ihn ein Leistungsverweigerungsrecht. Der Beklagte beruft sich - zweitinstanzlich - im Übrigen auf die Auskünfte der B in deren Schreiben vom 14.09.2010 und vom 04.03.2011 (Bl. 149/153 f. d. A.).
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1444,14 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2010 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, weil es dem Beklagten ein Leistungsverweigerungsrecht zugebilligt hat.
Gegen dieses ihr am 02.01.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27.01.2012 Berufung eingelegt und diese am 10.02.2012 begründet.
Sie trägt vor, dass sie die für die B bestimmten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen deshalb zu spät übersandt habe, weil ihr der in I behandelnde Arzt erklärt habe, die Bescheinigungen seien an den i Sozialträger zu übermitteln, der die B informiere. Die Klägerin legt Kopien entsprechender Einschreibebelege vor (Bl. 122 d. A.), die an den INPS (den i Sozialversicherungsträger) gerichtet sind. Sie beruft sich schließlich darauf, dass selbst dann, wenn sie ihre Verpflichtungen nach § 5 Abs. 2 EFZG nicht erfüllt habe, dieses jedenfalls ab Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht mehr zum Ruhen ihrer Ansprüche führe.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Urteils vom 25.11.2011 den Berufungsbeklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.444,14 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2010 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Wegen des Inhalts der Berufungserwiderung wird auf Bl. 144 ff. d. A. Bezug genommen.
Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg.
Der Klägerin steht für die Zeit vom 20.08. bis zum 26.09.2010 Entgeltfortzahlung gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 EFZG zu.
Nach § 3 Abs. 1 EFZG hat ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber, wenn er durch Arbeitsunfähigkeit in Folge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist. Diese Voraussetzung liegt für den genannten Zeitraum vor. Es war aufgrund der von der Klägerin eingereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen festzustellen, dass diese für den genannten Zeitraum wegen Krankheit arbeitsunfähig war.
1.Die Klägerin hat von einem i Arzt ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt (Bl. 61 ff. d. A.). Diese sind von dem i Arzt auf dem Formular des INPS (Instituto Nazionale della Previdenza Sociale) ausgestellt. Dieses ist der wichtigste Sozialversicherungsträger in Italien. Er ist dem Ministerium für Arbeit und soziale Vorsorge unterstellt. Er ist auch zuständig für die soziale Krankengeldversicherung.
2.
Soweit der Beklagte einwendet (Bl. 145/146 d. A.), dass die vorgelegten Bescheinigungen nicht auswiesen, dass die Klägerin aus krankheitsbedingten Gründen arbeitsunfähig gewesen sei, die Bescheinigungen seien lediglich Atteste über eine Krankheit und enthielten nichts darüber, dass die Klägerin in dem besagten Zeitraum auch arbeitsunfähig gewesen sei, so ist dieses unrichtig. Zwar benutzen die Formulare - selbstverständlich - nicht den deutschen Begriff der Arbeitsunfähigkeit. Die Formulare weisen jedoch klar aus, dass sie für den Arbeitgeber bestimmt sind (PER IL DATORE DI LAVORO). Sie weisen ebenso klar aus, dass es um die Bescheinigung einer Krankheit geht (ATTESTATO DI MALATTIA). Aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers bescheinigt wird.
3.Soweit der Beklagte unter Bezugnahme auf das Schreiben der B vom 14.09.2010 (Bl. 149 d. A.) darüber hinaus beanstandet, dass auf den von der Klägerin gefaxten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen keine Diagnosen angegeben gewesen seien, so ist darauf hinzuweisen, dass dieses auch bei deutschen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die für den Arbeitgeber bestimmt sind, nicht der Fall ist. Auch aus der Rechtsprechung zu ausländischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ergibt sich an keiner Stelle, dass die Angabe einer Diagnose erforderlich sei (vgl. zu dieser Rechtsprechung noch unten). Unabhängig davon aber hat die Kl ägerin auch die für die Krankenversicherung bestimmten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu den Akten gereicht, die sie mit Fax vom 27.09.2010 (Bl. 116 d. A.) der Krankenversicherung übermittelt hat. Daraus ergeben sich die Diagnosen (Cervicobrachialgia/Cephalea persistente).
4.Durch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wird, da es sich um solche handelt, die in einem Land der EU ausgestellt worden sind und für die die Verordnung (EWG) Nr. 547/72 des Rates vom 21.03.1972 gilt, voller Beweis für das Vorliegen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit erbracht (vgl. dazu Urteil des EUGH vom 03.06.1992 - C-45/90). Denn Art. 18 Abs. 1 bis 4 der Verordnung Nr. 547/72 ist dahingehend auszulegen, dass der zuständige Träger (auch wenn es sich dabei um den Arbeitgeber und nicht um einen Träger der sozialen Sicherheit handelt) in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht an die vom Träger des Wohn- und Aufenthaltsorts getroffenen ärztlichen Feststellungen über den Eintritt und die Dauer der Arbeitsunfähigkeit gebunden ist, wobei praktische Schwierigkeiten, die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt seiner Wahl untersuchen zu lassen, diese Auslegung der Vorschrift nicht in Frage stellen (EUGH a. a. O.).
