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  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung: Berechnung der Schenkungsteuer folgt neuen Grundsätzen

    | Verzichtet ein gesetzlicher Erbe gegenüber seinen Geschwistern auf seinen Pflichtteil, wird er hierzu regelmäßig nur gegen Zahlung einer Abfindung bereit sein. Der praktische Fall zeigt, wie die Schenkungsteuer für die Abfindung zu ermitteln ist und dass es dabei nach der neuen BFH-Rechtsprechung insbesondere darauf ankommt, wann der Verzicht vereinbart worden ist. |

    1. Sachverhalt

    Die Mutter (M) hatte ihrem Sohn (S) in 2014 einen höheren Geldbetrag zugewendet, für den Schenkungsteuer anfiel. In 2017 schloss S mit seinen zwei Brüdern ‒ noch zu Lebzeiten der M ‒ einen Erbschaftsvertrag. Der Vater der Kinder war vorverstorben.

     

    In dem Vertrag verzichtete der S für den Fall, dass er durch letztwillige Verfügung von der Erbfolge seiner Mutter ausgeschlossen sein sollte, auf die Geltendmachung seines Pflichtteilsanspruchs einschließlich etwaiger Pflichtteilsergänzungsansprüche. Zum Ausgleich des Verzichts verpflichteten sich die Brüder, an S jeweils 200.000 EUR zu zahlen. Die Parteien waren sich einig, dass der Vertrag auch dann Bestand haben soll und die Abfindungen nicht zurückzugewähren sind, wenn S nach dem Tode der M nicht Erbe wird und keinen Pflichtteilsanspruch erwirbt.

     

    Für die anwaltliche Beratung im Vorfeld der Schenkung musste S Rechtsanwaltskosten i. H. von 800 EUR zahlen. Die Notarkosten für die notarielle Beurkundung betrugen 1.000 EUR.

     

    Frage: Wie hoch ist die Schenkungsteuer für die Abfindung?

    2. Lösung

    Schließen künftige gesetzliche Erben einen Vertrag, wonach der eine auf seine künftigen Pflichtteilsansprüche gegen Zahlung eines Geldbetrags verzichtet, stellt die Zahlung eine freigebige Zuwendung i. S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar. Da die Abfindung aus dem Vermögen des künftigen gesetzlichen Erben geleistet wird, liegt eine freigebige Zuwendung von diesem vor ‒ und keine freigebige Zuwendung des künftigen Erblassers an den Empfänger der Abfindung (BFH 16.5.13, II R 21/11).

     

    Bislang stellte der BFH (u. a. 25.1.01, II R 22/98) für die Besteuerung der Abfindungen nicht auf das Verhältnis des Verzichtenden zum Zahlenden, sondern auf dasjenige zum künftigen Erblasser ab. Daran hält der BFH in seiner neuesten Rechtsprechung aber nicht mehr fest (BFH 10.5.17, II R 25/15, Abruf-Nr. 195796). Begründung: Das Ziel, den gegen Abfindung vereinbarten Pflichtteilsverzicht sowohl vor als auch nach dem Eintritt des Erbfalls im Ergebnis gleich zu behandeln, kann insbesondere dann nicht erreicht werden, wenn der Verzicht gegenüber mehreren Personen erklärt wird und/oder Vorschenkungen des (künftigen) Erblassers an den Verzichtenden vorliegen.

     

    Bei den Abfindungen handelt es sich somit um zwei freigebige Zuwendungen der Brüder an S, die getrennt zu besteuern sind. Die Schenkungsteuer berechnet sich wie folgt:

     

    • Ermittlung der Schenkungsteuer

    Wert des Erwerbs

    200.000 EUR

    ./. Notarkosten für Beurkundung (1.000 EUR x 0,5)

    - 500 EUR

    Bereicherung

    199.500 EUR

    ./. Freibetrag Steuerklasse II (§ 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG)

    - 20.000 EUR

    steuerpflichtiger Erwerb

    179.500 EUR

    Schenkungsteuer bei Steuerklasse II = 20 % (§ 19 ErbStG)

    35.900 EUR

    für zwei Erwerbe

    71.800 EUR

     

    Anmerkungen:

     

    • Aus Vereinfachungsgründen sind im Zusammenhang mit der Ausführung der Schenkung anfallende Erwerbsnebenkosten (z. B. für Notar, Grundbuch oder Handelsregister) unbeschränkt abzugsfähig. Rechtsberatungskosten im Vorfeld einer Schenkung sind nach R E 7.4 Abs. 4 ErbStR hingegen keine abzugsfähigen Erwerbsnebenkosten. Demzufolge wurden sie bei der obigen Berechnung nicht berücksichtigt.

     

    • Vorerwerbe von dem künftigen Erblasser (laut Sachverhalt die Geldschenkung in 2014) sind nicht nach § 14 ErbStG hinzuzurechnen, weil der Verzichtende die Abfindung nicht vom künftigen Erblasser, sondern von dem anderen gesetzlichen Erben erhält. Es fehlt an der von § 14 Abs. 1 S. 1 ErbStG vorausgesetzten Personengleichheit (BFH 10.5.17, II R 25/15).
     

    FAZIT | Der BFH behandelt den Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung vor und nach dem Erbfall nicht mehr identisch. Die geänderte Rechtsprechung führt bei Pflichtteilsverzichten zwischen Geschwistern gegen Abfindung, die noch zu Lebzeiten des Erblassers vereinbart werden, im Regelfall zu einer höheren Steuerbelastung, als bei einer Vereinbarung nach dem Erbfall. So ist bei einer Vereinbarung zu Lebzeiten die Steuerklasse II anzuwenden. Erfolgt die Vereinbarung hingegen nach dem Erbfall, ist die günstige Steuerklasse I maßgebend, wenn es sich bei dem Verstorbenen um ein Elternteil handelt. Allerdings werden dann auch die Schenkungen, die der Elternteil in den zehn Jahren vor seinem Tod an das Kind erbracht hat, nach § 14 ErbStG hinzugerechnet.

     

    Weiterführender Hinweis

    Quelle: Ausgabe 01 / 2018 | Seite 13 | ID 44993746