· Fachbeitrag · Lohnzuschläge
Darauf sollten Arbeitgeber bei der Gewährung von Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschlägen achten
von StB Christian Eisele, Baker Tilly Roelfs, München
| Für viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind die Zuschläge für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit (SFN) ein fester Bestandteil der Vergütung. (Nur) unter bestimmten Voraussetzungen sind diese Zuschläge steuer- und beitragsfrei. Arbeitgeber müssen diese festen Regeln gut kennen, um vor Steuer- und Beitragsrückforderungen geschützt zu sein. |
Arbeitsrechtliche Grundlagen
Das Einkommensteuergesetz gibt die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit vor (§ 3b EStG). Anspruchsgrundlage für die Gewährung der Zuschläge ist jedoch in der Regel der Arbeits- oder Tarifvertrag. Auch können sich Vergütungs- und Zuschlagsansprüche für Mehrarbeit aus Einzelgesetzen ergeben.
So regelt z. B. das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) unter § 6 Abs. 5 ArbZG die Anspruchsgrundlage für einen Nachtarbeitszuschlag. Demnach hat ein Arbeitnehmer Anspruch darauf, dass ihm für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder ein angemessener Zuschlag auf das Bruttoarbeitsentgelt gewährt wird. Dies gilt zumindest, soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsansprüche bestehen.
Wichtig | Das BAG hat konkrete Vorgaben zur Höhe eines angemessenen Nachtarbeitzuschlags beim Fehlen tarifvertraglicher Regelungen getroffen:
- Grundsätzlich gilt ein Zuschlag von 25 Prozent auf den Bruttostundenlohn bzw. die entsprechende Anzahl bezahlter freier Tage als angemessen.
- Eine Reduzierung ist zulässig, wenn die Arbeitsbelastung während der Nachtarbeit z. B. durch Bereitschaftsdienst geringer ist.
- Besondere Belastungen können einen höheren Ausgleichsanspruch von 30 Prozent rechtfertigen, etwa Dauernachtarbeit.
- Die Dauernachtarbeit eines Lkw-Fahrers im Paketlinientransportdienst zwischen 20:00 Uhr und 6:00 Uhr rechtfertigt laut BAG einen Zuschlag von 30 Prozent oder einen Freizeitausgleich von zwei Arbeitstagen für 90 geleistete Nachtarbeitsstunden (BAG, Urteil vom 09.12.2015, Az. 10 AZR 423/14, Abruf-Nr. 146395).
- Auch das LAG Düsseldorf (Urteil vom 19.11.2014, Az. 7 Sa 417/14) sieht einen Zuschlag von 30 Prozent bei Dauernachtarbeit in der Paketdienstleistungsbranche als angemessen an. Die Revision hat das BAG zurückgewiesen (BAG, Urteil vom 09.12.2015, Az. 10 AZR 29/15).
- In einem weiteren Fall wiederholte das BAG seine Auffassung von angemessenen Zuschlagssätzen von 25 Prozent bzw. bei Dauernachtarbeit von 30 Prozent (BAG, Urteil vom 09.12.2015, Az. 10 AZR 156/15, Abruf-Nr. 188202). Es verwies die Sache an die Vorinstanz zurück (LAG München, Urteil vom 29.01.2015, Az. 4 Sa 557/14).
PRAXISHINWEIS | Es ist für Arbeitgeber bei der Festsetzung von Zuschlagssätzen wichtig, diese klare Linie des BAG zu kennen und zu beachten. Im Übrigen berühren gesetzliche Verbote die Steuerfreiheit nicht. D. h.: Zuschläge können selbst dann steuerfrei abgerechnet werden, wenn die Tätigkeit an einem Sonntag, Feiertag oder nachts gesetzlich nicht erlaubt ist. |
Prüfung der Steuerfreiheit
Die Prüfung einer möglichen Steuerfreiheit erfolgt dreistufig:
1. Ermittlung des Grundstundenlohns
Der Stundenlohn, auf den sich die Zuschläge beziehen, ermittelt sich wie folgt:
- Der laufende Arbeitslohn, z. B. Monatsgehalt, Wochen- und Tageslohn, ist inklusive laufend gewährter Zuschläge und geldwerter Vorteile (z. B. Firmenwagen) in einen Grundstundenlohn umzurechnen. Ist ein Monatslohn vereinbart, ist der Divisor das 4,35-fache der normalen Wochenarbeitszeit.