Bereits für eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die in einem Land außerhalb der Europäischen Union ausgestellt wurde, hat das Bundesarbeitsgericht (19.02.1997 - 5 AZR 83/96) entschieden, dass eine (im gegebenen Fall in der T ) ausgestellte Bescheinigung einen hohen Beweiswert habe, sie der gesetzlich vorgesehene und damit wichtigste Beweis für die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit sei und der Tatrichter normalerweise den Beweis als Erkrankung erbracht ansehen könne, wenn der Arbeitnehmer im Rechtsstreit eine solche Bescheinigung vorlegt. Der Arbeitgeber, der eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht gelten lassen will, muss im Rechtsstreit Umstände darlegen und beweisen, die zu ernsthaften Zweifeln an der behaupteten krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit Anlass geben (BAG a. a. O. Rn. 20). Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch für inländische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (vgl. z. B. BAG 04.10.1978 - 5 AZR 326/77; 21.03.1996 - 2 AZR 543/95).
In diesen Fällen muss demnach der Arbeitgeber durch substantiiert vorzutragende Indizien die durch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erbrachte Vermutung der Arbeitsunfähigkeit erschüttern. Erst dann muss der Arbeitnehmer insbesondere durch Entbindung seines Arztes von der Schweigepflicht und Benennung des Arztes als sachverständigen Zeugen Beweis für seine Arbeitsunfähigkeit erbringen.
Infolge des zitierten Urteils es Europäischen Gerichtshofs reicht dieses für den Arbeitgeber indes bei innerhalb der EU ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen noch nicht aus. In dem dem EUGH zugrunde liegenden Fall, der später auch vom Bundesarbeitsgericht (19.02.1997 - 5 AZR 747/93) entschieden worden ist (P -Fall), hatte der Arbeitgeber erhebliche Indizien für Missbrauch vorgetragen, nämlich dass in den vergangenen Jahren die Familie P. häufig dadurch aufgefallen sei, dass sich mehrere Familienmitglieder im Urlaub in I hätten krankschreiben lassen und verspätet zur Arbeit zurückgekehrt seien. Auch dies allein reicht indes unter Zugrundelegung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs auch für das Bundesarbeitsgerichts (a. a. O.) nicht aus. Das Bundesarbeitsgericht hat auch in diesem Fall noch vollen Gegenbeweis verlangt, es allerdings als richtig angesehen, dass das Tatsachengericht in einem solchen Fall aus der Nichtentbindung der Ärzte von der Schweigepflicht durch den Kläger negative Schlüsse ziehen könne.
Aus dieser zuletzt zitierten Rechtsprechung folgt allerdings nicht, dass der Arbeitgeber ohne solche konkreten Indizien für Missbrauch vom Arbeitnehmer die Entbindung seiner Ärzte von der Schweigepflicht verlangen kann. Wollte man ohne solche gravierende Anhaltspunkte für Missbrauch stets die Möglichkeit eröffnen, dass der Arbeitgeber die durch eine in der EU ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bewiesene Arbeitsunfähigkeit bestreitet, worauf der Arbeitnehmer seine Ärzte ohne Weiteres von der Schweigepflicht entbinden müsste, dann stünde der Arbeitnehmer, der eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus einem EU-Staat vorlegt, schlechter als ein Arbeitnehmer, der eine inländische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt. Dieses wäre mit dem Europäischen Diskriminierungsverbot nicht zu vereinbaren.
Davon abgesehen würde die Zulassung des Gegenbeweises durch den behandelnden Arztes und damit die Obliegenheit des Arbeitnehmers, diesen von der Schweigepflicht zu entbinden, ohne dass der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zumindest durch konkrete Indizien erschüttert ist, dass durch die Schweigepflicht geschützte Arzt-Patienten-Verhältnis, dessen Schutz auch gerade dadurch erreicht wird, dass grundsätzlich die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die Voraussetzungen des Entgeltfortzahlungsanspruches beweist, ungerechtfertigt belastend. Könnte der Arbeitgeber ohne entsprechende dringende, den Beweiswert erschütternde bzw. auf Missbrauch schließende Tatsachen die Arbeitsunfähigkeit bestreiten und müsste der Arbeitnehmer dann den Arzt von der Schweigepflicht entbinden und eine - typischerweise ausforschende - Beweisaufnahme durch Vernehmung des Arztes zulassen, dann hätte es der Arbeitgeber in der Hand, ohne weitere Voraussetzungen stets den Arbeitnehmer zur Offenbarung seines Gesundheitszustandes zu zwingen.
