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  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    Abbruch eines Vermietungsobjekts bei teilweiser privater Nutzung

    | Soll ein Vermietungsobjekt abgerissen und durch ein neues ersetzt werden, stellt sich zwangsläufig die Frage, wie der Restbuchwert und die Abbruchkosten steuerlich zu behandeln sind. Wie der folgende praktische Fall zeigt, nimmt die Komplexität zu, wenn das Vermietungsobjekt in der Vergangenheit teilweise privat genutzt wurde. |

    1. Sachverhalt

    Die Eheleute Meise haben mit Wirkung zum 1.1.17 ein Grundstück mit einer Großraumgarage (100 qm) erworben und die vier Stellplätze anschließend wie folgt genutzt:

     

    • Überblick über die Garagennutzung
    Zeitraum
    Stellplatz 1
    Stellplatz 2
    Stellplatz 3
    Stellplatz 4

    2017 ‒ 2019

    vermietet

    vermietet

    vermietet

    vermietet

    2020

    private Nutzung

    vermietet

    vermietet

    vermietet

     

    Die Eheleute haben die Mietverträge zum 31.12.20 gekündigt. Unmittelbar danach soll die Garage abgerissen und in der Folge ein neues fremdvermietetes Mehrfamilienhaus errichtet werden. Herr Meise fragt nun seinen Steuerberater, ob der Restbuchwert der Garage und die Abbruchkosten unmittelbar als Werbungskosten abzugsfähig sind.

    2. Lösung

    Der Steuerberater stellt zunächst die generelle steuerliche Behandlung von Abbruchkosten vor und geht anschließend auf die Besonderheiten bei teilweiser Privatnutzung ein.

     

    2.1 Steuerliche Behandlung von Abbruchkosten

    Zunächst ist festzuhalten, dass die steuerliche Behandlung von Restbuchwert und Abbruchkosten einheitlich erfolgt (BFH 13.12.00, IX B 106/00) und freistehende Garagen als Gebäude zu behandeln sind (so der BFH 22.9.05, IX R 26/04 zur Abschreibung von Garagen nach § 7 Abs. 5 EStG).

     

    Zudem unterscheidet die Finanzverwaltung folgende vier Grundfälle (H 6.4 „Abbruchkosten“ EStH):

     

    • 1. Abbruch eines selbst errichteten Gebäudes
    • 2. Erwerb eines Gebäudes ohne Abbruchabsicht
    • 3. Erwerb eines Gebäudes mit Abbruchabsicht
    • 4. Einlage mit Abbruchabsicht

     

    In den Fällen der Nr. 1 und der Nr. 2 sind die Abbruchkosten und der Restbuchwert des abgebrochenen Gebäudes sofort abziehbare Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten.

     

    Beim Erwerb eines Gebäudes mit Abbruchabsicht (Nr. 3) ist zu unterscheiden:

     

    • Die Abbruchkosten und der Restbuchwert stellen Herstellungskosten des neuen Gebäudes dar, wenn das alte Gebäude wirtschaftlich noch nicht verbraucht war und der Abbruch mit der Herstellung des neuen Gebäudes in einem engen zeitlichen Zusammenhang steht. Bei fehlendem engen zeitlichen Zusammenhang gehören die Abbruchkosten und der Restbuchwert zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens.

     

    • War das Gebäude im Erwerbszeitpunkt wirtschaftlich verbraucht bzw. objektiv wertlos, sind die vollen Anschaffungskosten dem Grund und Boden zuzurechnen. Steht die Herstellung des neuen Gebäudes in einem zeitlich engen Zusammenhang zum Abbruch, gehören die Abbruchkosten zu den Herstellungskosten des neuen Gebäudes. Anderenfalls handelt es sich bei den Abbruchkosten um Anschaffungskosten des Grund und Bodens.

     

    Bei der Nr. 4 (Einlage mit Abbruchabsicht) gehören der Wert des abgebrochenen Gebäudes und die Abbruchkosten zu den Herstellungskosten des neu zu errichtenden Gebäudes.