- Sonstige Bezüge (z. B. Weihnachts-, Urlaubsgeld, Gratifikationen) und steuerfreie Gehaltsbestandteile bleiben bei der Berechnung des Grund(stunden)-lohns außen vor - mit Ausnahme von laufend gezahlten steuerfreien Beiträgen in einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder Direktversicherung.
- Liegt der so berechnete Grundstundenlohn nicht über 50 Euro, kann eine Steuerfreiheit in Frage kommen. Durch diese Abhängigkeit der Steuerfreiheit vom Grundlohn wirkt eine Erhöhung oder Verringerung des Grundlohns unmittelbar auf die Höhe der möglichen steuerfreien Zuschläge zurück.
PRAXISHINWEIS | Ein Arbeitgeber kann mit dem Arbeitnehmer einen durchschnittlichen Auszahlungsbetrag vereinbaren. Reichen die SFN-Zuschläge in einem Monat für den vereinbarten Auszahlungsbetrag nicht aus, wird der laufende Arbeitslohn für diesen Monat erhöht und vice versa. Diese Nettolohnvereinbarung bewirkt, dass der Arbeitgeber von der Steuerfreiheit der SFN-Zuschläge unmittelbar profitieren kann (BFH, Urteil vom 17.06.2010, Az. VI R 50/09, Abruf-Nr. 102918). |
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Ein Gastronomiebetrieb vereinbart mit einem Mitarbeiter einen fixen Auszahlungsbetrag von 2.600 Euro. In der Hochsaison September 2016 fallen die SFN-Zuschläge höher aus. Der Arbeitgeber reduziert zum Ausgleich den Bruttolohn:
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2. Ermittlung der Zuschlagsart
Die Höhe der steuerfrei möglichen Zuschläge ermittelt sich je nachdem, ob die Zuschläge für Arbeit an einem Sonntag, Feiertag oder in der Nacht gezahlt werden. Der Gesetzgeber differenziert in § 3b EStG wie folgt:
Sonntagsarbeit | Feiertagsarbeit | Nachtarbeit | |
Zeitrahmen | 00:00-24:00 Uhr | 00:00-24:00 Uhr | 20:00-06:00 Uhr00:00-04:00 Uhr |
Besonderheiten | Auch Arbeit am Montag zwischen 00:00-04:00 Uhr, wenn die Arbeit vor 00:00 Uhr aufgenommen wurde | Auch Arbeit am Folgetag zwischen 00:00-04:00 Uhr, wenn die Arbeit vor 00:00 Uhr aufgenommen wurde | Auch Arbeit, die vor 00:00 Uhr aufgenommen wurde |
Ausnahmen |
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Voraussetzung für die Steuerfreiheit von Zuschlägen ist, dass
- die Zuschläge neben dem Grundlohn gezahlt werden und
- der Arbeitnehmer auch tatsächlich zu diesen Zeiten gearbeitet hat. Zum Nachweis sind Aufzeichnungen zu führen und zum Lohnkonto zu nehmen.
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Der Mitarbeiter einer Tankstelle arbeitet stets an drei Sonntagen im Monat und erhält dafür einen Sonntagszuschlag von 15 Euro pro Stunde, das sind 120 Euro pro Sonntag. Die Bedingungen für eine Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit sind erfüllt. Der Nachweis der Sonntagsarbeit wird durch Einsatzpläne erbracht, die der Mitarbeiter und der Arbeitgeber gegenzeichnen. |
Wichtig | Steuerpflichtig sind z. B. SFN-Zuschläge für Tage, an denen der Arbeitnehmer üblicherweise arbeitet, tatsächlich aber wegen Urlaub, Feiertag oder Krankheit nicht gearbeitet hat.