Aus diesen Gründen kann auch im vorliegenden Fall dem Beweisangebot der Beklagten durch Vernehmung des behandelnden Arztes in I nur dann nachgekommen werden, wenn Umstände feststellbar sind, die im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern bzw. hier dringend auf Missbrauch schließen lassen.
5.Solche sind indes nicht festzustellen:
a)Der Beklagte hat sich zunächst darauf berufen, dass die Klägerin bereits vor dem Urlaub erkrankt gewesen sei, ihren Urlaub direkt nach der Krankheit angetreten habe und am Tag des Urlaubsendes, am 20.08.2010, wieder arbeitsunfähig geworden sei.
Dieses reicht nicht aus. Das Bundesarbeitsgericht hat in der Entscheidung vom 19.02.1997 - 5 AZR 83/96 - geprüft, ob der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung deshalb erschüttert sei, weil der Arbeitnehmer auch schon in den Vorjahren während seines Heimaturlaubs arbeitsunfähig geschrieben worden sei. Das Bundesarbeitsgericht hat dazu ausgeführt, wiederholte Krankschreibungen jeweils am Ende des Urlaubs könnten zu ernsthaften Zweifeln an der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit Anlass geben. Es hat jedoch im konkreten Fall nicht ausreichen lassen, dass der Kläger bereits in den Jahren 1987 und 1989 während seines Heimaturlaubs arbeitsunfähig krankgeschrieben worden sei, weil die letzte Erkrankung im Urlaub bereits fünf Jahre zurücklag.
Erst Recht können - wie im vorliegenden Fall - Krankheitszeiten in einem einmaligen Fall im Zusammenhang mit dem Urlaub nicht den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Frage stellen.
b)Der Beklagte hatte erstinstanzlich weiter angeführt, dass es nicht vorstellbar sei, dass der Arzt in I die Behandlung kostenlos vorgenommen habe und dass die Klägerin das Honorar des Arztes aus eigener Tasche bezahlt habe. Die Behandlungskosten seien über die Krankenkasse der Klägerin nicht abgewickelt worden.
Die Klägerin hat dazu - von dem Beklagten unbestritten - vorgetragen, dass sie dem Arzt ihre europäische Krankenversicherungskarte von der damaligen Krankenversicherung ausgehändigt hat. Danach kann die Frage, ob und wie der Arzt abgerechnet hat, kein wesentliches Indiz für oder gegen die Arbeitsunfähigkeit sein.
c)Der Beklagte hat sich ferner darauf berufen, dass die Klägerin die gesamte Dauer der hier streitigen Arbeitsunfähigkeit in I verbracht habe. Es ist jedoch nicht ersichtlich, inwieweit dadurch die Richtigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert sein sollte. Auch in Rechtsprechung und Literatur wird eine solche Tatsache im vorliegenden Zusammenhang nicht einmal diskutiert. Es ist auch nicht ersichtlich, wie unter den gegebenen Umständen aus dem Aufenthaltsort des Arbeitnehmers auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Krankheit geschlossen werden sollte.
d)Schließlich hat sich der Beklagte erstinstanzlich darauf berufen, dass die Klägerin die Diagnosefrage nicht beantwortet habe. Dazu ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagte gar keinen Anspruch auf Preisgabe der Diagnose hat. Davon abgesehen aber hat die Klägerin jedenfalls während des Prozesses durch Vorlage der für die Krankenkasse bestimmten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen die Diagnosefrage beantwortet.
e)Schließlich beruft sich der Beklagte auf die Korrespondenz mit der B , insbesondere auf das Schreiben vom 14.09.2010 und auf das Schreiben der B vom 04.03.2011. Sofern darin mitgeteilt wird, dass die B "die Bescheinigungen (...) aufgrund fehlender Mitwirkung der Versicherten (...) abschließend nicht akzeptiert" habe, weil die Klägerin angeforderte Berichte nicht besorgt habe, so kann auch dieses den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen im Arbeitsgerichtsprozess nicht erschüttern.
Es ist zum Einen schon nicht ersichtlich, welche Leistungen im Sinne der §§ 60 bis 66 SGB I die Barmer GEK überhaupt an die Klägerin für die Krankheitszeit zu erbringen gehabt hätte. Aus dem Schreiben folgt, dass der B die Abrechnung des i Arztes zu dem Zeitpunkt des Schreibens überhaupt nicht vorlag. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die B Krankengeld an die Klägerin gezahlt hätte. Jedenfalls fehlt jeglicher Vortrag zu entsprechenden infrage kommenden Leistungen der B.
