Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    Neue GWG-Grenze von 800 EUR: Das Aus für den steuerlichen Sammelposten?

    | Bei geringwertigen Wirtschaftsgütern (GWG) besteht ein Wahlrecht zwischen der Sofortabschreibung und der Einstellung in einen Sammelposten. Da sich die Wertgrenze für die Sofortabschreibung ab 2018 von 410 EUR auf 800 EUR erhöht hat (BGBl I 17, 2074), dürfte der Sammelposten mit seiner unveränderten Wertgrenze von 1.000 EUR an Attraktivität verloren haben. Der praktische Fall zeigt, welche Methode wann steuerlich günstiger ist. |

    1. Sachverhalt

    P. Müller betreibt mit seinen 20 Mitarbeitern die PM Unternehmensberatungs-GmbH. Bei der Besprechung des Jahresabschlusses für 2017 teilt er seiner Steuerberaterin mit, dass er für 2018 ein Rekordergebnis erwartet. Infolgedessen möchte er in 2018 in eine neue Büroausstattung investieren. Er geht davon aus, dass die Kosten für neue Schreibtische, Bürostühle, Schränke, Telefone, Kopierer etc. insgesamt ca. 50 TEUR betragen werden. Die Einzelanschaffungskosten liegen im Wesentlichen zwischen 250 EUR und 800 EUR.

     

    Frage: Sollte P. Müller die Sofortabschreibung (§ 6 Abs. 2 EStG) oder besser den Sammelposten (§ 6 Abs. 2a EStG) nutzen?

    2. Lösung

    Die Steuerberaterin stellt zunächst dar, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein GWG vorliegt. Nach einem Überblick über die Abschreibungswahlrechte und einem Exkurs zur Rechnungsabgrenzung werden die steuerlichen Effekte bei einem Investitionsvolumen von 50 TEUR skizziert.

     

    2.1 Generelle Anforderungen und Wahlrechte

    Die Sofortabschreibung und der Sammelposten setzen voraus, dass

    • es sich um ein abnutzbares bewegliches Wirtschaftsgut des Anlagevermögens handelt,
    • das Wirtschaftsgut selbstständig nutzbar ist und
    • die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten die normierten Höchstgrenzen nicht überschreiten.

     

    PRAXISTIPP | Ob ein Wirtschaftsgut selbstständig nutzbar ist, erschließt sich oftmals nicht auf den ersten Blick. Hier können die EStH der Finanzverwaltung weiterhelfen. Unter H 6.13 EStH gibt es nämlich ein ABC der selbstständig und nicht selbstständig nutzungsfähigen Wirtschaftsgüter. Selbstständig nutzbare Wirtschaftsgüter sind z. B. die Einrichtungsgegenstände in Büros und Werkstätten. Demgegenüber sind Peripheriegeräte einer PC-Anlage nicht selbstständig nutzbar. Sogenannte Kombinationsgeräte und externe Datenspeicher fallen jedoch nicht darunter und sind somit „begünstigt“.

     

    Für GWG, die nach dem 31.12.17 angeschafft, hergestellt oder in das Betriebsvermögen eingelegt werden, gelten folgende Grenzen bzw. folgende Abschreibungsmöglichkeiten:

     

    • Grundsatz: Abschreibung über betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer
    • bis 250 EUR: Sofortabzug ohne besondere Aufzeichnungspflichten (Wahlrecht)
    • ab 250,01 EUR bis 800 EUR: Sofortabzug oder Poolabschreibung eines Sammelpostens (Wahlrecht)
    • ab 800,01 EUR bis 1.000 EUR: Poolabschreibung über 5 Jahre (Wahlrecht).

     

    MERKE | Bei der Übersicht sind insbesondere folgende Punkte zu beachten:

     

    • Das Wahlrecht „Sammelposten“ muss einheitlich für alle in einem Wirtschaftsjahr angeschafften, hergestellten oder eingelegten Wirtschaftsgüter mit Aufwendungen von 250,01 bis 1.000 EUR ausgeübt werden.
    • Bei den Wertgrenzen ist der Nettobetrag maßgebend. Es kommt also nicht darauf an, ob die Umsatzsteuer als Vorsteuer tatsächlich abziehbar ist.
    • Bei den Überschusseinkünften (z. B. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) kann kein Sammelposten gebildet werden.
     

    2.2 Exkurs: Rechnungsabgrenzungsposten

    Die Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten dient dazu, Einnahmen und Ausgaben in dem Jahr auszuweisen, dem sie wirtschaftlich zuzuordnen sind. Dem Steuerpflichtigen steht (grundsätzlich) kein Wahlrecht zur Verfügung.

