· Fachbeitrag · Rentner
Flexirentengesetz: Geänderte Regeln zum Hinzuverdienst von Rentnern ab 01.07.2017
von Rechtsanwältin Sylvia Wörz, Osborn Clarke, Köln
| Ab 01.07.2017 können Voll- und Teilrentner durch frühzeitige zusätzliche Beiträge spätere Rentenabschläge besser ausgleichen. Außerdem haben sie bessere Möglichkeiten, vor Erreichen der Regelaltersgrenze - ggf. ohne Rentenkürzungen - hinzuzuverdienen. Das bringt auch bei der Lohnabrechnung Änderungen für Arbeitgeber, die Rentner (weiter-)beschäftigen. |
Ausgleich von Rentenabschlägen früher möglich
Wer vorzeitig eine Rente bezieht, muss auch weiterhin Abschläge in Höhe von 0,3 Prozent pro Monat der früheren Inanspruchnahme einer Altersvollrente in Kauf nehmen. Jedoch ermöglicht das Flexirentengesetz Rentnern nun, dass sie die Rentenminderungen, die durch die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente entstehen, bereits ab Vollendung des 50. Lebensjahrs durch zusätzliche Beitragszahlungen ausgleichen können. Bislang war dies erst ab Vollendung des 55. Lebensjahrs möglich.
Analog dazu kann eine Rentenauskunft nun ebenfalls vor Vollendung des 55. Lebensjahrs erteilt werden. Sie enthält auf Antrag auch die Höhe der Beitragszahlungen, die eine Rentenminderung bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente ausgleichen. Auf diese Möglichkeit müssen die Rentenversicherungsträger künftig mit dem Versand der zuletzt vor Vollendung des 50. Lebensjahrs zu erteilenden Renteninformation hinweisen.
PRAXISHINWEIS | Es ist davon auszugehen, dass - wie auch bisher - der Versicherte oder der Arbeitgeber die Ausgleichszahlungen leisten kann. Außerdem wird es u. E. weiterhin möglich sein, dass die Ausgleichszahlungen auch Gegenstand einer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber, eines Tarifvertrags oder eines Sozialplans sein können. |
Neue Hinzuverdienstgrenzen
Das Flexirentengesetz ändert nichts am Recht von Altersvollrentnern, nach Erreichen der Regelaltersgrenze unbegrenzt zur Rente hinzuzuverdienen. Neuerungen ergeben sich aber für Altersvoll- und Altersteilrentner, die noch nicht die Regelaltersgrenze erreicht haben.
- Bisher konnten Altersvollrentner vor Erreichen der Regelaltersgrenze monatlich bis zu 450 Euro hinzuverdienen, ohne dass es zu Kürzungen ihrer Vollrente kam. Zweimal pro Kalenderjahr durfte der Hinzuverdienst bis zum doppelten Wert des „normalen“ Hinzuverdienstes betragen. Die Überschreitung dieser Grenzen führte zu einer stufenweisen Herabsetzung der Rente und damit zur Auszahlung einer Teilrente.
- Beim Bezug einer Teilrente hatten Rentner beim Überschreiten bestimmter Hinzuverdienstgrenzen ebenfalls eine stufenweise Kürzung ihrer Rente hinzunehmen.
Wichtig | Das Flexirentengesetz gestattet nunmehr sowohl beim Bezug einer Altersvollrente als auch beim Bezug einer Altersteilrente einen anrechnungsfreien kalenderjährlichen Hinzuverdienst bis zu 6.300 Euro (14 × 450 Euro).
Berechnung des Hinzuverdienstes
Als Hinzuverdienst gelten weiterhin Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen und vergleichbares Einkommen. Insofern bleibt es bei folgenden Grundsätzen:
- Arbeitsentgelt sind die aus einer abhängigen Beschäftigung erzielten einmaligen Zahlungen oder laufenden Einnahmen (§ 14 SGB IV).
- Einmalige Zahlungen sind z. B. das Urlaubs- und Weihnachtsgeld.
- Laufende Einnahmen sind z. B. Löhne und Gehälter einschließlich der Entgeltfortzahlung bei Krankheit, Provisionen, Zulagen, Überstunden-vergütungen sowie vermögenswirksame Leistungen.
- Laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zum Lohn gewährt werden, gehören nicht zum Arbeitsentgelt, soweit sie lohnsteuerfrei sind. Dies gilt nicht für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge, soweit das Entgelt, auf dem sie berechnet werden, mehr als 25 Euro für jede Stunde beträgt (vgl. hierzu und zu weiteren nicht zuzurechnenden Zuwendungen § 1 SvEV).