Davon abgesehen aber wurden offensichtlich weitere Stellungnahmen des italienischen Arztes angefordert. Wie schon oben gesagt, ist die Klägerin nicht verpflichtet und es besteht auch keine entsprechende Obliegenheit, gegenüber dem Beklagten den i Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden und so zugunsten des Beklagten weitere Ausforschungen des i Arztes zuzulassen. Dementsprechend kann der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen gegenüber dem Beklagten nicht dadurch erschüttert werden, dass die Klägerin der Krankenkasse nicht detailliertere Berichte bezüglich Diagnostik und Therapie eingereicht hat.
Dahinstehen kann dabei, ob das Verlangen der Barmer GEK mit europäischem Recht, insbesondere mit der zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vereinbar ist und ob die B mit ihrem Verlangen, dass die Klägerin als Versicherte detaillierte Berichte des Arztes bezüglich Diagnostik und Therapie beibringe, nicht gegen ihre Ermittlungspflichten verstoßen hat. § 60 SGB I enthält keine Verpflichtung des Hilfsbedürftigen, den Sachverhalt in medizinischen Fragen aufzuklären und dafür erforderliche Auskünfte durch Dritte, insbesondere Ärzte, selbst einzuholen. Dies ist vielmehr Verpflichtung des Sozialversicherungsträgers, der zur Aufklärung des Sachverhalts verpflichtet ist (vgl. dazu - zum Fall der Sozialhilfe - SG Berlin 08.03.2006 - S 88 SO 32/06; vgl. auch LSG Nordrhein Westfalen 22.03.2011 - L 12 SO 592/10 - Rn. 36). Ein Versicherter ist vielmehr dazu verpflichtet, der Krankenkasse bzw. einem von ihr hinzuzuziehenden Gutachter entsprechende Angaben zugänglich zu machen, die zur Prüfung eines geltend gemachten Anspruchs erforderlich sind, somit auch der Erteilung von Auskünften durch einen behandelnden Arztes zuzustimmen (LSG Baden Württemberg 30.11.2001 - L 4 KR 1402/01).
6.Dem Beklagten steht auch schließlich kein Leistungsverweigerungsrecht aus § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG zu.
Nach § 5 Abs. 2 EFZG ist der Arbeitnehmer, der sich bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit im Ausland aufhält, verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit, deren voraussichtliche Dauer und die Adresse am Aufenthaltsort in der schnellstmöglichen Art der Übermittlung mitzuteilen. Darüber hinaus ist er verpflichtet, wenn er Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse ist, auch dieser die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich anzuzeigen.
Die zweite Verpflichtung hat die Klägerin versäumt.
Demgegenüber ist nicht festzustellen, dass sie auch ihre Verpflichtungen gegenüber dem Beklagten versäumt hätte. Die Klägerin hat nämlich - ohne dass der Beklagte dies bestritten hätte - vorgetragen, dass sie am 22.08.2010 über eine Mitarbeiterin dem Beklagten vorab telefonisch über die Arbeitsunfähigkeit informiert habe und in gleicher Weise am 27.08.2010 mit dem Beklagten selbst telefoniert habe. Der Beklagte hat sich auf diese Telefonate nicht eingelassen. Teilt aber der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine im Ausland eingetretene Arbeitsunfähigkeit telefonisch mit und fragt der Arbeitgeber nicht nach der Urlaubsanschrift, so kann er die Entgeltfortzahlung nicht mit der Begründung verweigern, ihm sei dadurch die Möglichkeit genommen worden, die Arbeitsunfähigkeit überprüfen zu lassen (BAG 19.02.1997 - 5 AZR 83/96).
Davon unabhängig aber begründet § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG kein endgültiges Leistungsverweigerungsrecht. Das Bundesarbeitsgericht hat bereits zu § 5 EFZG entschieden, dass die Nichtvorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dem Arbeitgeber nur ein zeitweiliges Leistungsverweigerungsrecht einräume, das ende, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, wenn auch verspätet, vorlege (BAGE 23, 411). Ebenso hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die Verpflichtung des Arbeitnehmers aus § 5 Abs. 2 S. 1 EFZG kein endgültiges Leistungsverweigerungsrecht begründet, vielmehr das zeitweilige Leistungsverweigerungsrecht erlischt, wenn der Arbeitnehmer in die Bundesrepublik zurückkehrt (BAG 19.02.1997 - 5 AZR 83/96 - Rn. 36). Entsprechendes gilt für die gesamten Verpflichtungen des Arbeitnehmers aus § 5 Abs. 2 EFZG (vgl. auch LAG Hamm 15.02.2006 - 18 Sa 1398/05). Ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 2 S. 3 EFZG endet mithin spätestens in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorlegt. Dieses ist im vorliegenden Fall sowohl gegenüber dem Beklagten als auch der Krankenkasse geschehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Dr. Backhaus
Hoffmann
Müller