     

    Allerdings hat der BFH (18.3.10, X R 20/09, BFH/NV 10, 1796) Folgendes entschieden: Ebenso wie nach § 6 Abs. 2 EStG bei GWG auf eine planmäßige Abschreibung verzichtet werden kann, kann auch in Fällen, in denen der Wert des einzelnen Abgrenzungspostens 410 EUR nicht übersteigt, auf eine Abgrenzung verzichtet werden. Der BFH stellt hier auf den Grundsatz der Wesentlichkeit ab und argumentiert, dass die periodengerechte Abgrenzung im Interesse einer Buchführungsvereinfachung nicht übertrieben werden darf.

     

    PRAXISTIPP | Da sich der BFH „... an den jeweiligen Grenzen des § 6 Abs. 2 EStG (in seiner jeweiligen für den betreffenden VZ geltenden Fassung)“ orientiert, müsste ab 2018 auf eine Abgrenzung verzichtet werden können, wenn der Wert des einzelnen Abgrenzungspostens 800 EUR nicht übersteigt (so wohl auch Weber-Grellet in Schmidt, 37. Aufl. 18, § 5 Rz. 242, der als Maßstab auf § 6 Abs. 2 EStG verweist; a. A. Tiedchen in Herrmann, Heuer, Raupach, § 5 EStG, Anm. 2181, die der h. M. generell nicht folgt und u. a. auf das Vollständigkeitsgebot für Rechnungsabgrenzungsposten verweist).

     

    2.3 Vergleich der steuerlichen Auswirkungen

    Die geplante Investition in die Büroausstattung i. H. von 50.000 EUR wirkt sich je nach Abschreibungsmethode unterschiedlich aus. Die folgenden Tabellen verdeutlichen die möglichen steuerlichen Effekte für die PM Unternehmensberatungs-GmbH:

     

    • Poolabschreibung im Erstjahr (in EUR)

    Investition 2018

    50.000

    Poolabschreibung 2018

    10.000

    Minderung der Steuerlast bei einem Steuersatz von 32 % (KSt, Soli, GewSt)

     

    3.200

     
    • Sofortabschreibung im Erstjahr (in EUR)

    Investition 2018

    50.000

    Sofortabschreibung 2018

    50.000

    Minderung der Steuerlast bei einem Steuersatz von 32 % (KSt, Soli, GewSt)

     

    16.000

     
    • Entwicklung der Auswirkungen über die Totalperiode
    Methode
    2018
    2019
    2020
    2021
    2022
    Summe

    Poolabschreibung

    3.200

    3.200

    3.200

    3.200

    3.200

    16.000

    Sofortabschreibung

    16.000

    0

    0

    0

    0

    16.000

    Differenz

    ‒12.800

    3.200

    3.200

    3.200

    3.200

    0

     

    Die Anwendung der Sofortabschreibung hätte ‒ insbesondere vor dem Hintergrund der prognostizierten erfreulichen Geschäftsentwicklung ‒ den Vorteil, dass sich die gesamte Investition unmittelbar steuermindernd auswirkt. Dies würde im Vergleich zur Poolabschreibung zu einer um 12.800 EUR geringeren Steuerlast führen. Über die nächsten 4 Jahre gleicht sich der Vorteil der Sofortabschreibung zwar wieder aus, aber es verbleibt immer noch der Liquiditäts- bzw. Zinsvorteil. Darüber hinaus besteht natürlich die Gefahr, dass sich die Geschäftslage negativ entwickelt und sich die späteren Abschreibungen aufgrund von Verlustvorträgen nicht zahlungswirksam auswirken.

     

    Entscheidet sich P. Müller für die Sofortabschreibung, nimmt er in Kauf, dass Wirtschaftsgüter mit Anschaffungskosten zwischen 800 und 1.000 EUR nicht über fünf Jahre, sondern über die jeweilige betriebliche Nutzungsdauer abgeschrieben werden. Dies kann, je nach Wirtschaftsgut, den Steuervorteil im Erstjahr erhöhen (Abschreibung Computer über 3 statt über 5 Jahre) oder mindern (Abschreibung Bürostuhl über 13 statt über 5 Jahre).

     

    FAZIT | Auch nach der Anhebung der Wertgrenzen kann keine allgemeingültige Aussage getroffen werden, dass eine Methode stets steuerlich günstiger ist. Allerdings scheint die Sofortabschreibung nach der Anhebung der Wertgrenzen auf 800 EUR an Attraktivität gewonnen zu haben. Denn der steuerliche Vorteil der Poolabschreibung bei einem Invest in viele langlebige Wirtschaftsgüter greift nun nur noch bei Anschaffungskosten zwischen 800 EUR und 1.000 EUR.

     
    Quelle: Ausgabe 06 / 2018 | Seite 102 | ID 45184953