- Arbeitseinkommen ist der nach dem Einkommensteuerrecht ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit (§ 15 SGB IV).
- Vergleichbares Einkommen sind z. B. Diätenzahlungen an Abgeordnete, Bezüge aus einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis, Vorruhestandsgeld nach § 3 S. 1 Nr. 4 SGB IV sowie Einkünfte geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH, die sozialversicherungsrechtlich als selbstständig Tätige und steuerrechtlich als nicht selbstständig Tätige eingestuft sind.
Ermittlung der stufenlosen Rentenkürzung
Wird die Hinzuverdienstgrenze von 6.300 Euro überschritten, wird eine geringere Rente ausgezahlt. Diese bestimmt sich nicht mehr nach dem bisherigen Stufenmodell, sondern wird künftig stufenlos ermittelt.
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1. Schritt |
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2. Schritt |
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3. Schritt |
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Ein Rentner erhält 1.500 Euro Altersvollrente pro Monat. Im Kalenderjahr 2017 verdient er 22.000 Euro hinzu. Sein persönlicher Hinzuverdienstdeckel liegt bei 3.500 Euro. Der Hinzuverdienst übersteigt die Hinzuverdienstgrenze im Kalenderjahr 2017 um 15.700 Euro (22.000 Euro ./. 6.300 Euro). Damit besteht nur noch Anspruch auf eine Teilrente. Deren Höhe ermittelt sich wie folgt:
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Nachfolgend erhalten Sie eine zusammenfassende Gegenüberstellung über die bisherigen und neuen Hinzuverdienstregelungen:
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Altersvollrentner nach Erreichen der Regel-altersgrenze | Altersvollrentner vor Erreichen der Regelaltersgrenze | Teilrentner nach Erreichen der Regelaltersgrenze | ||
| bis 30.06.2017 | ab 01.07.2017 | bis 30.06.2017 | ab 01.07.2017 |
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Wahl einer festen Hinzuverdienstgrenze bzw. Teilrente
Rentner können sich auch zum Bezug einer Teilrente entschließen. Stockt der Rentner die Teilrente später dann auf eine höhere Rente auf, unterliegt der zunächst nicht in Anspruch genommene Rentenanteil einem geringeren Abschlag als der bereits bezogene Rentenanteil. Nicht möglich ist diese Art der Teilrente für die abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte.
Die Höhe der Teilrente lässt sich unter folgenden Voraussetzungen individuell und mit Wirkung für die Zukunft jederzeit neu festlegen (§ 42 Abs. 2 SGB VI). Die Teilrente
- muss mindestens zehn Prozent der Vollrente betragen und
- kann höchstens in der Höhe in Anspruch genommen werden, in der nach Anrechnung des Hinzuverdiensts ein Anspruch besteht.
Mit der frei gewählten Höhe der Teilrente legt der Rentner gleichzeitig seine persönliche Hinzuverdienstgrenze fest. Wird diese überschritten, erfolgt eine nachträgliche „Spitzabrechnung“. Der Betrag, der die Hinzuverdienstgrenze übersteigt, wird zu 40 Prozent oder - wenn der Hinzuverdienstdeckel überschritten wird - zu 100 Prozent auf die Rente angerechnet und zurückgefordert.
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1. Schritt |
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2. Schritt |
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3. Schritt |
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4. Schritt |
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Rentner R erklärt, dass er nur 50 Prozent (450 Euro brutto) seiner Rente beanspruchen möchte. Sein persönlicher Hinzuverdienstdeckel liegt bei 2.500 Euro.
Ergebnis: Der Rentner kann die Teilrente von 450 Euro ohne Kürzung in Anspruch nehmen. |
Wichtig | Beziehen Rentner neben ihrer gesetzlichen Rente noch eine Betriebsrente, sollten sie sich beim Träger der Betriebsrente erkundigen, ob sich der Bezug einer Teilrente auf die Höhe ihrer Betriebsrente auswirkt.
Weiterführende Hinweise
- DRV-Broschüre „Flexirente: Das ist neu für Sie“ → www.iww.de/s114
- Beitrag „Welche Änderungen bringt das Flexirentengesetz zum 01.01.2017 für Arbeitgeber?“, LGP 1/2017, Seite 14 → Abruf-Nr. 44429792