PRAXISHINWEIS | Der Arbeitgeber kann nicht einfach auf die Zuschläge verzichten, weil der Arbeitnehmer wegen Urlaub, Feiertag oder Erkrankung nicht gearbeitet hat, und die Zuschläge somit steuerpflichtig sind. Der Arbeitnehmer kann auf diese Zuschläge nämlich einen Anspruch haben. Hat er in der Vergangenheit an solchen Tagen gearbeitet und hätte er es ohne Urlaub, Feiertag oder Erkrankung tun müssen, ist er so zu vergüten, als hätte er gearbeitet. In dem Fall ist die volle Vergütung einschließlich etwaiger Zuschläge zu zahlen.
Die Details regelt für Feiertage bzw. im Krankheitsfall das Entgeltfortzahlungsgesetz (§ 2 EFZG und § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG) und für Urlaubstage das Bundesurlaubsgesetz (§ 1 BUrlG). |
Wichtig | Zahlt der Arbeitgeber die Zuschüsse nicht aus, schützt ihn dies nicht vor Beitragsrückforderungen. Denn Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung sind auch für geschuldetes und bei Fälligkeit noch nicht gezahltes, laufendes Arbeitsentgelt zu entrichten (§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB IV).
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Der Mitarbeiter aus dem vorgenannten Beispiel war im August 2015 im Urlaub. Die Tankstelle zahlte ihm daher keinen Sonntagszuschlag für August aus.
Bei einer Sozialversicherungsprüfung in 2016 fordert der Prüfer Beiträge aus 360 Euro für die drei Sonntage im August 2015 nach. Der Arbeitgeber muss die AN- und AG-Beiträge auf die 360 Euro komplett übernehmen, in der Summe 150 Euro. |
PRAXISHINWEIS | Der BFH erlaubt auch die Steuerfreiheit auf Zuschläge für Rufbereitschaftsdienste. Die Grenzen der Steuerbefreiung orientieren sich dabei nicht am Grundlohn für die volle Arbeitsleistung, sondern an dem Entgelt, das für Stunden gewährt wird, für die eine Rufbereitschaft angeordnet ist (BFH, Urteil vom 27.08.2002, Az. VI R 64/96, Abruf-Nr. 021563). |
3. Ermittlung der Zuschlagssatzes
Sind der Basisstundenlohn und die Zuschlagsart ermittelt, ist der Zuschlagssatz zu berechnen. Der Zuschlag ist insoweit steuerfrei, als er einen bestimmten Prozentsatz des Grundlohns nicht übersteigt.
Sonntagsarbeit | Feiertagsarbeit | Nachtarbeit | ||
50 % des Grundlohns | Gesetzl. Feiertage | 125 % des Grundlohns | 20:00-06:00 Uhr | 25 % des Grundlohns |
31.12. (ab 14:00 Uhr) | 125 % des Grundlohns | 00:00-04:00 Uhr | 40 % des Grundlohns | |
1.5. | 150 % des Grundlohns | |||
24.12. (ab 14:00 Uhr) | 150 % des Grundlohns | |||
25. und 26.12. | 150 % des Grundlohns |
Für einen Feiertag am Sonntag gelten die Zuschlagssätze für Feiertage. Bei Arbeit an einem Sonn- oder Feiertag in der Nacht werden die Zuschlagssätze für Nachtarbeit und für den entsprechenden Feiertag zusammengerechnet.
Wichtig | Der maximal steuerfreie Grundlohn beträgt 50 Euro. Übersteigt der tatsächliche Grundlohn diesen und/oder den anzuwendenden Zuschlagssatz, ist nur der übersteigende Betrag, nicht der gesamte Zuschlag, steuerpflichtig. Die Beschränkungen wirken damit wie ein Freibetrag. Das wird insbesondere bei der Umsetzung der BAG-Rechtsprechung zur Angemessenheit von Nachtarbeitszuschlägen deutlich.
