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  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    Umsetzung der Quick-Fixes bei innergemeinschaftlichen Reihengeschäften

    | Mit dem Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (BGBl I 19, 2451) erfolgte die nationale Umsetzung der EU-Vorgaben für ein einheitliches Mehrwertsteuersystem (sogenannte Quick Fixes) zum 1.1.20. In diesem Zuge wurden auch die Regelungen zum Reihengeschäft neu gefasst (§ 3 Abs. 6a UStG). Dass die neue Rechtslage mehr Rechtssicherheit bietet, verdeutlicht der praktische Fall. |

    1. Sachverhalt

    Die Müller Bohrmaschinen GmbH mit Sitz in München produziert Bohrmaschinen für Baumärkte in ganz Europa. Um die Gesellschaft vor eventuellen Produkthaftungs- und Patentklagen zu schützen, vertreibt sie die Bohrmaschinen über eine eigene Vertriebsgesellschaft.

     

     

    Der Alleingesellschafter der beiden GmbHs (P. Müller) möchte von seinem StB wissen, welche konkreten Auswirkungen die neuen Quick-Fixes auf sein Vertriebsmodell haben.

    2. Lösung

    Der StB stellt zunächst die neue Rechtslage bei Reihengeschäften vor. Dabei weist er insbesondere auf die gestiegene Bedeutung der USt-ID-Nr. hin.

     

    2.1 Harmonisierung der Reihengeschäfte

    P. Müller nutzt bei seinem Vertriebsmodell die Regelungen zu umsatzsteuerlichen Reihengeschäften. Ein Reihengeschäft liegt vor, wenn mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte abschließen und dieser Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer gelangt (§ 3 Abs. 6a S. 1 UStG).

     

    Das „Problem“ bei umsatzsteuerlichen Reihengeschäften ist, dass lediglich eine Lieferung in der Kette die bewegte Lieferung darstellen kann. Nur diese Lieferung kann eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung sein.

     

    P. Müller sollte bei der Gestaltung seiner Reihengeschäfte sicherstellen, dass die zweite Lieferung die bewegte Lieferung ist. Denn so kann er eine umsatzsteuerliche Registrierung im Ausland vermeiden. Dass dann die erste Lieferung eine unbewegte und somit in Deutschland steuerbare Lieferung darstellt, ist unproblematisch, da die Müller Vertriebs-GmbH für die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer vorsteuerabzugsberechtigt ist.

     

     

    Nicht ausdrücklich in dem neuen Art. 36a MwStSystRL geregelt sind die Fälle, in denen der erste oder der letzte Unternehmer die Gegenstände befördert. Der deutsche Gesetzgeber hat ‒ im Sinne der bisherigen Sichtweise ‒ hierzu in § 3 Abs. 6a S. 2 und S. 3 UStG Folgendes aufgeführt:

     

    • Wird der Gegenstand der Lieferung durch den ersten Unternehmer in der Reihe befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen.

     

    • Wird der Gegenstand der Lieferung durch den letzten Abnehmer befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen.

     

    Bezogen auf den Sachverhalt hat das folgende Auswirkungen:

     

    • Müssen die Baumärkte die Bohrmaschinen in München selbst abholen (Lieferkondition: ab Werk), ist die zweite Lieferung die bewegte Lieferung.

     

    • Bei einer Lieferung „frei Haus“ kann das angestrebte Ziel zumindest dann nicht erreicht werden, wenn der erste Unternehmer in der Kette den Transport übernimmt. Würde also die Müller Bohrmaschinen GmbH die Kosten und Risiken des Transports tragen, müsste sich die Müller Vertriebs-GmbH im europäischen Ausland registrieren lassen und ausländische Umsatzsteuer abführen. Eine ruhende Lieferung, die der bewegten Lieferung folgt, gilt nämlich dort als ausgeführt, wo sich der Gegenstand am Ende der Beförderung befindet (§ 3 Abs. 7 Nr. 2 UStG).

     

    Verlangen die Baumärkte eine Lieferung „frei Haus“, sollte die Vertriebsgesellschaft ‒ als mittlerer Unternehmer ‒ den Transport übernehmen. Zwar ist auch hier die erste Lieferung grundsätzlich die bewegte Lieferung. Der mittlere Unternehmer (bzw. jetzt gesetzlich als Zwischenhändler bezeichnet) kann aber nachweisen, dass er als Lieferer transportiert hat ‒ und dann würde die zweite Lieferung als bewegte Lieferung gelten.

     

    Beachten Sie | Bislang bestanden bei diesem Nachweis jedoch einige Unsicherheiten. Denn eine gesetzliche Regelung existierte nicht. Zudem stellte die deutsche Finanzverwaltung in A 3.14 Abs. 9 und Abs. 10 UStAE eine komplizierte Gesamtbetrachtung anhand der Lieferkonditionen (Tragung des Warenuntergangsrisikos) und der USt-ID-Nr. an.

     

    Durch die gesetzliche Neuregelung besteht nun Rechtssicherheit. Denn durch Art. 36a MwStSystRL wurde die Zuordnung der Warenbewegung für die Fälle geregelt, in denen der mittlere Unternehmer (Zwischenhändler) befördert oder versendet. Die unionsrechtlichen Vorgaben wurden durch den neuen § 3 Abs. 6a UStG umgesetzt: Für Lieferungen, die der mittlere Unternehmer durchführt, gilt zwar weiterhin zunächst die Vermutung, dass die Lieferung an ihn die bewegte Lieferung ist. Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden, indem der mittlere Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine USt-ID-Nr. des Abgangsmitgliedstaats verwendet (§ 3 Abs. 6a S. 4 und S. 5 UStG).

     

    Tritt die Müller Vertriebs-GmbH also gegenüber der Müller Bohrmaschinen GmbH mit ihrer deutschen USt-ID-Nr. auf, ist das gewünschte Ziel (bewegte Lieferung der Vertriebsgesellschaft) erreicht.

     

    MERKE | Bei Reihengeschäften in das/aus dem Drittland besteht leider weiterhin keine Rechtssicherheit. Durch die Regelung in § 3 Abs. 6a S. 6 und S. 7 UStG ist zwar auch in diesen Fällen die gewünschte Konstellation abbildbar. Fraglich ist jedoch, ob die Gesetzgebung im jeweiligen Drittland eine analoge Regelung vorsieht.

     

    2.2 Bedeutung von USt-ID-Nr. und Zusammenfassender Meldung

    Die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen wird durch die Neuregelung in Art. 138 MwStSystRL nur noch gewährt, wenn der Lieferer die gültige USt-ID-Nr. des Abnehmers in seiner Zusammenfassenden Meldung angibt. Entsprechend sieht auch § 4 Nr. 1b i. V. mit § 6a UStG eine Ausdehnung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen vor.

     

    PRAXISTIPP | Da eine gültige USt-ID-Nr. verlangt wird, sollten regelmäßig qualifizierte Abfragen beim Bundeszentralamt für Steuern bezüglich der Gültigkeit der mitgeteilten USt-ID-Nr. vorgenommen werden.

     
    Quelle: Ausgabe 04 / 2020 | Seite 64 | ID 46376330