     

    Ob das Vermietungsobjekt ursprünglich mit oder ohne Abbruchabsicht erworben wurde, ist objektiv nur schwer zu beurteilen. Literatur und Rechtsprechung haben insbesondere die folgenden Indikatoren herausgearbeitet, die für einen Erwerb mit Abbruchabsicht sprechen:

     

    • Der Gebäudeabbruch erfolgt innerhalb von drei Jahren nach dem Erwerb.
    • Es besteht eine vertragliche Abbruchverpflichtung.
    • Vor dem Erwerb sind bereits vorbereitende Abbruchmaßnahmen oder Planungsmaßnahmen für den Neubau erfolgt.
    • Vor dem Abbruch hat keine Nutzung durch den Erwerber stattgefunden.

     

    Beachten Sie | Der Steuerpflichtige kann den Anscheinsbeweis („drei Jahre nach dem Erwerb“) durch einen Gegenbeweis entkräften (H 6.4 „Abbruchkosten“ EStH).

     

    ZWISCHENFAZIT | Da zwischen der Anschaffung der Großraumgarage und dem Abriss mehr als drei Jahre liegen und auch kein anderer Indikator für einen Erwerb mit Abbruchabsicht vorliegt, sind der Restbuchwert und die Abbruchkosten grundsätzlich als laufender Aufwand zu erfassen (= Erwerb eines Gebäudes ohne Abbruchabsicht).

     

    2.2 Besonderheit bei teilweiser Privat-Nutzung

    Im Hinblick auf die bisherige Nutzung des Gebäudes (bzw. der Garagen) sind grundsätzlich drei Konstellationen denkbar:

     

    Übersicht / Bisherige Gebäudenutzung und Folgen

    Vermietung (100 %)
    privat (100 %)
    Vermietung und privat

    sofort abziehbare Werbungskosten

    Herstellungskosten des neuen Gebäudes

    Aufteilung erforderlich

     

    Wurde das Gebäude in der Vergangenheit ausschließlich zur Einkünfteerzielung genutzt, sind die Abbruchkosten sofort als Werbungskosten abziehbar.

     

    Sofern das Gebäude hingegen zu nicht einkommensteuerlich relevanten Zwecken genutzt wurde, stehen die Abbruchkosten und ggf. die Absetzungen für außergewöhnliche Abnutzung ausschließlich im Zusammenhang mit dem Neubau und bilden Herstellungskosten des neuen Gebäudes (H 6.4 „Abbruchkosten bei vorheriger Nutzung außerhalb der Einkünfteerzielung“ EStH; BFH 16.4.02, IX R 50/00).

     

    Komplexer wird es, wenn das Gebäude teilweise vermietet und teilweise privat genutzt wurde. In diesem Fall ist nach einer aktuellen Entscheidung des FG Münster (21.8.20, 4 K 855/19 E) eine zeit- und flächenanteilige Aufteilung vorzunehmen. Dabei hat das FG Münster u. a. herausgestellt, dass es nicht sachgerecht ist, einige Zeiträume der Nutzung aus der Betrachtung auszuklammern. Eine Betrachtung, die allein auf die letztvergangene Nutzung abstellt, hat das FG abgelehnt.

     

    Beachten Sie | Der BFH hat zur Relevanz einer (zeitweise) gemischten Nutzung des abgerissenen Objekts (bei nachfolgendem Bau eines Vermietungsobjekts) für die Veranlassung von Abbruchkosten und Gebäuderestwert, die nicht mit einer konkreten, zeitlich zuordenbaren Ursache begründet worden ist, noch keine Stellung genommen. Demzufolge hat das FG Münster die Revision zugelassen, die auch eingelegt wurde (BFH IX R 16/20).

     

    Folgt man der Sichtweise des FG Münster, dann muss bei den Eheleuten Meise eine entsprechende Ermittlung des privaten Nutzungsanteils erfolgen:

     

    • Privater Anteil der Eheleute Meise
    Kalenderjahr
    vermietet (qm)
    privat genutzt (qm)
    Summe (qm)

    2017 - 2019

    300

    0

    300

    2020

    75

    25

    100

    Summe:

    375

    25

    400

     

    Der private Nutzungsanteil beträgt 6,25 % (25 qm × 100/400 qm). Grundsätzlich könnten die Eheleute Meise also nur 93,75 % der Abbruchkosten unmittelbar steuermindernd nutzen. Da die private Nutzung aber unter 10 % liegt, ist sie nach den allgemeinen Grundsätzen zum Veranlassungsprinzip bei gemischter Veranlassung steuerlich unerheblich (so auch FG Münster a. a. O.). Eine Aufteilung muss also nicht erfolgen.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2020 | Seite 209 | ID 46915940