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Eine leitende Mitarbeiterin im Check-In-Bereich am Flughafen verdient für 40 Stunden pro Woche 4.800 Euro brutto im Monat. Sie arbeitet dauerhaft auch am späten Abend von 23:00 Uhr bis 24:00 Uhr und erhält hierfür von ihrem nicht tarifvertraglich gebundenen Arbeitgeber einen Nachtzuschlag von 30 Prozent.
Der Grundstundenlohn beträgt 27,58 Euro (= 4.800 Euro : [40 Stunden x 4,35]). Der Zuschlag für die Nachtarbeit beträgt 30 Prozent von 27,58 Euro = 8,27 Euro. Steuerfrei sind nur 25 Prozent von 27,58 Euro = 6,89 Euro. Die verbleibenden 1,38 Euro (8,27 Euro ./. 6,89 Euro) pro Nachtarbeitsstunde sind steuerpflichtig. |
Die Behandlung in der Sozialversicherung
Für die Berechnung der sozialversicherungsfreien Zuschläge für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit gelten die steuerlichen Regeln. Jedoch mit einer wichtigen Ausnahme: Für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge ist ein niedrigerer Stundenlohn festgelegt (§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SvEV). Steuerfreie Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschläge, die auf Basis eines Grundlohns von mehr als 25 Euro berechnet werden, sind demnach nicht mehr beitragsfrei. Insoweit fallen Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit auseinander.
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Vom gewährten Nachtzuschlag in Höhe von 8,27 Euro pro Stunde sind 6,89 Euro pro Stunde steuerfrei (25 Prozent von 27,58 Euro), aber nur 6,25 Euro sozialversicherungsfrei (25 Prozent von 25 Euro). |
Besonderheiten für geringfügig Beschäftigte
Steuer- und beitragsfreie SFN-Zuschläge bleiben bei der Prüfung der 450-Euro-Grenze außen vor. Damit können Minijobber mehr als 450 Euro pro Monat verdienen, ohne in die individuelle Steuer- und Beitragspflicht zu rutschen.
Wichtig | Bemessungsgrundlage für die pauschale Lohnsteuer von zwei Prozent bei Minijobbern ist das sozialversicherungsrechtliche Arbeitsentgelt (R 40a.2 S. 3 LStR). Das bedeutet:
- Die Pauschalsteuer ist auch auf SFN-Zuschläge zu berechnen, die einem Grundstundenlohn zwischen 25 Euro und 50 Euro zugrunde liegen.
- Die pauschale Steuer wird auch auf Zuschläge fällig, die dem Mitarbeiter noch nicht zugeflossen sind, auf die er aber einen Anspruch hat. Auf das steuerliche Zuflussprinzip kommt es insoweit nicht an.
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Ein Meteorologe ist in einem Fernsehsender vier Abende und Nächte im Monat auf 450-Euro-Basis mit einem zusätzlichen Nachtzuschlag von 30 Euro pro Stunde angestellt. Im Mai 2015 war dieser Mitarbeiter den ganzen Monat krank. Der Fernsehsender zahlte ihm für Mai daher kein Gehalt aus. Im Dezember 2015 machte der Mitarbeiter mit Hinweis auf die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall seinen Anspruch für Mai 2015 auf 450 Euro plus Nachtzuschlag für vier Nächte geltend.
Der Fernsehsender zahlt daraufhin im April 2016 das Gehalt für Mai 2015 nach. Die pauschale Steuer von zwei Prozent meldet der Arbeitgeber in einer zu berichtigenden Meldung für Mai 2015 an die Minijobzentrale nach.
Wichtig | Die nachzumeldende pauschale Steuer wäre auch fällig, wenn der Nachzuschlag pro Stunde nicht mehr als 25 Euro betragen würde. Denn die Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit kommt nur für Nächte in Frage, in denen tatsächlich gearbeitet wurde. |